A-1010 Wien, Ballhausplatz 1

Tel.  ++43-1-531 15/2527

Fax: ++43-1-531 15/2702

REPUBLIK ÖSTERREICH

e-mail: dsrpost@bka.gv.at

DATENSCHUTZRAT

 

DVR: 0000019

GZ BKA-817.334/0002-DSR/2008

 

 

 

 

An das

Präsidium des Nationalrates

Parlament

Per Mail: 'begutachtungsverfahren@parlament.gv.at'

 

 

 

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (22. StVO Novelle) und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden;

Stellungnahme des Datenschutzrates

 

 

 

 

 

 

 

In der Anlage wird die Stellungnahme des Datenschutzrates zu dem im Betreff genannten Gesetzesentwurf übermittelt.

 

 

Anlage

 

 

 

 

26. Juni 2008

Für den Datenschutzrat:

Der Vorsitzende:

WÖGERBAUER

 

 

 

Elektronisch gefertigt

 

 

 


 

 

A-1010 Wien, Ballhausplatz 2

Tel.  ++43-1-531 15/2527

Fax: ++43-1-531 15/2702

REPUBLIK ÖSTERREICH

e-mail: dsrpost@bka.gv.at

DATENSCHUTZRAT

 

DVR: 0000019

GZ BKA-817.334/002-DSR/2008

 

 

 

 

An das

Bundesministerium für Verkehr,

Innovation und Technologie

 

Per Mail: st5@bmvit.gv.at

 

 

 

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 (22. StVO Novelle) und das Kraftfahrgesetz 1967 geändert werden;

Stellungnahme des Datenschutzrates

 

 

 

Der Datenschutzrat hat in seiner 182. Sitzung am 23.Juni 2008 mit einer Gegenstimme beschlossen, zu der im Betreff genannten Novelle folgende Stellungnahme abzugeben:

 

 

1. Allgemeines:

Derzeit gibt es in der Straßenverkehrsordnung 1960 weder ausdrückliche Bestimmungen über die Zulässigkeit des Einsatzes bildverarbeitender technischer Einrichtungen zur Verkehrsüberwachung noch datenschutzrechtliche

Anforderungen an ebensolche Einrichtungen.

Im Kraftfahrgesetz 1967 findet sich zwar in Form des § 134 Abs. 3b eine Ermächtigung zur Feststellung einer Überschreitung einer ziffernmäßig festgesetzten Höchstgeschwindigkeit mittels „automatischer Geschwindigkeitsmesssysteme […], mit denen die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit eines Fahrzeuges

auf einer bestimmten Wegstrecke gemessen werden kann“. Nähere Aussagen zur Reichweite der Verwendung dabei anfallender Daten fehlen jedoch auch hier.

 

 

 

2. Datenschutzrechtlich relevante Bestimmungen:

Ausdrücklich zu begrüßen ist aus datenschutzrechtlicher Sicht die erstmalige ausdrückliche gesetzliche Regelung von Überwachungstechnologien im Straßenverkehr, welche mit der Verwendung personenbezogener Daten im Sinn des § 1 Abs. 1 DSG 2000 einhergehen.

Aus den die bildgebende Erfassung von Personen außer dem Fahrzeuglenker betreffende Detailregelungen (vgl. §§ 98a Abs. 3, 98b Abs. 2, 98c Abs. 3 usw.) kann erschlossen werden, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, dass für die Zwecke der §§ 98a ff StVO eine bildgebende Erfassung und Dokumentation von Fahrzeugen und damit potentiell auch von Fahrzeuglenkern und anderen Insassen mittels „Frontalaufnahme“ generell zulässig ist.

In diesem Kontext erhebt sich die Frage, ob und inwieweit die damit einhergehende Ermittlung personenbezogener Daten (Stichwort: Erfassung von „Unbeteiligten“ bzw. Beifahrern) nicht als überschießend und damit als unverhältnismäßig gewertet werden könnte.

Dies va. deshalb, da in Österreich die Sanktionierung mittels automatischer Überwachung festgestellter Übertretungen grundsätzlich mittels Anonymverfügung erfolgt, für welche es gerade nicht auf die Ermittlung der Identität des Lenkers bzw. anderer Insassen ankommt.

Der Datenschutzrat regt daher generell an, das das BMVIT eine Abschätzung vornehmen sollte, um wie viele Fälle es sich handelt, die nur aufgrund dieser Maßnahme überführt werden können und ob ein derartiger Eingriff (Frontalaufnahme) das gelindeste Mittel zur Erreichung dieses Zieles darstellt.

 

Falls die Maßnahme eingeführt werden sollte, wäre aus datenschutzrechtlicher Sicht eine Lösung vorzuziehen, die ermöglicht, dass die Erfassung des Fahrzeuges mit „Frontalaufnahme“ erst dann erfolgen darf, wenn eine Verwaltungsübertretung festgestellt wurde (siehe Bemerkungen zur „Section Control“).

Jedenfalls müssten alle technischen Maßnahmen ergriffen werden, damit sichergestellt ist, dass Unbeteiligte bzw. Beifahrer, die auf den Fotos ersichtlich sind, sofort unkenntlich gemacht (gelöscht) werden.

 

Diese Problematik stellte sich va. bei der sog. abschnittsbezogenen Geschwindigkeitsüberwachung („Section Control“), da hier eine verdachtsunabhängige Erfassung sämtlicher Kfz erfolgt. Derzeit werden bei eben dieser Messmethode ausschließlich Heckfotographien herangezogen. Deren Umstellung auf „Frontfotographie“ könnte eine Neubewertung dieses Überwachungsinstruments aus verfassungsrechtlicher Perspektive etwa auch durch den Verfassungsgerichtshof zur Folge haben.

Datenschutzpolitisch wäre daher zu empfehlen, im spezifischen Fall der abschnittsbezogenen Geschwindigkeitskontrolle die bildgebende Erfassung von Fahrzeuginsassen insofern zu gestalten, dass – angeblich ist diese technische Möglichkeit vorhanden – Lenker und deren Fahrzeuge, die keine Verwaltungsvertretung übergangen haben, sofort zu löschen. Sollte es möglich sein, mit vertretbarem Finanzaufwand sogar aufgrund der Tatsache, dass keine Verwaltungsübertretung stattgefunden hat, von der Frontaufnahme unschuldiger Lenker Abstand zu nehmen, so wäre dies natürlich die beste datenschutzrechtliche Lösung.

 

3. Detailbemerkung zu § 98 e Abs. 1 StVO:

In Abs. 1 des § 98e wird der Versuch unternommen, die Zwecke, für die eine Überwachung aus Fahrzeugen mittels Bildverarbeitender technischer Einrichtungen zulässig ist, möglichst abschließend zu umschreiben. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Kontext, dass in Z 1 bis 3 bestimmte Delikte herausgegriffen werden, wohingegen in Z 4 letztlich wiederum auf die Gesamtheit der möglichen Übertretungsfälle nach StVO bzw. KFG abgestellt wird. Damit stellt sich die Sinnhaftigkeit der Hervorhebung einzelner Delikte in Z 1 bis 3. Zielführender erschiene es, entweder allgemein auf „schwere Verstöße“ abzustellen oder aber in
Z 4 eine Qualifikation in diesem Sinne einzufügen.

 

Im Lichte der potenziellen Datenfülle, die mit den in Fahrzeugen eingebauten bildverarbeitenden technischen Einrichtungen während einer Kontrollfahrt erhoben werden können (Stichwort: Unbeteiligte), erscheint es aus Verhältnismäßigkeitsgründen angezeigt, ausdrücklich festzulegen, dass mit der entsprechenden Dokumentation erst ab dem Zeitpunkt des Vorliegens eines entsprechenden Verdachtes im Sinne des § 98e Abs. 1 begonnen werden darf.

 

 

 

26. Juni 2008

Für den Datenschutzrat:

Der Vorsitzende:

WÖGERBAUER

 

 

 

 

 

Elektronisch gefertigt