1 Präs. 1615-2645/08v

 

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs

zum Familienrechts-Änderungsgesetz 2008

 

A. Zu den Änderungen im ABGB:

1. Der neu einzufügende § 90 Abs 3 lautet: „Jeder Ehegatte hat dem anderen in der Ausübung der Obsorge für dessen Kinder in angemessener Weis beizustehen und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern“.

a. Die vorgeschlagene Regelung normiert für die sogenannte „Patchworkfamilie“ (Stieffamilie) eine Beistandspflicht des Ehepartners für die Kinder des anderen sowie sein Vertretungsrecht (gesetzliche Vollmacht für den familiären Alltag: Angelegenheiten im Kindergarten, in der Schule, beim Arzt, bei der Passbehörde u.a.).

b. Die Regelung gilt also nicht für Lebensgemeinschaften, aber auch nicht für registrierte Lebenspartnerschaften gleichgeschlechtlicher Paare nach dem ebenfalls im Begutachtungsverfahren stehenden Lebenspartnerschaftsgesetz, das zum selben Zeitpunkt wie die Familienrechtsänderung in Kraft treten soll. Die Ausklammerung von bloßen Lebensgemeinschaften mag wegen sachlicher Unterschiede bei der Auflösung gegenüber den Regeln der Ehe verfassungsrechtlich unbedenklich sein, bei registrierten Partnerschaften ist dies wegen der auch dort vorgesehenen Beistandspflicht (§ 8 Abs 2 des Entwurfs des Lebenspartnerschaftsgesetzes) aber fraglich.

c. Unklar ist, ob der obsorgeberechtigte Elternteil auf den Beistand des anderen verzichten und die subsidiäre Vertretungsmacht des Stiefelternteils beschränken kann.

d. Zum Vertretungsrecht des Stiefelternteils:

Der aus Art 299 ZGB übernommene knappe Gesetzestext (... „Wenn es die Umstände erfordern“) soll ein Notvertretungsrecht normieren. Der Ehegatte vertritt den Anderen, wenn dieser verhindert ist. Eine bisher nur mit rechtsgeschäftlicher Vollmacht mögliche Vertretungstätigkeit des Stiefelternteils beruht nun auf gesetzlicher Vollmacht. Zu fragen ist, ob diese Vollmacht nach außen keinesfalls beschränkbar ist, der obsorgeberechtigte Ehegatte also keine Möglichkeit hat, die Vertretungstätigkeit des anderen für das Kind zu verhindern, etwa durch eine Vollmachtserteilung an einen Dritten, womit dann ein Verhinderungsfall des primär Vertretungsberechtigten nicht mehr vorläge, das Einschreiten des Stiefelternteils also „nach den Umständen“ nicht mehr erforderlich wäre. Zu diesem Thema (Zur Beschränkbarkeit oder Unbeschränkbarkeit des Vertretungsrechts, Hopf in FamZ 2007, 112 [114]) wäre eine Klarstellung im Gesetz ebenso nützlich wie zur damit zusammenhängenden und ebenfalls nicht geregelten Frage der Entziehbarkeit der Vertretungsmacht aus wichtigen, in der Person des beistandspflichtigen Stiefelternteils liegenden Gründen, andernfalls wohl nur im Wege der Analogie zu § 176 ABGB Abhilfe geschaffen werden könnte.

2. Der neu einzufügende § 137 Abs 4 ABGB lautet: „Eine mit einem Elternteil und dessen minderjährigem Kind nicht nur vorübergehend im gemeinsamen Haushalt lebende volljährige Person, die in einem familiären Verhältnis (Art 8 MRK) zum Elternteil steht, hat alles den Umständen nach Zumutbare zu tun, um das Kindeswohl zu schützen“.

a. Die vorgeschlagene Regelung normiert ein Beistandsrecht des minderjährigen Kindes gegenüber im selben Haushalt wohnenden, volljährigen Personen, die in einem „familiären Verhältnis“ zum Elternteil stehen müssen. Diese Definition ist denkbar weit und erfasst neben Lebensgefährten auch Verwandte ohne Beschränkung auf den Verwandtschaftsgrad (also auch Cousins und Cousinen fernen Grades, Halbgeschwister). Gegenstand der Verpflichtung ist nur der Schutz des Kindes und nicht dessen Förderung. Die familienrechtliche Handlungspflicht ist auf das Zumutbare eingeschränkt. Sie ist nicht einklagbar, ihre Verletzung löst aber Rechtsfolgen aus (Garantenstellung; Schadenersatz).

b. Der Kreis der schutzpflichtigen Personen sollte wegen der Unschärfe des Begriffs eines familiären Verhältnisses (Art 8 MRK) genauer definiert werden.

c. Es fehlt eine Regelung für den Kollisionsfall (mehrere handlungsverpflichtete Familienmitglieder, etwa Onkel und Bruder eines Elternteils), wenn unterschiedliche Schutzmaßnahmen getroffen werden. Überlegenswert wäre eine Rangordnung unter den Beistandspflichtigen nach dem Verwandtschaftsgrad.

d. Durch die neue Beistandspflicht von Personen, die nicht Eltern sind, wird die Überschrift des 3. Hauptstückes des ABGB („von den Rechten zwischen Eltern und Kindern“) unvollständig.

B. Zu den vorgeschlagenen Änderungen des EheG, womit durch Erweiterung der Vertragsfreiheit der Eheleute in Ansehung der Ehewohnung (Vorwegvereinbarung) Eheschließungen gefördert werden sollen:

1. Nach geltender Rechtslage unterliegt eine von einem Ehegatten in die Ehe eingebrachte, von Todes wegen erworbene oder ihm geschenkte Wohnung nicht der Aufteilung (§ 82 Abs 1 EheG), außer der andere Eheteil oder ein gemeinsames Kind ist auf diese Wohnung angewiesen (§ 82 Abs 2). Nunmehr wird diese Ausnahme von der Ausnahme um den Fall erweitert, dass die Eheleute die Einbeziehung der Wohnung in die Aufteilung vereinbaren können („opting-in-Möglichkeit“ in § 82 Abs 2 erster Satz neu). Andererseits wird durch die Änderung des § 87 Abs 1 EheG ermöglicht, dass die Eheleute die Übertragung des Eigentums an einer im Eigentum eines Ehepartners stehenden Ehewohnung oder eines dinglichen Rechts an dieser Wohnung durch Richterspruch im Aufteilungsverfahren mit einer Vereinbarung ausschließen können („opting-out-Möglichkeit“). Ein solcher Ausschluss ist nach dem Wortlaut (und den Gesetzeserläuterungen) für das Gericht bindend. Im § 97 Abs 1 neu heißt es im zweiten Halbsatz nunmehr: „... Auf Vereinbarungen ist im Verfahren über die Aufteilung nach Maßgabe der Billigkeit (§ 83) Bedacht zu nehmen, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob der Vereinbarung eine rechtliche Beratung vorausgegangen ist“.

2. Ob mit den im Zusammenhang zu lesenden geänderten Bestimmungen das angestrebte Ziel der Beseitigung psychologischer Ehehindernisse erreicht werden kann, ist zu bezweifeln. Ein präsumtiver Ehegatte kann zwar für den Fall der Scheidung mit einer „opting-out-Vereinbarung“ sein Eigentum an der Ehewohnung sicherstellen, läuft aber Gefahr, dass er bei einer vom Richter angenommenen Unbilligkeit der Vereinbarung dafür im Rahmen der Aufteilung etwas zu leisten hat, er also de facto die eigene Wohnung trotz Vereinbarung „zurückkaufen“ muss. Ein Anreiz für vermehrte Eheschließungen wäre wohl nur zu schaffen, wenn die Zulässigkeit eines umfassenden Ausschlusses der Ehewohnung vom Aufteilungsverfahren normiert wird.

3. Das Billigkeitskriterium der Beratung vor einer Vereinbarung der Eheleute (§ 97 Abs 1) erscheint wenig aussagekräftig, weil das Gericht ohnehin ganz allgemein an unbillige Vereinbarungen über das eheliche Gebrauchsvermögen und die Ersparnisse nicht gebunden ist. Immerhin eröffnet das Kriterium der Beratung die Möglichkeit, bei vollinformierten Eheleuten auch dann keine Unbilligkeit anzunehmen, wenn die Vereinbarung im Scheidungsfall für einen Teil wirtschaftlich erheblich nachteilig ist. Dies könnte zweifelsfrei durch eine Formulierung normiert werden, dass das Gericht bei Vorliegen einer qualifizierten Beratung an die Vereinbarung gebunden ist.

C. Zu den Änderungen des UVG, mit denen ua die Vorschussgewährung beschleunigt und die Auszahlungskontinuität verbessert werden soll.

1. Diese Ziele werden mit folgenden Änderungen wohl erreicht werden können:

a. Das Kriterium der erfolglosen Exekutionsführung entfällt, das Kind muss nur die im Gesetz angeführten Exekutionsanträge gestellt und Kopien dem Vorschussantrag angeschlossen haben (§ 3 Z 2).

b. Der Gesetzgeber stellt durch den ersatzlosen Entfall der Z 5 des § 4, also der Vorschussvoraussetzung beim vorläufigen Unterhalt des § 382a EO, sowie durch die Neuformulierung des § 19 Abs 3 klar, dass einstweilige Verfügungen (auch diejenige nach § 382a EO) wie sonstige vollstreckbare Exekutionstitel zu behandeln sind und eine Änderung auch der aufgrund einer EV gewährten Vorschüsse nach endgültiger Festsetzung des Unterhaltsbeitrags zu erfolgen hat. Damit ist die Judikaturdivergenz (RIS-Justiz RS0113996) in der Frage der rückwirkenden Erhöhung eines gemäß § 382a EO gewährten Unterhaltsvorschusses obsolet.

c. Aufgrund der Neuformulierung des § 7 Abs 1 Z 1 muss sich der Versagungsgrund der materiellen Unrichtigkeit des bestehenden Unterhaltstitels (ohne weitere klärende Erhebungen) schon aus der Aktenlage ergeben. Nach den Gesetzeserläuterungen müsse die Konkurseröffnung also nicht für eine Versagung der Vorschüsse ausreichen. Diese einem Teil der oberstgerichtlichen Rechtsprechung entgegenstehende Aussage (RIS-Justiz RS0112789) kann allerdings nicht bloß auf den Umstand gestützt werden, dass sich die Veränderung der Verhältnisse aus der Aktenlage ergeben muss. Sollte der Gesetzgeber die Konkurseröffnung über das Vermögen des Unterhaltsschuldners als Versagungsgrund ohne aus der Aktenlage ersichtliche weitere Umstände nicht wünschen, sollte dies im Gesetz klar ausgedrückt werden.

d. Mit dem § 7 Abs 2 UVG angefügten Satz wird das in einigen Fällen ohnehin schon in der Praxis judizierte Wiederaufleben der Titelvorschussgewährung nach einer erfolgten Umstellung der Vorschüsse auf Haftvorschüsse normiert und das Wiederaufleben auf andere Wechsel der Vorschussarten ausgedehnt. Dagegen und gegen die Erhöhung der Gewährungsdauer von Unterhaltsvorschüssen von bisher 3 auf nunmehr 5 Jahre (§ 8 und § 18 Abs 1 UVG) bestehen keine Bedenken.

e. Die Änderungen der Bestimmungen über die Höhe der Richtsatzvorschüsse (§§ 6 Abs 2, 13 Abs 1 und 2) sind nicht weiter zu kommentierende rechtspolitische Entscheidungen.

f. Gleiches gilt für die Neuordnung der für zu Unrecht gewährte Vorschüsse ersatzpflichtigen Personen (§§ 21f).

D. Aus der Sicht des Novellengesetzgebers bestehende Diskriminierungen von Lebensgefährten sollen mit mehreren Gesetzesänderungen beseitigt werden:

1. Dabei geht es im Urheberrecht um die Gleichstellung des überlebenden Teils einer Lebensgemeinschaft mit dem überlebenden Ehegatten in Ansehung von Werknutzungen an einem Lichtbildwerk und um den Schutz vertraulicher Aufzeichnungen.

2. In § 12 Abs 1 MRG wird das Abtretungsrecht des Hauptmieters einer Wohnung auf den „verschieden oder gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten“ ausgedehnt. Die Ausdehnung auch auf gleichgeschlechtliche Lebensgefährten wird in den Gesetzeserläuterungen ua mit der Judikatur des EGMR begründet. Dort wird nicht mehr begründend auf die Unzulässigkeit eines Umkehrschlusses in Ansehung anderer Gesetze hingewiesen, die Lebensgefährten ohne Hinweis auch auf gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften zum Gegenstand haben (wie die im Folgenden zu behandelnden Änderungen des PSG, der JN und der ZPO). Der Hinweis in den Erläuterungen lässt sich als Aufforderung an die Rechtsprechung interpretieren, im Wege der Analogie rechtsfortbildend zu wirken. Es ist aber Aufgabe des Gesetzgebers, keine Rechtslücken entstehen zu lassen und klarzustellen, wo eine Gleichstellung auch gleichgeschlechtlicher Lebensgefährten erfolgen soll. Es muss jedenfalls Sache der Judikatur bleiben, welche Auslegungsmethoden im Einzelfall anzuwenden sind, um zu einer sachgerechten Interpretation des Gesetzestextes zu gelangen.

3. Die Normierung von Lebensgemeinschaften als Ausschließungsgrund für den Prozessrichter (§ 20 Z 2 JN) und Notare (§ 33 Abs 1 NotO) sowie als Aussageverweigerungsgrund für einen Zeugen (§ 321 ZPO) ist sachgerechter Teil der Anpassung der Gesetze an geänderte Familienformen.

E. Zu den vorgeschlagenen Bestimmungen des AußStrG über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über die Annahme an Kindesstatt (§§ 91a-91d neu):

1. Das Gesetz sieht nunmehr ausdrücklich für internationale Adoptionen ein Anerkennungsverfahren vor. Damit ist die in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung (1 Ob 190/03b; 6 Ob 170/04z) vertretene und im Schrifttum (Schütz, in FamZ 2007, 309 [313]) kritisierte analoge Anwendbarkeit der §§ 185d ff AußStrG alt (vergleichbar §§ 112 ff AußStrG idgF) überholt. Das Anerkennungsverfahren ist bloß fakultativ über Antrag einer Person, die ein rechtliches Interesse an der Anerkennung oder Nichtanerkennung hat, zu führen (§ 91b Abs 1 iVm § 91c). Die Verweisungsbestimmung des § 91c könnte als entbehrlich entfallen, wenn es im § 91b Abs 1 hieße: „Die Anerkennung oder Nichtanerkennung ...“. Zu bemerken ist allerdings, dass in der Parallelbestimmung des § 99 AußStrG der Gesetzgeber bereits den umständlichen Verweisungsweg begangen hat.

Nach den Gesetzeserläuterungen ist das Anerkennungsverfahren nicht von Amts wegen einzuleiten. Dies könnte zur Klarstellung im § 91b auch ausdrücklich gesagt werden.

2. Bei Auslandsadoptionen aus Staaten mit minderer Rechtskultur stellt sich immer das Problem des Kinderhandels. Wenn demnach ein bloß fakultatives Anerkennungsverfahren normiert wird, ist die weitere Einschränkung der amtswegigen Prüfung im Anerkennungsstaat, wie dies § 91a Abs 4 vorsieht, bedenklich. Abs 4 lautet: „Haben sich die Adoptionswerber der Vermittlung durch eine Person oder Stelle bedient, die als verlässliche Vermittlungsstelle behördlich anerkannt wurde, so wird vermutet, dass die Verweigerungsgründe des Abs 2 Z 1 und 2 nicht vorliegen“. Bei den Z 1 und 2 handelt es sich um die wichtigen Versagungsgründe der Verletzung des ordre public bzw des rechtlichen Gehörs. Abs 4 lässt also eine gerichtliche Prüfpflicht zumindest solange entfallen, als nicht eine antragstellende Partei zur Widerlegung der Gesetzesvermutung auftritt. Dies wird eine an der Anerkennung interessierte Person sicher nicht tun, sodass im Ergebnis bei Vermittlung der Adoption im Ausland die Einhaltung des ordre public ungeprüft bleibt. Der Gesetzgeber lässt offen, was unter einer „verlässlichen Vermittlungsstelle“, die „behördlich anerkannt wurde“ zu verstehen ist, und stellt in den Gesetzeserläuterungen lediglich die Schaffung der „erforderlichen Rechtsgrundlagen“ in Aussicht. Vor dieser Normsetzung kann der Abs 4 des § 91a daher nicht seriös kommentiert werden.

3. Das Anerkennungsverfahren betrifft nur ausländische Entscheidungen, nicht aber ausländische Vertragsadoptionen. Hier müsste ein inländisches Adoptionsverfahren durchgeführt werden, um eine in Österreich wirksame Adoption herbeizuführen. In vielen Fällen wird sich die Frage stellen, ob es sich bei der ausländischen Adoption um eine Vertragsadoption oder doch um eine ausländische Adoptionsentscheidung handelt, etwa deshalb weil ein ausländischer öffentlicher Funktionsträger (einem Richter, Beamten oder Notar vergleichbar) an der Adoption mitwirkt und diese beurkundet. Zur Erleichterung der gerichtlichen Praxis sollte der Gesetzgeber zumindest demonstrativ Mindestkriterien festlegen, ab wann von einer ausländischen Adoptionsentscheidung ausgegangen werden darf und sollte klar stellen, dass die bloße Beurkundung des Adoptionsvertrags durch einen öffentlichen Funktionsträger für die Qualifikation einer Adoptionsentscheidung ausreicht oder nicht ausreicht.

4. Nach § 90 Abs 3 AußStrG hat das Gericht (im inländischen Adoptionsverfahren) zwingend eine Strafregisterauskunft in Ansehung der Wahleltern und gegebenenfalls ihres engen familiären Umfelds einzuholen. Der Begriff „familiäres Umfeld“ ist sehr weitgehend und umfasst bei extensiver Auslegung auch Dritte, die nur in Teilaspekten als mit den Wahleltern „familiär verbunden“ angesehen werden können (entfernt verwandte regelmäßige Besucher der Familie; enger Freund, aber nicht Lebensgefährte der Wahlmutter). Der Rechtsklarheit könnte eine Einschränkung auf Personen, die in einem familiären Verhältnis zum Wahlelternteil stehen (iSd Begriffs des § 137 Abs 4 ABGB idF des Entwurfs) dienen, dies könnte aber allenfalls zur Wahrung des Kindeswohls zu kurz greifen (ein naher Verwandter wohnt in der Nachbarwohnung). Bei der weiten Fassung ist jedenfalls zu bedenken, dass die Einholung einer Strafregisterauskunft einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte bedeutet, der jedenfalls einer entsprechenden sachlichen Rechtfertigung bedarf. Das „familiäre Umfeld“ könnte begrifflich konkretisiert werden, etwa dadurch, dass ständige und wiederkehrende Kontakte mit den Wahleltern erforderlich sind.

F. Zu den neuen Bestimmungen für das Verfahren in Ehesachen (§ 460 Z 6a und b ZPO) und das Verfahren über die Scheidung im Einvernehmen (§ 93 Abs 4 AußStrG):

Mit der auf den konkreten Scheidungsfall abstellenden, zwingenden Beratungspflicht gegenüber einer anwaltlich nicht vertretenen Partei kann ua dem Grundsatz eines fairen Verfahrens Rechnung getragen und der Übervorteilung vorgebeugt werden, wenn der ebenfalls unvertretene andere Ehegatte vor dem Verfahren profunde Rechtsberatung eingeholt hat.

G. Der vorgeschlagene Entfall des Angehörigenprivilegs, zugunsten des Angeklagten Nichtigkeitsbeschwerde oder Berufung erheben zu dürfen (§ 282 Abs 1 erster Satz und § 465 Abs 1 erster Satz StPO) sind rechtspolitische Entscheidungen, die dem Ziel einer sachlich gebotenen Gleichstellung von Ehegatten und Lebensgefährten Rechnung trägt, wie dies aber auch bei einer Ausweitung der Rechtsmittelbefugnis auf Lebensgefährten der Fall wäre.

H. Das vorgeschlagene Auskunftsrecht des Pflegschaftsgerichts auf unbeschränkte Auskunft aus dem Strafregister schon vor Tilgung (§ 6 Abs 1 Z 1b Tilgungsgesetz 1972) sieht einen weiten personellen Anwendungsbereich vor (Parteien, gesetzliche Vertreter ... sowie Personen „deren engen familiären Umfelds“). Eine präzisere Fassung des Begriffs „familiäres Umfeld“ wird angeregt.

 

Wien, am 18. Juni 2008

Hon.-Prof. Dr. Griss