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BMJ-B4.000/0017-I 1/2008  Rp  658/08/MSt/Va/           4298                  23.06.2008

13.05.2008                     

 

 

 

Entwurf zum Familienrechts-Änderungsgesetz 2008, Stellungnahme

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Wirtschaftskammer Österreich begrüßt den Entwurf zum Familienrechts-Änderungsgesetz 2008 und erlaubt sich folgende Anmerkungen:

 

 

Zu Artikel I, Änderung des bürgerlichen Gesetzbuches

 

Zu §137:

Hingewiesen wird darauf, dass das in Aussicht gestellte Recht des verheirateten Stiefelternteils, einen obsorgeberechtigten Lebensgefährten bei der Ausübung der Obsorge zu vertreten, zu erheblichen Problemen führen könnte. Die Position des leiblichen Elternteils, der nicht die Obsorge inne hat wird dadurch in seinen Rechten beschränkt (auf gemeinsame Obsorge ist entsprechend Rücksicht zu nehmen).

 

In Scheidungsfällen ist es oft so, dass die Kinder durch die neue Vater- oder in Einzelfällen auch neue Mutterfigur psychisch belastet sind und es zu Auseinandersetzungen zwischen dem geschiedenen und dem „neuen“ Lebenspartner des/der Obsorgeberechtigten kommen kann, die die Kinder zusätzlich belasten. Wird nun aber ex lege das Obsorgevertretungsrecht ausdrücklich auf den neuen Lebenspartner übertragen, kann bezweifelt werden, ob dies im wohlverstandenen Interesse des Kindes ist. Hinzu kommt, dass in der Praxis gerade der oder die Geschiedene, nicht Obsorgeberechtigte, Beschwerde darüber führt, dass eben der Kontakt zu den Kindern übermäßig reduziert wird, weshalb gerade Obsorgefragen wesentliche Diskussionspunkte darstellen.

 

Nachdem im wohlverstandenen Kindesinteresse die oben angeführten Diskussionspunkte soweit wie möglich einvernehmlich geregelt werden sollen, ist auch zu bedenken, dass dies im Alltag oft schon zwischen den geschiedenen Ehepartnern schwer genug ist. In der Praxis ist aber davon auszugehen, dass das Verhältnis zwischen dem neuen Lebenspartner (der eventuell der Scheidungsgrund gewesen sein mag) und dem ehemaligen Ehemann (bzw. Ehefrau) noch belasteter ist, daher die Gespräche hier erst recht nicht zu einer einvernehmlichen Lösung führen können.

 

 

 

Das Vertretungsrecht dürfte daher weder im wohlverstandenen Kindesinteresse noch im Interesse des geschiedenen Ehepartners sein.

 

Vielleicht ließe sich durch richterliche Entscheidung im Einzelfall eine Lösung finden, wenn der Obsorgeberechtigte nicht in der Lage ist, sein Obsorgerecht auszuüben, und der leibliche Elternteil, sei es aus subjektiven Gründen oder im Interesse des Kindeswohls für die Obsorge nicht in Frage kommt. Der Vorrang des leiblichen Elternteils sollte jedoch, wenn nicht im Einzelfall Gründe dagegen sprechen oder er/sie das ausdrücklich nicht wünscht, gewahrt bleiben.

 

Festgehalten wird, dass der Anspruch gegenüber den Stiefeltern jedenfalls gegenüber Ansprüchen gegen leibliche Eltern zurücktreten muss.

 

Bezüglich der Lebensgefährten hält das Ministerium in Übereinstimmung mit der Lehre fest, dass nach unserer Rechtsordnung zwischen nichtehelichen Lebensgefährten keine Rechte und Pflichten entstehen.

 

Es darf darauf hingewiesen werden, dass erst vor kurzem der Entwurf eines Lebenspartnerschaftsgesetzes in Begutachtung war, der auch in diesem Gesetzesentwurf in irgendeiner Form berücksichtigt werden sollte.

 

Die Wirtschaftskammer Österreich erlaubt sich weiters darauf aufmerksam zu machen, dass  eine Begünstigung von Patchwork-Familien in Exekutions-, Konkurs- und Anfechtungsverfahren zum Nachteil der Gläubiger geschieht, hier also durchaus die kleinen und mittleren Unternehmen, welche das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft darstellen, betroffen sind.

 

 

Zu Artikel II, Änderung des Ehegesetzes: Erleichterungen bei der Vorausverfügung über eheliches Gebrauchsvermögen und eheliche Ersparnisse

 

Zu §§82(2), 87(1) und §97:

Die Wirtschaftskammer Österreich weist darauf hin, dass die Möglichkeit der Vorausverfügung -insbesondere bezogen auf die Ehewohnung nicht für Mietrechte gelten soll. Hier wird in Eigentumsrechte Dritter eingegriffen, die derzeit auch schon durch die mögliche richterliche Entscheidung über die Ehewohnung belastet sind. Darüber hinaus sollte auch darauf Rücksicht genommen werden, dass Exekutionsrechte Dritter nicht eingeschränkt bzw. benachteiligt werden.

 

Zu §97- Beratungspflicht vor einer Entscheidung

Die Wirtschaftskammer Österreich begrüßt diese Regelung, regt aber an, gewisse Mindeststandards bereits gesetzlich vorzugeben.

 

 

Zu Artikel IX, Änderung des Außerstreitgesetzes

Obligatorische Einholung von Strafregisterauskünften vor Adoptionsentscheidungen

 

Zu §90 (3):

Die Wirtschaftskammer befürwortet diese Regelung, insbesondere die unbeschränkte Auskunft aus dem Strafregister, wobei darauf zu achten ist, dass insbesondere Delikte, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Eignung als Adoptionseltern stehen können, z.B. Sexualdelikte oder strafrechtliche Verstöße gegen den Jugendschutz- unabhängig von der Tilgung- dem Gericht jedenfalls bekannt zu geben sind.  

 


                                                                                                                                                                                                     Zu Artikel V, Änderung des Mietrechtsgesetzes

 

Zu § 12 Abs 1 MRG:

Im Lichte der Entscheidung des EGMR vom 24.7.2003, Nr 40016/98, Fall Karner, und der darauf erfolgten Entscheidung des OGH 5 Ob 70/06 erscheint es sachlich gerechtfertigt, nicht nur im Todesfall des Hauptmieters sondern auch bei der Abtretung der Mietrechte zu Lebzeiten den Lebensgefährten, sei er nun verschieden oder gleichgeschlechtlich, in den Genuss der Hauptmietrechte eine Wohnung betreffend, kommen zu lassen.

 

Im Interesse der Rechtssicherheit sollte aber im Gesetz klar zum Ausdruck kommen, ob der Lebensgefährte als Angehöriger des Hauptmieters zu werten ist, der von der Rechtswohltat des § 12 Abs 1, 2. Satz MRG betroffen ist. Dies vor allem deshalb, da der Begriff des Angehörigen zwar in § 72 Abs 1 StGB näher definiert ist und in Abs 2 ausgeführt wird, dass Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, wie Angehörige behandelt werden, sonst aber nur der Begriff des nahen Angehörigen verwendet wird. Dieser ist zwar dem ABGB fremd, findet sich aber ua im Anfechtungsrecht (§ 32 KO, § 4 AnfO, § 187 der 3. TN) und in § 382b Abs 3 EO (nahe Angehörige sind Personen, die mit dem Antragsgegner in einer familiären oder einer familienähnlichen Gemeinschaft leben oder gelebt haben).

 

Die Wirtschaftskammer Österreich erlaubt sich weiters darauf aufmerksam zu machen, dass gemäß § 14 Abs 3 MRG Lebensgefährten im Falle des Todes des Hauptmieters einer Wohnung schon jetzt eintrittsberechtigt sind. Aus Gründen der Einheitlichkeit erschiene es zweckmäßig auch hier um die Verschieden- oder Gleichgeschlechtlichkeit zu ergänzen.

 

 

Zu Abschnitt 2a, Anerkennung ausländischer Entscheidungen über die Annahme an Kindes statt

 

Die Wirtschaftskammer Österreich begrüßt die Überprüfungsmöglichkeiten angesichts der aktuellen Problematik des Kinderhandels.

 

Vorgesehen werden könnte jedoch ein Kostenersatz für die Adoptionseltern, wenn der Jugendwohlfahrtsträger zu Unrecht einen Antrag gestellt hat, weil sich der Verdacht, der eine Verweigerung gerechtfertigt hätte, nicht erhärtet hat. Die Kostentragungsregeln im Rahmen des Außerstreitverfahrens erscheinen hier nicht angemessen. Gerade die langen Wartezeiten, die Adoptiveltern oft in Kauf nehmen müssen führen dazu, dass sie umfassend versuchen, ihre Rechte zu verteidigen, rechtsfreundliche Vertretung in Anspruch nehmen und ähnliches mehr, was letztlich zu erheblichen Verfahrenskosten führen kann.

 

Wunschgemäß übermitteln wir die gegenständliche Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates per Email an Begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Dr. Christoph Leitl                                                                  Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident                                                                                     Generalsekretär-Stv.