Österreichische
Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (ÖAR)
Dachorganisation der
Behindertenverbände Österreichs

Dr. Christina Meierschitz · DW 119

E-Mail: meierschitz.recht@oear.or.at

 

 

 

 

 

Stellungnahme der

Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs,

zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002) und das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird, sowie Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten (UOG 1993), des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten der Künste (KUOG), des Bundesgesetzes über die Studien an den Universitäten (Universitäts-Studiengesetz - UniStG) aufgehoben werden (Universitätsrechts-Änderungsgesetz 2008)

BMWF-52.250/0135-I/6a/2008

 

 

 

 

 

Die ÖAR erlaubt sich, zu oben angeführtem Entwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

Zu den geplanten Änderungen und Ergänzungen des geltenden Universitätsgesetzes 2002, mit dem Ziel der Stärkung der Autonomie und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit von Österreichs Universitäten, muten wir uns im Grunde keine detaillierten Vorschläge und Einwände zu.

Es fällt nur immer wieder auf, dass bei angeführten möglichen Diskriminierungen auf die verschiedensten Tatbestände Rücksicht genommen wird, eine Hervorhebung von Behinderungen als Diskriminierungstatbestand "expressis verbis" fehlt aber.

So ist im vorliegenden Entwurf im „Besonderen Teil“ in den Ziffern 72 (§ 42 Abs. 1), 78 (§ 43Abs. 1 Z 2), 83 und 84 (§ 43 Abs. 9 und 9a) die Rede von "Gleichbehandlung ohne Unterschied der ethnischen Zugehörigkeit, Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung". Die Bestimmung der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung wurde offensichtlich übersehen.

Es ist sicher nicht die Absicht des Gesetzgebers, Menschen mit Behinderungen von diversen Gremien an Universitäten auszuschließen!

Es gehört zu den Aufgaben und Verpflichtungen aller Hochschulen, die besonderen Bedürfnisse behinderter Studierender zu berücksichtigen und die geeigneten strukturellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen.

Laut Behindertengleichstellungsgesetz müssen Universitäten als öffentliche Dienstleister dafür sorgen, dass behinderte Studierende gleichberechtigten Zugang haben, daher ist u.a. zu regeln, dass Gebärdensprachdolmetscher in ausreichendem Maß unentgeltlich zur Verfügung stehen.

Für gehörlose Studierende wären TutorInnen oder StudienbegleiterInnen, wie z.B. für die Studieneingangsphase (§ 66) AnfängerInnentutorien vorgesehen sind, überaus sinnvoll. Deren Aufgabe wäre es, durch individuelle Organisation bedürfnisgerechte Rahmenbedingungen für betreute Studierende zu schaffen (mitschreiben, barrierefreie Aneignung von Lerninhalten etc).

Die folgenden Punkte seien als Gedankenanregungen gedacht, um Studierenden mit Behinderungen einen chancengleichen Zugang zu einer akademischen Bildung zu ermöglichen:

·        Universitäten und deren Institute, Bibliotheken, für die Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Räume (z.B. Mensen) müssen barrierefrei zugänglich und benutzbar sein. Blindenleitsysteme sind zu installieren und entscheidende schriftliche Informationen (Namenstafeln, Zimmernummern, Anschläge usw.) müssen auch taktil zur Verfügung stehen.

·        Mobilitätsbehinderungen können sich als Gehbehinderung, aber auch als Schreibbehinderung auswirken. Erforderlich sind deshalb bauliche Anpassungen, aber auch die Genehmigung von Zeitzuschlägen oder die Verwendung eines Computers zum Anfertigen von Prüfungen oder die Möglichkeit, diese mündlich ablegen zu können.

·        Studierende mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung sind darauf angewiesen, dass die Hochschule ihre individuell unterschiedlichen Einschränkungen berücksichtigt.

·        Menschen mit Behinderung sind nicht nur solche mit körperlichen Behinderungen oder Beeinträchtigungen der Sinnesorgane, sondern auch chronisch kranke sowie psychisch kranke Studierende.

·        Chronische Erkrankungen wie z.B. Funktionseinschränkungen der inneren Organe können dazu führen, dass die Betroffenen zeitlich reduziert belastbar sind und dass sie aufgrund ihrer Erkrankung bestimmte organisatorische Gegebenheiten, wie z.B. einen Ruheraum an der Hochschule benötigen, ebenso aber ggf. auch angepasste Bedingungen bei Prüfungen.

·        Für Funktionseinschränkungen des Nervensystems oder andere Behinderungen (z.B. Sprachbehinderungen) sind angemessene und erforderliche Prüfungsmodifikationen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile einzuräumen. Behinderte Menschen (psychisch oder physisch beeinträchtigte Personen) können z.B. eine verlängerte Bearbeitungszeit oder den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Prüfungen benötigen. Für viele Studierende mit einer Behinderung wird es erforderlich sein, bei mündlichen Prüfungen nachteilsausgleichende Regelungen zu schaffen (Ersatz durch schriftliche Leistungen; Assistenzperson bzw. Gebärdendolmetscher, etc.). Auch für schriftliche Prüfungen kann es notwendig sein, einen Zeitzuschlag einzuräumen, wenn infolge der Behinderung  die schriftliche Sprachkompetenz geringer als bei anderen Studierenden ist und mehr Zeit benötigt wird, um Texte zu korrigieren bzw. auf Fehler zu prüfen. Krankheitszeiten bzw. behinderungsbedingt eingeschränkte Leistungsfähigkeit bei der Bemessung von Prüfungszeiträumen (Verlängerung der Frist für den gesamten Prüfungszeitraum bzw. der Abstände zwischen mehreren Prüfungen), sowie Bearbeitungsfristen für Hausarbeiten, Diplom- oder Magisterarbeit sollen berücksichtigt werden.

·        Hör- und Sehbehinderungen erfordern angepasste Prüfungsbedingungen, aber auch die Bereitstellung zusätzlicher Studienmaterialien oder eines Gebärdendolmetschers.

·        Sehbehinderten und blinden Studierenden sollen Studienmaterialien (Seminar- und Prüfungsunterlagen, Grundlagen- und Studientexte, Darstellungen, Tabellen u.a.) elektronisch und in Braille oder Großdruck ausgedruckt zur Verfügung gestellt werden. Benötigt wird weiters eine blinden- und sehbehindertengerechte Computertechnik (Großbildschirm, Braillezeile, Brailledrucker, Scanner; Sprachausgabe, Internetzugang)

·        Für gehörlose Studierende sind zusätzliche schriftliche Unterlagen bzw. Manuskripte eine unerlässliche Hilfe, ebenso ggf. die Verwendung eines Overheadprojektors. Vielfach werden zusätzliche schriftliche Unterlagen bzw. Manuskripte benötigt. Anstelle mündlicher Leistungen (Referate; mündliche Prüfungen) sollen vermehrt schriftliche Leistungen (Hausarbeiten; Klausuren) für hörbehinderte Studierende zugelassen werden. Hörbehinderte Studierende können mit einer Induktionsschleife oder ähnlichen Systemen den Dozenten besser hören, daher soll eines der Systeme auf allen Universitäten eingesetzt werden.

·        Die Bibliotheken müssen die Belange behinderter Studierender berücksichtigen.

 

 

 

Wien, am 05.08.2008