REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-B20.732/0002-I 7/2008

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

An das

Präsidium des Nationalrats

Parlament
1017 Wien

 

Briefanschrift

1016 Wien, Postfach 63

e-mail
kzl.b@bmj.gv.at

Telefon

(01) 52152-0*

Telefax

(01) 52152 2829

Sachbearbeiter(in):

Dr. Dietmar Dokalik

*Durchwahl:

2116

 

 

Betrifft:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Investmentgesellschaften (Investmentgesellschaftengesetz – IGG) erlassen wird und das Körperschaftssteuergesetz 1998 geändert wird – Kapitalmarktstärkungs- und Innovationsgesetz 2008 (KMStIG 2008). Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz

 

 

Das Bundesministerium für Justiz beehrt sich, seine Stellungnahme zu dem aus dem Gegenstand ersichtlichen Gesetzesentwurf zu übermitteln.

 

14. Juli 2008
Für die Bundesministerin:
Dr. Maria Wais

 

Elektronisch gefertigt


 

 

REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-B20.732/0002-I 7/2008

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

An das

Bundesministerium für Finanzen

Hintere Zollamtstraße 2b
1030 Wien

 

Briefanschrift

1016 Wien, Postfach 63

e-mail
kzl.b@bmj.gv.at

Telefon

(01) 52152-0*

Telefax

(01) 52152 2829

Sachbearbeiter(in):

Dr. Dietmar Dokalik

*Durchwahl:

2116

 

 

Betrifft:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Investmentgesellschaften (Investmentgesellschaftengesetz – IGG) erlassen wird und das Körperschaftssteuergesetz 1998 geändert wird – Kapitalmarktstärkungs- und Innovationsgesetz 2008 (KMStIG 2008). Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz

 

 

Mit Beziehung auf das Schreiben vom 11.6.2008, BMF-010000/0014-VI/1/2008, nimmt das Bundesministerium für Justiz zu dem im Gegenstand genannten Entwurf wie folgt Stellung:

 

Zu § 1 Z 1 IGG:

Gemäß § 1 Z 1 IGG dürfen Investmentgesellschaften nur in der Form einer (inländischen) Kommanditgesellschaft oder einer Aktiengesellschaft mit Sitz in Österreich betrieben werden.

In diesem Zusammenhang ist auf Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea – SE) hinzuweisen, demzufolge eine SE in jedem Mitgliedstaat wie eine Aktiengesellschaft behandelt wird, die nach dem Recht des Sitzstaats der SE gegründet wurde.

Die SE-Verordnung ist in Österreich zwar unmittelbar anwendbar, sodass es grundsätzlich keiner besonderen Regelung bedürfte, damit auch eine SE als Investmentgesellschaft iSd IGG tätig sein darf. Im Hinblick auf die Sonderbestimmungen für den Firmenwortlaut („Bezeichnung“) in § 3 IGG scheint es im konkreten Fall jedoch erforderlich, in § 1 Z 1 auch die SE (mit Sitz in Österreich) als zulässige Rechtsform für den Betrieb einer Investmentgesellschaft zu erwähnen. Dementsprechend wäre auch § 2 um den Begriff der SE und § 3 um die Bezeichnung „Investment-SE“ zu erweitern.

Zu § 3 IGG:

Gemäß § 3 zweiter Satz IGG sollen nur Gesellschaften, die diesem Bundesgesetz unterliegen und in die Liste der Investmentgesellschaften gemäß § 15 eingetragen sind, als Kommanditgesellschaft die Bezeichnung „Investment-Kommanditgesellschaft“ und als Aktiengesellschaft die Bezeichnung „Investment-Aktiengesellschaft“ führen dürfen.

Bereits derzeit sind jedoch im österreichischen Firmenbuch mehr als 20 Aktiengesellschaften eingetragen, die in ihrem Firmenwortlaut das Wort „Investment(s)“ führen; bei mehr als der Hälfte davon steht der Ausdruck „Investment(s)“ – wenngleich ohne Bindestrich – unmittelbar vor dem Wort „Aktiengesellschaft“ bzw. „AG“. Ähnliches gilt für die Kommanditgesellschaft: Hier sind 15 Gesellschaften eingetragen, die „Investment(s)“ in ihrem Firmenwortlaut führen; davon bezeichnen sich sieben als „Investment(s) GmbH & Co K(E)G“ und eine als „Investment KG“ (ebenfalls durchwegs ohne Bindestrich).

Da der individuelle Firmenwortlaut durch die Eintragung im Firmenbuch Schutz erlangt, kann den bereits eingetragenen Unternehmen die Weiterführung ihrer Firmenbezeichnung nicht ohne Weiteres untersagt werden, wobei weder dem Text noch den Erläuterungen zum IGG entnommen werden kann, ob dies intendiert ist.

Trotz der Tatsache, dass – zumindest soweit ersichtlich – derzeit keine Gesellschaft eingetragen ist, die in ihrem Firmenwortlaut den Ausdruck „Investment-Aktiengesellschaft“ oder „Investment-Kommanditgesellschaft“ (mit Bindestrich) führt, sollte daher in der Erläuterungen zu § 3 IGG (und zur entsprechenden Verwaltungsstrafbestimmung in § 17 Z 1 IGG) klargestellt werden, dass die Regelung nur auf Unternehmen anwendbar ist, die nach Inkrafttreten des IGG in das Firmenbuch eingetragen werden.

Weiters sollte § 3 IGG – wie bereits zu § 1 Z 1 IGG ausgeführt – um die „Investment-SE“ erweitert werden.

 

 

Allgemeine Bemerkungen zum 5. Teil des IGG:

Der fünfte Teil des IGG-ME sieht unter der Überschriftbezeichnung „Sanktionen“ in § 17 Verwaltungsstraftatbestände, in § 18 gerichtlich strafbare Handlungen sowie in § 19 eine Vorschrift zum Ausschluss von Investmentgesellschaften von einer steuerlichen Privilegierung im Bereich der KÖSt vor.

Normen, die die Anwendbarkeit  oder Nichtanwendbarkeit bestimmter steuerlicher Regelungen vorsehen, sollten nicht als Sanktionen ausgestaltet sein und auf diese Weise Verwaltungsstraftatbeständen oder gerichtlich strafbaren Handlungen gleichgesetzt werden.

Zu berücksichtigen ist, dass Regelungen, die Gesetzesverstöße neben verwaltungsstrafrechtlichen oder gerichtlichen Sanktionen auch mit Sanktionen im Steuerbereich verknüpfen, vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich abgesicherten Doppelbestrafungsverbotes (Art. 4 Abs. 2 7. ZProtMRK) bedenklich sind.

In systematischer Hinsicht sollte daher die Bestimmung des § 19 klar von den Strafbestimmungen getrennt werden, die Überschrift „Sanktionen“ entfallen und die Verwaltungsstraftatbestände des § 17 mit einer eigenen Überschrift versehen werden.

In systematischer Hinsicht ist weiterhin festzuhalten, dass sich die in § 18 Abs. 2 vorgesehene Verlängerung der Frist für die Verfolgungsverjährung auf die in § 17 genannten Verwaltungstatbestände bezieht; die Bestimmung ist daher in § 17 einzuordnen.

Zu § 17 IGG:

Wie bereits zu § 3 IGG ausgeführt, sollte in den Erläuterungen zu § 17 Z 1 IGG klargestellt werden, dass die Regelung nur auf Unternehmen anwendbar ist, die nach Inkrafttreten des IGG in das Firmenbuch eingetragen werden.

Weiters sollte auch die unberechtigte Führung der Bezeichnung „Investment-SE“ in § 17 Z 1 IGG mit einer Verwaltungsstrafe bedroht werden.

Anzumerken bleibt, dass mangels Sondernorm die Verwaltungsstrafverfahren in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde fallen würden. Es scheint sachgerechter, entsprechend den Regelungen im BörseG (§§ 48 Abs. 4 und 48a BörseG), im WAG (§ 96 WAG 2007) und im HypBG (§§ 37 – 39 HypBG) als zuständige Verwaltungsstrafbehörde die FMA vorzusehen.

Dabei ist darauf zu verweisen, dass nach § 5 Abs. 3 IGG Investmentgesellschaften und Managementgesellschaften Finanzinstitute nach § 1 Abs. 2 BWG sind und nach § 2 Abs. 1 FMAG (BGBl. I 97/2007) die Bankenaufsicht – darunter fällt auch die Wahrnehmung der behördlichen Befugnisse iZm dem HypBG, dem Investmentfondsgesetz – InvFG (BGBl. Nr. 532/1993) und dem Immobilien-Investmentfondsgesetz – ImmoInvFG (BGBl. I Nr. 80/2003) – zum Aufgabenkreis der Finanzmarktaufsichtsbehörde zählt.

Zu § 18 Abs. 1 IGG:

§ 18 Abs. 1 IGG-ME enthält als kumulatives Mischdelikt zwei rechtlich selbständige Tatbestände. Nach § 18 Abs. 1 Z 1 soll die Aufnahme der Geschäftstätigkeit vor Veröffentlichung der Angaben gemäß § 14, nach § 18 Abs. 1 Z 2 sollen unrichtige vorteilhafte Angaben im Informationsdokument über erhebliche Verhältnisse im Sinn des § 12 oder das Verschweigen nachteiliger Tatsachen mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen bedroht sein.

1.   Die Einführung von derartigen gerichtlichen Straftatbeständen fällt, auch wenn sie in einem Bundesgesetz enthalten sind, das im Übrigen in den Wirkungsbereich eines anderen Ressorts fällt, in die führende Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz. Zu verweisen ist auf Anlage 2 F des Bundesministeriengesetzes, wonach Angelegenheiten des gerichtlichen Strafrechts sowie Angelegenheiten der Strafgerichtsbarkeit in den Wirkungsbereich des Bundesministeriums für Justiz fallen.

Das Bundesministerium für Justiz hätte daher mit dem Vorschlag schon vor Durchführung des allgemeinen Begutachtungsverfahrens befasst werden müssen. Eine Befassung zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht ausreichend, weil das Bundesministerium für Justiz durch eine solche Vorgangsweise gezwungen ist, zu Angelegenheiten eine Stellungnahme abzugeben, die in seinen eigenen Wirkungsbereich fallen. Zudem wird den begutachtenden Stellen auf diese Weise das Recht entzogen, zu jener Gestaltung der strafrechtlichen Bestimmungen Stellung zu nehmen, die nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Justizressort in Aussicht genommen wird Die Vorgaben eines seriösen Begutachtungsverfahrens – auf die das Bundesministerium für Justiz größten Wert legt – lassen sich bei der gewählten Vorgangsweise nicht einhalten.

2. Dem vorliegenden Entwurf kann in keiner Weise entnommen werden, welche Erwägungen die Verfasser dazu bewogen haben, eine gerichtliche Strafbarkeit vorzuschlagen. Die Erläuterungen zu § 18 umfassen lediglich zwei kurze Sätze. Der erste Satz stellt nur eine Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der vorgeschlagenen Bestimmung (noch dazu im Indikativ) dar; der zweite Satz verweist allgemein auf „ein besonderes Informationsinteresse“ der Investoren. Nähere Ausführungen zu Gründen, warum eine Strafbarkeit erforderlich sein soll, fehlen ebenso wie Vergleiche mit ähnlich gelagerten Regelungen in anderen Gesetzen.

Der IGG-ME entzieht sich daher weitgehend einer seriösen Beurteilung; die begutachtenden Stellen sind dazu gezwungen, selbst Vermutungen über die Absichten hinter dem Entwurf anzustellen.

3.   Die vorgeschlagenen Straftatbestände werden vom Bundesministerium für Justiz aber auch aus inhaltlichen Gründen abgelehnt.

Vergleichbare Straftatbestände sind in den anderen wirtschaftsstrafrechtlichen Gesetzen nicht vorgesehen. Lediglich in der besonderen Form der sog. Bilanzfälschungsdelikte (bspw. § 255 AktG, § 122 GmbH, § 41 PSG, § 18 SpaltG, § 114 VAG, § 89 GenG) wird derzeit eine vorsätzliche unrichtige Wiedergabe, Verschleierung oder Verschweigung der Verhältnisse in der betroffenen Gesellschaft oder von erheblichen Umständen pönalisiert.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Inhalt des Informationsdokuments nach § 12 Abs 1 im Wesentlichen dem Inhalt des Jahresabschlusses und des von Investmentgesellschaften verpflichtend zu erstellenden Lageberichts entspricht, die es nach § 13 Abs. 3 einem Investor – gleich wie das Informationsdokument –ermöglichen sollen, sich ein Urteil über die Entwicklung der Geschäftstätigkeit und –ergebnisse der Investmentgesellschaft zu bilden. Nach Ansicht des Bundesministeriums für Justiz kann daher mit den bestehenden gesellschaftsrechtlichen Strafvorschriften, die die unrichtige Darstellung von Gesellschaftsverhältnissen oder das Verschweigen nachteiliger Tatsachen kriminalisieren, das Auslangen gefunden werden.

Eine nachvollziehbare Begründung, weshalb zur Absicherung der Transparenzbestimmungen der §§ 12 und 14 eigene gerichtliche Straftatbestände nötig sind und nicht allenfalls mit Verwaltungsstraftatbeständen das Auslangen gefunden werden kann, enthalten die erläuternden Bemerkungen wie erwähnt nicht. Allein aus dem Informationsinteresse von Investoren bei der Veranlagung in Risikokapital heraus lässt sich das Erfordernis von gerichtlichen Straftatbeständen nicht ableiten.

Keineswegs verständlich und mit einem Gläubigerschutzinteresse auch nicht zu rechtfertigen ist, weshalb eine vorzeitige Aufnahme der Geschäftstätigkeit – unabhängig vom Vorwurf unrichtiger Darstellungen oder dem Verschweigen erheblicher Umstände – nach § 18 Abs. 1 Z 1 unter gerichtliche Strafsanktion gestellt werden soll.

 

Das Bundesministeriums für Justiz kann aus den dargelegten Gründen den in § 18 Abs. 1 Z 1 und 2 IGG-ME vorgeschlagenen gerichtlichen Straftatbeständen nicht zustimmen.

 

Zu § 19 IGG:

§ 19 sieht vor, dass bei nachhaltiger Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen im IGG die steuerlichen Sondernormen im Bereich der KÖSt nicht anzuwenden sind. Die näheren Festlegungen, in welchen Fällen eine nachhaltige Verletzung vorliegt, sollen vom Bundesminister für Finanzen mit Verordnung getroffen werden

In den erläuternden Bemerkungen wird dazu ausgeführt, dass in diesem Fall die nur für Investmentgesellschaften geltenden steuerlichen Bestimmungen ab dem Jahr der Verletzung nicht mehr anzuwenden sind. Verletzt die Investmentgesellschaft die Voraussetzungen nur hinsichtlich einzelner Beteiligungen, sollen lediglich die steuerlichen Bestimmungen für die betreffenden Beteiligungen nicht mehr anwendbar sein, im Übrigen aber die steuerlichen Vorschriften anwendbar bleiben.

Zu kritisieren ist zum Einen, dass die Differenzierung zwischen einer zum Ausschluss sämtlicher steuerlichen Begünstigungen führenden nachhaltigen Verletzung und einer Verletzung hinsichtlich einzelner Beteiligungen im Gesetz selbst nicht zum Ausdruck kommt.

Zum Anderen werden die Kriterien für eine nachhaltige Verletzung im Gesetz nicht determiniert und insofern das sich aus Art. 18 Abs. 1 B-VG ergebende Bestimmtheitsgebot verletzt. Im Zusammenhang damit scheint die Verordnungs-Ermächtigung in § 19, die Fälle zu bestimmen, in denen eine nachhaltige Gesetzesverletzung vorliegt, mangels ausreichender gesetzlicher Determinierung mit Verfassungswidrigkeit bedroht.

Zur grundsätzlichen Problematik, die Anwendbarkeit steuerlicher Regelungen als Sanktion zu erfassen, gilt das eingangs Ausgeführte.

 

Diese Stellungnahme wird im Wege elektronischer Post auch dem Präsidium des Nationalrats zugeleitet.

 

14. Juli 2008
Für die Bundesministerin:
Dr. Maria Wais

 

Elektronisch gefertigt