Stellungnahme des Stadtschulrates für Wien vom 16. Juli 2008 zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz – LDG 1984 geändert wird (000.012/0041-kanz0/2008):

 

 

Mit Verfügung der Amtsführenden Präsidentin gemäß § 7 Abs. 3 des Bundes-Schulaufsichtsgesetzes, BGBl. Nr. 240/1962, wird folgende Stellungnahme abgegeben:

 

 

Der SSR für Wien begrüßt die Gesetzesinitiative zur Schaffung von Einrechnungsmöglichkeiten für Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer, zur Berücksichtigung von Tätigkeiten im Rahmen der Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Personen in das Berufsleben, in die Lehrverpflichtung; lehnt aber die Befristung auf drei Jahre ab. Die Ablehnung ergibt sich aus dem Umstand, dass die gesetzliche Grundlage (BAG § 8b Abs. 1 und 2) für die Integrative Berufsausbildung ohne Befristung verlängert wurde.

 

Es wird vorgeschlagen, den § 52 Abs. 3  LDG wie folgt zu ändern:

Das landesgesetzlich zuständige Organ kann für Tätigkeiten im Rahmen der Verbesserung der Eingliederung von benachteiligten Personen mit persönlichen Vermittlungshindernissen in das Berufsleben (§ 8b Abs. 1 und 2 Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969), für Tätigkeiten zur Eingliederung von SchülerInnen nach dem Jugendausbildungssicherungsgesetz (bzw. Folgegesetze),  für Tätigkeiten zur Förderung von EU-Mobilitätsprojekten und ebenfalls für Tätigkeiten im Rahmen offizieller Qualitätsinitiativen des Bundes jeweils eine Verminderung der Lehrverpflichtung um bis zu einem Viertel vornehmen.

 

Begründung:

In den letzten Jahren sind neben den bereits angeführten Maßnahmen zur optimalen Erfüllung der pädagogischen Aufgaben vermehrt zusätzliche Anforderungen an die Kolleg/innen vor Ort, an den Berufsschulen, gestellt worden. So sind in vielen Berufen die kognitiv-reflexiven Anforderungen stark gestiegen, was beim Lernort Berufsschule wiederum ein nach „oben gerichtetes“ hohes Förderpotenzial abverlangt. (Stärkung leistungsstarker Jugendlicher) Um den besonderen Bedürfnissen von leistungsstarken Berufsschüler/innen Rechnung zu tragen, muss die Lehre als Ausgangspunkt für berufliche Karrieren und als Zugang zur Hochschulbildung fungieren (Regierungsprogramm: Lehre und Matura, Forcierung der Berufsreifeprüfung etc.) Der Strukturwandel in Richtung mehr Dienstleistungen nach Branchen und Berufen inklusive Off-shoring von Produktionen stellt die duale Ausbildung und somit auch die Berufsschule vor anhaltende Anpassungsprobleme. Die Ausweitung der Arbeitsmärkte weit über Nationalstaaten hinaus verlangt hohe Flexibilität und Mobilität – die Berufsschule muss das Rüstzeug dafür liefern und das kann sie nur, wenn auch eine Teilnahme von Berufsschüler/innen an Mobilitätsprojekten sichergestellt wird. Zu den europäischen Stichworten für die Berufsausbildung der Zukunft zählt neben der internationalen Mobilität auch die Modularisierung von Ausbildungsverlauf und Prüfung, die  Kompetenzorientierung und ganz stark die Qualitätssicherung – alles Bereiche, die Berufsschullehrer/innen in ihre pädagogische Arbeit einbauen müssen, damit eine Zielereichung = gut ausgebildete Fachkräfte, die flexibel auf den Bedarf eines sich permanent verändernden Arbeitsmarktes reagieren können -  gewährleistet werden kann. Alles nur erreichbar, wenn eine bedarfsorientierte Einrechenbarkeit auf die Lehrverpflichtung – in Analogie zum Bereich der APS-Lehrer/innen bzw. Bundeslehrer/innen – auch für Berufsschullehrer/innen ermöglicht wird.  Nicht nur der Arbeitsmarkt, sondern auch die Rolle der Lehrkräfte ist einem Wandel unterworfen – die Rolle der Berufsschullehrer/innen von heute bedeutet Wissensvermittlung (Unterricht) unter Einbeziehung relevanter Rahmenbedingungen und Entwicklungen, um die Jugendlichen von heute zu Fachkräften von morgen auszubilden und somit zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Österreich beizutragen. Berufsbildung kann nicht funktionieren, wenn Bildung isoliert betrieben wird. Unterrichtstätigkeit an berufsbildenden Pflichtschulen sieht völlig anders und vielfältiger aus als im APS-Bereich. Und dennoch gibt es keine Gleichbehandlung – weder hinsichtlich des Umganges mit Personen mit Benachteiligungen (z.B. sonderpädagogischer Förderbedarf und die im APS dafür vorgesehenen Möglichkeiten) noch bei der Möglichkeit, bedarfsorientiert Einrechnungen in die Lehrverpflichtung vorzunehmen.

 

Zielverfehlung in der beruflichen Erstausbildung bedeutet: höhere Jugendarbeitslosigkeit, keine bedarfsorientierte Ausbildung und somit größere Gefahr einer noch stärker steigenden Gesamtarbeitslosenrate, teure Maßnahmen im Bereich präventive Arbeitsmarktmaßnahmen bzw. AMS-Qualifizierung ….

 

Ebenfalls wäre es dringend notwendig, dass die aktuellen Qualitätsinitiativen des Bundes (QIBB), die derzeit in allen österreichischen Berufsschulen gestartet werden sollten, durch eine gesetzliche Bestimmung unterstützt werden.

 

 

Die Amtsführende Präsidentin

Dr. Susanne Brandsteidl e.h.