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                                                                                                                       Wien, 24. Juni 2008

 

Betrifft: Begutachtung Familienrechtsänderungsgesetz 2008

            Zu GZ BMJ-B4.000/0017-I 1/2008

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die Österreichische Plattform für Alleinerziehende nimmt zum Entwurf des Familienrechtsänderungsgesetzes 2008 wir folgt Stellung:

Immer mehr Kinder wachsen in so genannten neuen Familienformen wie Ein-Eltern-Familien, Lebensgemeinschaften und Patchworkfamilien auf. Die Österreichische Plattform für Alleinerziehende begrüßt daher die Intention des Gesetzesvorhabens, tatsächlich gelebte Familienformen zu unterstützen.

Dem tatsächlichen Reformbedarf wurde der Entwurf nicht gerecht. Deshalb fordert die Österreichische Plattform für Alleinerziehende eine Berücksichtigung der nachfolgend angeführten Punkte.

 

Artikel I, Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches

§ 90 Abs. 3

Die Beistandspflicht des Stiefelternteils gegenüber seinem Ehegatten im Rahmen der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder ist grundsätzlich zu begrüßen, die Formulierung „und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern“ ist zu vage und könnte auf „wenn dies wegen Gefahr in Verzug dringend erforderlich ist“ konkretisiert und eingegrenzt werden.

 

 

Artikel III, Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985

Seit Jahren ist Kindesunterhalt/Unterhaltsvorschuss ein Schwerpunktthema in der Arbeit der Österreichischen Plattform für Alleinerziehende. Schon 2002/2003 führten wir eine Befragung unter Alleinerziehenden-Familien bezüglich Kindesunterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss durch. Diese ergab, dass 17% der Befragten (= jede 6. Alleinerziehenden-Familie) weder Unterhalt noch Unterhaltsvorschuss erhalten. In allen drei darauf folgenden interministeriellen Arbeitsgruppen hat die Österreichische Plattform für Alleinerziehende ihre Forderungen nach Unterhaltssicherung für alle Kinder eingebracht.

 

Die Empfehlungen der Arbeitsgruppe Unterhaltssicherung 2007 wurden durch die Neuregelungen im Rahmen des Unterhaltsvorschussgesetzes in Bezug auf Verfahrensvereinfachungen und -beschleunigungen sowie Ausdehnung der Gewährungsdauer aufgegriffen und sind daher zu begrüßen.

 

Weitere von uns seit Jahren geforderte dringend notwendige Änderungen im Unterhaltsrecht wurden jedoch außer Acht gelassen. Der Zwischenbericht der Arbeitsgruppe Unterhaltssicherung 2006 hat bereits Lösungsvorschläge erarbeitet, die im vorliegenden Gesetzesentwurf keinen Niederschlag finden.

 

Keine Lückenschließung

Der Gesetzesentwurf  hält weiterhin nach wie vor an der strikten Koppelung von Unterhaltsvorschüssen an einen rechtskräftigen Unterhaltstitel fest. Kann der unterhaltspflichtige Elternteil unverschuldet seiner Unterhaltsverspflichtung nicht nachkommen (z.B: Krankheit), so besteht kein Unterhaltsanspruch des Kindes. Ist der Elternteil bereits verstorben und hat zu wenige pensionsbegründende  Versicherungsmonate gesammelt, hat das Kind ebenfalls keinen wie immer gearteten Anspruch.

Dies ist im Unterhaltsanspruch von Kindern die gravierendste Lücke, für diese „Lückenschließung“ spricht sich die Österreischische Plattform für Alleinerziehende bereits seit Jahren aus.

Den Erläuterungen ist zu entnehmen, dass durch die „sozialhilferechtliche Besserstellung auch die ‚Lückenfälle’ des UVG betroffen wären“. Zu berücksichtigen ist dabei, dass es kein eigenständiges Anspruchsrecht eines/r Minderjährigen gibt, sondern – wie bisher – der Anspruch auf die Sicherung der Bedarfsgemeinschaft abzielt. Hat der haushaltführende Elternteil ein Einkommen (knapp) über der Grenze des BMS-Anspruchs, so erhalten Kinder, die keinen UV erhalten, auch von dieser Seite nichts.

 

Kein Unterhaltsvorschuss bis zur Beendigung der Berufsausbildung

Durch die Herabsetzung der Volljährigkeit durch das Kindschaftsrechts-Änderungsgesetz 2001 auf das 18. Lj. endet der Unterhaltsvorschuss nun auch mit 18 Jahren, unabhängig von der Tatsache, ob der junge Mensch noch in Berufausbildung steht oder nicht. Da es bei Besuch einer höheren Schule (HAK, HBLA) nur möglich ist, eine Schulbeihilfe zu beziehen, die den tatsächlichen Lebensbedarf bei weitem nicht deckt, andererseits es aber nicht möglich ist, neben dem laufenden Schulbetrieb einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, treten hier Härtefälle auf. Im schlimmsten Fall muss  die/der Alleinerziehende den gesamten Unterhalt aufbringen. Ist dies nicht möglich, kann die Berufausbildung nicht beendet werden, was im Sinne der Armutsprävention nicht Ziel des Staates sein kann.

 

 

§ 6 (2)

Die Erhöhung der Höchstgrenze des Unterhaltsvorschusses für Kinder von 0 - 6 Jahre ist sehr zu begrüßen, eine Verringerung und damit eindeutige Schlechterstellung für Jugendliche von 14 – 18 Jahre wird jedoch vehement abgelehnt.

 

§ 7 Abs. 1 Z 1

Die vorgeschlagene Änderung bringt kaum eine Verbesserung, denn bei Antragstellung des Unterhaltspflichtigen auf Herabsetzung oder Entfall der Unterhaltsleistung wird auch weiterhin der Unterhaltsvorschuss zum Teil oder zur Gänze innegehalten. Dies bedeutet, dass bis zum Ausgang des Gerichtsverfahrens über den Herabsetzungsantrag kein oder nur ein geringerer Unterhaltsvorschuss zur Auszahlung gelangt, was häufig eine Existenzbedrohung für die Versorgung des Kindes bedeutet.

 

§ 27

Die Rückstellung der Forderungen des Kindes auf die innerhalb von sechs Monaten vor der Stellung des Antrages auf Vorschussgewährung fällig gewordenen Unterhaltsbeiträge nach den Forderungen des Bundes auf Rückzahlung der Vorschüsse stellt eine eindeutige Verschlechterung der auf Unterhaltsvorschuss angewiesenen Kinder dar. Weil es oft Jahre dauert, bis der Bund die von ihm geleisteten Vorschüsse hereinbringt, bedeutet dies in der Praxis ein jahrelanges Warten oder einen gänzlichen Verzicht auf die noch ausständigen Unterhaltsbeträge.

Diese Änderung wurde als Maßnahme zur teilweisen Hereinbringung der Mehrausgaben für die Ausweitung des vorläufigen Unterhaltsvorschusses vorgesehen. Die Arbeitsgruppe Unterhaltssicherung verwies jedoch darauf, dass den Mehrkosten, die durch die Neuregelung des § 3 Abs. 1 lit. a entstehen, beträchtliche Einsparungen des Verwaltungsaufwandes und eine erhebliche Verfahrensbeschleunigung gegenüber stehen. Außerdem wurde angenommen, dass die Mehrkosten reduziert werden können, wenn für die Einbringung von Anträgen nach § 3 Abs 1 lit. a eine Frist festgelegt wird.

 

 

Artikel VIII, Änderung der Zivilprozessordnung

§ 460 Z 6a und 6b

Bereits seit Jahren fordert die Österreichische Plattform für Alleinerziehende eine nachprüfbare Informationspflicht der Gerichte über sozialversicherungsrechtliche Scheidungsfolgen, begleitende Maßnahmen bei Scheidung/ Trennung und über Rechte und Pflichten der getrennten Eltern bei gemeinsamer Obsorge sowie Hilfsangebote für Erwachsene und Kinder (Trennungs-/Scheidungsbegleitung, Mediation, etc.). Es ist daher begrüßenswert, dass dieser Forderung nun teilweise durch die § 93 Abs. 4 und § 95 Abs. 1 entsprochen werden soll.

Wegen der häufigen negativen Scheidungsfolgen (Armutsbedrohung, Streit um Sorgerecht und/oder Unterhalt) für Frauen und Kinder erscheint es uns zweckmäßig, in erster Linie Familien- und Frauenberatungsstellen für die verpflichtende Beratung vor der Scheidung heranzuziehen. Auch dem Wohl des Kindes kann durch Familien- und Frauenberatungsstellen besser  entsprochen werden als durch Anwälte und Notare, weil erstere nicht nur juristische, sondern auch psychosoziale Beratung anbieten können. Es wäre daher auch wichtig, das Wohl des Kindes als Gegenstand der verpflichtenden Beratung im Gesetzestext zu verankern.

Für Familien mit keinem eigenen oder geringem Einkommen muss eine kostenlose Beratung gewährleistet werden.

 

 

Artikel X, Änderung der Exekutionsordnung

§ 382a Abs. 2 (2)

In der Arbeitsgruppe Unterhaltssicherung wurde angeregt, vorläufigen Unterhalt in der Höhe der altersgemäßen Familienbeihilfe zu bewilligen, um die derzeitigen Unklarheiten bezüglich der zu geltenden Höhe der Familienbeihilfe zu beseitigen. Die in § 382a Abs. 2 (2) vorgesehene Regelung, dass vorläufiger Unterhalt höchstens bis zum jeweiligen altersabhängig bestimmten Betrag der Familienbeihilfe bewilligt werden kann, ist eine Verschlechterung gegenüber dem Vorschlag der Arbeitsgruppe und daher abzulehnen.

 

 

Artikel XV, Änderung des Familienberatungsförderungsgesetzes

§ 2 Abs.1 Z 8

Für die Ausstellung der Bestätigung über die juristische Beratung ist ein finanzieller Beitrag zu entrichten. Dies lehnen wir ausdrücklich ab, da dadurch in einer Situation, in der die finanziellen Belastungen ansteigen bzw. unklar sind, auch die Kosten einer einvernehmlichen Scheidung angehoben werden.

 

Österreichische Plattform für Alleinerziehende

Ingrid Piringer                                                                                           Elisabeth Wöran

Vorsitzende                                                                                              Geschäftsführerin

 

 

 

 


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