Amt der Tiroler Landesregierung

 

 

Verfassungsdienst

 


Dr. Dieter Wolf

 

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Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz geändert wird; Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-605/93
18.08.2008

 

 

Zu GZ. BMUKK-12.662/5-III/2/2008 vom 26.06.2008

 

Die Tiroler Landesregierung erstattet aufgrund ihres Beschlusses vom 13.08.2008 zum vorliegenden Entwurf einer Novelle zum Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz folgende Stellungnahme:

1. Mit dieser Novelle wird vor dem Hintergrund einer freien Schulwahl durch die Erziehungsberechtigten die Möglichkeit einer vollständigen Abschaffung der Schulsprengel vorgesehen. Die damit einhergehen­den Folgen scheinen jedoch nicht ausreichend bedacht worden zu sein. Jedenfalls geben die Erläute­rungen dazu nicht hinreichend Aufschluss. Durch ein solches Vorgehen werden bei den Erziehungsbe­rechtigten große Erwartungshaltungen geweckt, wogegen die daraus entstehenden Konsequenzen für die Systempartner, das sind insbesondere die Schulerhalter und die Länder als Dienstgeber der Lan­deslehrer und Bewirtschafter der Planstellen, den Ländern überantwortet werden.

In diesem Zusammenhang ist auch die Feststellung in den Erläuterungen, dass kein Handlungsbedarf auf landesgesetzlicher Ebene bestehe, weil die bestehenden Landesausführungsgesetze mit den der­zeitigen Sprengelfestlegungen die im § 13 in der Entwurfsfassung geforderte Sicherstellung erfüllen würden, nicht nachvollziehbar. § 13 Abs. 6 des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes verwirklicht im Hinblick auf das Recht des Schulerhalters, die Aufnahme sprengelfremder Schülerinnen und Schüler zu verweigern, die freie Schulwahl (wenn überhaupt) nur in einem sehr eingeschränkten Ausmaß. Für die entsprechenden Ausführungsgesetze der Länder verbleibt dementsprechend kein weiterer Spiel­raum.

2. In Tirol, wo es aufgrund der besonderen geographischen Situation noch eine Reihe von Klein- und Kleinstschulen gibt, würde eine Auflösung der Schulsprengel zu einer massiven zusätzlichen Gefähr­dung dieser Standorte führen. Die rückläufigen Schülerzahlen stellen für die Erhaltung dieser Standorte schon jetzt ein erhebliches Problem dar. Eine vermehrte Auflassung von Kleinschulen ist im Hinblick auf deren Bedeutung für die Erhaltung der örtlichen Gemeinschaften und die Vermeidung einer Entsiede­lung nicht vertretbar. Die im ländlichen Raum in verschiedensten Bereichen an sich schon bestehenden Strukturprobleme würden dadurch nochmals verschärft. Bei dieser Ausgangslage besteht an der Erhal­tung dieser Schulstandorte ein übergeordnetes Interesse, dem Vorrang gegenüber einzelnen gegen­teiligen Elterninteressen einzuräumen ist. Auch macht es wenig Sinn, Volksschüler täglich in eine ent­fernter gelegene Schule zu befördern, nur weil diese dem Arbeitsplatz der Eltern allenfalls näher liegt oder weil es dort aus der subjektiven Sicht einzelner Betroffener „bessere“ Lehrpersonen bzw. Lernbe­dingungen gibt, während die Schule vor Ort in vielen Fällen zu Fuß erreichbar wäre. Ein „Schülertouris­mus“ und ein „Kampf“ der Schulen um jede einzelne Schülerin bzw. jeden einzelnen Schüler wären die unausweichliche Folgen einer solchen Neuregelung.

3. Von alledem abgesehen wäre eine Auflösung der Schulsprengel für die Gemeinden und Gemeindever­bände als Schulerhalter mit großen organisatorischen, logistischen und finanziellen Problemen verbun­den. Dies würde nämlich zu einer erheblichen Planungsunsicherheit im Hinblick auf die Bereitstellung von Schulräumen und die Ausstattung der Schulen führen. Einerseits würden bereits getätigte Investi­tionen für Schulgebäude zu frustrierten Aufwendungen, wenn eine Schule künftig von weniger Schüle­rinnen und Schülern besucht wird, als dies aufgrund der jeweiligen Sprengeleinteilung und der Gebur­tenzahlen zu erwarten war. Andererseits könnte selbst die Notwendigkeit von Zu- und Umbauten von Schulgebäuden nicht ausgeschlossen werden, wenn sich eine Schule, allenfalls auch nur mittelfristig, im Zug des eröffneten „Wettbewerbes“ besonderer Beliebtheit bei den Eltern erfreuen sollte. Da das Land Tirol für kommunale Schulbauten hohe Zuschüsse vergibt, wären solche Unsicherheit auch aus landes­budgetärer Sicht nicht zu vertreten.

Zumal davon auszugehen ist, dass nicht annähernd alle Schülerinnen und Schüler auf private Trans­portmöglichkeiten zurückgreifen könnten, käme auf die Schulerhalter weiters das Problem der Organi­sation des Schülertransportes zu unterschiedlichen Schulstandorten zu. Den Schulerhaltern aber auch dem Land, das einen erheblichen Beitrag zu den Kosten für die Schülerbeförderung leistet, würden wiederum erhöhte Kosten erwachsen.

4. Schließlich würden die derzeitigen Regelungen über die Schulerhaltungskosten, die in den Erläuterun­gen als „im Grunde nicht unzweckmäßig“ bezeichnet werden, durch eine Auflösung der Schulsprengel obsolet. Es scheint mehr als fraglich, ob auf der Grundlage des vorliegenden Entwurfes im Konsens mit den schulerhaltenden Gemeinden und Gemeindeverbänden eine der neuen Situation angepasste und für alle Partner befriedigende Lösung gefunden werden könnte.

Die Tiroler Landesregierung spricht sich daher aus den dargelegten Gründen gegen den vorliegenden Gesetzentwurf aus.

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem auch dem Präsidium des Nationalrates über­mittelt.

 

Mit freundlichen Grüßen
Für die Landesregierung:


Dr. Liener
Landesamtsdirektor