GZ:  BMJ-B4.000/0017-I 1/2008

 

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zum Entwurf zum Familienrechts-Änderungsgesetz 2008

(FamRÄG 2008)

 

 

Allgemeines:

 

Insoweit mit dem vorliegenden Entwurf Regelungen von Rechten und Pflichten im Bereich der sog. „Patchworkfamilien“ getroffen werden, ist dies den aktuellen Situationen im Bereich des modernen Familienlebens durchaus adäquat. Zweckmäßig erscheinen in diesem Zusammenhang insbesondere diejenigen Bestimmungen, welche die Rechte des Stiefeltern-teils normieren. Diesen Rechten werden jedoch auch Pflichten gegenübergestellt, was ebenfalls wünschenswert und konsequent ist. Allerdings sind diejenigen Bestimmungen über die Pflichten des Stiefelternteils eher als „zahnlos“ zu betrachten, solange ein Zuwiderhandeln gegen derartige Pflichten – zumindest aus derzeitiger Sicht – keinerlei gesetzlichen Konsequenzen hat.

 

Auch die Einbeziehung der heterosexuellen Lebensgemeinschaft im Bereich einzelner Gesetze erscheint bei den gegebenen Lebensgestaltungssituationen sinnvoll. Insoweit allerdings im Bereich der Mietrechtsgesetzgebung der vorgesehene § 12 Abs. 1 MRG auch auf gleichgeschlechtliche Lebensgefährten abstellt, wäre doch anzumerken, daß mit Rücksicht auf das derzeit ebenfalls in Begutachtung befindliche Lebenspartnerschaftsgesetz zur Diskussion zu stellen ist, eine derartige Bestimmung im Bereich der mietrechtlichen Gesetzgebung diesem vorgesehenen Gesetz vorzubehalten. Überhaupt wäre eine Akkordierung der beiden Gesetzesvorhaben in diesen Bereichen sinnvoll.

 

Durchaus positiv zu beurteilen ist auch eine „Entstaubung“ antiquierter Regelungen des ABGB im Bereich der Ehepakte, insbesondere die Eliminierung von Heiratsgut, Widerlage und Beseitigung des Witwengehalts, Advitalitätsrechtes in der bisherigen geltenden Fassung.

 

Ebenso begrüßenswert ist die Aufhebung des § 117 Abs. 5 StGB als antiquiert. Gleiches gilt für die vorgesehene Änderung im Rahmen des § 282 bzw. § 465 StPO, wo in der nunmehr vorgeschlagenen Fassung eine Streichung der Rechtsmittelbefugnis zugunsten des Angeklagten durch Ehegatten und Verwandte vorgesehen ist.

 

Nicht nachvollziehbar allerdings ist die Art der Umsetzung der richtigerweise für erforderlich gehaltenen umfänglichen rechtlichen Beratung aus Anlaß einer Scheidung. Als Motiv für diese hier vorgesehene Änderung wird unzureichende rechtliche Beratung im Hinblick auf die Scheidungsfolgen und ein zusätzlicher Beratungsbedarf im Scheidungsverfahren genannt. Diesen Motiven kann nur vollinhaltlich zugestimmt werden. Wie die Praxis insbesondere im Rahmen der sog. einvernehmlichen Scheidung nach § 55a EheG zeigt, sind derartige Scheidungsvereinbarungen, welche ohne anwaltliche Beratung und Vertretung zustande gekommen sind, teilweise unvollständig, teilweise inhaltlich wegen ungenügender formell notwendiger Formulierung nicht umsetzbar und bedürfen zur Korrektur anwaltlichen Einschreitens. Es ist also in keiner Weise nachvollziehbar, warum in Kenntnis der unzulänglichen derzeitigen Situation wiederum nur mit Halbheiten (nämlich verpflichtende vorprozessuale Beratung) auf diese Mißstände reagiert wird.                         Es erscheint vielmehr absolut im Interesse von Scheidungsparteien erforderlich, einen professionellen Rechtsbeistand für das gesamte Scheidungsverfahren (also die Beiziehung von RechtsanwältInnen) zu normieren, welche dann auch die entsprechenden Haftungen zu tragen haben.

 

 

Zu den Bestimmungen im einzelnen:

 

Zu Artikel I Z. 1:

Der hier vorgesehene Abs. 3 zu § 90 ABGB wäre zweckmäßigerweise wie folgt zu formulieren:

„Jeder Ehegatte ist berechtigt und verpflichtet, dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in der angemessenen Weise beizustehen und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern.“

 

Zu Artikel I Z. 5:

Im Rahmen des hier vorgeschlagenen § 364c ABGB wird die Wirksamkeit eines vertrags-mäßigen oder letztwilligen Veräußerungs- oder Belastungsverbotes gegen Dritte auch bei einer Begründung zwischen Lebensgefährten normiert, wogegen grundsätzlich nichts einzuwenden ist. Es wird zu diesem Punkt allerdings auf die eingangs gemachten Ausführungen einer wünschenswerten Akkordierung der Gesetzesvorhaben Lebenspartner-schaftsgesetz und Familienrechts-Änderungsgesetz 2008 verwiesen. Im Entwurf Lebens-partnerschaftsgesetz ist im neu vorgeschlagenen § 364c ABGB die Aufnahme von Lebens-partnern, in der hier vorgeschlagenen Fassung des Familienrechts-Änderungsgesetzes 2008 die Aufnahme von Lebensgefährten vorgesehen.

 

Zu Artikel II Z. 2:

Die hier vorgeschlagene Formulierung des § 87 Abs. 1 EheG sieht ein Gestaltungsrecht des Gerichtes auch durch „die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zugunsten eines Ehegatten gegen ein nach Billigkeit festzusetzendes Entgelt“ vor. Dieser Formulierung ist inhärent, daß offensichtlich jedesfalls ein Entgelt festzusetzen ist, was je nach der gegebenen Situation zweifellos nicht immer rechtens sein wird. Um eine in dieser Richtung allenfalls mißverständliche Interpretation auszuschließen, wäre hier eine entsprechende Einschränkung vorzunehmen, die wie folgt lauten könnte: „… oder die Begründung eines schuldrechtlichen Rechtsverhältnisses zugunsten eines Ehegatten allenfalls gegen ein nach Billigkeit festzusetzendes Entgelt …“.

 

Zu Artikel III Z. 1:

Die hier vorgesehenen Erleichterungen für die Vorschußgewährung nach dem Unterhalts-vorschußgesetz sind im Interesse des Unterhaltsberechtigten zu begrüßen. Insoweit hier allerdings vorgesehen ist, daß bereits die Kopie eines Exekutionsantrages nach § 294a EO ausreicht, ist dem entgegenzuhalten, daß sinnvollerweise wohl nicht die Kopie des Antrages, sondern wohl bereits die Kopie des Exekutionsbewilligungsbeschlusses nach § 294a EO erforderlich sein sollte.

 

Zu Artikel III Z. 13:

Meinem Dafürhalten nach erscheint die im vorgeschlagenen Abs. 2 des § 22 hilfsweise normierte Rückzahlungsverpflichtung des Kindes bei etwas kritischerer Betrachtung unpassend. Eine derartige hilfsweise Rückzahlungsverpflichtung des Kindes wird schon von den Voraussetzungen her kaum je gegeben sein. Auch die Umsetzung dieser Rückzahlungs-verpflichtung wird kaum effektuierbar sein.

Zu Artikel V (Änderung des Mietrechtsgesetzes):

Hier ist im § 12 Abs. 1 die Aufnahme von „verschieden- oder gleichgeschlechtlichen Lebens-gefährten“ vorgesehen. Hier wird wiederum auf die eingangs gemachten Ausführungen einer sinnvollerweise zu erfolgenden Akkordierung mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz verwiesen. Im Rahmen des gegenständlichen Gesetzesentwurfs ist lediglich in diesem Bereich von „gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten“ die Rede, im Artikel IV des Entwurfs des Lebens-partnerschaftsgesetzes ist bereits der „Lebenspartner“ (= gleichgeschlechtlicher Lebens-gefährte) normiert.

 

Zu Artikel VIII Z. 2 (Änderung des § 460 ZPO):

Hier wird auf die eingangs gemachten Ausführungen verwiesen, wonach dem Interesse von Scheidungsparteien zweifellos besser gedient ist, wenn diese nicht nur im Vorfeld eine allgemeine Beratung erhalten, sondern normiert wird, daß sie sich im gesamten Verfahren eines Rechtsbeistandes zu bedienen haben.

 

Zu Artikel IX Z. 1:

Der hier vorgesehene Abs. 3 des § 90 AußStrG fordert, daß das Gericht auf geeignete Weise zu ermitteln hätte, ob die Annahme dem Wohl des minderjährigen Wahlkindes entspräche.  Zu diesem Zwecke hätte es auch eine Auskunft aus dem Strafregister hinsichtlich der Wahleltern und gegebenenfalls auch ihres engen familiären Umkreises einzuholen. Es erschiene im Interesse Minderjähriger jedesfalls auch angebracht, bei Obsorgeentscheidungen oder Besuchsrechtsregelungen zum Wohle eines Minderjährigen vorsorglich auch gegebenen-falls Strafregisterauskünfte hinsichtlich des engen familiären Umfeldes vorzusehen.

 

Zu Artikel IX Z. 3:

Hinsichtlich der hier auch im Außerstreitgesetz vorgesehenen Bestimmung über die Vorlage einer Bestätigung über eine in Anspruch genommene Beratung vor dem Scheidungsantrag wird nochmals auf die obigen Ausführungen verwiesen.

 

 

 

Wien, am 18.6.2008                                                             Dr. Hildegard Hartung

      Rechtsanwältin

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         ELEONORE HAUER-RONA, Vorsitzende

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