Stellungnahme

abgegeben vom

Zentrum für Ehe- und Familienfragen

Anichstraße 24, 6020 Innsbruck

 

 

als geförderte Familienberatungsstelle im Sinne des Familienberatungsförderungs-gesetzes.

 

Begutachtete Gesetzesmaterie:

Familienrechts-Änderungsgesetz 2008

 

 

Grundsätzliche Überlegungen:

Die zwingende Beratungspflicht vor einer Scheidung, wenn die Parteien im Scheidungsverfahren nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, wird grundsätzlich positiv gesehen. Das Zentrum für Ehe- und Familienfragen stimmt dem Anliegen zu, Menschen vor einer Scheidung eine Rechtsberatung zukommen zu lassen, sofern sie unvertreten sind.

 

Vorweg wird aber festgehalten, dass das Zentrum für Ehe- und Familienfragen bereits jetzt im Rahmen der Rechtsberatung rechtliche Orientierungsgespräche anbietet, um Menschen in Scheidungssituationen bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

 

 

Zur prinzipiellen Kritik am Gesetzesvorhaben:

Durch das Gesetzesvorhaben wird nunmehr die Beratungspflicht zu Rechtsanwälten, Notaren und geförderten Familienberatungsstellen verlegt, die in weiterer Folge eine Beratungsbestätigung auszustellen haben.

 

Damit erfolgt eine Entlastung der Amtstage der Gerichte, die in diesem Gesetzesvorhaben überhaupt nicht berücksichtigt werden.

 

Es ist aber grundsätzlich positiv, dass die Beratung nicht nur durch Rechtsanwälte und Notare erfolgen kann, sondern auch durch geförderte Familienberatungsstellen, womit einkommensschwachen Personen eine Beratungsmöglichkeit eröffnet wird.

 

Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, warum eine derartige Beratung nicht auch im Rahmen des Amtstages erfolgen kann.

 

Problematisch erscheint, dass die Höhe der mit Verordnung festzusetzenden Kostenbeiträge für eine derartige Beratung in einer Familieberatungsstelle noch nicht feststehen, womit eine seriöse Kalkulation des zu erwartenden Aufwandes nicht möglich ist und die Frage der Kostendeckung nicht einmal annähernd beurteilt werden kann.

 

 

Zu erwartende Probleme aus dem Gesetzesvorhaben:

·      Die Verschwiegenheitsverpflichtung der juristischen BeraterInnen besteht nur gegenüber der Beratungsstelle, es wurde im Gesetz aber kein „Aussageverweigerungsrecht“ gegenüber Gerichten berücksichtigt, wie dies etwa bei MediatorInnen oder PsychotherapeutInnen vorgesehen ist.

Hier ist zu erwarten, dass bei einer (zulässigen) Beratung beider Parteien etwa später in einem Aufteilungsverfahren BeraterInnen einer Beratungsstelle in einem gerichtlichen Verfahren darüber aussagen müssen, welche der Aufteilung unterfallenden Vermögensgegenstände zB Bankguthaben in der Beratung genannt wurden.

 

·      Eine weitere Problematik stellt die Kollision der namentlich zu dokumentierenden Beratung mit der verpflichtenden Anonymität an geförderten Familienberatungsstellen dar. Familienberatungsstellen sollen eine niederschwellige Anlaufstelle zur Abdeckung eines akuten Beratungsbedarfs bieten, dieses Vorhaben wird durch die Aufhebung der Anonymität unterwandert.

 

·      Allein schon aus haftungsrechtlichen Gründen ist über die erfolgte Beratung eine umfangreiche Dokumentation zu erstellen. Das Zentrum für Ehe- und Familienfragen verfügt nicht über eine derartige Infrastruktur, dass derartige Dokumentationen im Sekretariat nach Diktat geschrieben werden können. Sollten die BeraterInnen diese Dokumentationen selbst schreiben müssen, wäre mit einer Verdoppelung der Bearbeitungszeit eines Aktes zu rechnen. Dieser Aufwand ist nicht finanzierbar.

 

·      Für die BeraterInnen wird nunmehr eine verpflichtende Haftpflichtversicherung vorgesehen, wobei offen ist, wen dafür die Kosten treffen.

Sollte es nicht möglich sein, eine Beratungshaftpflicht zB über einen Dachverband österreichweit abzuschließen, wäre eine private Beraterhaftpflicht für die einzelnen Berater nicht zu finanzieren. Ebenso wenig könnte das Zentrum für Ehe- und Familienfragen (mangels Budgetposten) für eine derartige Haftpflichtversicherung aufkommen. Die Übernahme dieser gesetzlich vorgesehenen Beratungen könnte damit die wirtschaftliche Existenz von Familienberatungsstellen in Frage stellen.

 

Es ist dabei auch zu berücksichtigen, dass eine entgeltliche Leistung angeboten wird, dies mit allen Folgen der §§ 1295 ff. ABGB. Dieser Beratungsvertrag kommt mit dem Zentrum für Ehe- und Familienfragen zustande und nicht mit den einzelnen BeraterInnen. Im Gesetz ist vorgesehen, dass die BeraterInnen haftpflichtversichert sein müssen.

Aufgrund des Beratungsvertrages würde aber das Zentrum für Ehe- und Familienfragen als anbietende Stelle und damit Vertragspartner des Beratungssuchenden passiv legitimiert sein. Hier müsste grundsätzlich diskutiert werden, wen die gesetzliche Verpflichtung, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, treffen soll.

 

·      Die erläuternden Bemerkungen gehen von einem Beratungsaufwand von einer Stunde pro Person aus. Gefordert wird eine konkrete, umfassende Beratung über alle Scheidungsfolgen, insbesondere sozialversicherungsrechtliche Folgen und über die Haftung für Kredite.

 

Dies ist im Zuge einer einstündigen Beratung nicht zu gewährleisten.

 

Der Beratungsaufwand ist in Hinblick auf nachstehende Beratungsinhalte wie folgt einzuschätzen:

 

-           persönliche Folgen der Scheidung

-           vermögensrechtliche Folgen der Scheidung – Unterhalt, Abgeltung am Erwerb, Aufteilung, erbrechtliche Folgen

-           Folgen für die minderjährigen Kinder (Obsorge, Besuchsrecht, Unterhalt, eventuell Unterhaltsvorschüsse)

-           sozialversicherungsrechtliche Folgen (in Hinblick auf ASVG, GSVG, BSVG, PensG usw.)

-           Haftung für Kredite, Erläuterung der Möglichkeit der Ausfallsbürgschaft nach § 98 EheG

-           regelmäßig auch Beurteilung der Sachlage nach ausländischen Rechtsordnungen bei Beratungswilligen mit Migrationshintergrund

-           Sonderproblematik ausländisches Sozialversicherungs- bzw. Pensionsrecht

 

In Hinblick darauf ist nicht davon auszugehen, dass eine gewissenhafte Beratung im Sinne des Gesetzgebers in einer Stunde zu gewährleisten ist, hier ist inkl. Dokumentation von einem Aufwand von drei bis vier Stunden pro Beratungsfall auszugehen.

 

·      Problematiken und Kosten können sich auch aus fehlenden oder mangelhaften Sprachkenntnissen ergeben.

In Hinblick auf die verpflichtende Beratung und die Ausstellung der Bestätigung muss gewährleistet sein, dass Beratungssuchende die Ausführungen in der Beratung auch tatsächlich verstehen. Dies kann nur über die Zuziehung eines berufsmäßigen Dolmetsch gewährleistet werden, wobei sich die Frage stellt, wer die Dolmetschkosten trägt. Nur beispielsweise ist darauf zu verweisen, dass in Tirol kein Dolmetsch für Thailändisch, Chinesisch oder afrikanische Sprachen eingetragen ist, womit ein Dolmetsch aus Wien beizuziehen wäre. Allein die Kosten für die Anreise und die Abgeltung des Zeitverlustes des Dolmetsch beträgt mehrere € 100,00.

 

·      Problematisch erscheint auch die Beratung beider Ehegatten. Hier sind Konflikt- und Kollisionsfälle denkbar, gerade bei unterhaltsrechtlichen Erläuterungen muss die Verschuldensfrage zwingend angesprochen werden. Wie ist mit den wechselseitigen Standpunkten umzugehen, inwieweit besteht eine Wahrheitsverpflichtung eines der beiden Beratungswilligen, besteht hier unter Umständen die Gefahr der Selbstbezichtigung und der Preisgabe von nachteiligen Informationen?

Anders gefragt: Besteht die Gefahr der unzureichenden Beratung oder der Interessenskollision, wenn unvertretene Parteien erstmalig in der Beratung mit juristischen Fragstellungen konfrontiert werden, die oftmals vorher nie ausgesprochen wurden. Hier wäre es sinnvoll, die Doppelberatung auszuschließen.

 

·      Ungeklärt ist auch, ob besonders beratungsintensive und kostspielige Beratungen (Beiziehung eines Dolmetsch, umfangreiche Recherche ausländischen Sozialversicherungs- oder Eherechtes) abgelehnt werden dürfen. Besteht ein Rechtsanspruch auf eine Beratung bei geförderten Familienberatungsstellen?

 

 

Grundsätzliche Verbesserungswünsche:

Die oben angeführten Bedenken wollen geprüft und bei der weiteren Überarbeitung des Entwurfs zum Familienrechtsänderungsgesetz 2008 eingearbeitet werden.

Anlässlich der derzeitigen Möglichkeiten an Familienberatungsstellen ist eine günstige Haftpflichtversicherungsmöglichkeit für Familienberatungsstellen bzw. deren BeraterInnen unerlässlich.

Die Kosten für notwendige Dolmetschleistungen sollten den Familienberatungs-stellen staatlicherseits ersetzt werden.

Ebenso ist es unerlässlich den geförderten Familienberatungsstellen das Recht einzuräumen, Anfragen zu ausländischen Rechtsordnungen, insbesondere in Hinblick auf Familien-, Erb- und Sozialversicherungsrecht, inkl. Pensionsrecht, an das Bundesministerium für Justiz richten zu können, wobei das Bundesministerium für Justiz die Verpflichtung treffen sollte, binnen kurzer Frist (2 Wochen) eine rechtsverbindliche Stellungnahme abzugeben.

 

Zusammenfassend:  Aus unserer Sicht gefährdet das Vorhaben In der momentanen Form die Existenz von Familienberatungsstellen.