An das

 

Präsidium des Nationalrates

 

 

 

per E‑Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

GZ: BMSK-10310/0004-I/A/4/2008

Wien, 24.06.2008

 

 

 

 

Betreff:  Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Unterhaltsvorschussgesetz, das Urheberrechtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Privatstiftungsgesetz, die Jurisdiktions­norm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutions­ordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafpro­zessordnung, das Tilgungsgesetz und das Familienberatungsförde­rungsgesetz geändert werden (Familienrechts-Änderungsgesetz 2008 – FamRÄG 2008); Stellungnahme des Bundesministeriums für Sozia­les und Konsumentenschutz

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Unter Bezugnahme auf die Note des Bundesministeriums für Justiz, GZ BMJ‑B4.000/ 0017-I 1/2008, vom 13. Mai 2008 betreffend den Entwurf eines Familienrechts-Ände­rungsgesetzes 2008 (FamRÄG 2008) übermittelt das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz in der Beilage seine Stellungnahme zum gegenständlichen Entwurf zur Kenntnis.

 

Beilage

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

i.V. Ing. Manfred Kornfehl

 

 

Elektronisch gefertigt.


 

 

 

An das

 

Bundesministerium für Justiz

 

 

 

per E-mail: begutachtung@bmj.gv.at

 

                  kzl.b@bmj.gv.at

 

 

 

GZ: BMSK-10310/0004-I/A/4/2008

Wien, 24.06.2008

 

 

 

Betreff:  Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Ehegesetz, das Unterhaltsvorschussgesetz, das Urheberrechtsgesetz, das Mietrechtsgesetz, das Privatstiftungsgesetz, die Jurisdiktions­norm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutions­ordnung, die Notariatsordnung, das Strafgesetzbuch, die Strafpro­zessordnung, das Tilgungsgesetz und das Familienberatungsförde­rungsgesetz geändert werden (Familienrechts-Änderungsgesetz 2008 – FamRÄG 2008); Stellungnahme des Bundesministeriums für Sozia­les und Konsumentenschutz

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Unter Bezugnahme auf die Note vom 13. Mai 2008, GZ BMJ‑B4.000/0017‑I 1/2008. betreffend den Entwurf eines Familienrechts‑Änderungsgesetzes 2008 (FamRÄG 2008), nimmt das Bundesministerium für Soziales und Konsumenten­schutz wie folgt Stellung:

 

Zu Artikel III (Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985)

 

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz ist im Rahmen seines sozialpolitischen Wirkungsbereichs und im Rahmen der auf EU-Ebene zu erstellen­den Strategieberichte zu Sozialschutz und Sozialer Eingliederung für den Bereich Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung zuständig. Vor diesem Hinter­grund ist die folgende Stellungnahme zur geplanten Änderung des Unterhaltsvor­schussgesetzes zu sehen:

 

Ein-Eltern-Haushalte gehören mit 27 % zu den am meisten armutsgefährdeten Haus­haltstypen. Die Armutsgefährdungsquote ist mehr als doppelt so hoch wie die durch­schnittliche Armutsgefährdungsquote.

 

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz begrüßt die Beschleu­nigung der Gewährung des Unterhaltsvorschusses sowie die Verlängerung der Höchstdauer des Vorschusses von drei auf fünf Jahre, hält jedoch diese Maßnahmen für nicht ausreichend.

 

Die hohe Armutsgefährdung von Alleinerziehenden-Haushalten hängt auch mit dem unzureichenden Ausmaß der Unterhaltsleistungen und den Einschränkungen bei den Unterhaltsvorschussleistungen zusammen. Gemäß der von Statistik Austria durchge­führten Befragung SILC 2006 geben 40 % der Alleinerziehenden an, weder Unter­haltsleistungen für ihre Kinder von den nicht im Haushalt lebenden Elternteilen noch staatliche Unterhaltsvorschussleistungen zu erhalten. Diese fehlende finanzielle Unterstützung der Kinder durch Unterhaltszahlungen der nicht im selben Haushalt lebenden Elternteile bzw. durch staatliche Vorschussleistungen betrifft lt. SILC ca. 60.000 Kinder in Ein-Eltern-Haushalten. Auch wenn die Befragungsergebnisse aufgrund der Stichprobengröße gewisse Unschärfen aufweisen, ist die Zahl dennoch als sehr hoch zu veranschlagen und drückt spürbare Zugangsbeschränkungen zum Unterhaltsvorschuss aus.

 

Aus Sicht der Armutsbekämpfung wäre es deshalb wünschenswert, die derzeit re­striktiven Zugangsvoraussetzungen zum Unterhaltsvorschuss zu entschärfen, ohne die Bindung von Unterhaltsvorschussleistungen an Unterhaltstitel in Frage zu stellen.

 

Die derzeitige Ausschließung eines beträchtlichen Anteils von Kindern aus MigrantIn­nenhaushalten, von volljährigen jungen Menschen in schulischer und beruflicher Ausbildung und von Kindern mit Eltern, die erwerbseingeschränkt sind, kann auch bei Beibehaltung des Prinzips der Koppelung des Unterhaltsvorschusses an zivil­rechtliche Ansprüche weitgehend legistisch behoben werden.

 

Die Frage der Zielgruppe wurde bei dieser Reform in diesem Zusammenhang nicht gestellt.

 

Angeregt werden demnach folgende Punkte:

 

1) Bei den meisten Sozial- und Familienleistungen – nicht nur bei Sozialversiche­rungsleistungen – ist ein Großteil der ausländischen StaatsbürgerInnen mit er­fasst, sofern sie ihren Lebensmittelpunkt eine gewisse Zeit in Österreich verbracht haben. Es wäre zu prüfen, ob die explizite Ausschließung vieler dauerhaft in Österreich ansässiger NichtösterreicherInnen vom Unterhaltsvorschuss ohne sachliche Rechtfertigung im Gegensatz zu Antidiskriminierungsnormen und ande­ren EU-Bestimmungen steht.

Es wird vorgeschlagen, dass analog zum Artikel 4 Absatz 3 der geplanten 15a‑Vereinbarung zur bedarfsorientierten Mindestsicherung alle Personen einen Rechtsanspruch auf Leistungen erhalten, die zu einem dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

Weiters wird angeregt, in Zukunft auch die Gruppe der MigrantInnen und deren Kinder in die Diskussion der Reform der Unterhaltsbevorschussung aufzunehmen. Drittstaatsangehörige sollten bei rechtmäßigem und dauerhaftem Aufenthalt in die Unterhaltsbevorschussung einbezogen werden können.

 

2) Volljährige Personen, die sich in Schul- und Berufsausbildung befinden, sollten bis zum Abschluss ihrer höchsten angestrebten Ausbildung (Studienabschluss) Unter­haltsvorschuss erhalten, solange sie Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Eltern haben. Zivilrechtlich würde sich damit eine Gleichstellung mit allen anderen Kin­dern und Jugendlichen ergeben, die Anspruch auf Unterhalt bis zur Selbsterhal­tungsfähigkeit (nach § 140 ABGB) genießen.

Die in den Erläuterungen angeführten Mehrkosten von EUR 11 Mio. bei einer Hin­aufsetzung der Anspruchsberechtigung um ein Jahr kann nicht nachvollzogen werden. Die Gesamtkosten für den Unterhaltsvorschuss betragen ca. 100 Mio EUR. Auf einen Altersjahrgang (bis zum 18. Lebensjahr) entfallen somit 5,5 Mio EUR. 45 % der Kosten werden vom FLAF bei den Unterhaltsschuldnern wieder eingebracht. D.h. die Nettokosten würden pro zusätzlichen Jahrgang ca. 3 Mio. EUR betragen. Es ist aber von noch geringeren zusätzlichen Kosten aus­zugehen, da mehr als die Hälfte der Jugendlichen in diesen Altersgruppen auf­grund eigener Verdienste keine Unterhaltsansprüche mehr haben.

 

3) Der Begriff der völligen Leistungsunfähigkeit als Ausschließungsgrund für die Geltendmachung eines Unterhaltstitels sollte sehr restriktiv gehandhabt werden. Es kann angenommen werden, dass ein Großteil der erwerbseingeschränkten Elternteile in irgendeiner Form regelmäßige staatliche Unterstützungsleistungen (Pensionen, Arbeitslosenleistungen, Sozialhilfe, Behindertenhilfe etc.) oder regel­mäßige private Transfers erhalten. Diese Leistungen spiegeln jedenfalls eine ge­wisse monetäre Leistungsfähigkeit wider. Es wird vorgeschlagen, in den Erläute­rungen oder im Gesetz von einer solchen umfassenden Interpretation des Begriffs Leistungsfähigkeit auszugehen.

 

Diese Stellungnahme wird auch in elektronischer Form an die Adresse „begutach­tungsverfahren@parlament.gv.at“ übermittelt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

i.V. Ing. Manfred Kornfehl

 

Elektronisch gefertigt.