Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

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GZ:

FA1F-17.01-10/2008-1

Bezug:

BMUKK-12.662/5-III/2/2008

Graz, am 25. August 2008

 

Ggst.:

Entwurf einer Novelle zum

Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz;
Stellungnahme des Landes Steiermark

 


 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu dem mit do. Schreiben vom 26. Juni 2008, obige Zahl, übermittelten Entwurf des Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetzes im Rahmen des Begutachtungs- und Konsultationsverfahrens wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

A. Allgemeines:

Grundsätzlich überrascht gegenüber den bisher eher restriktiven Bestimmungen des Bundes nunmehr der generelle Wegfall des grundsatzgesetzlichen Rahmens. Sollte die Vorgangsweise vor allem unter dem Aspekt der Elterninteressen nach freier Schulwahl gewählt worden sein, so wird diesem Entwurf Verständnis entgegengebracht; sollte aber die geplante Regelung vor allem unter dem Gesichtspunkt der Stellenplanbewirtschaftung ins Auge gefasst worden sein, so wird darauf hingewiesen, dass diese Maßnahme der äußeren Organisation nicht geeignet ist etwaige Finanzierungsprobleme im Lehrerpersonalbereich zu lösen.

B. Zu den einzelnen Bestimmungen:

1. Zu den §§ 8 und 13:

Art. 14 Abs. 1 B-VG bestimmt im Rahmen der Generalklausel für das Schulwesen die Zuständigkeit des Bundes, sofern nicht in den folgenden Absätzen des Art. 14 anderes bestimmt  wird. Gemäß Art. 14 Abs. 3 lit. c B-VG ist für die äußere Organisation die Zuständigkeit des Bundes für die Grundsatzgesetzgebung gegeben, während die Ausführungsgesetzgebung und die Vollziehung in die Kompetenz des Landes fällt. Die äußere Organisation wird mit Aufbau, Organisationsformen, Errichtung, Erhaltung, Auflassung, Sprengel, Klassenschülerzahlen und Unterrichtszeit der öffentlichen Pflichtschulen definiert.

Damit hat der Verfassungsgesetzgeber bereits bestimmt, dass der Bund u.a. auch die Grundsätze betreffend die Schulsprengelregelung vorzugeben hat. Eine vollkommene Eliminierung der Schulsprengelregelung aus dem Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz ist schon aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht möglich.

Die beabsichtigte Regelung würde auch bedeuten, dass den bestehenden Schulsprengelregelungen in den Landesausführungsgesetzen die Rechtsgrundlage entzogen würde. Der in den Erläuterungen vertretenen Rechtsmeinung, dass die Länder auch ohne einer Schulsprengel-Grundsatzgesetzgebung weiterhin ihre Schulsprengelbestimmungen beibehalten können, muss widersprochen werden, weil für den Fall der völligen Eliminierung der Schulsprengel aus dem Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz die Generalklausel des Bundes zur Anwendung käme. Ein grundsatzgesetzfreier Raum, in dem die Länder völlig frei Regelungen im Schulbereich tätigen können, existiert nicht.

Ein Grundsatzgesetz liegt nur dann vor, wenn einerseits die darin enthaltenen Regelungen nicht so bestimmt sind, dass das Bundesgesetz im Hinblick auf Art. 18 B-VG (Legalitätsprinzip) einwandfrei vollziehbar ist (VfSlg 3340, 5921), andererseits die betreffenden Regelungen doch so weit bestimmt sind, dass sie aufgrund ihres Inhalts den Kompetenztatbeständen des Art. 12 Abs. 1 B-VG bzw. Art. 14 Abs. 3 lit. c zugeordnet werden können. Ein Grundsatzgesetz kann daher sowohl wegen Überbestimmtheit, als auch wegen mangelnder Bestimmtheit verfassungswidrig sein. Im gegenständlichen Gesetzesentwurf sind die beabsichtigten Vorgaben in den §§ 8  und 13 des Entwurfes als zu weiter Rahmen für die Grundsatzgesetzgebung aufzufassen, sodass die von einem Grundsatzgesetz geforderte Determiniertheit als verfassungsrechtliche Bedingung höchst wahrscheinlich nicht eingehalten wird.

§ 13 sieht als grundsätzliche Vorgaben die Sicherstellung des Rechtes auf einen Schulplatz in zumutbarer Entfernung zum Wohnsitz des Kindes bei gleichzeitiger freier Schulwahl durch die Erziehungsberechtigten und Regelungen über einen zweckmäßigen, die Landesgrenzen überschreitenden Schulbesuch vor. Diese beabsichtigte Regelung erweist sich als äußerst schwammige Bestimmung. Einerseits besteht demnach freie Schulwahl der Eltern bei Pflicht der Schulerhalter, den Schulplatz für Kinder aus der Umgebung zu garantieren. Diese Vorgaben werden mangels Planbarkeit bei freier Schulwahl von den Schulerhaltern nicht erfüllbar sein. So kann die Forderung nach Sicherstellung des Rechtes auf einen Schulplatz in zumutbarer Entfernung in der Praxis zu erheblichen Problemen führen. Demnach kann es zu Differenzen zwischen Schulerhaltern bei „Schulen gleicher Erreichbarkeit“ ausgehend vom Wohnsitz des Schülers kommen; dabei wäre sowohl ein „positiver Kompetenzkonflikt“ denkbar, wonach 2 oder mehr Schulerhalter sich für einen Schüler zuständig fühlen, als auch ein „negativer Kompetenzkonflikt“, wonach sich keiner von 2 oder mehr Schulerhaltern als verantwortlich für den Schulplatz fühlen.

Dem ist auch noch hinzuzufügen, dass bereits die geltenden Ausführungsbestimmungen zum Schulsprengel im Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetz eine Reihe von Ausnahmebestimmungen zum Sprengelschulbesuch ex lege vorsehen. Darüber hinaus wird den Erziehungsberechtigten über Antrag und mit einem Recht auf bescheidmäßige Erledigung die Möglichkeit auf sprengelfremden Schulbesuch eingeräumt. Als Gründe für den sprengelfremden Schulbesuch sind die persönlichen Verhältnisse des Schülers, die individuellen Bildungsziele, die örtlichen Verkehrsverhältnisse, die Zumutbarkeit des Schulweges und die Organisationsform der betroffenen Pflichtschulen im Steiermärkischen Pflichtschulerhaltungsgesetz (§ 23 Abs. 2) angeführt. Dies stellt zwar noch keine freie Schulwahl dar, wohl aber ein sehr weitgehendes Entgegenkommen den Erziehungsberechtigten gegenüber. Eine darüber hinaus gehende Durchbrechung des Sprengelgrundsatzes kann aus ha. Sicht allerdings nicht mehr befürwortet werden, da eine völlig freie Schulwahl einen Schülertourismus nach sich ziehen würde, der einerseits zu überfüllten Schulen an „Trendstandorten“ oder andererseits zu unausgelasteten Schulen führt. Für die Entstehung derartiger Trendschulen sind weniger Qualitätskriterien relevant, als das Vermarktungsgeschick ihrer Leiterinnen und Leiter. Eine derartige Entwicklung würde zusätzliche finanzielle Ressourcen binden und nicht im Sinne von Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit sein.

In diesem Zusammenhang kann nur auf das aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 567 dB VII. GP Zitierte hingewiesen werden: „Die Festsetzung von Sprengeln für öffentliche Pflichtschulen ist von zwei Gesichtspunkten aus wesentlich: einerseits soll dadurch der Schulpflichtige von dem Territorialitätsprinzip einer zuständigen Schule, auf deren Besuch er einen Rechtsanspruch hat, zugewiesen werden, andererseits werden dadurch dem gesetzlichen Schulerhalter die Grenzen der ihm auferlegten Vorsorge für die Schule festgelegt.“

Dieser Ansicht kann nur vollinhaltlich beigepflichtet werden und die Schulsprengel sind unter dem Aspekt der Planbarkeit und auch der Finanzierung des öffentlichen allgemein bildenden Pflichtschulwesens unter Berücksichtigung einer ausgewogenen Beurteilung für alle Betroffenen (Schüler, Erziehungsberechtigten, Schulerhalter) aktueller denn je und mangels  sonstiger Lösungsvorschläge nach wie vor unverzichtbar.

Dem Präsidium des Nationalrates werden unter einem 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Steiermärkische Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

 

 

 

 

(Dr. Gerhard Ofner)