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Wien, 24.06.2008

                                                                                                         

Betrifft:         BMSK-40101/0011-IV/4/2008

                        Stellungnahme

 

 

Entwurf  eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG) geändert wird, sowie einer Verordnung des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung über die Beurteilung des Pflegebedarfes nach dem Bundespflegegeldgesetz (Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz - EinstV) geändert wird.

             

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der KOBV Österreich erlaubt sich, zu dem o.g. Entwurf nachstehende Stellungnahme zu erstatten, die auch im elektronischen Weg an das Präsidium des Nationalrates übermittelt wird.

 

Allgemeines:

 

Die im Entwurf enthaltenen Verbesserungen für schwerst behinderte Kinder und Jugendliche sowie für schwer geistig oder schwer psychisch behinderte, insbesondere demenziell erkrankte Personen im Bereich der Pflegegeldeinstufung, die lineare Valorisierung des Pflegegeldes und die Verbesserungen bei der Unterstützung pflegender Angehöriger werden ausdrücklich begrüßt.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu Z 1 (§ 4 Abs. 3 bis 7 des BPGG):

 

Die Pflegegeldeinstufung von Kindern und Jugendlichen ist derzeit nicht zufrieden stellend, da die Einstufungskriterien nur schwer auf die Lebens- und Bedarfssituation von Kindern und Jugendlichen übertragbar sind, was dazu führt, dass Kinder und Jugendliche tendenziell zu niedrig und nicht ihrem Pflegebedarf entsprechend eingestuft werden.

 

Die im Abs. 3 enthaltende Hinzurechnung eines Pauschalwertes, der den Mehraufwand für die pflegeerschwerenden Faktoren der gesamten Pflegesituation abzugelten hat (Erschwerniszuschlag), wird grundsätzlich begrüßt.

 

Gemäß Abs. 4 ist dieser Pauschalwert in Fällen einer Mehrfachbehinderung anzuwenden, wobei zumindest zwei voneinander unabhängige schwere Funktionseinschränkungen vorliegen müssen.  Diese Voraussetzung erscheint jedoch zu restriktiv, da auch eine einzige Funktionseinschränkung oder zwei oder mehrere voneinander abhängige Funktionseinschränkungen eine Schwerstbehinderung darstellen können, die eine besondere Intensität der Pflege erfordert.  Auch in diesen Fällen sollte der Erschwerniszuschlag gemäß Abs. 3 gewährt werden, weshalb Abs. 4 dahingehend zu ändern wäre, dass er zu lauten hat wie folgt:

 

„Der Pauschalwert gemäß Abs. 3 ist bei Schwerstbehinderung, d.h. bei schweren Ausfällen im Sinnesbereich, schweren geistigen Entwicklungsstörungen, schweren Verhaltensauffälligkeiten oder schweren körperlichen Funktionseinschränkungen anzuwenden.“

 

Der im Abs. 5 enthaltene Erschwerniszuschlag bei pflegebedürftigen Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr mit einer schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Erkrankung, wird ausdrücklich begrüßt, da auch diese Personengruppe derzeit tendenziell zu niedrig eingestuft wird, obwohl die Praxis zeigt, dass die Pflege dieser Personen oft wesentlich schwieriger und psychisch und physisch aufwändiger sein kann als die von Personen mit körperlichen Einschränkungen.

 

Aus der im Abs. 6 enthaltenen Definition der pflegeerschwerenden Faktoren gemäß Abs. 5  ist jedoch zu schließen, dass diese nur dann vorliegen, wenn Defizite der Orientierung, des Antriebes, des Denkens, der planerischen und praktischen Umsetzung von Handlungen, der sozialen Funktion und der emotionalen Kontrolle in Summe als schwere Verhaltensstörung kumulativ vorliegen und sich in Summe als schwere Verhaltensstörung äußern. Diese Definition ist ebenfalls zu restriktiv. Tatsächlich können die aufgezählten Defizite jeweils einzeln schon zu einer schweren Verhaltensstörung führen, die einen Erschwerniszuschlag gemäß Abs. 5 rechtfertigt. Abs. 6 sollte somit dahingehend geändert werden, dass die Defizite alternativ angeführt und die Worte „in Summe“ gestrichen werden.

Abs. 6 sollte sohin lauten wie folgt:

 

„Pflegeerschwerende Faktoren gemäß Abs. 5 liegen vor, wenn sich Defizite der Orientierung, des Antriebes, des Denkens, der planerischen und praktischen Umsetzung von Handlungen, der sozialen Funktion oder der emotionalen Kontrolle als schwere Verhaltensstörung äußern.“

 

Zu Z 2 (§ 5 BPGG):

 

Die langjährige Nichtvalorisierung der Pflegegelder hat zu einer realen Entwertung der Pflegegelder geführt und in Verbindung mit den Kostensteigerungen im Pflegebereich bewirkt, dass Pflegedienste für viele Betroffene derzeit nicht mehr leistbar sind.

 

Die im Entwurf enthaltende Erhöhung der Pflegegelder um 5 % wird daher ausdrücklich begrüßt, wenngleich anzumerken ist, dass diese Anhebung nicht geeignet ist die Entwertung der Pflegegelder der vergangenen Jahre (rund 20 – 25 %)  auszugleichen. Dass die Erhöhung linear und nicht - wie im Regierungsprogramm vorgesehen – selektiv erfolgt, berücksichtigt die reale Entwertung bei allen Pflegestufen und ist im Interesse der Verteilungsgerechtigkeit sehr positiv zu bewerten.  

 

Um eine weitere Entwertung der Pflegegelder hintanzuhalten,  wird jedoch  gefordert, den Entwurf dahingehend zu ergänzen, dass eine jährliche indexbezogene Valorisierung der Pflegegelder vorgesehen wird.

 

Zu Z 4 (§ 21 Abs. 1 Z 1 BPGG):

 

Rund 80 % der pflegebedürftigen Menschen in Österreich werden zu Hause durch Angehörige gepflegt. Die pflegenden Angehörigen leisten dadurch volkswirtschaftlich einen bedeutenden Beitrag, ohne den die Betreuung aller Pflegebedürftigen in Österreich nicht möglich wäre. Mit dieser Pflege zu Hause sind nicht nur psychische und physische Belastungen, sondern insbesondere auch finanzielle Einbußen für die Angehörigen verbunden. Um die häusliche Pflege langfristig zu sichern, ist es daher von großer Wichtigkeit, die Situation pflegender Angehöriger zu verbessern.

 

Die Verbesserung der Unterstützung pflegender Angehöriger durch die Erweiterung des förderbaren Personenkreises wird daher ausdrücklich begrüßt.

 

Ergänzende Forderung:

 

Wie auch aus der Studie der Situation pflegender Angehöriger hervorgeht, gibt es sowohl bei den Betroffenen als auch bei den pflegenden Angehörigen große Informationsdefizite über die rechtlichen Rahmenbedingungen im Bereich des Pflegegeldes. Die Beseitigung dieser Informationsdefizite sollte auf Bundesebene wahrgenommen werden, da das Sozial- und Behindertenrecht als Querschnittsmaterie überwiegend auf Bundesebene angesiedelt ist. Die Informations- und Beratungsdienste könnten möglichst dezentral an Betroffenenorganisationen, die bereits über entsprechende Erfahrungen bei der Beratung und Vertretung pflegebedürftiger Menschen verfügen, übertragen werden.

 

Es wird daher angeregt, den Entwurf dahingehend zu ergänzen, dass der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz beauftragt wird, dafür zu sorgen, dass flächendeckende und dezentrale Informations- und Beratungsdienste  im Bereich des Pflegegeldrechts eingerichtet werden.

 

Der KOBV Österreich ersucht um Berücksichtigung seiner Stellungnahme.

 

Mit freundlichen Grüßen

f.d.

Der Präsident:                                  Die Generalsekretärin:

 

                      Mag. M. Svoboda                                Dr. Regina Baumgartl

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

KOBV Österreich

 

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