Amt der Wiener Landesregierung

 

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MD-VD - 998/08                                                                Wien, 14. Juli 2008

Entwurf eines Bundesgesetzes,

mit dem das Strafregister ge-

ändert wird (Sexualstraftäterda-

teigesetz 2008);

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu BMI-LR1315/0023-III/1/2008

 

 

An das

Bundesministerium für Inneres

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 19. Juni 2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

Zu § 2a Abs. 1 und 2 des Strafregistergesetzes:

 

Es sollte - insbesondere auf Grund des Auslandsbezuges - klargestellt werden, ob unter der Wendung in Abs. 2 „gegen die in Abs. 1 genannten Rechtsgüter“ nicht nur „typi-

sche“ Sexualdelikte (Delikte gegen Rechtsgüter im Sinne der §§ 201 bis 220a des Strafgesetzbuches - StGB) zu verstehen sind, sondern auch Delikte gegen Rechtsgüter anderer Art (wie z. B. „Leib und Leben“, §§ 75 ff. StGB, oder „Freiheit“, etc.) falls auch bei diesen ein sexuelles Motiv (eventuell Tathintergrund) existiert, es sich also um eine andere „sexuelle motivierte Gewalttat“ im Sinne dieser Novelle, handelt.

 

Bei einem solchen weiten Verständnis des Verweises des Abs. 2 auf Abs. 1 wäre es unabdingbar, in geeigneter Weise EU-weit und international klarzustellen, dass nicht nur die reinen Sexualdelikte („Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“ sondern auch andersartige Delikte („sexuell motivierte Gewaltdelikte“) nach Österreich gemeldet werden müssen.

 

Sollte eine restriktive Regelung beabsichtigt sein, was aus Sicht der Stadt Wien wesentlich sachgerechter erschiene, so sollte dies im Wortlaut der Bestimmung deutlich zum Ausdruck kommen. So wäre etwa folgende Formulierung denkbar:

 

„... gegen die in Abs. 1, erster Satz, genannten Rechtsgüter erfolgt sind.“

 

Zu § 2a Abs. 5:

 

Abfragerechte im Sinne dieser Novelle sollten nicht nur Organen der Jugendwohlfahrt, sondern überhaupt allen Institutionen eingeräumt werden die in ständigem Kontakt mit Kindern und Jugendlichen stehen und deren Verlässlichkeit und Verantwortung für eine rechtsstaatlich vertretbare Verwendung sensibler Daten gewährleistet ist, jedenfalls aber den LeiterInnen der von Gemeinden betriebenen und betreuten Kindergärten und Jugend-, Freizeit- bzw. Sportzentren. Überdies sollte auch den gesetzlich eingerichteten „Kinder- und Jugendanwaltschaften“ die Möglichkeit einer Abfrage der gemäß der Novelle verarbeiteten Daten eröffnet werden.

 

Betriebsbewilligungen an privaten Kindergärten wären gesetzlich davon abhängig zu machen, dass sie sich nachweislich vor der Beschäftigung von Kindergartenpersonal um entsprechende Strafregisterbescheinigungen bemüht haben.

Um auch die Recht der Verurteilten auf Resozialisierung nach Verbüßung der Strafe berücksichtigen zu können, sollte - insbesondere im Hinblick auf die Einführung des unbestimmten Gesetzesbegriffes „sexuell motivierte Gewalttat“ - allen oben angeführten Behörden und Institutionen gesetzlich der Anspruch eingeräumt werden, sich hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit eine aufzunehmende Person als potenzieller Sexualtäter im Sinne dieser Novelle einzustufen wäre, möglichst von Fachleuten (Begutachtungsstelle) über die Bedeutung der einzelnen Verurteilung und den Grad des Gefährlichkeitspotenziales für den Betrieb, informieren zu lassen.

 

Zum Begriff „sexuell motivierte Gewalttat“:

 

Es wird als problematisch erachtet, dass durch diesen Begriff ein Deliktstypus eingeführt wird, der bislang in der Systematik des Strafgesetzbuches nicht vorkommt und zu rechtsstaatlich bedenklichen Ausweitungen führen kann.

 

Überall dort, wo die Annahme „sexueller Motivation“ beim „Gewaltdelikt“ zu fadenscheinig wäre bzw. wo nur irrelevante „sekundäre sexuelle Begleitumstände“ (z. B. sexuelle Hörigkeit verleitet zur kriminellen Geldbeschaffung) in der Urteilsbegründung vorkommen, wäre kein sexuelles Motiv im relevanten Sinn und daher keine einschlägige sexuelle Gefährlichkeit gegeben und jegliche „Kennzeichnung“ rechtsstaatlich überschießend und höchst bedenklich.

 

In weiterer Folge erschiene es in Ansehung derart sensibler Daten und heikler strafrechtlicher Interpretationsfragen als unverzichtbar, die Auswahl der Verurteilungen, bei denen es zu einer Kennzeichnung kommen soll, bzw. das Aussondern jener, die nicht kennzeichnungswürdig sind, nicht an „Paragraphenziffern“ festzumachen, sondern die Bestimmung der Kennzeichnungswürdigkeit einer Sexualtat bzw. einer sexuell motivierten Gewalttat, in richterliche Hände zu legen. Dies könnte unter einem mit der Urteilsbegründung durch obligatorischen Kurzvermerk des jeweiligen Strafgerichtes im Spruch des Strafurteiles selbst geschehen, der naturgemäß dem Beschuldigten erläutert werden müsste und dem Rechtszug des Urteiles unterläge.

Jedenfalls sollte die Bedeutung des Begriffes der „sexuell motivierten Gewalttat“ möglichst umfassend in den erläuternden Bemerkungen beschrieben werden.

 

Weiters verlangt es der Opferschutz, dass alle mit dem Opferschutz betrauten Einrichtungen über den Zeitpunkt der frühzeitigen Enthaftung eines verurteilten Sexualtäters (bei dem Wiederholungsgefahr erkennbar ist), sowie über Vorliegen und Inhalt gerichtlicher Weisungen oder Auflagen, informiert werden.

 

Zu den in Z 1 und 2 der Novelle vorkommenden Zitaten des § 4a des Tilgungsgesetzes - TilG (§ 4a TilG, ist selbst noch in Begutachtung):

 

Für Opfer von Sexualdelikten, bei denen der Täter vom Vollzugsgericht gemäß § 4a TilgG als gefährlich oder besonders gefährlich eingestuft wird, sollte eine längerfristige und gebührenfreie Auskunftssperre über die Meldedaten des Opfers gesetzlich ermöglicht werden.

 

Zu § 2 a Abs. 6:

 

In Ansehung der Wendung „kann vorgesehen werden“ ist unklar, wer und in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen den Datenabgleich „vorsehen kann“. In Anbetracht dieser höchst sensiblen Daten scheinen also die Voraussetzungen zu deren Verwendung nicht ausreichend bestimmt (vgl. § 1 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes 2000, in Novellierung).

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                              Mag. Heinz Liebert

 

 


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