Amt der Wiener Landesregierung

 

                                                                                              Dienststelle:      Magistratsdirektion

                                                                                                                                                       Geschäftsbereich Recht

                                                                                                                                                       Verfassungsdienst und

                                                                                                                                                       EU-Angelegenheiten

                                                                                              Adresse:         1082 Wien, Rathaus

                                                                                              Telefon:          4000-82333

                                                                                              Telefax:              4000-99-82310

                                                                                              e-mail:                 post@md-v.wien.gv.at

                                                                                              DVR:                  0000191

 

MD-VD - 959/08                                                                Wien, 8. Juli 2008

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit

dem ein Bundesgesetz über Invest-

mentgesellschaften (Investmentge-

sellschaftengesetz - IGG) erlassen

wird und das Körperschaftsteuerge-

setz 1988 geändert wird - Kapital-

marktstärkungs- und Innovationsge-

setz 2008 (KMStIG 2008);

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMF-010000/0014-IV/1/2008

 

 

An das

Bundesministerium für Finanzen

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 11. Juni 2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

Grundsätzlich wird das Anliegen geteilt und die Bestrebung begrüßt, dass durch eine Verbesserung des Private Equity und Venture Capital (PE/VC)-Markts und somit des Zugangs von heimischen Klein- und Mittelunternehmen (KMU) zu Risikokapital wirtschafts- und arbeitsmarktfördernde Impulse erfolgen sollen. Unter diesem Aspekt wurde auch das Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetz 2007 (MiFiG-Gesetz 2007) betrachtet, das bereits zur Stärkung der Eigenkapitalstrukturen verabschiedet wurde. Da eine Evaluation wirtschaftspolitischer Effekte des Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetzes 2007 zum jetzigen Zeitpunkt als noch nicht möglich erscheint, sollte mit der Erlassung des vorliegenden Investmentgesellschaftengesetzes noch zugewartet werden.

 

Einwände aus beihilfenrechtlicher Sicht

 

Die einschlägigen „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in kleine und mittlere Unternehmen“ (2006/C 194/02 vom 18. August 2006) halten in Punkt 1.3.2 eindeutig fest, dass aus Sicht der Europäischen Kommission „kein generelles Versagen des Risikokapitalmarktes in der Gemeinschaft“ vorliegt, jedoch bei bestimmten Investitionsarten und Entwicklungsphasen eines Unternehmens „Lücken“ bestehen. Deshalb kann „unter bestimmten, eng umschriebenen Umständen ... bei Bestehen einer solchen Kapitalmarktlücke die Gewährung staatlicher Beihilfen gerechtfertigt sein“ (Punkt. 1.1). Zu staatlichen Beihilfen für den PE/VC-Markt zählen laut Punkt 4.2.d der Leitlinie auch „steuerliche Anreize für Investmentfonds und/oder ihre Verwalter oder für Investoren, Risikokapitalinvestitionen vorzunehmen“. Generell gilt, dass diese - Ausnahmen vom Beihilfeverbot formulierende - Leitlinie „ausschließlich auf Risikokapitalregelungen für KMU anwendbar“ (Punkt 2.1) ist, worin im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des vorliegenden Gesetzesentwurfes beihilfenrechtliche Bedenken angebracht erscheinen. Der Entwurf sieht nämlich in keiner Weise eine Einschränkung auf KMU vor, im Allgemeinen Teil der Erläuterungen zum Investmentgesellschaftengesetz (IGG) kommt hingegen eine konträre Stoßrichtung zum Ausdruck („Um ein qualitativ wie auch quantitativ gut strukturiertes Portofolio zu erreichen, sind Beteiligungen an KMU wie auch an Großunternehmen möglich, soweit sie Risikokapital darstellen“). Da somit eine Investmentgesellschaft de facto Risikokapital in jedes nicht-börsennotierte Unternehmen - unabhängig von der Größe - einbringen könnte, ist es in Anbetracht der weitgehenden Steuerbefreiungen von Investmentgesellschaften zu bezweifeln, ob dies mit dem EU-Beihilfenregime konform ist.

 

Einwände aus wirtschaftspolitischer Sicht

 

Gemäß § 1 Z 5 IGG kann die Investmentgesellschaft bei der Veranlagung von Risikokapital sowohl „inländische als auch vergleichbare ausländische Beteiligungen“ erwerben. Dies weicht drastisch von der Zielsetzung des Vorblatts ab, die „Eigenkapitalsituation bei den österreichischen Unternehmen“ zu stärken und den „österreichischen Kapitalmarkt“ zu beleben. Mit der steuerbefreiten Bereitstellung von Risikokapital für ausländische Unternehmen ist kein Beitrag zur Erreichung dieser Zielsetzungen erkennbar. Die steuerbegünstigte Anlage von Risikokapital ist daher auf Unternehmen im EU/EWR-Raum zu beschränken, um den angepeilten wirtschaftspolitischen Fokus aufrecht zu erhalten.

 

Daneben sind folgende inhaltlichen Punkte hinterfragenswert:

 

§ 1 Z 4 IGG definiert die Anlage in Risikokapital, wobei die im Gesetzestext enthaltenen Formulierungen äußerst unklar sind („Entwicklung zu einem profitablen Unternehmen“, „Entwicklung der Kapitalmarktreife des Unternehmens mit dem Ziel der Börsenotierung“). Zur zweckmäßigen Präzisierung wären die in den Erläuterungen angeführten Kriterien für die Bereitstellung von Risikokapital (etwa „Einführung eines neuen Produktes“) auch in den Normtext aufzunehmen.

 

In den Erläuterungen wird zum § 1 Z 4 IGG zusätzlich angeführt, dass der Erwerb von Anteilen an einem Zielunternehmen durch die Investmentgesellschaft von einem Dritten keine Anlage in Risikokapital darstelle. Dies würde einen vitalen PE/VC-Markt einschränken, da es den Kauf von Unternehmensbeteiligungen eines Fonds durch einen anderen Fonds (Secondary Purchase) ausschließt. Gerade in funktionierenden PE/VC-Märkten ist diese Praxis unter spezialisierten Finanziers nicht unüblich, sodass etwa ein Expansionsfinanzierer Unternehmensbeteiligungen von Frühfinanzierern übernimmt. Weiters sehen die diesbezüglichen Erläuterungen vor, dass hingegen die Beteiligung einer Investmentgesellschaft „durch eine Kapitalerhöhung oder durch den Erwerb eigener Aktien des Zielunternehmens, die in Zusammenhang mit einer Geschäftseinführung erfolgt“, eine Anlage in Risikokapital darstellen kann. Diese Kann-Bestimmung bewirkt eine Reihe von Unklarheiten, die weder im Gesetz noch in den Erläuterungen Beantwortung finden und eine massive Rechtsunsicherheit darstellen. Ferner ist in den Erläuterungen der Aspekt des „Erwerbs von Beteiligungsunternehmen im Rahmen einer Nachfolgelösung (Geschäftsnachfolge)“ aus Sicht des Landes Wien nicht nachvollziehbar und bedürfte eine Klärung.

 

Bezüglich § 7 Z 2 und 3 IGG wird angemerkt, dass bei PE/VC-Fonds eine Behaltedauer innerhalb der hier geforderten Grenzen üblich ist, jedoch unter Umständen eine gewisse Flexibilität sinnvoll erscheint. Der vorgeschlagene § 19 bietet hierfür eine pragmatische Lösung, sodass nur hinsichtlich der einzelnen Beteiligung die Körperschaftssteuervorteile verloren gehen, wenn § 7 verletzt werden sollte. Aus welchem Grund jedoch in § 17 Abs 3 zusätzlich noch eine Geldstrafe von bis zu EUR 50.000,-- auferlegt werden soll, ist nicht nachvollziehbar.

 

Die zwingend vorgeschriebene Depotbank des § 8 lehnt sich wohl an das Investmentfondsgesetz an, wo bei den dort notwendigen raschen An- und Verkäufen von Aktien diese Funktion nachvollziehbar ist. Hingegen wird die Praxis von PE/VC-Fonds durch dieses Konstrukt nur mit bürokratischen Hürden und zusätzlichen Kosten belastet. Der Gesetzesentwurf bzw. die Erläuterungen enthalten überdies keinerlei Angaben dazu, wie eine Depotbank im Konkreten etwa PE/VC-Fonds-Anteile an einer Kommanditgesellschaft oder an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung halten sollte.

 

Zu § 12 (inkl. Anlage A) IGG wird festgehalten, dass die auf mehr als sechs Seiten dargelegten Anforderungen des Informationsdokuments im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand als völlig unpraktikabel und überzogen erachtet werden. Wenn man bedenkt, dass in Fachbeiträgen bereits die Berichtspflichten nach dem Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetz 2007 als bürokratisch aufwändig und dem PE/VC-Markt deshalb wenig hilfreich beurteilt werden, resultieren aus den Bestimmungen des § 12 IGG für PE/VC-Investmentgesellschaften weit darüber hinausgehende Publizitätserfordernisse (wie bei börsenotierten Gesellschaften). Im Gegenteil dazu bestehen derartige Informationspflichten für Investmentfonds nicht.

 

Die vorgesehenen Grenzen der Steuerbefreiung von Annexfinanzierungserträgen gemäß vorgesehener Änderung des Körperschaftssteuergesetzes 1998 sind an die Finanzierungsstruktur der Investmentgesellschaft gebunden. Sie orientieren sich offenbar an einem stark technisch geprägten Ansatz. Erträge aus der Annexfinanzierung von Einzelbeteiligungen sind dabei nur insoweit steuerbefreit, als der ihnen zugrunde liegende Anteil der Annexfinanzierung an der jeweiligen Einzelbeteiligung den Anteil der Fremdfinanzierung der Investmentgesellschaft nicht übersteigt. Dies bedeutet konkret: je höher der Fremdfinanzierungsanteil der Investmentgesellschaft, desto eher ist eine Steuerbefreiung bei den Einzelbeteiligungen zu erwarten. Das heißt aber auch, dass eher riskant finanzierte Fonds mit hohem Leverage (Fremdfinanzierungsanteil) durch diese Regelung begünstigt werden. Es ist zu hinterfragen, ob dieser Effekt tatsächlich den Intentionen der Verfasser dieses Gesetzesentwurfs entspricht. Abgesehen davon stellt diese Regelung eine weitere deutliche Verkomplizierung des Vollzugs des beabsichtigten Gesetzes dar.

 

Einwände aus fiskalischer Sicht

 

Die im Gesetzesentwurf angesprochenen Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs von Unternehmen zu Risikokapital führen laut der beigeschlossenen Darstellung der finanziellen Auswirkungen in der Vollausbaustufe zu Mindereinnahmen im Bereich der Körperschaftssteuer in der Höhe von EUR 200 Mio., an denen über die diesbezüglichen Ertragsanteile die Länder mit EUR 41 Mio. und die Gemeinden mit EUR 23 Mio. beteiligt sind. Auf Basis dieser Zahlen wäre daher für die Stadt Wien dann mit einer Mindereinnahme von rund EUR 14 Mio. p. a. zu rechnen.

Da der Bund gemäß § 6 Abs 1 des Finanzausgleichsgesetzes 2008 (FAG 2008) mit den am Finanzausgleich beteiligten Gebietskörperschaften vor der Inangriffnahme steuerpolitischer Maßnahmen, die für die Gebietskörperschaften mit einem Ausfall an Steuern, an deren Ertrag sie beteiligt sind, verknüpft sein können, Verhandlungen zu führen hat, werden im vorliegenden Fall die Voraussetzungen dafür als gegeben erachtet und solche Verhandlungen eingefordert. Ohne entsprechende Kompensation des anteiligen Einnahmenentfalls von Ländern und Gemeinden wird dieser Gesetzesvorschlag entschieden abgelehnt.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                              Mag. Heinz Liebert

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 4

     (zu MA 4/1 - 1448/2008)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen