LEOPOLD-FRANZENS-UNIVERSITÄT INNSBRUCK

 

INSTITUT FÜR ZIVILGERICHTLICHES VERFAHREN

 

Institutsleiter: o. Univ.-Prof. Dr. Bernhard König

 

 

A-6020 INNSBRUCK, am 29. 08. 2008

 

 

INNRAIN 52

 

 

TEL. 0512 / 507-8151 u. 8153

 

 

 

 

An das

Bundesministerium für Justiz

 

Palais Trautson

1010 Wien

 

 

 

 

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Jurisdiktionsnorm, das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung ... geändert werden (Zivilverfahrens-Novelle 2008 – ZVN 2008); Begutachtungsverfahren.

 

 

Bezug:   BMJ – B 11.106/0002-I 8/2008.

 

 

 

 

Ich danke für die Zumittlung des Entwurfs der beabsichtigten ZVN 2008 und erlaube mir, wie folgt zu einigen Punkten Stellung zu nehmen:

 

Zur Zweiseitigkeit des Rekurses (§§ 521, 521a ZPO; Z. 16; Art. III Z. 16 und 17 des Entwurfs)

Die Festlegung durch den Gesetzgeber ist zu begrüßen, da die bisherigen „Rechtssprechungsregeln“ neben § 521a ZPO erhebliche Unsicherheit und Unklarheit mit sich bringen.

a) Die in den EB angeführten Erwägungen treffen in gleicher Weise für das AußStrG zu. Dort ist zwar § 48 umfassender gefasst, hat jedoch – im verfahrensrechtlichen Bereich - beachtliche Defizite im Vergleich zur Neuregelung, wie sie für das streitige Verfahren vorgeschlagen wird. Da der Rechtsschutz in diesem Erkenntnisverfahren nicht geringer sein soll

 

 

 

 

als im streitigen Erkenntnisverfahren, sollte eine entsprechende Anpassung des § 48 AußStrG vorgenommen werden.

b) Nicht übersehen werden darf, dass einige Verfahrensgesetze (etwa die EO samt dem Verfahren über den einstweiligen Rechtsschutz, die KO und indirekt die AO) auf die Rekursregelung der ZPO verweisen.

In Hinblick auf die vorgeschlagene Neuregelung ist § 84 Abs 1 EO auf die Fristenbestimmung zu verkürzen: „Die Fristen für Rekurs und Rekursbeantwortung betragen jeweils einen Monat“. Weiters ist wohl § 402 Abs 1, Satz 1, EO überflüssig. § 402 Abs 3 EO wäre beizubehalten, um auch bei Aufhebungsbeschlüssen (siehe § 521 Abs 1 ZPO idFd Entwurfs) dem Beschleunigungsanliegen beim einstweiligen Rechtsschutz Rechnung zu tragen.

§ 176 Abs 1 KO sollte wie § 402 Abs 3 EO gefasst werden: „Die Frist für den Rekurs und dessen Beantwortung beträgt 14 Tage“.

 

 

Anpassung an die EuMahnVO und die EuBagatellVO (§§ 252, 548 ZPO; Art. III Z 12 und 18 des Entwurfs)

Ich teile den grundsätzlichen Standpunkt des Justizministeriums, aus Anlass der bisherigen EuZivilverfahrensVOer deren Regelungen lediglich durch einen Verweis an Ort und Stelle „in Erinnerung zu rufen“; „Umsetzungen“ in die nationalen Verfahrensordnungen sind überflüssig, zudem fehleranfällig (wie die mehrmaligen Nachbesserungen in den §§ 79 ff EO gezeigt haben) und verwirren eher als sie klarstellen.

Umso wichtiger ist es aber, die erforderlichen „Scharnier-Bestimmungen“ – also jene Normen, die an der Schnittstelle zwischen VO und nationalem Recht die „Übergänge“ regeln – zu ermitteln und sorgfältig zu normieren, um erforderliche Aus-

 

 

 

 

legungen durch die Rechtssprechung im Einzelfall – stets ein Quell von Unsicherheit – möglichst einzuschränken.

a) In zahlreichen Mitgliedstaaten der EU ist eine Regelung wie § 1497 ABGB in dieser Rigorosität (auch was die „gehörige Fortsetzung“ betrifft) nicht bekannt. Angesichts der doch noch bestehenden zahlreichen Unsicherheiten, betreffend die Anwendung der EuMahnVo und EuBagatellVO ist in vielen Fällen, in denen die entsprechenden Anträge zurückzuweisen sind, die „österreichische“ Konsequenz - keine Verjärungsunterbrechung - zu hart. Nachträgliche Überweisungsanträge, welche die Gerichtshängigkeit aufrecht erhalten, sind – wie im grenzüberschreitenden Verkehr – nicht vorgesehen oder nur allenfalls „analog“ anwendbar (siehe den beschränkten Anwendungsbereich des § 230a ZPO). Typisches Beispiel ist Art 8 EuMahnVO, dessen „nationalen Teil“ der Entwurf in § 252 Abs 4 (hiezu EB zu § 252a E) regelt; ein weiteres Beispiel ist Art 5 Abs 6 EuBagatellVO (§ 548 Abs 2 des Entwurfs).

Ich erlaube mir daher die Anregung zu erwägen, ob nicht generell festgelegt werden sollte, dass die unverzügliche Geltendmachung eines Anspruchs, der nach der Geltendmachung im Weg der EuMahnVO oder der EuBagatellVO zurückgewiesen worden ist, in einem anderen geeigneten Verfahren als gehörige Fortsetzung anzusehen ist.

b) Weiters sollte normiert werden, dass trotz der Erklärung des Antragstellers, die Überleitung in ein ordentliches Verfahren im Fall eines Einspruchs des Antragsgegners abzulehnen (Art 7 Abs 4 EuMahnVO), die unverzügliche Einleitung eines geeigneten Verfahrens zur Anspruchsdurchsetzung jedenfalls als gehörige Fortsetzung anzusehen ist. Die erwähnte Erklärung kann nämlich durchaus plausible Gründe haben (siehe Mayr, JBl 2008, 510 Anm 84), sodass die „österreichische“ Sanktion – keine Verjährungsunterbrechung – jedenfalls überschießend wäre.

 

 

 

c) Die vom Entwurf ins Auge gefasste Scharnier-Bestimmung des § 252 Abs 3 ZPO, wonach nach einem rechtzeitigen Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl im landesgerichtlichen Verfahren „nach § 257 ZPO vorzugehen“ ist, halte ich für nicht zweckmäßig. Angesichts der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Klagebeantwortung wäre diese nicht über § 257 Abs 2 ZPO dem richterlichen Ermessen zu unterstellen, sondern obligatorisch vorzusehen. § 252 Abs 3 sollte lauten: „(3) Nach einem rechtzeitig erhobenen Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl ist dem Beklagten/Antragsgegner die Beantwortung der Klage/des Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls mit Beschluss aufzutragen (§ 230), sofern das Verfahren nicht gemäß Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zu beenden ist“.

P.S.: Zeitökonomischer wäre es diesfalls zweifellos, die Klagebeantwortungsfrist bereits ab Erhebung des Einspruchs laufen zu lassen und darüber den Antragsgegner entsprechend zu belehren. Diese Lösung ist aber europaverfahrensrechtlich nicht gangbar.

 

 

 

 

(o.Univ.-Prof. Dr. Bernhard König)