amt der steiermärkischen landesregierung

 

 

 

 

 

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è Jugend, Frauen, Familie

    und Generationen

                                                                   

kinder+jugendanwaltschaft

Bearbeiter: MMag. Martin Knopper
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GZ:

Kija-FamReÄmdG/2008-1

     

     

Graz, am 17. Juni 2008

 

Ggst.:

 Begutachtung

 Entwurf Familienrechtsänderungsgesetz 2008

 BMJ-B4.000/0017-I 1/2008

 


 

 

Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Unterhaltsvorschussgesetz, das Urheberrechtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Privatstiftungsgesetz, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung, das Tilgungsgesetz und das Familienberatungsförderungsgesetz geändert werden (Familienrechts-Änderungsgesetz 2008 – FamRÄG 2008)

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark möchten wir zum vorgelegten Entwurf des Familienrechtsänderungsgesetzes 2008 wie folgt Stellung nehmen:

 

 

Dass nunmehr ein Stiefelternteil seinen Ehegatten im Rahmen der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen und ihn zu vertreten hat, so der vorgeschlagene neue Abs 3 von § 90 ABGB, ist grundsätzlich zu befürworten.

 

Ebenfalls befürwortet wird der neue Abs 4 von § 137 ABGB, der eine Beistandspflicht (Verantwortung) eines Erwachsenen und damit eine gesetzliche Aufsichtspflicht bzw. Garantenstellung gegenüber den Kindern seines Lebensgefährten bzw. Ehepartners normiert.

 

Kritisch gesehen wird allerdings der unbestimmte Gesetzesbegriff „wenn es die Umstände erfordern“ im geplanten neuen Abs 3 von § 90 ABGB.

 

 

 

 

Art 3 Abs 1 UN-Kinderrechtekonvention (KRK) normiert, dass das Wohl des Kindes oberste Leitlinie zu sein hat: „Bei allen Maßnahmen, gleichviel ob sie von … oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“

 

Noch einschlägiger in Bezug auf die Obsorge bzw. Pflege und Erziehung von Kindern und Jugendlichen ist Art 3 Abs 2 KRK: „Die Vertragsstaaten verpflichten sich, dem Kind unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten seiner Eltern, seines Vormunds oder anderer für das Kind gesetzlich verantwortlicher Personen den Schutz und die Fürsorge zu gewährleisten, die zu seinem Wohlergehen notwendig sind; zu diesem Zweck treffen sie alle geeigneten Gesetzgebungs- und Verwaltungsmaßnahmen.“

 

In diesem Sinne wird die geplante neue Beratungspflicht vor einer einvernehmlichen Scheidung (v.a. neuer Abs 4 von § 93 AußStrG) grundsätzlich befürwortet. Aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark wird dazu bemerkt, dass Familienberatungsstellen nicht nur zur juristischen, sondern insbesondere auch zur psychosozialen Komponente von Trennungen bzw. Scheidungen einen kompetenten Zugang haben. Daher wird die Chance gesehen, dass dadurch im Zuge dieser Beratungen dem Wohl des Kindes besonderes Augenmerk geschenkt werden kann.

 

Eine entsprechende legistische Normierung dahingehend, dass auch das Wohl des Kindes im Rahmen dieser Beratungen Gegenstand zu sein hat, wird allerdings im Abs 4 von § 93 AußStrG vermisst und wäre daher noch im Sinne von § 3 Abs 1 und 2 KRK nachzuholen, sprechen doch die Erläuterungen zu § 93 Abs 4 AußStrG explizit davon, dass „Scheidungsvergleiche“ zu einem wesentlichen Teil den hauptsächlichen Aufenthalt von Kindern oder die Obsorge, die Ausübung des Rechtes auf persönlichen Verkehr und die Unterhaltspflicht gegenüber den gemeinsamen Kindern zum Inhalt haben; also alles Regelungen, die für das Wohl des Kindes von grundlegendster Bedeutung sind!

 

In diesem Sine wären auch die neue Fassung von Z 6a von § 460 ZPO sowie die neue Z 6b leg. cit. zu ergänzen.

 

 

Die Neuregelungen im Rahmen des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG) werden fast ausschließlich befürwortet. Insbesondere trifft dies zu auf die erleichterten (Anspruchs-) Voraussetzungen für die Gewährung von Unterhaltsvorschuss (§ 3 Z 2, § 4 Z 5, § 7 Abs 1 Z 1 und Abs 2), die Ausdehnung der Gewährungsdauer von 3 auf 5 Jahre (§ 8), die Streichung des Kostenersatzes (§ 10a UVG), die Anerkennung von einstweiligen Verfügungen als unterhaltsvorschussberechtigender Titel (§ 19 Abs 3), die Klarstellung von Rückzahlungsverpflichtungen (§ 22).

 

Wenn auch § 6 Abs 2 UVG für Kinder von 0 bis 6 Jahren eine Erhöhung von Unterhaltsvorschüssen vorsieht, so werden für Kinder zwischen 14 und 18 Jahren Verminderungen vorgesehen. Wenn die Erläuterungen davon sprechen, dass damit eine Angleichung an den sog. „Regelbedarf“ erfolgt, so ist dies nur für Unterhaltsberechtigte zwischen 0 und 6 Jahren richtig. Für Unterhaltsberechtigte zwischen 14 und 18 Jahren ergibt sich eine eindeutige Schlechterstellung und wird daher ausdrücklich abgelehnt! Folgender Überblick dazu:

 

 

 

 

 

Richtsätze Unterh.-Vorschuss (§ 4 Z 2, Z 3 UVG)

Bemessungsgrundlage für 2008: EUR 488,24

 

bisher

Entwurf

Differenz

00-06 Jahre

25%

€ 123

40%

€ 195

59%

€ 72

06-14 Jahre

50%

€ 245

50%

€ 245

0%

€ 0

14-18 Jahre

75%

€ 367

65%

€ 317

-14%

-€ 50

 

 

 

Richtsatz UVG

Regelbedarf 2007/2008

bisher

Entwurf

(01.07. - 30.06.)

Betrag

Diff. zu Regelb.

Betrag

Diff. zu
Regelb.

00-03 Jahre

€ 170

€ 125

-€ 45

-26%

€ 195

€ 25

15%

03-06 Jahre

€ 217

€ 125

-€ 92

-42%

€ 195

-€ 22

-10%

06-10 Jahre

€ 280

€ 245

-€ 35

-13%

€ 245

-€ 35

-13%

10-15 Jahre

€ 321

€ 245

-€ 76

-24%

€ 245

-€ 76

-24%

15-19 Jahre

€ 377

€ 367

-€ 10

-3%

€ 317

-€ 60

-16%

19-28 Jahre

€ 474

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Wenn der Gesetzgeber die Regelungen im Rahmen von § 6 UVG der Rechtsprechung (Regelbedarf) anpasst, sollte er demnach einerseits zumindest keine Schlechterstellungen gegenüber der bisherigen Situation vorsehen, andererseits aber auch die Altersgruppen im Rahmen des UVG den Regelbedarfs-Altersgruppen angleichen.

 

 

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark empfiehlt daher, das Prinzip der UN-Kinderrechtskonvention das Wohl des Kindes (insbesondere im Zusammenhang mit Recht des Kindes auf beide Eltern) besonders zu beachten, als auch das Prinzip der Nicht-Diskriminierung (insbesondere im Zusammenhang mit dem Regelbedarf) ohne Einschränkung nachzukommen.

 

Wir freuen uns, über eine Berücksichtigung unserer Empfehlungen und verbleiben mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Mag. Christian Theiss                                               MMag. Martin Knopper