GZ:  BMJ-B11.106/0002-I 8/2008

 

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Jurisdiktionsnorm, das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozess-ordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Außerstreit-gesetz, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden 

 

(Zivilverfahrens-Novelle 2008 – ZVN 2008)

 

 

Allgemeines:

 

Insoweit mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf Bestimmungen über das Europäische Mahnverfahren und das Europäische Bagatellverfahren vorgesehen werden, handelt es sich hier um Ausführungsbestimmungen nationalen Rechts zur Umsetzung der entsprechenden Verordnungen des Europäischen Parlaments, welche aus derzeitiger Sicht sinnvoll und zweckmäßig erscheinen, und bleibt die Umsetzung in der Praxis abzuwarten.

 

Als absolut positiv zu beurteilen ist die nunmehr definitive Normierung des grundsätzlich zweiseitigen Rekurses, die ersatzlose Aufhebung des Mandatsverfahrens, welches sich als praktisch bedeutungslos erwiesen hat.

 

Durchaus positiv zu beurteilen ist auch die nunmehr normierte Regelung der Wirksamkeits-verschiebung bei verspätetem Kündigungszugang aus Anlaß der im § 33 Abs. 1 MRG in der Wohnrechtsnovelle 2006 neu normierten Regelungen betreffend verspäteten Kündigungs-zugang. Anzumerken ist hier allerdings, daß die vorgesehene Bestimmung des § 563 ZPO (Art. III Z. 21) sich ausschließlich auf die gerichtliche Aufkündigung bezieht. Mit Rücksicht auf die mit der Wohnrechtsnovelle 2006 normierte Möglichkeit einer außergerichtlichen Aufkündigung von Mieterseite wäre es zur Klarstellung jedoch zweckmäßig, eine derartige Wirksamkeitsverschiebung bei verspätetem Kündigungszugang auch für den Bereich der genannten außergerichtlichen Aufkündigung zu normieren.

 

Auch die Aufhebung des § 18 Abs. 4 ZPO (Art. III Z. 2) und somit Eröffnung einer Rekurs-möglichkeit gegen die Zulassung einer Nebenintervention erscheint im Sinne der Rechts-sicherheit und Ökonomie sinnvoll.

 

Zu monieren ist allerdings, daß aus Anlaß dieses Gesetzesvorhabens, welches als zukunfts-orientiert insbesondere im Bereich des Europäischen Mahnverfahrens und Europäischen Bagatellverfahrens einzuordnen ist und historisch überholten Modellen (Mandatsverfahren) ein Ende bereitet, doch auch sinnvollerweise das bestandrechtliche Mandatsverfahren, also das sog. „Aufkündigungsverfahren“, als der Vergangenheit zuzuordnendes Relikt zu eliminieren gewesen wäre. Den diesbezüglichen Bedenken, daß eine derartige Eliminierung der gerichtlichen Aufkündigung eine einschneidende Änderung darstelle, kann nicht gefolgt werden. Das „normale“ streitige Verfahren bietet den Parteien eines sog. „Aufkündigungs-verfahrens“ ausreichende Instrumentarien und Rechtssicherheit. Wesentliche Änderungen in der Durchsetzung oder Abwehr eines „Kündigungsbegehrens“ bei Durchführung eines ordentlichen streitigen Verfahrens sind nicht ersichtlich und nicht zu gewärtigen.

Zu den Bestimmungen im einzelnen:

 

Zu Artikel III Z. 5 (Gebärdendolmetsch):

 

Die hier vorgesehene Beiziehung eines Gebärdendolmetsch für Gehörlose oder hochgradig Hörbehinderte erscheint sinnvoll und zweckmäßig. Angeregt wird hier jedoch, daß in dem hier normierten Personenkreis nicht nur gehörlosen und hochgradig hörbehinderten, sondern auch stummen Parteien ein derartiger Gebärdendolmetsch beizustellen ist.

 

Daß diese hier vorgesehene Bestimmung des § 73b ZPO eine Übernahme der Kosten des Dolmetsch für die Gebärdensprache durch den Bund vorsieht, ist grundsätzlich primär positiv. Anzudenken wäre allerdings, im Falle des Obsiegens der gehörlosen oder hochgradig hörbehinderten (und allenfalls stummen) Partei derartige Kosten im Rahmen der Kosten-entscheidung der unterlegenen Partei zum Ersatz aufzuerlegen.

 

Zu Artikel III Z. 8:

 

In dem hier vorgeschlagenen Abs. 1 des § 106 ZPO wird die Zustellung von Schriftstücken bzw. Klagen nunmehr in neuer Form normiert, nämlich auch an einen Ersatzempfänger. Eine derartige Bestimmung ist äußerst kritisch zu betrachten. Die Übernahme derartig wesentlicher Schriftstücke durch sog. „Hausgenossen“ mag dann ausreichend sein, wenn Gewähr besteht, daß das Schriftstück auch vom Ersatzempfänger an den tatsächlichen Empfänger weitergeleitet wird. Eine derartige Gewähr ist beispielsweise dann nicht gegeben, wenn zwischen dem Ersatzempfänger und dem tatsächlichen Empfänger eine Interessenkollision besteht oder auch sonstige Gründe (Nachlässigkeit oder Schlamperei) den tatsächlichen Empfänger nicht rechtzeitig in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommen lassen. Mit dieser Bestimmung ist m.E. einer Flut von Wiedereinsetzungsanträgen Tür und Tor geöffnet, was wohl nicht im Sinne einer Prozeßökonomie und einer Entlastung der Gerichte sein kann. Derartigen Bedenken trägt offensichtlich auch die vorgesehene Fassung des                § 564 ZPO (Art. III Z. 22) Rechnung. Es ist nicht einzusehen, warum gerade nur im Bereich der Aufkündigung eine Zustellung zu eigenen Handen vorgesehen bleibt.

 

 

 

Wien, am 25.8.2008                                                             Dr. Hildegard Hartung

      Rechtsanwältin

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         ELEONORE HAUER-RONA, Vorsitzende

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