Zl. 12-REP-43.00/08 Ht/Er

 Ht/Er

 

HAUPTVERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNGSTRÄGER

     A-1031 WIEN                       KUNDMANNGASSE 21                     POSTFACH 600      DVR 0024279

                    VORWAHL Inland: 01,  Ausland:  +43-1            TEL. 711 32 / Kl. 1211            TELEFAX 711 32 3775

                                                                                                         Wien, 23. Juni 2008

An das                                                                                                                   Per E-Mail
Bundesministerium für
Soziales und Konsumentenschutz

An das                                                                                                                   Per E-Mail
Präsidium des Nationalrats

Betr.:     Änderung des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG) und der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz (EinstV)

Bezug:  Ihr E-Mail vom 30. Mai 2008;
GZ: BMSK-40101/0011-IV/4/2008

Sehr geehrte Damen und Herren!

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nimmt wie folgt Stellung:

In den erläuternden Bemerkungen zum Gesetzesentwurf ist angeführt, dass die Pflegeeinstufung von Kindern und Jugendlichen aufgrund der geltenden Kompetenzlage primär eine Angelegenheit der Länder darstelle.

Es ist davon auszugehen, dass die auf bundesgesetzlicher Ebene getroffenen Neuregelungen Eingang in die korrelierenden landesgesetzlichen Bestimmungen betreffend Landespflegegeld finden. Dies lässt als Konsequenz erwarten, dass sich zu zahlreichen unbestimmten Gesetzesbegriffen („schwer“, „von einander unabhängige“) eine unterschiedliche Vollzugspraxis in den Ländern entwickeln wird, sodass es zu einer ungleichen Bewertung gleichartiger körperlicher oder geistiger Einschränkungen je nach Bundesland kommt.

Deshalb erscheint uns die legistische Ausgestaltung im Detail verbesserungswürdig, da anderenfalls die Gefahr gegeben ist, dass Rechtsentwicklung weiterhin nur durch Rechtsprechung möglich ist, wie dies gerade im Bereich des Bundespflegegeldgesetzes in der Vergangenheit mehrmals der Fall war.

Zu § 4 Abs. 3 bis 7 BPGG

Kernstück der Novelle ist die pauschale Abgeltung des pflegebedingten Mehraufwandes in Gestalt eines einheitlich titulierten Erschwerniszuschlages für die Pflege von schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen einerseits, sowie für pflegebedürftige Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr unter besonderer Berücksichtigung demenzieller Erkrankungen.

Während der Gesetzestext des § 4 Abs. 5 den tatsächlich aus der gesamten Pflegesituation derartiger Personen resultierenden Mehraufwand im Sinne einer reinen Erschwernisabgeltung anspricht und denselben Ausdruck auch in Abs. 3 verwendet, zwingt der in diesem Zusammenhang mit zu berücksichtigende Abs. 4 für Kinder und Jugendliche zu einem gänzlich anderen Begriffsinhalt des Wortes „Erschwernis“.

Dies deshalb, da Abs. 4 ausdrücklich von einer Mehrfachbehinderung spricht, bei der zumindest zwei voneinander unabhängige schwere Funktionseinschränkungen vorliegen müssen. Im Bereich der demenziellen Erkrankungen ist dies nicht der Fall, da von einer solchen zweifelsfrei auch dann gesprochen werden muss, wenn die physischen Körperfunktionen weitestgehend intakt sind, deren rationale Kontrolle jedoch fehlt.

Da die Sozialversicherungsträger als Entscheidungsträger im Sinne des Bundespflegegeldgesetzes mit der pflegebedingten Situation von Kindern und Jugendlichen zwangsläufig nur am Rande konfrontiert ist, kann die medizinische Richtigkeit einer derart differenzierten Betrachtung nicht wirklich beurteilt werden; abzulehnen ist jedoch die mehrfache Verwendung ein und desselben Begriffes bei evident unterschiedlichen Inhalten.

Sorge bereitet auch die wenig determinierte Leistungsvorgabe von „schweren Funktionseinschränkungen“ (§ 4 Abs. 4) sowie „schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderungen, insbesondere einer demenziellen Erkrankung“ (§ 4 Abs. 5). Es mag noch angehen, dass geistige und psychische Behinderungen ausreichend determiniert sind. Was jedoch unter einer schweren Ausprägung dieser Erkrankung zu verstehen sein wird, ist ebenso unklar wie die Verwendung des Sammelbegriffes „demenzieller Erkrankung“.

Aus rechtlicher Sicht und im Sinne einer einheitlichen Vorgangsweise aller Entscheidungsträger (§ 22 BPGG) wäre es daher begrüßenswert, die in den Erläuterungen genannten Definitionen in die Verordnung aufzunehmen oder aber zumindest zu versuchen, ähnlich der Visusdefinition bei Sehbehinderten den Wert des Mini-Mental-Testes anzuführen, der in aller Regel bei demenziellen Erkrankungen durchgeführt wird und dessen Ergebnis auch dokumentierbar ist. Damit könnte auch aus medizinischer Sicht ein die Pauschalabgeltung rechtfertigendes Ausmaß an Demenz vorgegeben werden.

Eine zumindest beispielhafte Aufzählung der für die Anwendung dieser Bestimmung relevanten Behinderungen - neben der bereits im Gesetz genannten demenziellen Erkrankung - wäre wünschenswert.

Bei schwerer geistiger oder schwerer psychischer Behinderung, insbesondere bei demenziellen Erkrankungen führt der Pauschalwert von 30 Stunden überdies nicht automatisch zur Pflegegelderhöhung.

Beispiel:

Derzeit

 

Neu

Stunden

Stufe

Pauschalwert

Stunden

Stufe

50

1

30

80

2

75

2

30

105

2

91

2

30

121

3

120

3

30

150

3

131

3

30

161

4

160

4

30

190

5

Sichere „Gewinner“ sind daher nur PflegegeldbezieherInnen der Stufe 1 und der Stufe 4.

Bei den Stufen 2 und 3 könnte es zu einer Erhöhung kommen, die Einstufung kann auch unverändert bleiben.

Bei Bezug der Stufen 5 und 6 ist mit dem Pauschalwert definitiv keine Erhöhung verbunden.

Darüber hinaus fehlt eine Abgrenzung der genannten Behinderungen mit der Pflegeleistung „Motivation" gemäß § 4 EinStV (Pauschale inkludiert?). Eine diesbezügliche Regelung durch den Gesetzgeber wäre wünschenswert.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass für die medizinische Prüfung der schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderung in einer noch nicht absehbaren Zahl an Fällen die Erstellung von zusätzlichen fachärztlichen Gutachten notwendig sein wird. Die gegenständliche Regelung wird daher in Zusammenhang mit der bevorstehenden Erhöhung der Empfehlungstarife zu einem Mehraufwand für die Entscheidungsträger führen. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) erhält in Vollziehung der vom BMF übertragenen Aufgaben des ehemaligen Bundespensionsamtes (BPAÜG BGBl. I Nr. 89/2006) keinen Kostenersatz nach dem 5. Abschnitt des BPGG. Kostensteigerungen aufgrund gesetzlicher Änderungen müssen gemäß § 8 BPAÜG dem Bundesministerium für Finanzen weiterverrechnet werden.

Zu § 4 Abs. 3, 5 und 7 Z 4 BPGG i.V.m. § 1 Abs. 5 der EinStV

Ausgehend von der einheitlichen Begriffsverwendung des § 4 Abs. 7 Z 4 BPGG normiert die Einstufungsverordnung in § 1 Abs.  5 und 6 die unterschiedliche Stundenanzahl in Abhängigkeit vom Lebensalter, wobei die chronologische Abfolge offenkundig beabsichtigt ist.

Zwar sind die Sozialversicherungsträger mit Kindern und Jugendlichen nur bei Bezug einer Waisenpension konfrontiert, doch drängt sich augenscheinlich die Frage in den Vordergrund wie vorzugehen ist, wenn ein Pflegegeldbezieher eine maßgebliche Altersgrenze überschreitet.

Zwar kennt § 9 Abs. 4 und 5 BPGG auch die Möglichkeit der amtswegigen Vorgangsweise, jedoch sind nach unserer Auffassung die genannten Fallkonstellationen mit dem Gesetzestext nicht in Einklang zu bringen.

So spricht § 9 Abs. 5 Z 2 BPGG beispielsweise von einer Erhöhung des Pflegegeldes wegen Veränderung im Ausmaß des Pflegebedarfes oder Z 3 von einer Neubemessung des Pflegegeldes aufgrund von gesetzlichen Änderungen, wobei die Erhöhung des Erschwerniszuschlages im Sinne des § 1 Abs. 5 der Verordnung bei Vollendung des 7. Lebensjahres weder unter die eine noch die andere Fallkonstellation subsumiert werden kann.

Noch krasser tritt die gegenständliche Problematik bei Vollendung des 15. Lebensjahres zutage, da hier wohl kaum im Sinne des § 9 Abs. 5 Z 1 von einer Veränderung im Ausmaß des Pflegebedarfes gesprochen werden kann, wobei es auch in sachlicher Hinsicht höchst befremdend erscheint, den gewährten Erschwerniszuschlag im Ausmaß von 75 Stunden nur deshalb auf 30 Stunden zu reduzieren, weil der Pflegebedürftige das 15. Lebensjahr vollendet hat.

Dies erscheint in jeder Hinsicht unhaltbar, da wohl angenommen werden muss, dass sich an der qualifizierten Behinderung gemäß § 4 Abs. 4 BPGG durch die Vollendung des 15. Lebensjahres nicht das Geringste geändert hat.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass nach der pauschalierten Abgeltung des pflegerischen Mehraufwandes bis zum 15. Lebensjahr ab Erreichen dieser Altergrenze die Bewertung anhand des tatsächlichen Pflegeaufwandes erfolgt und es notwendiger Weise zu Leistungskürzungen kommen wird, die den Betroffenen nur schwer erklärt werden können.

Zu § 13 BPGG

Die Verständigung des Entscheidungsträgers wird bereits in § 13 Abs. 2 BPGG i.d.g.F. angesprochen. Systematisch wäre es daher zweckmäßig, die beabsichtigte Ergänzung zur Verständigung nicht in Abs. 1, sondern in Abs. 2 vorzunehmen.

Bei dieser Gelegenheit sollte auch der für die Entscheidungsträger wichtigste Inhalt der Verständigung - nämlich das Ausmaß des Anspruchsüberganges an Pflegegeld – klargestellt werden. Dadurch können künftig Unklarheiten in den – derzeit von den Kostenträgern sehr unterschiedlich gestalteten - Verständigungen von vorne herein hintangehalten werden.

Aus legistischer Sicht wird folgende Umsetzung angeregt:

In § 13 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „80 vH,“ die Wortfolge „nach Maßgabe des Abs. 2“ eingefügt.

§ 13 Abs. 2 lautet:

(2) Die Kostenträger (Abs. 1) sind verpflichtet, den jeweiligen Entscheidungsträger (§ 22) über eine solche stationäre Pflege von Amts wegen unverzüglich schriftlich zu verständigen. Der Anspruchsübergang nach Abs. 1 tritt frühestens mit dem auf das Einlangen der Verständigung beim Entscheidungsträger folgenden Kalendermonat ein.

Zu § 21a Abs. 1 Z 2 i.V.m. § 4 Abs. 6 BPGG

Angesichts der Rechtsfortentwicklung durch einschlägige Judikatur kommt der Neuregelung des § 21a Abs. 1 Z 1 nicht unerhebliche Indizwirkung zu. So umfasst die genannte Bestimmung hinkünftig auch einen nahen Angehörigen, der seit mindestens einem Jahr eine nachweislich demenziell erkrankte pflegebedürftige Person, der zumindest ein Pflegegeld der Stufe 1 nach diesem Bundesgesetz gebührt, überwiegend pflegt.

Dabei werden zwei Fragen augenscheinlich:

·        Einerseits, ab wann die genannte Jahresfrist zu laufen beginnt bzw. ab wann von einer schweren Verhaltensstörung im Sinne des § 4 Abs. 6 auszugehen ist.

·        Andererseits könnte § 21a Abs. 1 Z 1 lit. b auch dahingehend interpretiert werden, dass das alleinige Vorliegen von Demenz einen Pflegegeldanspruch zumindest der Stufe 1 begründen kann.

Nach der derzeitigen Entwurfsformulierung des §  Abs. 5 bzw. 6 der Einstufungsverordnung ist nicht notwendigerweise davon auszugehen, dass der Erschwerniszuschlag ausschließlich additiv dem grundsätzlichen Stundenausmaß hinzuzurechnen ist.

Zu § 22 BPGG

Die beabsichtigte gesetzliche Beauftragung der BVA mit der Durchführung der Pflegegeldverfahren für Personen mit einem Bezug nach dem Bezügegesetz wird befürwortet. Wenngleich daraus nur eine vergleichsweise geringe Steigerung der Verfahren zu erwarten ist, muss auf die obige Anmerkung zu den Verwaltungskosten hingewiesen werden.

Zu § 48a BPGG

Das vorgeschlagene In-Kraft-Treten (1. Jänner 2009) hat zur Konsequenz, dass die Entscheidungsträger die neuen Bestimmungen (§ 4 Abs. 3 und 5) bei bis zu diesem Zeitpunkt zu erlassenden Bescheiden nicht berücksichtigen können. Auch wenn in einem z.B. im Oktober 2008 bescheidmäßig abzuschließenden Verfahren bereits aktenkundig ist, dass aufgrund der „neuen” Rechtslage ab 1. Jänner 2009 ein höheres Pflegegeld gebühren würde, ist dem Entscheidungsträger mangels in Geltung stehender Rechtsgrundlage de iure keine differenzierte Zuerkennung möglich.

Es ist zu befürchten, dass damit eine Vielzahl vermeidbarer arbeits- und sozialgerichtlicher Verfahren provoziert wird. Aus verwaltungsökonomischen Gründen erscheint es daher zweckmäßiger, den Entscheidungsträgern die Berücksichtigung der neuen Rechtslage schon ab Verlautbarung im Bundesgesetzblatt zu ermöglichen.

Im Hinblick darauf wird vorgeschlagen, auf ein gesondertes In-Kraft-Treten zu verzichten. Stattdessen sollte im Rahmen einer Übergangsbestimmung angeordnet werden, dass bei Anträgen, die bis zum 30. November 2008 gestellt werden, bis 31. Dezember 2008 nur jenes Pflegegeld gebührt, welches nach dem BPGG in der Fassung des BGBl. I Nr. 57/2008 gebührt hätte. Damit wäre gewährleistet, dass ab Veröffentlichung der Novelle im Bundesgesetzblatt die Entscheidungsträger die anhängigen Verfahren unverzüglich unter Berücksichtigung der „neuen Rechtslage“ beurteilen und entsprechend differenzierte Bescheide erlassen können („Bis 31. Dezember 2008 gebührt Pflegegeld der Stufe …. Ab 1. Jänner 2009 gebührt Pflegegeld der Stufe ….“).

Gemäß § 48a Abs. 1 ist die gesetzliche Fiktion aufzustellen, dass die Voraussetzungen für den Erschwerniszuschlag bereits zum Jahresanfang 2009 gegeben waren, wenn dieselben zum Zeitpunkt einer bis 30. April 2009 limitierten Antragstellung im Zeitpunkt des Antrages vorliegen.

Nach unserer Auffassung handelt es sich hierbei um eine gesetzlich vorgegebene Fiktion entgegen der in den Erläuterungen ausformulierten Annahme einer gesetzlichen Vermutung. Diese Unterscheidung ist von nicht unerheblicher Bedeutung, da nur eine „gesetzliche Vermutung“ im Zweifelsfalle widerlegbar ist, während eine Fiktion als unabdingbare Vorgabe zu lesen ist.

Rechtliche Konsequenzen ergeben sich daraus nicht nur für den durchaus möglichen Fall, dass zwei Erhöhungsgründe zufällig zusammen treffen, sondern auch für den Fall, wenn das Erschwernis begründende Kriterium erst zu einem späteren Zeitpunkt als dem Jahresbeginn 2009 eintreten sollte.

Wenn der Entwurf wie in den Erläuterungen angedeutet tatsächlich von einer derartigen Absicht getragen ist – generelle Zuerkennung der Erschwerniszulage mit Jahresbeginn bei einschlägiger Antragstellung bis 30. April 2009 – so sollte dies zumindest in den Erläuterungen ausdrücklich betont werden, da anderenfalls wiederum die wenig erfreuliche Wahrscheinlichkeit gegeben ist, dass derart zentrale Rechtsfragen durch die Judikatur gelöst werden müssen.

Weiters ist darauf hinzuweisen, dass die vorgesehene Möglichkeit („Aufforderung“) bis 30. April 2009 Erhöhungsanträge zu stellen, enttäuschte Erwartungen zu Folge haben wird (siehe die unterschiedlichen Auswirkungen der Novelle auf die Pflegegeldstufen bereits weiter oben).

Weiters regen wir aus Gründen der Rechtssicherheit folgende Übergangsbestimmung an, um keine ungerechtfertigten Unterschiede (wegen Antragstellung vor bzw. nach Kundmachung des Gesetzes) auszulösen:

§ 48a Abs. 5 hat zu lauten:

„§ 48a. (5) Pflegebedürftige Personen, die am 31. Dezember 2008 Anspruch auf Pflegegeld in der Höhe der Stufen 1 bis 7 (§ 5) in der bis dahin geltenden Fassung haben – gleichgültig ob dieser Anspruch ruht oder nicht – gebührt ab 1. Jänner 2009 von Amts wegen das Pflegegeld in der Höhe nach § 5 dieses Bundesgesetzes.

Begründung:

Die Anpassung des Pflegegeldes erfolgt mit einer Neufassung des § 5 BPGG. Die Erläuterungen berufen sich auf das Regierungsprogramm und die Feststellung, dass das Pflegegeld in allen Stufen um 5 % ab 1. Jänner 2009 erhöht werden soll. Es fehlt aber eine Klarstellung, dass die genannte Erhöhung nicht nur für neu zuerkannte Pflegegelder ab 1. Jänner 2009 gelten soll, sondern für jeden Pflegegeldbezug.

Zu § 2 Abs. 4 EinstV

§ 2 Abs. 4 hat zu lauten:

§ 2. (4) Bis zum vollendeten 15. Lebensjahr soll ein Zeitwert für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn im Ausmaß von bis zu 50 Stunden monatlich nach dem tatsächlichen Bedarf berücksichtigt werden.

Dieser Wortlaut entspricht auch besser den Erläuterungen, die für ein großzügiges Verständnis, Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit plädieren. Damit ist für den Entscheidungsträger der Zeitwert bis zur Höchstgrenze verpflichtend festzustellen.

* * *

Abschließend möchte der Hauptverband aufgrund einer Anregung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern mit den beiliegenden Unterlagen (OLG-Urteil bzw. Erlass) auf ein Problem hinweisen, das seit mehreren Jahren aktuell ist.

Konkret geht es um die künstliche Ernährung pflegebedürftiger Personen mittels PEG-Sonde. Da die Sondenernährung im Gesetzestext der §§ 151 ASVG, 99 GSVG bzw. 94 BSVG exemplarisch als Leistung der medizinischen Hauskrankenpflege angeführt ist, vertritt der OGH die Auffassung, dass eine Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Ermittlung des individuellen Pflegeaufwandes keine Berücksichtigung finden darf (vgl. OGH 10 Ob S 162/04 b). In der Begründung führt das Höchstgericht in der genannten Entscheidung aus, angesichts des klaren Gesetzeswortlautes nicht anders entscheiden zu können, gleichwohl die Rechtslösung für das gegenständliche Problem nicht wirklich zu überzeugen vermag.

Es darf darauf hingewiesen werden, dass die medizinische Hauskrankenpflege ausschließlich Anstaltspflege ersetzenden Charakter aufweist und grundsätzlich für die Höchstdauer von vier Wochen zu gewähren ist. Diese Frist überschreitende Ausnahmen sind im Einzelfall chefärztlich zu bewilligen.

Im krassen Gegensatz dazu handelt es sich im Bereich des Pflegegeldes in aller Regel um multimorbide Personen, die auf Dauer entweder zuhause oder im Pflegeheim mittels PEG-Sonde ernährt werden. Obwohl selbst der OGH in der genannten Entscheidung auf eine bevorstehende einschlägige Gesetzesänderung hinweist, scheiterte eine solche bislang an der Gegenposition, die seitens der medizinischen Fachabteilung des BMSK vertreten wird (vgl. dazu das ebenfalls in der Anlage beigeschlossene Schreiben vom 28. Juni 2007). Die bloße Lektüre dieses Schreibens macht deutlich, dass das BMSK entgegen der tatsächlichen Praxis grundsätzlich die Auffassung vertritt, PEG-Sonden kämen ausschließlich in medizinisch indizierten Einzelfällen zur Anwendung, weshalb eine legistische Änderung nicht erforderlich sei.

Nach Rücksprache mit anderen Pensionsversicherungsträgern erweist sich diese Annahme als unzutreffend, doch ist der gegenständliche Standpunkte im BMSK bereits derart verhärtet, dass entsprechende Vorstöße schon a priori auf Ablehnung stoßen. Für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern und zahlreiche Vertreter der Richterschaft ist es unbestritten, dass die für das Pflegegeld relevante künstliche Ernährung pflegebedürftiger Personen mittels PEG-Sonde mit dem Leistungsinhalt der medizinischen Hauskrankenpflege absolut nicht vergleichbar ist, was sich alleine schon aus dem unterschiedlichen zeitlichen Horizont ableiten lässt.

Siehe dazu die Darstellung auf S. 8 ff. der beiliegenden Entscheidung.

Es ergeht daher das eindringliche Ersuchen, die Situation im Interesse der Betroffenen nochmals zu überdenken und eine Meinungsänderung im zuständigen Bundesministerium bzw. eine Gesetzesänderung zu bewirken. Sollte das Ministerium auf seiner abschlägigen Haltung beharren, könnte als Alternative angedacht werden, in den §§ 151 ASVG, 99 GSVG bzw. 94 BSVG die exemplarische Anführung der Sondenernährung entweder zu streichen oder zu relativieren.

Mit freundlichen Grüßen
Für den Hauptverband:

Beilagen: