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Tel.  ++43-1-531 15/0

Fax: ++43-1-531 15/2702

REPUBLIK ÖSTERREICH

e-mail: dsrpost@bka.gv.at

DATENSCHUTZRAT

 

DVR: 0000019

GZ BKA-817.341/0002-DSR/2008

 

 

 

 

An das

Präsidium des Nationalrates

Parlament

Per Mail : 'begutachtungsverfahren@parlament.gv.at'

 

 

 

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafregistergesetz geändert wird (Sexualstraftäterdateigesetz 2008)

Stellungnahme des Datenschutzrates

 

 

 

 

 

 

In der Anlage wird die Stellungnahme des Datenschutzrates zu dem im Betreff genannten Gesetzesentwurf übermittelt.

 

 

Anlage

 

 

 

 

16. Juli 2008

Für den Datenschutzrat:

Der Vorsitzende:

WÖGERBAUER

 

 

 

Elektronisch gefertigt

 

 

 

 

 


 

 

A-1010 Wien, Ballhausplatz 2

Tel.  ++43-1-531 15/2527

Fax: ++43-1-531 15/2702

REPUBLIK ÖSTERREICH

e-mail: dsrpost@bka.gv.at

DATENSCHUTZRAT

 

DVR: 0000019

GZ BKA-817.341/002-DSR/2008

 

 

 

 

An das

Bundesministerium für Inneres

 

Per Mail: bmi-III-3@bmi.gv.at

 

 

 

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafregistergesetz geändert wird (Sexualstraftäterdateigesetz 2008)

Stellungnahme des Datenschutzrates

 

 

 

Der Datenschutzrat hat in seiner 183. Sitzung am 14.Juli 2008 einstimmig beschlossen, zu der im Betreff genannten Novelle folgende Stellungnahme abzugeben:

Der Datenschutzrat bemerkt, dass die Entwurfsbestimmungen nur wenige Regelungen enthalten, die einen Mehrwert an Erkenntnis über „Sexualstraftäter“ verheißen. Insbesondere die „spezielle Kennzeichnung“ ist auch nach derzeit geltendem Recht bereits dadurch gegeben, dass gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 iVm § 3 Abs. 2 Z 5 des Strafregistergesetzes die strafbare Handlung, deretwegen die Eintragung in das Strafregister erfolgt, im Strafregister aufscheint. Die Abfragebefugnis nach dem geplanten § 2a Abs. 4 ist höchst unklar. Somit stellt sich die Frage, ob es sich bei § 2a in der vorgeschlagenen Fassung um eine erforderliche Maßnahme bzw. ein taugliches Mittel zur effizienteren Bekämpfung von strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung handelt, was Voraussetzung für die Zulässigkeit der dadurch bewirkten Eingriffe in die Grundrechte auf Datenschutz (§ 1 DSG 2000) sowie Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) wäre (vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht7, Rz 715 ff).

Der vorliegende Entwurf lässt mangels Übergangsbestimmungen auch offen, auf welche Eintragungen sich die Regelungen beziehen (sollen auch bereits bestehende Eintragungen gekennzeichnet werden oder nur künftig anfallende?).

Abgesehen davon fehlt es den Erläuterungen auch an einer Begründung, warum gerade diese gerichtlich strafbaren Handlungen hinsichtlich der Verarbeitung von Daten über entsprechende Verurteilungen einer besonderen Behandlung bedürfen.

 

Weiters bemerkt der Datenschutzrat, dass die dem vorliegenden Entwurf zugrundeliegenden Intentionen nicht klar erkennbar bzw. abgrenzbar sind: In den Erläuterungen wird unter dem Punkt Hauptgesichtspunkte des Entwurfs zum Zweck der Sexualstraftäterdatei ausgeführt, sie bezwecke in erster Linie die Unterstützung bei der Mitwirkung an der Überwachung justizieller Anordnungen. Darüber hinaus solle diese Maßnahme auch eine Optimierung des Informationsflusses durch die Evidenthaltung der Daten als Schnittstelle für Justiz und Sicherheitsbehörden, aber auch für Jugendwohlfahrtsträger und Bewährungshilfe darstellen.

In den Erläuterungen zu Z 1 (§ 2a) findet sich dann zum Zweck eine Ausführung dahingehend, dass die Information über die Gefährlichkeitseinschätzung des Sexualstraftäters insbesondere wenn es gelte, offenkundig sexuell motivierte Straftaten aufzuklären, eine nachhaltige Hilfestellung böte.

Diese Ausführungen erhellen nicht, ob die Sexualstraftäterdatei folglich primär Aufgaben im Rahmen der Strafgerichtsbarkeit oder polizeilichen Aufgabestellungen dienen soll und welchem Vollzugsbereich in weiterer Folge die darauf gestützten Handlungen zuzurechnen sind (Art. 94 B-VG). Auch aus dem Gesetzeswortlaut kann eine solche Zuordnung nicht erschlossen werden.

Zu Z 1 (§ 2a):

1.         Die Paragraphenüberschrift scheint insofern verwirrend, als unter einer Datei nach § 4 Z 6 DSG 2000 eine strukturierte Sammlung von Daten verstanden wird, die nach mindestens einem Suchkriterium zugänglich ist. Der Begriff wird – da der einfachgesetzliche Teil des DSG 2000 zumeist an Datenanwendungen, also automationsunterstützte Verwendung von Daten, anknüpft – im Datenschutzrecht vor allem dann verwendet, wenn es um „manuelle, dh ohne Automationsunterstützung geführte Dateien“ geht (vgl. § 1 Abs. 3 DSG 2000 oder § 8 des OÖ Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweitergabegesetzes). Im Interesse einer einheitlichen Gesetzessprache (LRL 31; auch bezogen auf den Begriff „Strafregister“) sollte daher besser nicht von einer Datei gesprochen werden, zumal es sich, wie die folgenden Bestimmungen zeigen, überhaupt nur um einen besonderen Teil der Datenanwendung (iSd § 4 Z 7 DSG 2000) Strafregister handelt.

2.         Weiters fällt auf, dass § 2a keine Zweckbestimmung enthält. Weder hinsichtlich der Führung der „Datei“, noch hinsichtlich der Abfragen wird ausgeführt, zu welchen Zwecken („Abwehr eines gefährlichen Angriffs?) diese erfolgen sollen.

Die vorgesehene gesetzliche Regelung ist daher zu unbestimmt, um beurteilen zu können, ob die Datenverwendung im Lichte des Grundrechts auf Datenschutz und der gemäß § 1 Abs. 2 DSG 2000 zulässigen Ausnahmen gerechtfertigt ist.

3.         Abs. 1 erster und zweiter Satz sowie Abs. 2 sieht eine (spezielle) „Kennzeichnung“ von bestimmten im Strafregister aufgenommenen Eintragungen vor. Die Art der bzw. wie diese Kennzeichnung konkret vorzunehmen ist, lässt der Entwurf unbestimmt (Art. 18 B‑VG). Der in Abs. 1 letzter Satz enthaltene Begriff der „sexuell motivierten Gewalttat“ ist zu unbestimmt, zumal er auch im StGB nicht definiert ist.

Hinsichtlich der in Abs. 2 genannten ausländischen Verurteilungen sollte sichergestellt werden, dass nur solche Delikte erfasst werden, die auch nach österreichischem Verständnis als Sexualdelikte verstanden werden und eine rechtskräftige Verurteilung nur durch Gerichte im Sinne des Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention, BGBL 1958/210 idF BGBL III 1998/30 erfolgt ist.

4.         Das Wort „gegebenenfalls“ in Abs. 3 erscheint zum einen ohne besonderen Anordnungsgehalt (LRL 1). Darüber hinaus sind die Voraussetzungen, unter welchen die bezogenen Beschlüsse „gegebenenfalls“ zu speichern sind, undeterminiert (Art. 18 B‑VG).

Zu dem verwiesenen „§ 4a Tilgungsgesetz“ ist anzumerken, dass diese Bestimmung dem derzeit geltenden Rechtsbestand nicht angehört. Das Gesetz wäre im Übrigen richtigerweise als „Tilgungsgesetz 1972“ zu bezeichnen; beim Zitat wäre der bestimmte Artikel (also richtig: „§ 4a des Tilgungsgesetzes 1972“) einzufügen (LRL 136). Entsprechendes gilt auch für Abs. 4.

5.         Hinsichtlich der in Abs. 4 vorgesehenen gesonderten Speicherpflicht zusätzlicher Daten stellt sich die Frage, ob diese Daten sich nicht bereits aus der Begründung des Vollzugsgerichts ergeben und daher weitere Speicherungen entbehrlich sind. Der zweite Satz beschränkt eine Abfrageberechtigung auf jenen Personenkreis, „der mit der Bearbeitung dieser Deliktsbereiche befasst ist“. Welcher Personenkreis (bei der Bundespolizeidirektion Wien?) konkret zur Bearbeitung (und in weiterer Folge zur Abfrage) berechtigt ist, erschließt sich nicht aus dem Gesetzeswortlaut (Art. 18 B‑VG). Im Übrigen sollte die Abfrageberechtigung nicht am Begriff des „Deliktsbereichs“, bei welchem es sich um keinen Terminus legalis handelt, anknüpfen.

6.         Abs. 5 ermächtigt den Bundesminister für Inneres zu einem Datenabgleich, zu einer Datenberichtigung und „bei Änderung der Meldedaten die für einen neuen Wohnsitz zuständige Sicherheitsbehörde davon zu verständigen“.

a. Es müsste wohl von einem Abgleich der Daten der „Sexualstraftäter“ mit Daten des ZMR die Rede sein. Dies ist von Relevanz, weil sonst jedem Datensatz des ZMR ein „Sexualstraftäterprofil“ zugeordnet würde und nicht bloß jedem Sexualstraftäter gemeldete Wohnsitze. Allerdings scheint unklar, ob dabei an einen „Abgleich“ - etwa im Sinn des § 141 Abs. 1 StPO, dh einen einmaligen Vergleich – gedacht ist.  Möglicherweise ist eher an die Mitteilung einer (jeder?) Wohnsitzänderung im ZMR an das Strafregister gedacht, wo sie Wohnsitze dann gespeichert werden sollen (falls eine Eintragung in der Sexualstraftäterdatei vorliegt) und von wo aus die Verständigung der Sicherheitsbehörde (auf welcher Stufe?) erfolgen soll. Dafür würde auch sprechen, dass keine Anordnung über die Häufigkeit der Abgleiche getroffen wird.

Jedenfalls bemerkt der Datenschutzrat ,dass es hier einer klaren Regelung bedarf, welche Daten womit im welchen Anlassfall „abgeglichen“ werden sollen; „Abgleiche“ welcher Art auch immer müssten mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders begründet werden (die Erläuterungen sind diesbezüglich ergänzungsbedürftig) und erfordern auch besondere Datensicherheits- und Kontrollmaßnamen.

b. Auf Grund der gewählten Formulierung hat sich der Inhalt der Verständigungspflicht wohl lediglich auf den Datenabgleich respektive die Datenübermittlung zu beziehen. Die Intentionen dieser Bestimmung sind nicht erläutert; nicht nachvollziehbar wäre jedoch der Zweck einer Verständigungsverpflichtung lediglich über die Vornahme eines Datenabgleiches bzw. Datenberichtigung.

7.         Die Determinanten für die in Abs. 6 vorgesehene Ermessensübung (arg: „kann“) sind nicht erkennbar (Art. 18 B‑VG). Im Übrigen lässt der gewählte Wortlaut den Normadressaten dieser Bestimmung nicht erkennen.  Bezüglich des „Abgleiches“ siehe oben die Bemerkungen zu Abs. 5.

8.         Die Wendung „in der Weise“ in Abs. 7 erscheint im vorliegenden Kontext als unpräzise. Im Übrigen ist das Verhältnis des Abs. 7 zu dem allgemein die Übermittlung von Daten aus dem Strafregister regelnden § 9 der geltenden Fassung des Strafregistergesetzes unklar (vgl. LRL 12).

Nach Abs. 7 soll „Organe[n] der … Jugendwohlfahrt“ eine Datenabfrage eröffnet werden, nach dem geplanten § 12 Abs. 2 dürfen Daten an mit Aufgaben der „Jugendwohlfahrt betrauten Behörden“ beauskunftet werden. Die Sachlichkeit dieser Differenzierung ist nicht ersichtlich. Sofern überhaupt eine Online-Abfrage derart sensibler Daten argumentierbar sein sollte, wären spezielle Datensicherheitsmaßnahmen und Kontrollmechanismen vorzusehen.

Die Regelung des Abs. 7 wählt „die zu einem bestimmten Menschen gespeicherten Daten“ als Anknüpfungspunkt. Dadurch weicht sie in der Regelungssystematik von den übrigen Bestimmungen ab, die auf sachliche Anknüpfungspunkte wie rechtskräftige Verurteilungen o.dgl. abstellen.

9.         Die Erläuterungen zu Z 1 enthalten im zweiten Absatz Ausführungen zum Begriff des Sexualstraftäters. Dazu ist anzumerken, dass dieser Begriff bzw. dieses Wort lediglich im Gesetzeskurztitel (siehe dazu auch die obigen Anmerkungen) sowie in der Paragrafenüberschrift zu § 2a Verwendung findet. Im Kontext des Normtextes findet sich dieser Begriff hingegen nicht.

Die Abkürzung „BEST“ kann nicht als allgemein bekannt vorausgesetzt werden und wäre folglich auszuschreiben; der folgende Nebensatz (…, das bei allen aus der Strafhaft…“) scheint sprachlich misslungen.

Der letzte Absatz erläutert die vorgesehene Eröffnung zur Datenabfrage u.a. seitens der Jugendwohlfahrtsorgane mit deren Aufgabenstellung. Soweit dabei auf Adoptionen hingewiesen wird, ist anzumerken, dass die Genehmigung einer Adoption in die Zuständigkeit der Gerichte fällt. Auch findet sich der Hinweis, dass den Jugendwohlfahrtsorganen alle Informationen zur Verfügung stehen sollen, die zur Wahrung des Kindeswohles erforderlich sind. Diese Zweckbeschränkung sollte auch im Gesetzeswortlaut ihren Ausdruck finden. Welchem Zweck die Datenabfrage seitens der Organe der Bewährungshilfe dienen soll, lässt der vorliegende Entwurf nicht erkennen.

Zu Z 3 (§ 12)

1.         Entsprechend der Entwurfsbestimmung dürfen Daten u.a. an mit Aufgaben der Jugendwohlfahrt betrauten Behörden beauskunftet werden. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass aufgrund der Kompetenzverteilung diese Bestimmung lediglich als eine Ermächtigung der Vollzugsbehörden des Strafregistergesetzes zur Datenbeauskunftung verstanden werden kann. Die Regelung der Zuständigkeit von Jugendwohlfahrtsbehörden entsprechende Auskunftsbegehren an die Vollzugsbehörden des Strafregistergesetzes zu stellen, obliegt hingegen der zuständigen Landesgesetzgebung (Art. 12 Abs. 1 Z 1 B‑VG „Volkspflegestätten, Mutterschafts‑, Säuglings‑ und Jugendfürsorge“), die dann gemäß Art. 97 Abs. 2 B‑VG der Zustimmung der Bundesregierung bedürfte. Die vorliegende Entwurfsbestimmung dispensiert folglich nicht vom Erfordernis einer allfälligen landesgesetzlichen Regelung.

 

Der Datenschutzrat merkt an, dass aus der Formulierung „mit Aufgaben der Jugendwohlfahrt betrauten Behörden und öffentlichen Dienststellen“ nicht ersichtlich ist, dass bei den „öffentlichen Dienststellen“ wohl nur jene gemeint sein können, die auch tatsächlich „mit Aufgaben der Jugendwohlfahrt betraut“ sind.

Die generelle Ermächtigung zur Datenbeauskunftung an „öffentliche Dienststellen“ erscheint in ihrer Weite als überschießend und ist daher abzulehnen.

2.         Der letzte Satz, wonach aufgrund der Datenbeauskunftung nachteilige Folgen für einen Betroffenen nie alleine auf diese Information gestützt werden dürfen, ist zum einen unbestimmt (Art. 18 B‑VG; welche Folgen sind nachteilig im Sinne der Entwurfsbestimmung; der Begriff „diese Information“ ist verfehlt gewählt). Zum anderen scheint diese Bestimmung auch die Regelung kompetenzfremder Materien (etwa jene der Jugendwohlfahrt) und aufgrund dieser Materien zu ergehender Sachentscheidungen zu erfassen. Welche Intention konkret hinter dieser Wendung steht, ist, mangels Erläuterungen, nicht nachvollziehbar. Eine Überarbeitung wäre vorzunehmen.

 

 

16. Juli 2008

Für den Datenschutzrat:

Der Vorsitzende:

WÖGERBAUER

 

Elektronisch gefertigt