An das österr. Parlament - Begutachtungsverfahren

 

 

 

An Herrn Bundesminister Dr. Johannes Hahn

 

per E-Mail an:

christine.perle@bmwf.gv.at

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

Betrifft: Stellungnahme zum Entwurf eines Universitätsrechts-Änderungsgesetzes

(Änderung des Universitätsgesetzes 2002, Änderung des B-VG, Aufhebung von Bestimmungen des UOG 1993, KUOG, UniStG) –  zur Begutachtung ausgesendet am 13. Juni 2008, GZ.BMWF-52.250/0135-I/6a/2008

 

 

Sehr geehrte Damen und Herrn des Hohen Hauses!

 

 

Sehr geehrter Herr Bundesminister, sehr geehrte Frau Mag. Perle!

 

 

 

 

Als betroffener Universitätslehrer mit mehr als 25-jähriger Erfahrung mit dem Universitätsleben lehne ich diesen  Ministerialentwurf  betr. UG 02 ab und stelle vorweg gleich 3 wesentliche Forderungen:

 

1) Selbstverständlich wird die sofortige Umsetzung des von der GÖD mit dem DV ausverhandelten Kollektivvertrages durch Bereitstellung der nötigen Budgtemittel gefordert.  Damit sind gesetzliche Regelungen betr. Karriere, wie sie im Vorschlag von Abg.

Broukal et al. im §100a stehen, überflüssig!

 

 

2) Klarstellung in arbeitsrechtlichen Fragen  - Bei einer allfälligen weiteren arbeitsrechtlichen Ausgestaltung des Gesetzes fordere ich größtmögliche Kompatibilität mit dem gesamten österreichischen Arbeits- und Sozialrecht und um Formulierungen, die keiner Interpretation mehr bedürfen, um nicht neuerlich auf oberstgerichtliche Entscheidungen angewiesen zu sein. Demzufolge lehne ich die Neufassung des §100 -nur Lehrende hauptberuflich/nebenberuflich- entschieden ab, da eben das geltende Arbeitsrecht unterlaufen wird und die Unis keinerlei "Vertreter" von Fachleuten brauchen.  Eine Aufhebung der Kettenvertragsregel sollte nicht erfolgen, das würde die damit verbunden Fragen nur verschieben aber nicht lösen.  Die Neufassung des §99 sollte  sich inhaltlich am Ablauf und der Qualität des §98 orientieren. Eine "Freundschaftsberufung" ist abzulehnen.

 

3) Ausreichende Finanzierung der Universitäten - das "Kurzhalten" muss ein Ende haben! Daher die Forderung:

§ 12 Abs. 1 lautet:

„(1) Die Universitäten sind vom Bund zu finanzieren. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des österreichischen Hochschulraumes ist das Ziel zu verfolgen, durch öffentliche und private Investitionen die Budgets für den tertiären Bildungssektor bis spätestens 2020 auf mindestens 2 vH des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Die erforderliche Steigerung der Ausgaben ist, beginnend mit dem Jahr 2010, möglichst gleichmäßig vorzunehmen. Den Universitäten ist der aliquote Anteil zur Erreichung dieses Ziels zuzuweisen. Minderbeträge sind in den Folgejahren durch erhöhte Zuwendungen auszugleichen. “

 

 

 

 

Generell lehne ich den Ministerialentwurf ab,  da keinerlei Punkte des Regierungsprogramms berücksichtigt wurden und außerdem alarmierende Tendenzen zur Rücknahme  der Autonomie eingeschlossen sind, wie zB Budgetregeln, Gestaltungsvereinbarungen mit jährlichen Überprüfungen, Rückkehr zu ministerieller Detailsteuerung und verfassungsrechtlich problematischer Verschiebungen zu Lasten der Universitäten, und fordere stattdessen die wirkliche Umsetzung des

Regierungsprogramms:  Faculty - einheitliche Hochschullehrer/innengruppe, tenure track, Förderung junger Karrieren, Vereinfachung des

Berufungs- und Habilitationsverfahrens (Zahl der Gutachten, geteiltes Berufungsverfahren)!

 

 

Im Entwurf finden sich :

Weiterhin keinerlei Rechte der Personalvertretung im Universitätsrat Keine Schaffung einer einheitlichen Personenkategorie von Lehrenden und Forschenden Völlige Abschaffung der inneruniversitären Mitbestimmung (Bestellung des Rektors bzw. der Rektorin de facto durch den aus externen Personen bestehenden Universitätsrat) Rücknahme der ohnedies geringen Autonomie durch massive Steigerung der Möglichkeit der Einflussnahme durch das Ministerium Parteipolitische Einflussnahme durch Wegfall der Sperrfrist betreffend die Bestellung der Mitglieder des Universitätsrates Abermalige Steigerung des administrativen Aufwandes

 

 

 

Daher

 

Ablehnung: Gestaltungsvereinbarung - Es wird gefordert, dass der in der Novelle neu hinzu gekommene Absatz 12 des § 12 wieder zurückgenommen wird. Obwohl bereits gegenüber dem ersten Entwurf (Zielvorgaben des Ministers) etwas abgeschwächt, bedeutet dieser Absatz nach wie vor eine bedeutende Einschränkung der Universitätsautonomie und stellt auf diese Weise die Grundintention des Gesetzes in Frage.

 

 

 

Ablehnung: Findungskommission und Rektorswahl

-  Die vorgeschlagene Findungskommission und die mögliche Ersatzvornahme durch den Universitätsrat (§ 23a.) beschränkt die Mitwirkung des Senats auf die Pflicht zur Zustimmung. Die Mitentscheidung bei der Bestellung einer Rektorin oder eines Rektors wird den Universitätsangehörigen vollständig genommen und in die Hände von Außenstehenden gelegt. Die Reduktion der Senatskompetenzen auf eine Stellungnahme zum Ausschreibungstext der Funktion der Rektorin oder des Rektors bzw. die Ausschreibung dieser Funktion durch den Universitätsrat (§ 25.

(1)  und § 21. (1)), die Erlassung der

Bestimmungen für die Wahl der Rektorin oder des Rektors durch den Universitätsrat (§ 21. (1)) und die Automatik bei der Aufnahme einer amtierenden Rektorin oder eines amtierenden Rektors auf den Vorschlag der Findungskommission  (§ 23b. (2)) lehne ich ab. Eine beratende  „Findungskommission" könnte aber sinnvoll sein:

§ 23a. (1) Zur Vorbereitung der Rektorswahl ist eine Findungskommission einzurichten. Der Findungskommission gehören zwei vom Universitätsrat und zwei vom Senat entsandte Mitglieder an, wobei eines der beiden Mitglieder aus dem Senat von den Studierenden zu stellen ist. Bei der Entsendung der Mitglieder durch den Universitätsrat ist darauf zu achten, dass der Findungskommission mindestens ein weibliches Mitglied anzugehören hat. (2) Aufgaben der Findungskommission sind die Überprüfung der eingelangten Bewerbungen für die Funktion der Rektorin oder des Rektors und Erstellung eines Vorschlages an den Senat. Sie ist berechtigt, auch Kandidatinnen und Kandidaten, die sich nicht beworben haben, mit deren Zustimmung in den Vorschlag, der die mindestens drei bis höchstens sechs für die Besetzung der Funktion am besten geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu enthalten hat, aufzunehmen. Der Senat ist an den von der Findungskommission erstellten Vorschlag nicht gebunden. (3) Die Findungskommission entscheidet mit Stimmenmehrheit.

 

 

Forderung: Wahl des Rektorats durch ein neu zu schaffendes Kollegialorgan mit breiter Legitimation - Diesem Vorschlag liegt der Punkt "Abstimmung der Zuständigkeiten der Organe" im Regierungsprogramm zu Grunde, wobei er durch die Diskussionen um die Wahlen der Rektorinnen bzw.

Rektoren in diesem Frühjahr besonderes Gewicht erhält. Die Leistungsfähigkeit einer Universität sowohl im Bereich der Forschung als auch in der Lehre wird in außerordentlich hohem Maße von der Motivation aller Angehörigen sowie von derem Vertrauen in die Personen im obersten Leitungsgremium getragen. Eine Mitbestimmung auf breiter Basis (Personal und Studierende) bei der Wahl der Leitungsebene ist für das erfolgreiche Funktionieren der im internationalen Wettbewerb stehenden Universitäten unabdingbar. Einerseits würde damit die seit Einführung des UG 2002 stark abgenommene Identifikation der Angehörigen mit der eigenen Universität wieder hergestellt, und andererseits stellt die Berücksichtigung der Expertise der unterschiedlichen Personengruppen nicht zuletzt auch bei der Wahl der Universitätsleitung ein wesentliches und notwendiges Merkmal der Organisationskultur einer Universität dar.

Forderung: Rektorswahl durch die

Universitätsversammlung  - Der Rektor muss sich auf eine breite innerbetriebliche Legitimation stützen können und sollte daher durch eine Universitätsversammlung gewählt werden.

 

 

 

 

 

 

Forderung: Mitwirkung im Universitätsrat  - Das derzeitige Informationsrecht und das Recht auf Anwesenheit bei den Sitzungen des Universitätsrates der Vorsitzenden der beiden Betriebsräte sind um das Sitz- und Stimmrecht zu erweitern. Der BR ist weder Universitäts- noch "Eigentümer-" Vertreter, sondern Vertreter des Personales.

 

 

 

 

 

Ablehnung politischer Einflussnahme -

Sämtliche  Bestimmungen der Novelle zur Beschickung der Universitätsratsmitglieder durch den Minister allein und zur Wahl der Rektoren (Konstruktion der Findungskommission, Ausschreibung  und Wahl durch den Universitätsrat, Statistenrolle des Senats) sind ersatzlos zu streichen. In den diesbezüglichen Bestimmungen wird ein Instrument inakzeptabler Einflussmöglichkeiten des Bundesministeriums und

der Politik auf die Universitäten erkannt.   - Es

wird gefordert, dass § 21 (4) und 21(7) unverändert bleiben, da sie sich bei der geplanten Änderung dem Verdacht, hier Versorgungspositionen für ausgeschiedene Politiker zu schaffen, nicht entziehen kann.  Gleiches gilt für den Wissenschaftsrat  §119(5)!

 

 

 

 

 

 

 

 

Forderung: Stärkung der Senatskompetenzen - Für viele Aufgaben, die dem Senat gemäß UG 2002 §25 zugeordnet sind (Zustimmung zu Organisations- und Entwicklungsplan, Erlassung von Curricula und anderes mehr) ist ausreichende Information zum Ressourcenstand bzw. -entwicklung an der jeweiligen Universität erforderlich. In Analogie zu den Informationsrechten des Universitätsrates gemäß UG § 21 Abs 2 sollte auch dem Senat ein gesetzlich abgesicherter Zugang zu einschlägigen Informationen eingeräumt werden. Die Kompetenzen des Senats bei der Erstellung und Beschlussfassung von  Organisations- und Entwicklungsplan sind über das derzeitige, rechtlich bedeutungslose Zustimmungsrecht hinaus, auszuweiten. Für die Gestaltung der Satzung (§ 25. (1)) ist dem Senat ein Vorschlagsrecht für eine Änderung der Satzung einzuräumen, d.h., die Satzung einer Universität soll nicht nur mit Beschluss des Senats auf Vorschlag des Rektorats, sondern auch mit Beschluss des Rektorats auf Vorschlag des Senats geändert werden können.

Forderung: Erweiterung der Kompetenzen des Senats Aufgrund der bisherigen Erfahrungen seit In-Kraft-Treten des UG 2002 wird vorgeschlagen, die Kompetenzen des Senates in folgenden Punkten zu erweitern: - Gesetzlich geregelte Informationsrechte, welche derzeit nur dem Universitätsrat zustehen, - Beschlusskompetenz betreffend Organisations- und Entwicklungsplan (derzeit besteht nur ein rechtlich bedeutungsloses Stellungnahmerecht) , - Initiativrecht betreffend Änderungen des

Organisations- und Entwicklungsplans sowie der Satzung; in diesem Fall wäre dann für das Rektorat die Beschlusskompetenz vorzusehen.

Derzeit kann der Senat weder beim Organisations- und Entwicklungsplan noch bei der Satzung initiativ werden.  Forderung: Mitentscheidung der Senate bei der Entwicklung der Universitäten:

Zielrichtung, Strukturierung, Schwerpunktbildung und Entwicklungspläne Die Erstellung der Entwicklungspläne, die Strukturierung und die Schwerpunktbildung an den Universitäten, haben Auswirkungen, die weit über die Amtsperiode eines bestellten Rektorats und Universitätsrats hinausgehen. Um in diesem Bereich entsprechende Kontinuität und Nachhaltigkeit zu gewährleisten, bedarf es der Mitentscheidungskompetenz des Senats.

 

 

 

 

Forderung: Wahl der Leiter bzw. Leiterinnen von Organisationseinheiten Für die Einsetzung von Leitern bzw. Leiterinnen von Organisationseinheiten ist hinkünftig ein Dreiervorschlag von Vertretungen des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals, des allgemeinen Personals und der Studierenden zu erstellen. Passiv wählbar sind qualifizierte Personen aus dem Bereich Lehre und Forschung bzw.Personen mit einer gleichzuhaltenden Qualifikation. In jedem Fall sind Qualifikationen im Bereich Management und Personalführung

nachzuweisen.   Forderung: Steigerung der

Mitbestimmung und Unterstützung der

Willensbildung  -  Es soll die Möglichkeit geschaffen werden, zusätzlich zu den bestehenden Kollegialorganen (Studien-, Berufungs- und

Habilitationskommissionen) per Satzung beratende oder entscheidungsbefugte Gremien, z.B. in Angelegenheiten der Personal- und Budgetentwicklung, insbesondere auch auf der Ebene der Organisationseinheiten einzurichten.

Forderung: Mitbestimmung auf der Ebenen der Organisationseinheiten : Es wird zumindest gefordert, auf der der Organisationseinheiten Beratungsgremien einzuführen, die den OEL in Fragen der materielle und personellen Ressourcen, der Gestaltung der inneren Struktur und den Zielvereinbarungsverhandlungen mit dem Rektorat beraten und unterstützen. Weiters soll dieses Gremium einen Vorschlag für die Leitung der OE erstellen.

 

 

 

Ablehnung: Erweiterung der die Mehrheit im Senat stellende Personengruppe -  Die Personengruppenzuordnung (§ 25. (3)): Leiterinnen und Leiter von Organisationseinheiten mit

Forschungs- und Lehraufgaben oder Aufgaben der Entwicklung und Erschließung der Künste und der Lehre der Kunst, die keine Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren sind, sollen nach dem vorliegenden Entwurf für die Dauer ihrer Funktion der Personengruppe der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren zugeordnet werden.

Diese temporäre Zuordnung ist in der Praxis nicht administrierbar und führt zu großen und vorallem nachhaltige Nachteilen für die Betroffenen.  -  Forderung: Einheitliche Gruppe von Universitätslehrerinnen und Universitätslehrern  - Die im Regierungsprogramm explizit angeführte Absicht der Zusammenführung der Gruppe der Professorinnen und Professoren mit dem so genannten "Mittelbau" stellt eine seit Jahrzehnten bestehende Forderung des lehrenden und forschenden Universitätspersonales  dar, sh ULV und GÖD. Die neu zu schaffende Gruppe sollte alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Doktorat umfassen, welche eine Laufbahnstelle innehaben, sowie alle im Dienststand der Universität befindlichen Personen mit Doktorat - unabhängig von der Vertrags- bzw Ernennungsdauer

- in zeitlichen unbefrister Stellung.

Forderung: Einheitliche Personengruppe von Universitätslehrerinnen und Universitätslehrer - Faculty : Ein moderner und leistungsorientierter Wissenschafts-, Kunst- und Lehrbetrieb ist mit dem Kurienmodell nicht mehr kompatibel. Alle Mitglieder des wissenschaftlichen Personals aller Vertragstypen mit unbefristeten Verträgen sollen eine Faculty bilden, die im Senat ebenso abzubilden ist, wie die befristeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Vertragsarten.

 

 

 

 

 

 

Ablehnung: Quotenregelung für Wahlvorschläge - Die sinngemäße Anwendung des Bundegleichbehandlungsgesetzes auf die Erstellung von Wahlvorschlägen sowie bei der Nominierung in Kommission wird aus Gründen der Inpraktikabilität abgelehnt.

 

 

 

 

Ablehnung: Studierendenanwaltschaft §93a  -  Die Studierendenanwaltschaft stellt eine Parallelstruktur zur Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft dar. Ihre Einrichtung in der vorgesehenen Form bedeutet eine redundante Vergrößerung des Verwaltungsapparates und würde vermeidbare finanzielle und materielle Aufwendungen verursachen. Weder die Studierendenanwaltschaft noch die

"Informations- und Servicestellen" würden in ihrer vorgesehenen Form Tätigkeiten verrichten, die nicht bereits jetzt von der Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft ausgeübt werden.

Dementsprechend sollten die Rechte und Pflichten der geplanten Studierendenanwaltschaft der

Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft verliehen werden.

 

 

 

 

Keine Weiterentwicklung ist jedenfalls besser als diese UG-Novelle!

 

 

 

mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Herbert Sassik

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ass. Prof. Herbert SASSIK  Institut fuer Festkörperphysik  TU Wien Wiedner Hauptstrasse 8-10  A-1040 WIEN Austria

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