An das

Bundesministerium für Justiz

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

 

Linz, 23.06.2008

 

 

 

Stellungnahme zum Entwurf des Familienrechts-Änderungsgesetz 2008

 

Zum Thema Stiefeltern:

 

Der Entwurf sieht vor, dass die eheliche Beistandspflicht dahingehend erweitert werden soll, dass der Stiefelternteil den Obsorgeberechtigten bezüglich Ausübung der Obsorge angemessen unterstützen muss.

Weiters soll auch der Stiefelternteil den Obsorgeberechtigten vertreten können, wenn es die Umstände erfordern.

 

Aufgrund 8-jähriger Beratungserfahrung im Bereich des Familienrechts sowohl im autonomen Frauenzentrum, als Familienberaterin am Bezirksgericht als auch in Beratungsstellen des Magistrats und der dadurch gesammelten Praxis blieben mE wesentliche Punkte in der geplanten Regelung unberücksichtigt.

 

Ø         Der Bedarf an einer gesetzlichen Verankerung überrascht, weil von Elternteilen ganz selten das Thema „Stiefeltern und deren Rechte/Pflichten“ zur Diskussion gestellt wird.

           

Ich erlebe die Obsorgeangelegenheiten immer ganz klar als Aufgabe der Eltern und der Fokus der KlientInnen bei Beratungen liegt selten bei den Stiefeltern. Ein Wunsch, dass der Stiefelternteil vermehrt in die Erziehung bzw. Mitbestimmung eingreifen soll, konnte bislang nicht als Bedarf festgestellt werden.

           

Die Möglichkeit der Vollmachtserteilung stellte bis dato eine ausreichende Regelung dar.

 

 

Ø         Menschen mit Obsorgefragen stehen vielmehr unter dem Stress, dass sie nichts an ihren Rechten und Pflichten verlieren, dass die Verantwortung bei ihnen bleibt.

 

            Es lässt sich immer wieder beobachten, dass Eltern mit der Angst kämpfen, die Kinder an den neuen Partner/die neue Partnerin des anderen Elternteils zu verlieren. Deshalb wird bei der Entscheidungsfindung nach wie vor zwischen Alleinobsorge und Obsorge beider Eltern hin- und hergeschwankt.

 

            Dass die Eltern neue Partner zu akzeptieren haben ist eine Sache. Dass sie jedoch auch akzeptieren müssen, dass diese einzelne Vertretungshandlungen übernehmen können, ist eine andere.

            Mit der neuen Regelung ist zu befürchten, dass die Alleinobsorge wieder mehr Thema werden wird. Denn wenn zukünftig in der Rechtsberatung dass Thema Beistand neuer Partner zu besprechen ist, wird sich auch der Widerstand regen (praktische Beispiele untermauern bereits diese Befürchtung).

 

            Dies kann wiederum zu Lasten der Väter gehen, denn zumeist sind die Kinder bei den Müttern. Und wenn ein Teil die Obsorge beider Eltern ablehnt, wird es wohl wie gehabt zur Alleinobsorge der Mutter kommen.

 

            Das Ergebnis könnte dann so aussehen: Die/Der Alleinobsorgeberechtigte kann dem Stiefelternteil Vertretung bei Bedarf übergeben. An den leiblichen Elternteil wird erst gar nicht mehr gedacht.

 

            Der Nichtobsorgeberechtigte ist durch die Abgabe der Obsorge bereits auf seine Mindestrechte gegenüber den Kindern gekürzt.

Bislang sahen sich viele nur als Zahler und abhängig von der obsorgeberechtigten Person bezüglich Besuchskontakt. Zu wissen, dass ein fremder Mensch mehr in die Pflege/Erziehung/Vertretung einbezogen werden kann als der/die Nichtobsorge-berechtigte ist eine weitere Frustration und kann dazu führen, dass die Motivation, die Kinder regelmäßig zu sehen, noch weniger wird.

Das widerspricht ganz klar dem Wohl des Kindes.

 


 

Zum Zeitpunkt von Trennung oder Scheidung arbeiten wir zumeist mit Menschen, die gekränkt, wütend, ängstlich aus einer Beziehung gehen. In diesem Stadium ersieht selten ein Elternteil den Vorteil von dieser neuen Regelung.

 

            In diesem Zusammenhang sind die Zerrüttungsgründe nicht außer Acht zu lassen. Der Schwerpunkt der Scheidungsgründe liegt laut unserer Statistik in außerehelichen Beziehungen. Und genau diese/r EhestörerIn soll für das eigene Kind vertreten dürfen?

 

            ! Alleinobsorge verhindert die Beistandspflicht von Stiefeltern. Ein wesentlicher Schritt der Reform 2001, nämlich die Obsorge beider Eltern zu fördern, kann ins Wanken gebracht werden.

 

 

Ø         Weiters stellen sich Bedenken bezüglich der Verantwortlichkeit der Obsorgeberechtigten ein.

 

            Die Kommunikationsstruktur wird sich verlagern. Im täglichen Leben sollte ja, wenn dem einen Elterteil ein wichtiger Termin dazwischenkommt, eine Absprache mit dem anderen Elternteil bezüglich Übernahme der Betreuung, Abholung von Kindergarten, Schule möglich sein. Außer die Eltern leben weit auseinander.

            Normalerweise ist für Zwischenfälle der andere Elternteil zuständig und nicht die/der neue PartnerIn. Dass es in der Praxis teilweise so gehandhabt wird, dass ev. der Stiefelternteil einspringt, ist in Ordnung – steht jedoch immer noch dem Stiefelternteil frei.

 

            Mit der geplanten Regelung wird nun der Stiefelternteil vermehrt in die Pflicht genommen, schon aus praktischen Gründen gut vorstellbar – eben angemessen beizustehen – und der andere Elternteil wird automatisch weniger in die Pflicht genommen werden. Die Verantwortung wird verschoben.

 

                        UND der Stiefelternteil, der sich verehelicht, wird ex lege dazu verpflichtet. Es besteht keine Freiheit der Wahl.

 

UND der Stiefelternteil muss mit dem Risiko leben, sollte es zu einer Scheidung kommen, dass ihm eine mangelhafte Unterstützung als Eheverfehlung vorgeworfen werden kann. Die gesetzliche Definition lässt einen weiten Auslegungsspielraum zu.

           

Das alles unter den Begriff Beistandspflicht und Kindeswohl hineinzuverpacken widerspricht einer gleichberechtigten Partnerschaft.

 

 

Ø         § 137/2 ABGB spricht ganz klar von der Eltern-Kind-Beziehung:

            „Eltern und Kinder haben einander beizustehen, die Kinder ihren Eltern Achtung entgegenzubringen.“

 

            Der neue geplante § 137/3 ABGB besagt:

            „Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern.“

           

Kein Wort, dass vielleicht obige Beistandspflicht/Achtung der fremden Kinder gegenüber dem Stiefelternteil ebenso Beachtung finden sollte.

            Was zeigt der Gesetzgeber hier eigentlich auf an Unterscheidung? 

 

Wieso gibt es hier keine Angleichung, dass nämlich sehr wohl, und gerade der Stiefelternteil, der in eine fremde Familienstruktur hineinwachsen muss, ebenso das Recht hat, von den Kindern geachtet zu werden und Anspruch auf Beistand hat? Warum wird der Absatz 2 nicht geändert?

 

Vorschlag:

Stiefeleltern und Stiefkinder haben einander ebenso beizustehen, die Stiefkinder den Stiefeltern Achtung entgegenzubringen.

 

 

Ø         Der Entwurf liest sich als diskriminierende Bestimmung für den Stiefelternteil. Denn einige wesentliche Punkte bleiben scheinbar unberücksichtigt:

 

1.    Nicht jede Patchworkfamilie hat die Kinder gesamt bei sich und nicht jede Patchworkfamilie besteht aus Kindern von beiden Seiten, wo ev. dadurch ein Ausgleich stattfindet.


 

2.    Die Person, die in eine „Halbfamilie“ hinzustößt, ist auf mehreren Ebenen gefordert:

 

Ø   Kinder stehen an 1. Stelle, d. h. Abstriche sind zugunsten der Kinder, die nicht die eigenen sind, zu machen

Ø   Raum ist zu teilen

Ø  Freizeit unterliegt einer anderen Gestaltung als nur mit dem Partner

Ø  der Stiefelternteil finanziert die Kinder zu einem gewissen Grad mit

Ø  Rücksicht ist 1. Gebot, i. S. v. sich zurücknehmen müssen, verzichten

Ø  die Partnerschaft unterliegt anderen Anforderungen

 

Für Kinder Verantwortung zu übernehmen kann von Menschen, die sich zu einer derartigen Partnerschaft entscheiden, vorausgesetzt werden. Diese Entscheidungs-freiheit liegt jedoch bei der einzelnen Person und sollte dort verbleiben.

 

Dass man auf Kinder Acht gibt, sollte ebenso generell vorausgesetzt werden können. Passiert trotzdem etwas, so finden sich im bürgerlichen Recht Bestimmungen über Aufsichtspflichtverletzungen.

 

 

Ø         In diesem Entwurf wird keine Rücksicht auf den Stiefelternteil genommen.

 

                        WO hat der Stiefelternteil ein Recht?

Dem Entwurf ist kein Anspruch zu entnehmen, außer die Gefahr, im Strafverfahren als Garant eingestuft zu werden.

 

Sollte es zu einer Scheidung kommen, wie weit kann der Stiefelternteil finanzielle Abgeltung für die Leistungen fordern, die sie/er gegenüber den Kindern erbracht hat?

 

 

Abschließend möchte ich feststellen, dass es an einer Bedarfserhebung fehlt. Besteht überhaupt der Wunsch an einer solchen gesetzlichen Normierung?

Eine derartige Erhebung wäre bei Beratungen in Familienberatungsstellen und bei Beratungen an den Bezirksgerichten möglich und sinnvoll.

 

 


 

 

Zum Thema verpflichtende Scheidungsberatung:

Diesbezüglich schließen wir uns den Ausführungen des Netzwerkes österreichischer Frauen- und Mädchenberatungsstellen und der Stellungnahme des Familienbundes an.

 

Wir danken für die Bearbeitung und Berücksichtigung und verbleiben mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

DSA Maga. Astrid Schinnerl                                                 

Juristin, Sozialarbeiterin

f. d. aFz                                                        

 

 

 

Im Namen von: