An das

 

Präsidium des Nationalrates

 

per E-Mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

 

 

GZ: BMSK-10305/0018-I/A/4/2008

Wien, 15.07.2008

 

 

 

Betreff: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Sparkassengesetz, das Bundesfinanzierungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Betriebspensionsgesetz und das Finanzkonglomerategesetz geändert werden

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz übermittelt als Beilage seine Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Sparkassengesetz, das Bundesfinanzierungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Betriebspensionsgesetz und das Finanzkonglomerategesetz geändert werden.

 

Beilage

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Dr. Helmut Walla

 

 

Elektronisch gefertigt.


 

 

 

 

 

 

An das

 

Bundesministerium für Finanzen

per E-Mail: e-Recht@bmf.gv.at

 

 

 

 

 

 

 

GZ: BMSK-10305/0018-I/A/4/2008

Wien, 15.07.2008

 

 

 

Betreff: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Sparkassengesetz, das Bundesfinanzierungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Betriebspensionsgesetz und das Finanzkonglomerategesetz geändert werden

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz nimmt mit Bezug auf das Schreiben vom 3. Juni 2008, GZ BMF-040402/0003-III/5/2008, zum Entwurf
eines Bundesgesetzes, mit dem das Bankwesengesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Börsegesetz 1989, das Sparkassengesetz, das Bundesfinanzierungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz, das Betriebspensionsgesetz und das Finanzkonglomerategesetz geändert werden, wie folgt Stellung:

Zu Art. 8 Z 9 (§ 20 Abs. 2 Z 4a lit. b VAG):

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz kann aus zwingenden Gründen des Verbraucherschutzes der genannten Bestimmung zur Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes nicht zustimmen. Diese Bestimmung legt in Verbindung mit § 75 Abs. 2 erster Satz VAG in der Fassung des Entwurfes für die kapitalanlageorientierte Lebensversicherung den Anwendungsbereich der Kundenschutzvorschriften des § 75 Abs. 2 und 3 VAG fest. § 20 Abs.2 Z 4a lit. b VAG würde in der vorliegenden Form bewirken, dass die Schutzbestimmungen des § 75 Abs. 2 und 3 VAG auf fast alle der bereits derzeit in Österreich von ausländischen Versicherern angebotenen kapitalanlageorientierten Lebensversicherungen nicht zur Anwendung kämen, obwohl diese Produkte äußerst beschwerdeanfällig sind und es somit besonders wichtig wäre, hier in Zukunft eine ausreichende Beratung und Information des Versicherungskunden zu gewährleisten.

Dazu im Einzelnen:

Im § 20 Absatz 2 Z 4a lit. b VAG wird definiert, was unter einer kapitalanlageorientierten Lebensversicherung mit Garantiezins zu verstehen ist, die in weiterer Folge gemäß § 75 Abs. 2 erster Satz VAG nicht in den Anwendungsbereich der Kundenschutzbestimmungen des § 75 Abs. 2 und 3 VAG fällt. Nach dieser Definition
genügt es, wenn der Garantiezinssatz ausreicht, dass am Ende der vereinbarten Laufzeit des Vertrages die Auszahlung des vom Versicherungsnehmer "veranlagten Kapitals" gewährleistet ist. Ausdrücklich wird in den Erläuterungen klargestellt, dass für die Rückkaufswerte überhaupt keine Garantien bestehen müssen.

Diese Regelung ist aus der Sicht des Verbraucherschutzes bereits deshalb zu bemängeln, weil auch unter Berücksichtigung der Erläuterungen zur Regierungsvorlage unklar bleibt, was unter dem "veranlagten Kapital" zu verstehen ist. Es könnte damit die vom Versicherungsnehmer bezahlte Versicherungsprämie gemeint sein. Aufgrund des Wortlautes der Regelung ("veranlagt") ist es aber wohl naheliegender, dass nur der nach Abzug der Versicherungssteuer und der Kosten tatsächlich veranlagte Teil der Prämie gemeint ist, was die Bestimmung noch kundenfeindlicher machen würde.

§ 20 Abs. 2 Z 4a lit. b VAG wäre aber auch bei einer kundenfreundlichen Auslegung konsumentenpolitisch untragbar: Kapitalanlageorientierte Lebensversicherungen werden bereits derzeit in relativ großem Umfang von ausländischen Versicherern in Österreich angeboten. Diese Produkte werden praktisch durchwegs mit einem (relativ geringen) Garantiezinssatz angeboten, der jedoch ausschließlich im Zeitpunkt des Ablaufes der vereinbarten Vertragslaufzeit zur Anwendung kommt. Da diese Verträge regelmäßig jahrzehntelange Laufzeiten haben, werden sie aber in der überwiegenden Anzahl der Fälle irgendwann vor Vertragsablauf gekündigt oder prämienfrei gestellt, wodurch die Garantie nicht zur Anwendung kommt.

Bei diesen "garantierten" kapitalanlageorientierten Lebensversicherungen werden dem Versicherungsnehmer während der Laufzeit die nach Abzug der Kosten und Steuern veranlagten Teile der Prämie und die jährlichen Garantiezinsen gutgeschrieben. Dieser dadurch entstehende Vertragswert ("Poolwert") wird allerdings im Fall eines Rückkaufes dem tatsächlichen Kurswert der im Pool befindlichen Wertpapiere angepasst. Bei Kursverlusten werden massive "Marktpreisanpassungen" verrechnet (siehe die Beilage), die zu zahlreichen Beschwerden bei den österreichischen Verbraucherschutzeinrichtungen führen und die auch Gegenstand von Musterprozessen sind, welche der Verein für Konsumenteninformation im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz derzeit führt. Bei über die
Garantiezinsen hinausgehenden Kursgewinnen wird dem Poolwert ein "Rückgabebonus" hinzugerechnet. Der Versicherungsnehmer hat daher im Ergebnis während der jahrzehntelangen Laufzeit des Vertrages uneingeschränkt das Kapitalanlagerisiko zu tragen.

Hinzu kommt, dass auch die Kapitalgarantie bei Vertragsablauf wirtschaftlich weitgehend wertlos ist. Ein Versicherungsnehmer, der für seine Pension ansparen will und der nach einer jahrzehntelangen Veranlagungsdauer am Ende nur die bezahlte Prämie oder gar nur den Sparanteil der Prämien rückerstattet erhält, wird das als massiven Verlust empfinden, was es unter Berücksichtigung der Geldentwertung auch tatsächlich ist.

Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, dass bei einem derartigen "Garantieprodukt" das Kapitalanlagerisiko zu einem großen Teil vom Versicherungsnehmer zu tragen ist und dass dieses Produkt mit einer klassischen Lebensversicherung, bei der auch die Rückkaufswerte auf der Grundlage eines garantierten Rechnungszinssatzes berechnet werden, überhaupt nicht vergleichbar ist. Trotzdem sollen die Schutzbestimmungen des § 75 Abs. 2 und 3 VAG, deren Anwendung auf solche "Garantieprodukte" dringend notwendig wäre, aufgrund der Definition in § 20 Abs. 2 Z 4a lit. b VAG nicht zum Zug kommen. Da kapitalanlageorientierte Lebensversicherungen (zumindest derzeit) nur in dieser "garantierten" Form angeboten werden, würden die neuen Schutzbestimmungen auf kapitalanlageorientierte Lebensversicherungen praktisch nicht zur Anwendung kommen.

Der Ausschluss von kapitalanlageorientierten Lebensversicherungen mit Kapitalgarantie vom Anwendungsbereich der Schutzbestimmungen des § 75 Abs. 2 und 3 VAG ist nicht zuletzt auch deswegen unverständlich, weil diese Schutzbestimmungen für (in der Praxis immer häufiger angebotene) fondsgebundene Lebensversicherungen mit Kapitalgarantie sehr wohl zur Anwendung kommen. Es kann aber keine Rede davon sein, dass der Risikogehalt einer fondsgebundenen Lebensversicherung höher als der einer kapitalorientierten Lebensversicherung ist.

§ 20 Abs. 2 Z 4a lit. b VAG steht auch im Widerspruch zu § 18b Absatz  2 Z 2 VAG, der offensichtlich davon ausgeht, dass unter einer kapitalanlageorientierten Lebensversicherung mit Garantiezins eine solche mit einem garantierten Rechnungszinssatz zu verstehen ist. Andernfalls wäre die Anordnung, dass dem Versicherungsnehmer jährlich der Stand der zugeteilten Gewinnbeteiligung bekannt zu geben ist, sinnlos und unverständlich.

§ 18b Absatz 2 Z 2 VAG weist aber den Weg, was aus der Sicht des Verbraucherschutzes unter einer kapitalanlageorientierten Lebensversicherung mit Garantiezins zu verstehen sein sollte, damit sie vom Anwendungsbereich der Schutzbestimmungen des § 75 Abs. 2 und 3 VAG ausgenommen werden kann: Es muss wie bei der klassischen Lebensversicherung einen garantierten Rechnungszinssatz geben, der nicht nur der Berechnung der Er- und Ablebensleistung, sondern auch der Berechnung der Rückkaufswerte zugrunde liegt. Nur dann ist der Teil des Kapitalanlagerisikos, der vom Versicherungsnehmer zu tragen ist (nämlich die unsichere Höhe der über den garantierten Rechnungszinssatz hinausgehenden Gewinnbeteiligung), nicht höher als bei einer klassischen Lebensversicherung, so dass es sachlich gerechtfertigt ist, die Kundenschutzvorschriften des § 75 Abs. 2 und 3 VAG nicht anzuwenden.

Der Unterschied zwischen der klassischen Lebensversicherung und der kapitalanlageorientierten Lebensversicherung mit Garantiezins bestünde dann darin, dass es bei der klassischen Variante eine einheitliche Deckungsstockabteilung gibt, während bei der kapitalanlageorientierten Variante die Deckungsstockabteilung nach Tarifen unterteilt wäre, für die der Versicherer je nach Risikogehalt der der Unterabteilung zugeordneten Vermögenswerte unterschiedlich hohe garantierte Rechnungszinssätze anbieten könnte. Wenn der Versicherer keinen garantierten Rechnungszinssatz gewähren will, muss er eben eine kapitalanlageorientierte Lebensversicherung ohne Garantiezinssatz anbieten, bei der er dann wegen des ungleich höheren Risikos als bei einer klassischen Lebensversicherung die Schutzbestimmungen des § 75 Abs. 2 und 3 VAG einhalten muss.

Jede andere Lösung kann wohl auch aus der Sicht der Versicherungsaufsichtsbehörde nicht wünschenswert sein. Jedenfalls ist es aus der Sicht des Konsumentenschutzes nicht tragbar, wenn gerade im sensiblen Bereich der privaten Pensionsvorsorge derartige sachlich nicht zu rechtfertigende Schutzlücken eröffnet werden, wie das durch § 20 Abs. 2 Z 4a lit. b VAG geschehen würde. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass diese Schutzlücke einen Bereich betreffen würde, in dem es bereits derzeit massive Probleme gibt.

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

Beilage

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Dr. Helmut Walla

 

 

Elektronisch gefertigt.