Stellungnahme zum FamRÄG 2008

 

 

Textfeld: 24. Juni 2008Sehr geehrte Damen und Herren,

 

zum Entwurf des FamRÄG übermitteln wir die folgende Stellungnahme:

Textfeld:    Österreichische ARGE für Jugendwohlfahrt, A-1080 Wien, Kochgasse 34/8
Bundesministerium für Justiz
Museumstraße 7
1070 Wien
Textfeld: A-1080 Wien, Kochgasse 34/8
tel	+43 1 403 30 74
fax	+43 1 403 30 74 15
mail	arge@jugendwohlfahrt.at
www.	jugendwohlfahrt.at

Zu Art. I des Entwurfs (Änderung des ABGB)

 

Zu §§ 90 Abs. 3 und 137 Abs. 4 ABGB 

 

Warum in § 90 Abs. 3 ABGB nunmehr doch ein Recht und eine Pflicht des verheirateten Stiefelternteils vorgesehen ist, den obsorgeberechtigten Ehegatten bei der Ausübung der Obsorge zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern, ist angesichts der Erläuterungen, dass im Endbericht einer für die Vorbereitung des vorliegenden Gesetzesentwurfes zuständigen Arbeitsgruppe "ein Vertretungsrecht von der weit überwiegenden Mehrheit der Arbeitsgruppe abgelehnt wurde", nicht nachvollziehbar.

 

Auch aus unserer Sicht würde ein/e solche/s gesetzliche/s Vertretungsrecht/-pflicht wohl mehr Fragen aufwerfen als lösen (z.B. ob in einer konkreten Situation die Umstände tatsächlich eine solche Vertretung erfordern oder z.B. was gilt, wenn der Vertreter – wie sich etwa nachträglich herausstellt – doch nicht im Sinn des Vertretenen gehandelt hat). Überdies ist für die zahlreichen Lebensgemeinschaften, in denen die "Patchwork"-Thematik die selbe Rolle spielt, auch keine entsprechende Regelung vorgesehen, was eine Ungleichbehandlung bedeutet.

 

Weiters erscheint im Rahmen des Entwurfs unbedingt eine Klarstellung des Gesetzgebers – zumindest in den Erläuterungen – dringend erforderlich, wie er die "Patchwork"-Thematik bei gleichgeschlechtlichen Lebensgefährten/-innen im Verhältnis zu den Kindern des/der anderen Lebensgefährten/-in sieht (Stichwort: Eingetragene Partnerschaften). Diesen Aspekt klammern auch die Erläuterungen zu § 137 Abs. 4 ABGB aus. Eine Gleichbehandlung würde wohl auch gebieten, eine § 90 Abs. 3 ABGB vergleichbare Regelung auch im Rahmen des Lebenspartnerschaftsgesetzes vorzusehen. Jedenfalls müsste klargestellt werden, wieso der Gesetzgeber eine entsprechende Gleichstellung nicht für erforderlich hält.

 

Ferner erscheint uns unbedingt auch eine ausdrückliche Klarstellung des Gesetzgebers – zumindest in den Erläuterungen - erforderlich, ob der/die gleichgeschlechtliche Lebenspartner/-in hinsichtlich des Kindes des/der Lebenspartners/-in als Pflegeelternteil im Sinn des § 186 ABGB anzusehen ist - und damit auch in den Personenkreis nach § 145 Abs. 1 ABGB fällt – oder nicht. Die Rechtsprechung hat diese Frage – soweit ersichtlich – bisher offen gelassen (vgl. 7 Ob 144/02f), sie ist aber von erheblicher praktischer Bedeutung.

 

Grundsätzlich fallen nach den Erläuterungen zum KindRÄG 2001 (296 BlgNR XXI. GP, 70) auch Stiefelternteile bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen unter den Begriff der Pflegeeltern nach § 186 ABGB. Ob das auch gleichgeschlechtliche Lebensgefährten/-innen umfasst, blieb aber bisher offen.

 

In den Erläuterungen zum KindRÄG 2001 (aaO, 52) wird ausgeführt, niemandem der in § 145 Abs. 1 Satz 2 ABGB genannten Personen – anderer Elternteil, Großeltern, Pflegeeltern – komme ein Vorrecht zu, alle potenziellen Obsorgeträger seien vielmehr untereinander gleichrangig. Wer von Ihnen letztlich vom Gericht mit der Obsorge betraut werde, hänge ausschließlich von der emotionalen und sozialen Nahebeziehung des Kindes zu ihm ab.

 

Lebt etwa die allein obsorgeberechtigte Mutter mit ihrem Kind in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft und bejaht man die Pflegeelterneigenschaft der Lebenspartnerin, wäre diese bei Tod der Mutter grundsätzlich mit dem Vater und den Großeltern gleichrangige Adressatin für die Obsorgebetrauung und müsste vom Gericht betraut werden, wenn zu ihr aus diesem Personenkreis die größte Nahebeziehung des Kindes besteht.

 

Auf diese Thematik geht – so wie das Lebenspartnerschaftsgesetz - auch der gegenständliche Gesetzentwurf nicht ein, eine Klärung erscheint aber dringend erforderlich.

 

Zu § 215 Abs. 3 ABGB   

 

Diese dem JWT zusätzlich überantworteten neuen Verantwortlichkeit muss mit Skepsis entgegen getreten werden: Ob ein Verfahren zur Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Auslandsadoption "zur Wahrung der berechtigten Interessen eines unter 18 Jahre alten Wahlkindes erforderlich ist", wird der JWT, der in der Regel mit der Adoption gar nicht befasst war, oft schwer beurteilen können. Es kann dem JWT aber nicht zugemutet werden, auf allenfalls nur allgemeine Hinweise über Verdacht von Kinderhandel, Dokumentenfälschung oder anderen Manipulationen - so die Erläuterungen zu § 91b AußStrG - im betreffenden Herkunftsstaat mit Erhebungen in jenen Ländern zu führen, denen man unausgesprochen unterstellt, dass Dokumentenfälschung und ähnliches vergleichsweise leicht möglich sein sollen. 

 

Zu Art. III des Entwurfs (Änderung des UVG)

 

Einleitend soll auf bereits früher an das Justizministerium herangetragene Themenbereiche im Zusammenhang mit dem Unterhaltsvorschuss eingegangen werden, die nicht Thema des gegenständlichen Novellenvorhabens sind, deren Regelung bzw. Klarstellung wir aber – sei es durch den Gesetzgeber, sei es durch das Justizministerium – neuerlich dringend anregen:

 

Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse für ausländische Kinder

 

Zur Frage, welche nicht österreichischen Kinder nun unter welchen Voraussetzungen konkret Anspruch auf Vorschüsse haben, besteht mittlerweile eine umfangreiche Judikatur, die aber zum Teil widersprüchlich ist. Für den JWT, der etwa nach § 212 Abs. 2 ABGB auch für ausländische Kinder zum Unterhaltsvertreter bestellt werden kann, ist es oft nur mehr schwer einzuschätzen, ob nun ein Anspruch auf Vorschüsse besteht oder nicht.

 

Jüngstes Beispiel ist die Judikaturänderung zur Frage, nach welchem Recht sich der Anspruch richtet, wenn sich etwa die (berufstätige) Mutter und das Kind, beide mit Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Mitgliedstaats, in Österreich aufhalten und der unterhaltspflichtige Vater im EU-Ausland. Bisher war ständige Rechtsprechung, dass es für den Anspruch des Kindes ausreiche, wenn es zumindest einen Elternteil hat, der Arbeitnehmer oder Selbstständiger ist und sich als solcher im EWR bewegt. Der Anspruch konnte also auch von der obsorgeberechtigten berufstätigen Mutter, die mit dem Kind in Österreich lebt, abgeleitet werden (vgl. 4 Ob 117/02p; 10 Ob 36/05z; 8 Ob 100/06y). Die Kollisionsregeln der VO 1408/71 wurden dahingehend ausgelegt, dass im Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen in mehreren Mitgliedstaaten der Anspruch im Wohnsitzstaat des Kindes vorgehe (vgl. 9 Ob 157/02g; 1 Ob 171/05m; 9 Ob 126/06w). Nach den jüngsten Entscheidungen 4 Ob 4/07b und 6 Ob 121/07y werden die Kollisionsregeln dagegen genau gegenteilig ausgelegt. In solchen Fällen sei ausschließlich an die Rechtsstellung des Unterhaltsschuldners anzuknüpfen, es sei ausschließlich jenes System sozialer Sicherheit maßgebend, in das der Unterhaltsschuldner eingebunden sei, es bestehe daher kein Anspruch auf österreichische Vorschüsse. Der JWT hätte danach einen Antrag auf Vorschüsse oder eine vergleichbare Leistung im Wohnsitzstaat des Unterhaltspflichtigen im anderen EU-Mitgliedsstaat zu stellen (womit er jedenfalls überfordert wäre).

 

Es wäre daher aus unserer Sicht im Interesse der Rechtssicherheit im Zusammenhang mit der Unterhaltsvertretung ausländischer Kinder, die sich im Inland dauernd aufhalten, dringend erforderlich, dass Klarheit geschaffen wird, wer nun tatsächlich in welchen Fällen Anspruch auf Vorschüsse hat.

 

Verständigung des JWT vom Haftantritt und der Haftentlassung

 

In vielen Fällen erfolgt bei Vätern, über die eine strafgerichtliche Haft verhängt wird, keine Meldung des Haftantritts an den zuständigen JWT (konkret das für die Kinder zuständige Bezirks-Jugendamt). In der Regel erfährt der JWT erst von der Inhaftierung, wenn der Vater einen Antrag auf Befreiung von der Unterhaltspflicht stellt und kann erst ab diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Haftvorschüsse (§ 4 Z. 3 UVG) stellen, womit die Kinder in der Regel um bereits möglich gewesene Haftvorschüsse gebracht werden. Auch von einer Entlassung aus der Haft wird der JWT von den Haftanstalten nicht automatisch verständigt.

 

Hier regen wir neuerlich dringend an, für solche Fälle eine automatische Verständigung des JWT vom Haftantritt und der Haftentlassung gesetzlich vorzusehen oder auf anderem Weg seitens des Justizministeriums sicherzustellen.

 

 

Nun zu einzelnen der vorgesehenen Neuerungen im Entwurf:

 

Zu § 3 Abs. 2 UVG

 

Die Fixierung auf Exektionen gemäß § 294a EO (und nicht ebenso solche gemäß § 294 EO) erscheint unverständlich. Auch die Bestimmung „unter Berücksichtigung von § 372“ erscheint unklar formuliert.

 

6 Abs. 2 UVG

 

Im Interesse der Unterhaltssicherung kann die für Kinder ab 14 Jahren vorgesehene Reduzierung der Vorschüsse von 75 % auf 60 % des Richtsatzes nicht nachvollzogen werden, da gerade ab diesem Alter die Bedürfnisse des Kindes natürlich wesentlich höher sind als etwa bei einem Kleinkind. Konkret würde sich – bezogen auf 2008 - eine Reduzierung des Richtsatzvorschusses nach § 6 Abs. 2 Z. 3 UVG von 367 € auf 293 € ergeben, womit nur mehr ein Betrag zustünde, der auch wesentlich unter dem aktuellen Regelbedarfssatz (322 € für 10- bis 14-Jährige; 378 € für 15- bis 19-Jährige) liegt.

 

Zu Art. IX des Entwurfs (Änderung des AußStrG)

 

Zu §§ 91a bis 91d AußStrG

 

Das in den Erläuterungen zu § 215 Abs. 3 ABGB formulierte Ziel, mit der Einführung eines fakultativen gerichtlichen Anerkennungsverfahrens für ausländische Adoptionsentscheidungen die Rechte des Kindes zu sichern, den Status zu erhalten und seinen leiblichen Eltern nicht entzogen zu werden, ist grundsätzlich zu unterstützen. Aus unserer Sicht ist das vorgesehene Anerkennungsverfahren dazu aber nicht geeignet.

 

Dabei ist schon grundsätzlich nicht klar, wieso etwa für Behörden, die konkret die Vorfrage der Wirksamkeit einer Auslandsadoption zu prüfen haben (z.B. Fremden- oder Staatsbürgerschaftsbehörden), kein eigenes Antragsrecht vorgesehen ist. Hier ist aus Sicht des JWT im Zusammenhang mit dem neuen § 215 Abs. 3 ABGB (vgl. oben) zu befürchten, dass diese Behörden die Vorfrage nun tendenziell gar nicht mehr selbst beurteilen werden, sondern in der Regel einfach den JWT befassen werden, dem nach § 215 Abs. 3 ABGB die Entscheidung über die Antragstellung überantwortet wird. Dies wird entschieden abgelehnt, vielmehr sollte sehr wohl ein eigenes Antragsrecht dieser Behörden an das Gericht vorgesehen werden.

 

Die Praxis stellt sich derzeit im wesentlichen so dar, dass Adoptionen (außerhalb des Haager Übereinkommens), die im Ausland abgewickelt werden, sehr häufig am JWT vorbeilaufen. In manchen Fällen erfährt der JWT von der im Ausland ins Auge gefassten Adoption deshalb, weil der Ursprungsstaat den Werbern die Vorlage eines Sozialberichtes des JWT abverlangt. Selbst in diesen Fällen ist dies in aller Regel der einzige Kontakt zwischen den künftigen Adoptiveltern und JWT. In der Folge wird die Adoption im Ursprungsstaat abgewickelt und mit dem Kind eingereist. Auch davon erlangt der JWT in den seltensten Fällen (und auch da meist nur durch Zufall) Kenntnis.

 

Dass das vorgesehene Anerkennungsverfahren an der Praxis vorbeiläuft, zeigt auch § 91b Abs. 2 AußStrG, wonach dem Antrag eine Ausfertigung der Entscheidung und ein Nachweis ihrer Rechtskraft nach dem Recht des Ursprungsstaates anzuschließen ist. Offen bleibt, wie der JWT zu diesen Unterlagen kommen soll. Die Adoptiveltern werden dem JWT bei einem im Raum stehenden Verfahren zur Nichtanerkennung der Adoption kaum freiwillig eine Ausfertigung einer solchen Entscheidung zur Verfügung stellen. Damit verbleiben die inländischen Behörden, die die Wirksamkeit der Adoption als Vorfrage zu beurteilen haben (und denen die Adoptiveltern [z.B. zur Erwirkung einer Aufenthaltsbewilligung oder der Staatsbürgerschaft] die Unterlagen vorlegen müssen). Wie bereits ausgeführt wird aber die zu erwartende quasi automatische Befassung des JWT durch diese Behörden entschieden abgelehnt.

 

Auch ein allfälliges Ansinnen, der JWT solle sich zum Zweck der Dokumentenbeschaffung mit der ausländischen Behörde, die die Adoption bewilligt hat, in Verbindung setzen, muss zurückgewiesen werden. Abgesehen vom verwaltungsökonomischen Aufwand zeigen die Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Haager Adoptionsübereinkommen, dass selbst in diesem Rahmen die Übermittlung von Unterlagen durch ausländische Behörden (sollten sie überhaupt übermittelt werden) dermaßen viel Zeit in Anspruch nimmt, dass Verfahren zur Nichtanerkennung seitens des JWT in der Regel erst zu einem Zeitpunkt beantragt werden könnten, zu dem das adoptierte (ausländische) Kind längst seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich begründet hat. Fraglich ist dann selbstverständlich auch, wer nach einer allenfalls erst nach Jahren festgestellten Nichtanerkennung der Adoption für die Rückführung des Kindes in den Ursprungsstaat sorgt. Dazu kommt auch noch, dass in solchen Fällen ein Kind möglicherweise schon enge Bindungen zu seinen Adoptiveltern entwickelt hat, die dann nicht ohne zu befürchtenden Schaden für das Kind abgebrochen werden müssen.

 

Zusammenfassend wird daher das vorgesehene fakultative Anerkennungsverfahren für ausländische Adoptionsentscheidungen und die Überantwortung der Antragstellung an den JWT nach § 215 Abs. 3 ABGB abgelehnt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Hubert Hofer

Wolfgang Zencica