Bundesministerium für Justiz

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ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG-372/12-2008

24.6.2008

* POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

 

 

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2290

 

 

Herr Mag. Feichtenschlager

 

BETREFF

Entwurf eines Familienrechts-Änderungsgesetzes 2008; Stellungnahme

Bezug: Zl BMJ-B4.000/0017-I 1/2008

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Zu dem im Gegenstand bezeichneten Gesetzentwurf gibt das Amt der Salzburger Landesregierung folgende Stellungnahme bekannt:

 

Zu Artikel I (Änderungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches) und Artikel IX (Änderungen des Außerstreitgesetzes):

 

1. Hintergrund der in den §§ 215 Abs 3 ABGB und 91a bis 91d AußStrG geplanten Bestimmungen sind „gelegentliche Unklarheiten darüber, ob eine im Ausland bewilligte Adoption im Inland wirksam ist“. Die §§ 91a bis 91d AußStrG sehen die Möglichkeit vor, die Frage der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung über eine Adoption in einem gerichtlichen Verfahren mit Wirkung für alle künftigen gerichtlichen oder behördlichen Verfahren verbindlich zu klären. Der geplante § 215 Abs 3 ABGB verpflichtet den Jugendwohlfahrtsträger dazu, ein Verfahren zur Anerkennung oder Nichtanerkennung von ausländischen Entscheidungen über die Annahme an Kindes statt einzuleiten, wenn dies zur Wahrung der berechtigten Interessen eines unter 18 Jahre alten Wahlkindes erforderlich ist. Die Erläuterungen dazu widersprechen dem Wortlaut der geplanten Bestimmung: Den Erläuterungen folgend ist der Jugendwohlfahrtsträger lediglich ermächtigt, einen entsprechenden Antrag zu stellen; der im § 215 Abs 3 ABGB verwendete Imperativ (arg: „hat einzuleiten“) kann dagegen nur im Sinn einer Verpflichtung des Jugendwohlfahrtsträgers zu einer Antragstellung verstanden werden. Eine diesbezügliche Berichtigung ist daher erforderlich.

2. Die Erläuterungen begründen die Inpflichtnahme des Jugendwohlfahrtsträgers damit, dass die Wahrnehmung des Rechtes des Kindes, seinen leiblichen Eltern nicht entzogen zu werden, nicht den Wahleltern und auch nicht allein den leiblichen Eltern überlassen werden kann, sondern dass es dazu auch der lokalen Rechtsfürsorge bedarf. Es wird jedoch bezweifelt, dass die Betrauung gerade der Jugendwohlfahrt mit der Durchsetzung dieses Rechtes zielführend ist und dem Gedanken der Verfahrensökonomie entspricht:

Die bisherige Praxis macht deutlich, dass Adoptionen in einem Staat, der nicht dem Haager Übereinkommen vom 29. 5.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (im Folgenden als „Haager Adoptionsübereinkommen“ bezeichnet) angehört, dem Jugendwohlfahrtsträger im Regelfall nicht bekannt werden. Der Jugendwohlfahrtsträger erfährt lediglich das Interesse von Eltern an einer Adoption, wenn er von diesen um die Erstellung eines Sozialberichtes ersucht wird. Dieser Bericht wird in der Regel den Eltern übergeben, ohne dass der Jugendwohlfahrtträger in weiterer Folge davon Kenntnis erlangt, ob und wann eine Adoption angestrebt wird oder tatsächlich erfolgt (ist). Im Gegensatz zum Jugendwohlfahrtträger erlangen die Fremdenpolizeibehörden viel eher Kenntnis von einer Auslandsadoption, und zwar anlässlich der Erteilung eines Einreisetitels. Daneben erlangen auch die Staatsbürgerschaftsbehörden anlässlich eines Antrags auf Erteilung der Staatsbürgerschaft Kenntnis von einer Auslandsadoption.

Um feststellen zu können, ob durch die Auslandsadoption berechtigte Interessen eines minderjährigen Wahlkindes berührt werden, hätte der Jugendwohlfahrtsträger umfassende Erhebungen über die allgemeine Situation im Herkunftsland und die Rahmenbedingungen und Umstände der jeweiligen Auslandsadoption durchzuführen bzw zu veranlassen. Dazu sind die Jugendwohlfahrtsträger nicht in der Lage. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass selbst Auslandsadoptionen im Rahmen des Haager Adoptionsübereinkommens erfahrungsgemäß sehr zeitaufwändig und arbeitsintensiv sind. Umso mehr wird das bei Auslandsadoptionen in einem Staat, der nicht dem Haager Adoptionsübereinkommen angehört, der Fall sein.

Die besseren Gründe sprechen daher für eine Antragslegitimation der Fremdenpolizeibehörden oder der Staatsbürgerschaftsbehörden, zumal diese in vielen Fällen über die (besseren) Informationen zur Rechtssicherheit in den einzelnen Herkunftsstaaten verfügen. Der Jugendwohlfahrtsträger muss sich diese Informationen immer erst aufwändig beschaffen, wozu er sich im Regelfall der österreichischen Auslandsvertretungen, die bei der Ausstellung von Einreisetiteln ohnehin mit den Fremdenpolizeibehörden zusammenarbeiten, bedient.

Vor diesem Hintergrund wird angeregt, von der im § 215 Abs 3 geplanten Antragslegitimation des Jugendwohlfahrtsträgers Abstand zu nehmen oder eine dem Einschreiten des Jugendwohlfahrtsträgers vorgelagerte Prüfung, etwa im Rahmen der Einreise, vorzusehen. Außerdem wird angeregt, die Voraussetzungen für Auslandsadoptionen aus Herkunftsstaaten, die nicht dem Haager Adoptionsübereinkommen angehören, gesetzlich zu regeln, um so nachträgliche Prüfungen der Rechtmäßigkeit von Adoptionen weitgehend zu vermeiden.

 

Zu Artikel III (Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985):

 

1. Die geplanten Verbesserungen im bestehenden System der Unterhaltsbevorschussung werden ausdrücklich begrüßt. Es wird jedoch vorgeschlagen, im Fall eines Haftantritts und der Haftentlassung eines Unterhaltsverpflichteten eine Verpflichtung zur Verständigung des Jugendwohlfahrtsträgers festzulegen. Damit könnte die Kontinuität von Unterhaltszahlungen weiter erhöht werden. Derzeit erfährt der Jugendwohlfahrtsträger von einem Haftantritt nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige einen Antrag auf Befreiung von der Unterhaltspflicht stellt.

2. Im Zusammenhang mit den Bemühungen um eine Beschleunigung und Vereinfachung des Unterhaltsvorschussverfahrens wird an dieser Stelle nochmals das Interesse und die Bereitschaft des Landes Salzburg zur Schaffung einer Schnittstelle für den elektronischen Datenverkehr zwischen dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes, den Pflegschaftsge-richten und dem Jugendwohlfahrtsträger deponiert. Die im Artikel III geplanten Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985 nehmen darauf (noch) nicht Bedacht. Es wird daher vorgeschlagen, im Rahmen der geplanten Änderungen des Unterhaltsvorschussgesetzes 1985 auch die entsprechenden Schritte zur Realisierung dieser Schnittstelle zu setzen.

3. Der in den Erläuterungen gegebenen Begründung für die Absage an eine Einbeziehung von volljährigen Personen, die sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, sowie von Personen, die mangels Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsschuldners keinen Anspruch auf Unterhalt haben, in den Kreis der Begünstigten kann nicht zugestimmt werden: Entscheidend für die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ist ausschließlich die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit und des Bestandes eines Unterhaltsanspruchs gegen eine dritte Person.

4. Die im geplanten § 9 Abs 3 UVG enthaltenen weiteren Voraussetzungen für eine Enthebung des Jugendwohlfahrtsträgers (nämlich dass keine Rückstände aus Titelvorschüssen nach § 3 oder § 4 Z 1 UVG oder aus Vorschüssen gemäß § 4 Z 4 UVG mehr bestehen) wird abgelehnt, da das zu einer zeitlichen Ausdehnung der Verpflichtung des Jugendwohlfahrtsträgers zur Eintreibung von Unterhaltsvorschüssen und damit zu einer Erhöhung des Personaleinsatzes führt.

 

III. Zu Art VIII (Änderungen der Zivilprozessordnung) und Art IX (Änderung des
Außerstreitgesetzes):

 

1. Die im § 460 ZPO und § 93 Abs 4 AußStrG geplante Beratungspflicht von nicht anwaltlich vertretenen Parteien vor einer streitigen oder einvernehmlichen Ehescheidung wird grundsätzlich begrüßt, da viele Scheidungswillige vor allem in Unterhalts-, Kredit- und Haftungsfragen kaum oder nur sehr unzureichend informiert sind.

2. Mögliche Verbesserungen werden jedoch entscheidend von der Qualität und Intensität der Beratung abhängen: Viele Personen oder scheidungswillige Paare werden mit einem einmaligen juristischen Beratungsgespräch überfordert sein und oft den Beratungsinhalt nicht verstehen.

Vor dem Hintergrund des Ziels der geplanten Bestimmungen, nämlich einseitig benachteiligende Auswirkungen einer Scheidung zu vermeiden, wird die zulässige Möglichkeit der Paarberatung als negativ beurteilt: Es besteht die Gefahr, dass scheidungswillige Paare die Beratung nur deshalb gemeinsam absolvieren, um Kosten zu sparen. Eine gemeinsame Beratung verstärkt auch nur die Tendenz, dass ein Teil seine Ansprüche zurückstellt, auf Rechte voreilig verzichtet und für sich nachteiligen Regelungen zustimmt, nur um die Ehe möglichst schnell und konfliktfrei beenden zu können. Die Beratung sollte daher für die Ehepartner jedenfalls getrennt stattfinden.

3. § 460 ZPO und § 93 Abs 4 AußStrG scheinen außerdem von einer Machtgleichheit zwischen Männern und Frauen auszugehen. Dem stehen jedoch konkrete Beratungserfahrungen entgegen, die ein soziales Machtgefälle zwischen den Geschlechtern zeigen. Mangelnde Mobilität, sozialer Druck, unterdrücktes Selbstwertgefühl, Angst vor Repressionen und viele weitere Faktoren lassen gerade Frauen oft sehr lange zögern, eine Basisinformation über ihre rechtliche Situation einzuholen. Es sollte daher auch der Zugang zu (auch in Bezug auf die Frage der Kostentragung) niederschwelligeren Beratungsangeboten eröffnet und gefördert und deren Bestätigungen gleich wie die Bestätigungen der im § 460 ZPO und § 93 Abs 3 AußStrG angeführten Stellen anerkannt werden.

4. Abschließend wird die Auffassung vertreten, dass eine kostenlose Beratung über die rechtlichen Konsequenzen einer Ehe bereits vor der standesamtlichen Eheschließung zweckmäßiger wäre als die geplante Beratungspflicht vor einer Scheidung. Eine mögliche Folge davon kann aber sein, dass dann noch weniger Ehen geschlossen werden, als es derzeit schon der Fall ist.

 

Gleichschriften dieser Stellungnahme ergehen ue an die Verbindungsstelle der Bundesländer, an die übrigen Ämter der Landesregierungen, an das Präsidium des Nationalrates und an das Präsidium des Bundesrates.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesregierung:

Dr. Heinrich Christian Marckhgott

Landesamtsdirektor

 

 

Ergeht nachrichtlich an:

1. – 8. E-Mail an: Alle Ämter der Landesregierungen

9.       E-Mail an: Verbindungsstelle der Bundesländer vst@vst.gv.at

10.     E-Mail an: Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

11.     E-Mail an: Präsidium des Bundesrates peter.michels@parlament.gv.at

12.     E-Mail an: Bundeskanzleramt vpost@bka.gv.at

13.     E-Mail an: Institut für Föderalismus institut@foederalismus.at

14.     E-Mail an: Abteilung 2 zu do Zl 20204-GB-852/197-2008

16.     E-Mail an: Abteilung 3 zu do Zl 20302-2/2324/3-2008

17.     E-Mail an: Abteilung 10 zu do Zl 21001-100/47532/524-2008

 

zur gefl Kenntnis.