Stellungnahme zum FamRÄG

 

soweit es das Anerkennungsverfahren für ausländische Adoptionsentscheidungen betrifft.

 

Österreich ist seit 1999 Mitglied der Haager Übereinkommens vom 29.05.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (BGBl. III 1999/145).

 

1) Ziel des Übereinkommens ist es den Handel mit Kindern zu verhindern (Art. 1). Die zentralen Behörden der Vertragsstaaten, also die MA 11 in Wien und die NÖ Landesjugendwohlfahrt für NÖ, treffen alle geeigneten Maßnahmen um unstatthafte Vermögensvorteile auszuschließen und den Zielen des Übereinkommens zuwiderlaufende Praktiken zu verhindern; dazu gehört, Auskünfte über die Lage des Kindes einzuholen und aufzubewahren und das Adoptionsverfahren zu überwachen (Art. 8,9).

Die Aufgaben einer zentralen Behörde können von einer in ihrem Staat ordnungsgemäß zugelassenen Organisation wahrgenommen werden; die Zulassung erhalten und behalten nur Organisationen, die darlegen, dass sie fähig sind die ihnen übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß auszuführen.

 

2) Die zuständigen Behörden eines Vertragsstaates sorgen dafür, dass die ihnen vorliegenden Angaben über die Herkunft des Kindes insbesondere über die Identität seiner Eltern aufbewahrt werden (Art. 30).

 

Eine Behörde die feststellt, dass Bestimmungen des Übereinkommens nicht beachtet oder missachtet zu werden drohen, hat die zentrale Behörde ihres Staates zu unterrichten, die dafür verantwortlich ist geeignete Maßnahmen zu treffen.

 

Österreich adoptiert z.B. aus Äthiopien unter 100 Kindern pro Jahr, Spanien und Frankreich mehr als 400. Es ist bekannt, dass die Schwäche des äthiopischen Systems darin besteht, dass viel von den Erklärungen der Polizei wie und wo ein Kind gefunden wurde (sogenannter Kebele-Brief) abhängt und Personenstandsurkunden häufig fehlen, sodass viel Arbeit von den Adoptionsvermittlungsagenturen abhängt, deren Zahl im Jahr 2007 von 56 auf 69 gestiegen ist. Ein Problem ist die Anerkennung der Adoption im Aufnahmestaat, wenn die leiblichen Eltern der vermittelten Kinder noch am Leben sind.

 

3) Die vorgeschlagene Gesetzesreform wird damit begründet, dass gelegentlich Unklarheit darüber bestehe, ob eine im Ausland bewilligte Adoption im Inland wirksam ist. Auch sei vorgesehen, dass die Inanspruchnahme verlässlicher behördlich anerkannter Adoptionsvermittler ein Plus an Sicherstellung des Kindeswohls und an Rechtssicherheit nach sich ziehe. In einem gerichtlichen Verfahren können die Parteien (auf die noch näher einzugehen sein wird), die Wirksamkeit der Adoption als Vorfrage prüfen lassen.

 

 

4) Ein Satz in den Erläuterungen fällt besonders auf:

            „Die Bekämpfung der Gefahren eines Kinderhandels werden im wesentlichen durch die Kooperation zweier Behörden, nämlich jener im Ursprungsstaat und jener im Aufnahmestaat, so gering wie möglich gehalten“.

 

So offensichtlich unrichtig die Aussage ist, entspricht die bittere Ironie den Tatsachen. Zwischen Österreich und z.B. Äthiopien, das nicht Mitglied der Haager Konvention ist, besteht überhaupt keine Zusammenarbeit zwischen den Behörden. Umso mehr muss Österreich als Vertragsstaat erhöhte Sorgfalt anwenden, um den Zielen der Konvention zu

 

 

entsprechen, auch wenn der Arbeitsbehelf des BM für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz aus dem Jahr 2004 über internationale Adoption - formell nicht zu Unrecht - ausführt, dass die Haager Konvention bzw. deren Verfahren nicht anzuwenden ist, wenn die Annehmenden in einem Konventionsstaat, das Wahlkind hingegen in einem Nicht-Konventionsstaat den gewöhnlichen Aufenthalt haben/hat, hat Österreich seinerseits deren Grundsätze einzuhalten.

 

Laut Erläuterungen ist die „gewissermaßen präventive Zusammenarbeit“ eine Aufgabe der Jugendwohlfahrt, die Frage der Anerkennung sei zivilrechtlich.

 

Der Entwurf schlägt ein bloß fakultatives Anerkennungsverfahren vor, bietet damit aber keinerlei verpflichtende Kontrolle im Nachhinein!

 

Der Entwurf ist dem deutschen Adoptionswirkungsgesetz, demzufolge das Vormundschaftsgericht auf Antrag feststellt, ob eine Annahme als Kind wirksam und ob das Eltern- Kind- Verhältnis zu den bisherigen Eltern durch die Annahme erloschen ist, nachempfunden.

 

5) Der Reformvorschlag ist ein Fall der Anlassgesetzgebung, weil der Vertreter der von der MA11 als Adoptionsvermittlungsagentur für Nichtmitgliedstaaten der Haager Konvention zugelassene Verein Family For You überführt wurde, gegen Bestechung von Beamten in Äthiopien eine Urkunde über Herkunft, Alter und Geschwistereigenschaft eines von ihm vermittelten Kindes fälschen haben zu lassen.

 

Trotz Kenntnis des Verdachtes und später der Beweise sind die Jugendwohlfahrtsbehörden von Wien und Niederösterreich, die beide in einem Naheverhältnis zum Verein stehen, untätig geblieben, sodass die Begründung des Entwurfes, die Jugendwohlfahrtsträger seien behördlich verpflichtet, die übertragenen Befugnisse auszuüben, eine Scheinbegründung ist, weil sie ihrerseits keinerlei Kontrolle unterliegen, ob sie Kontrolle ausgeübt haben, ob eine zugelassene Organisation vor Ort Kontrolle ausgeübt hat, und insbesondere, ob das Adoptionsverfahren überwacht und Angaben über die Herkunft des Kindes überhaupt beschafft, vorgelegt und aufbewahrt werden.

 

Bisher wurden Auslandsadoptionen aus Nichtkonventionsstaaten ohne irgendeine begleitende oder nachträgliche Kontrolle seitens der Landesjugendwohlfahrtsbehörden oder durch Gerichte  de facto anerkannt und in der Folge die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Wie die Praxis zeigt werden weder Adoptiveltern, geschweige den die unmündigen Adoptivkinder, noch die Adoptionsvermittlungsagenturen oder die Jugendwohlfahrtsträger ein Motiv haben einen entsprechenden Antrag auf Anerkennung der Adoption zu stellen, weil sie sich dadurch dem Risiko aussetzen, dass Unregelmäßigkeiten aufgedeckt werden.

 

6) Der Entwurf geht an der Kernfrage, nämlich der Kontrolle, völlig vorbei. Die Begründung im Entwurf, „dass Hinweise auf Kinderhandel, Dokumentenfälschung oder andere Manipulationen aufzugreifen sind, wenn sie von österreichischen Vertretungsbehörden, Kommissionen oder NGO’s kommen, stünde schon aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes (§§ 16, 31 AußStrG) außer Frage“, beweist, dass der Anlassfall Pate für den Entwurf stand. Insoweit der Entwurf davon ausgeht, dass „vor allem der so informierte Jugendwohlfahrtsträger diese Hinweise aufzugreifen haben wird“ übersieht er, dass genau diese Behörden, wie auch aus anderen aktuellen Fällen bekannt, offensichtlich nicht geeignet sind ihre Aufgaben zu erfüllen.


 

7) Laut Erläuterungen zum Entwurf sind Entscheidungen über eine Auflösung, bzw. Rückgängigmachung einer Adoption denselben Regeln zu unterwerfen wie die positive Adoptionsentscheidung. Nach internationalem Privatrecht bedeutet dies die Anwendung des ausländischen Rechts. Das äthiopische Adoptionsrecht z.B. sieht jedoch eine Aufhebung bzw. einen Widerruf der Adoption nur im Fall der Sklaverei oder sexuellen Missbrauchs vor. Diese lag im Anlassfall nicht vor. Ungeachtet dessen hat das österreichische Pflegschaftsgericht unter Anwendung des österreichischen Rechts die Adoption wegen arglistiger Irreführung gemäß Ö ABGB aufgehoben.

 

8) Die Zahnlosigkeit des Entwurfes wird noch durch die Privilegierung „behördlich anerkannter verlässlicher Vermittlungsstellen“ gesteigert, derzufolge die Gründe für die Verweigerung der Anerkennung der ausländischen Entscheidung, sie würde dem Kindeswohl oder den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public ) widersprechen und das rechtliche Gehör einer Partei sei nicht gewahrt worden, nicht vermutet werden, wenn sich die Adoptionswerber einer solchen Vermittlungsagentur bedient haben.

 

Wie nämlich der Anlassfall zeigt, wurden die Adoptivwerber von der österreichischen Adoptionsvermittlungsagentur getäuscht, die „permanente Evaluierung der Zuverlässigkeit des Adoptionspartners, hohe ethische Standards“, usw. versprach. Im Entwurf davon auszugehen, dass bei Adoptionen durch behördlich anerkannte Vermittler „von einer Wahrung des Kindeswohls ausgegangen werden kann und den Adoptionswerbern damit ein Plus an Rechtssicherheit zu kommt“ heißt die Augen vor den Tatsachen zu verschließen.

 

9) Die Erläuterungen zum Entwurf irren auch, wenn sie davon ausgehen, dass „nach Maßgabe kompetenzrechtlicher Bestimmungen erforderliche Rechtsgrundlagen für die Adoptionsvermittlung zu schaffen sein werden“, weil diesbezüglich bereits - wenn auch unterschiedliche - Landesgesetze bestehen, deren Einhaltung jedoch von den Landesjugendwohlfahrtsbehörden ignoriert wird: im Anlassfall hat weder die MA 11 noch die NÖ Landesjugendwohlfahrtsbehörde die unzulässige Vermittlungstätigkeit der Adoptionsvermittlungsagentur „Family for You“ in NÖ unterbunden.

 

10) Auch eine weitere Begründung des Entwurfes ist in sich widersprüchlich: „Die Verwendung des vorgesehenen Anerkennungsverfahren zur Komplettierung der Adoptionswirkung verbiete sich, weil sich eben keine Wirkung aus dem Ursprungsstaat erstreckt, sondern eine dort gar nicht vorgesehene Wirkung neu geschaffen werden soll“: das ist widersinnig, weil die Entscheidung im Anerkennungsverfahren dann ein neuer konstitutiver Rechtsakt wäre, obwohl sie nur deklaratorisch dazu führen kann, wie der Name sagt, die ausländische Adoptionsentscheidung anzuerkennen!

 

11) Auch die im Entwurf vorgesehenen Regelungen über Parteien und Beteiligte im Anerkennungsverfahren sind nicht geeignet Kinderhandel durch internationale Adoptionen zu unterbinden:

Die leiblichen Eltern im Ursprungsstaat (richtig: Heimatstaat) seien als antragsberechtigte Parteien zu verstehen, die dennoch nicht von amtswegen beizuziehen sind; „deren Rechte werden auf allfällige spätere, selbständige Anträge verlagert“ (wörtlich!). „Solche selbständigen Anträge der leiblichen Eltern auf Nichtanerkennung der Adoption seien eines der wirksamsten zivilrechtlichen Instrumente gegen Kinderhandel!“, glauben die Verfasser des Entwurfes. WOHER sollen die leiblichen Eltern wissen, wenn sie, wie im Anlassfall, darüber getäuscht wurden, dass das Kind nicht nach Amerika, sondern nach Österreich vermittelt wurde, weil sie vom Vertreter des österreichischen Adoptionsvermittlers getäuscht wurden, WOHIN sie sich wenden sollen?!

 

 

 

Der Entwurf ist in keiner Weise geeignet, eine Kontrolle von Auslandsadoptionen zu erreichen und zu verhindern, wie Family for You sie organisiert hat, dass nämlich die Adoptiveltern das fertig adoptierte Kind abholen, ohne es je vorher gesehen zu haben!

 

Der Entwurf lässt schonungslos den negativen Kompetenzkonflikt zwischen Justizressort, dem BM für Generationen, Jugend und Familie, den Landesjugendwohlfahrts“behörden und den Gerichten erkennen, übersieht „lessons learned“ und läßt außerdem die Intention der geistigen Urheber, der Adoptionsvermittler, gar kein Interesse zu haben, Spuren leiblicher Eltern zu suchen, erkennen.

 

12) Der Entwurf gebiert totes Recht. Er hilft bloß der Kaschierung von Malversationen und ist in keiner Weise geeignet Adoptionskinderhandel durch internationale Adoptionen zu bekämpfen und zu verhindern. Wenn schon Auslandsadoptionen aus Nichtkonventionsstaaten keiner zwingenden nachträglichen Anerkennung unterworfen werden ist zumindest eine zwingende KONTROLLE vorzusehen, ob bestimmte Auflagen, dass bestimmte Dokumente mit bestimmten inhaltlichen Erfordernissen vorliegen, erfüllt sind.

 

Vielmehr wäre § 194 StGB über verbotene Adoptionsvermittlung zu novellieren, der vorsieht „wer bewirkt, dass eine zustimmungsberechtigte Person gegen Gewährung eines Vorteiles der Adoption zustimmt, zu bestrafen ist“, wobei Annehmende gemäß Abs. 3 leg. cit. nicht als Beteiligte zu bestrafen sind, indem die Ausnehmung der Adoptierenden von der Strafbarkeit ersatzlos zu entfallen hat, weil Adoptivwerber, wie Reaktionen im Anlassfall gezeigt haben, bereit sind namhafte Beträge für die Adoptionsvermittlung zu bezahlen, deren Verwendung gelegentlich, wie der Fall zeigt, kriminell ist und Adoptionsvermittlungsagenturen skrupellos Kinder für Adoptionswerber suchen statt Adoptiveltern für Waisenkinder, wobei die vermittelten Kinder häufig keine Waisenkinder sind, sondern sogenannten Sozialwaisen, deren Eltern am Leben sind; so hat Frau Fembek von „Family for you“ behauptet, es sei eine Mär, dass die Kinder Waisen seien, es handle sich vielmehr um Sozialwaisen.

 

Der Entwurf über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über die Annahme an Kindes statt, trägt die Handschrift der geistigen der Tolerierung internationalen Adoptionskinderhandels, der internationalen Adoptionsvermittlungsagenturen, deren Lobbying den vorliegenden Entwurf geprägt haben dürften. Wie wenig der Kern des Problems erkannt wurde zeigt nicht nur der Entwurf, sondern zeigen auch die Gespräche die der Verfasser mit dem zuständigen Abteilungsleiter im BMJ, Dr. Fucik, geführt hat, der primär mit der MA 11 Formulare ausarbeiten wollte. Zur Untermauerung der Kritik diene die sogenannte äthiopische Adoptionsvermittlungslizenzurkunde von „Family for You“: eine bloße Vereinsregisterbestätigung, folglich auch nicht vom für Adoptionen zuständigen Ministerium „For Woman´s Affairs“ ausgestellt: NIEMAND hat sie bisher kontrolliert!

 

Fast sieht es so aus als ob der Entwurf unbedingt vor der am 26./27. Mai 2008 in Wien stattfindenden OSZE-Konferenz über Kinderhandel: Antworten und Herausforderungen auf lokaler Ebene präsentiert werden sollte, damit die für die MA 11 verantwortliche Stadträtin Grete Laska, die auf der Konferenz zum Thema sprach, etwas vorzuzeigen hatte.

 

 

Wien 24.06.2008                                                                                              RA Dr. Eric Agstner

 

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Dr. Eric Agstner

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