Jv 7883/08a-2

 

 

Der Begutachtungssenat des Oberlandesgerichtes Wien (Zivilsachen) hat durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Mag.Dr. Sumerauer, die Vizepräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Pöschl und Dr.Jelinek sowie die Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr.Bauer, Dr. Reitermaier, Prof.DDr.Huberger und Dr.Ciresa den

 

B e s c h l u s s

 

gefasst:

            Zum vom Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundespflegegeldgesetz (BPGG) geändert wird, sowie einer Verordnung des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz, mit der die Verordnung über die Beurteilung des Pflegegeldbedarfes nach dem Bundespflegegeldgesetz (Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz - EinstV) geändert wird (GZ BMSK-40101/0011-IV/4/2008), wird gemäß § 36 GOG folgendes Gutachten erstattet:

 

            Gegen den oben genannten Entwurf bestehen keine Einwendungen, sodass die Abgabe einer Stellungnahme nicht erforderlich erscheint.

            Der Entwurf enthält im Wesentlichen zwei für die Gerichte relevante Änderungen, deren Notwendigkeit sich jedoch schon seit längerem abgezeichnet hat.

            Die eine Änderung betrifft den Pflegebedarf von behinderten Kindern und Jugendlichen bis zum 15.Lebensjahr sowie von pflegebedürftigen Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr mit einer schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Erkrankung. Nach den bisherigen gesetzlichen Bestimmungen war bei der Beurteilung des Pflegebedarfs von behinderten Kindern und Jugendlichen nur jenes Ausmaß an Pflege zu berücksichtigen, das über das erforderliche Ausmaß von gleichaltrigen, nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht. Dies führte immer wieder dazu, dass bei Kleinkindern, bei denen auch gesunde Kinder noch sämtliche Betreuungs- und Hilfsverrichtungen nicht selbstständig ausführen können, aufgrund der Verneinung dieses Pflegebedarfes entweder kein oder nur ein geringeres Pflegegeld gebührte, wodurch jedoch die grundsätzliche Belastung durch die Pflege eines behinderten Kindes in keiner Weise berücksichtigt wurde. Erst im Laufe des Älterwerdens konnten damit schwerstbehinderte Kinder überhaupt einen Anspruch auf Pflegegeld oder einen solchen auf ein höheres Pflegegeld erreichen, weil nun im Vergleich zu gesunden Kindern ein gewisser Betreuungsbedarf bestand.

            Diesem Umstand trägt die Änderung im §4 BPGG Rechnung, der zwar als Grundsatz den Vergleich mit gesunden Kindern und Jugendlichen aufrecht erhält, jedoch bei schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 7. bzw bis zum vollendeten 15. Lebensjahr die Hinzurechnung eines sogenannten Erschwerniszuschlags in unterschiedlicher Höhe als Pauschalwert vorsieht, der den Mehraufwand für die pflegeerschwerenden Faktoren der gesamten Pflegesituation pauschal abgelten soll. Nach der ebenfalls erlassenen Einstufungsverordnung beträgt dieser 50 bzw 75 Stunden monatlich. Voraussetzung dafür ist, dass zumindest zwei voneinander unabhängige schwere Funktionseinschränkungen vorliegen müssen. Die Regelung eines Pauschalwertes ist für die Gerichte administrierbar und sind die zu prüfenden Voraussetzungen auch in ausreichend klarer Form definiert.

            Ab dem 15. Lebensjahr soll bei pflegebedürftigen Personen, bei denen eine schwere geistige oder schwere psychische Behinderung besteht, ebenfalls ein Pauschalbetrag die pflegeerschwerenden Faktoren der gesamten Pflegesituation abgelten. Dafür sieht die Einstufungsverordnung einen Pauschalwert von 30 Stunden monatlich als fixen Zeitwert vor.

            Diese Änderungen führen bei dem bei Kindern und Jugendlichen bisher bestehenden nicht gerechtfertigten Ungleichgewicht zu einem entsprechenden Ausgleich, wobei die Regelungen auch in ihrer Durchführbarkeit unproblematisch sind.

            Die zweite wesentliche Änderung umfasst die Erhöhung des Pflegegeldes um 5% ab 1.1.2009. Die letzte Erhöhung erfolgte mit Wirkung vom 1.1.2005 um 2%, sodass eine entsprechende Erhöhung ab 1.1.2009 jedenfalls begrüßenswert ist.

            Die weiteren Regelungen fußen einerseits auf Anregungen des Rechnungshofes, so etwa die Meldepflicht im §13 Abs 1 BPGG durch Länder, Gemeinden oder Sozialhilfeträger bei Unterbringung von pflegebedürftigen Personen auf Kosten dieser Kostenträger in Pflege-, Wohn- und Altenheimen an die das Pflegegeld auszahlenden Stellen. Dies berührt die Gerichte nicht.

            Weiters ist vorgesehen, dass Zuwendungen aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderung, worüber das Bundessozialamt zu entscheiden hat, auf einen weiteren Personenkreis ausgedehnt werden. Auch davon sind die Gerichte nicht betroffen.

            Die weiteren Bestimmungen enthalten im Wesentlichen Übergangsbestimmungen, die ausreichend klar geregelt sind.

            Die Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz bestimmt - wie bereits ausgeführt - die fixen Zeitwerte für die im Bundespflegegeldgesetz geregelten Erschwerniszulagen. Weiters wird - entsprechend der Judikatur des Obersten Gerichtshofs - bei Kindern und Jugendlichen bis zum 15. Lebensjahr vorgesehen, dass ein Zeitwert für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn im Ausmaß von bis zu 50 Stunden monatlich berücksichtigt werden kann. Nach der bisherigen Regelung konnten für die in der Einstufungsverordnung genannten Hilfsverrichtungen, worunter auch die Mobilitätshilfe im weiteren Sinne zählt, nur insgesamt ein Zeitwert von 50 Stunden angenommen werden, was gerade bei schwerstbehinderten Kindern und Jugendlichen zu einem Defizit hinsichtlich des Pflegegeldes führte. Die jetzige Regelung schafft einen Ausgleich für die bei schwerstbehinderten Kindern erforderlichen Besuche beim Arzt, bei Therapien und dergleichen und kann dieser Zeitaufwand zumindest im Ausmaß bis zu 50 Stunden monatlich, unabhängig von den anderen Hilfsverrichtungen, berücksichtigt werden.

 

Wien, am 24.6.2008

Der Vorsitzende:

Mag.Dr. Sumerauer

 

 

(elektronisch gefertigt)