An das
Bundesministerium für Justiz

Museumsstrasse 7

1070 Wien

 

 

                                                                                                                 23.6.08

 

Stellungnahme: zum Entwurf Familienrechtsänderungsgesetz:

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Wir danken für die Möglichkeit zur Stellungnahme und möchten einige Anmerkungen anführen:

 

§1220 ABGB

Wünschenswert fänden wir, wenn es einen Ausstattungsanspruch nicht nur bei Verehelichung geben würde, sondern allgemein bei Haushaltsgründungen, da ja viele junge Paare in Lebensgemeinschaften zusammenleben. Eine Ungleichstellung dieser Partnerschaften gegenüber einer Ehe ist nicht nachvollziehbar.

 

UVG

Wichtig wäre, dass auch EWR-BürgerInnen Anspruch auf Unterhaltsvorschuss haben, bzw. auch Drittstaatenangehörige, wenn deren gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich ist. Dies würde einer Einteilung von in Österreich lebenden Kindern in zwei Klassen entgegenwirken.

Bedauerlich ist auch, dass der Unterhaltsvorschuss bei Kindern ab 18 Jahren nicht mehr gewährt wird, wenn diese noch in Schulausbildung sind (z. B. 5 jährige mittlere Schulen). Zwar können diese Kinder Exekution gegen den Vater führen, was in der Praxis aber kaum vorkommt und sicherlich eine große seelische Belastung für die Kinder darstellt.

 

Mietrechtsgesetz

Ausdrücklich begrüßen wir die Gleichstellung von Ehepaaren und verschieden- oder gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften!

 

ZPO

Eine Beratungspflicht vor der Scheidung ist grundsätzlich zu begrüßen.

 

Wichtig wäre aber, dass eine rechtliche Beratung mit einer psychosozialen Beratung einhergeht. Oftmals sind Menschen auf Grund einer Scheidung in einer Krise, bzw. in einer schwierigen psychischen Verfassung. In der Praxis der Beratung von gewaltbetroffenen Frauen stellen wir oft fest, dass zuerst Raum sein muss, die Ängste und den Schmerz zu thematisieren, bevor die Frauen in der Lage sind, komplexen rechtlichen Zusammenhängen wirklich zu folgen. Insofern wäre die Ansiedlung der Beratungen in Familienberatungsstellen natürlich besonders begrüßenswert, diese sind aber nicht völlig flächendeckend in Österreich vorhanden. Inwieweit alle RechtsanwältInnen und speziell auch Notare, die sich nicht überwiegend mit Familienrecht und den Dynamiken und Ambivalenzen einer Trennung befassen, in der Lage sind, einzuschätzen, ob die Ratsuchende Person in der Lage ist, die gegebene Rechtsauskunft auch wirklich zur Gänze zu erfassen, bleibt fraglich. Insofern müsste unseres Erachtens jedenfalls noch mehr verdeutlicht werden, dass trotz dieser Regelung RichterInnen nicht der Anleitungspflicht enthoben sind.

 

Wichtig wäre auch, dass alle beratenden Personen verpflichtet sind, den Ratsuchenden Personen die zu erwartenden Kosten bekannt zu geben, Stundensätze von 350 € sind keine Seltenheit, würden aber bei einkommensschwachen Menschen ein großes Problem verursachen. Besser noch wäre die Festlegung eines einheitlichen Beratungssatzes für diese Form der Beratung. Auch wird geklärt werden müssen, wie der Beitrag für Personen ausfällt, die Familienberatungsstellen aufsuchen.

 

Der Begriff eines/r „rechtskundigen Mitarbeiters/in“ wäre aus unserer Sicht genauer zu definieren, ist hierzu eine juristische Ausbildung erforderlich, oder reichen Rechtskenntnisse, die in der Praxis von Familienberatungsstellen üblicherweise vorhanden sind?

 

Speziell wenn ausländisches Recht zur Anwendung kommt, ist eine Rechtsberatung meist sehr aufwendig und bedarf etlicher Recherchen im Vorfeld. Uns stellt sich die Frage, ob für diese sehr speziellen Beratungen wirklich jede grundsätzlich rechtskundige Person, die aber nicht auf dieses Thema spezialisiert ist, verlässliche Auskunft geben kann. Sichergestellt müsste jedenfalls sein, dass mangelnde Deutschkenntnisse durch die Beiziehung von Dolmetsch ausgeglichen werden. Auch hier stellt sich wieder die dringende Frage, dass Menschen über die zu erwartenden Kosten informiert werden.

 

Für die Familienberatungsstellen wäre noch zu klären, wer übernimmt die Kosten vor allem für eine Haftpflichtversicherung der MitarbeiterInnen, aber auch für die laufenden juristischen Fortbildungen und für den Kostenaufwand der Administration dieser Beratungen.

 

Abseits dieser offenen Punkte begrüßen wir, besonders aus frauenpolitischer Sicht, aber die Beratungspflicht.

 

Ein Punkt, der zumindest aus unserer Sicht in diesem Entwurf offen geblieben ist, wäre die Möglichkeit das eheliche Gebrauchsgut mittels EV zu sichern, wenn keine Scheidung anhängig ist.

Ein Bsp. aus der Praxis zur Veranschaulichung: eine ältere Frau, seit 30 Jahren verheiratet, Hausfrau. Der Mann trennt sich und beginnt das eheliche Gebrauchsgut zu verkaufen. Nun ist es so, dass der „schuldlose“ Teil abhängig davon ist, dass der „Schuldige“ Teil klagt, um in den Genuss witwenpensionsrechtlicher Ansprüche zu kommen. Dies ist aus unserer Sicht eine diskriminierende Regelung, die vor allem Frauen trifft.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Andrea Brem

Geschäftsführerin

Wiener Frauenhäuser