LEOPOLD-FRANZENS-UNIVERSITÄT

 

INNSBRUCK

 

INSTITUT FÜR ZIVILGERICHTLICHES VERFAHREN

 

A. Univ.-Prof. Dr. Peter G. Mayr

 

 

 

A-6020 INNSBRUCK, am 5. 9. 2008

 

 

INNRAIN 52

 

 

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An das

Bundesministerium für Justiz

Postfach 63

1016 Wien

 

 

 

 

 

Betrifft: Entwurf einer Zivilverfahrens-Novelle 2008 (ZVN 2008).

 

Bezug:              BMJ-B11.106/0002-I 8/2008.

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich bedanke mich für die Übermittlung des Entwurfs einer geplanten Zivilverfahrens-Novelle 2008 und darf zu einigen Punkten wie folgt Stellung nehmen:

 

I. Allgemeines

Generell ist darauf hinzuweisen, dass derzeit bereits eine ganze Reihe von Gesetzentwürfen vorliegt, die Änderungen wichtiger Zivilverfahrensgesetze (insb. der JN, der ZPO und der EO) beinhalten, nämlich die Zivilverfahrens-Novelle 2007, das Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) und das Familienrechts-Änderungsgesetz 2008 (FamRÄG 2008) sowie das 2. Gewaltschutzgesetz (2. GeSchG). Nunmehr kommt noch eine Zivilverfahrens-Novelle 2008 dazu. Eine solche Häufung von Abänderungen derselben Gesetze durch verschiedene Novellen ist sicherlich nicht optimal, wenn dies jedoch (durch ein Zusammenziehen der Novellen) nicht vermieden werden kann, so sollte doch wenigstens darauf geachtet werden, dass die Novellen inhaltlich aufeinander abgestimmt werden.

Unmittelbarer Anlass für die geplante Zivilverfahrens-Novelle 2008 ist offenbar das Inkrafttreten des europäischen Mahnverfahrens und des europäischen Bagatellverfahrens, das ein Tätigwerden des nationalen Gesetzgebers (noch im Jahr 2008) erfordert. Die übrigen Änderungen hätten m. E. auch im Rahmen einer der anderen geplanten Novellen (zu einem späteren Zeitpunkt) verwirklicht werden können.

 

 

II. Besonderes

Zum Artikel I: Änderungen der Jurisdiktionsnorm

Zur Ziffer 1 (§§ 19 ff JN):

Da die Vorschriften der JN über die „Ablehnung von Richtern und anderen gerichtlichen Organen“ durch die ZVN 2008 (und das LPartG sowie das FamRÄG 2008) geändert werden sollen, wird angeregt, bei dieser Gelegenheit im Gesetz (§ 20 JN) klarzustellen, dass eine Ausgeschlossenheit des Richters weiter bestehen bleibt, auch wenn dessen Eheverhältnis (bzw. dessen Lebenspartnerschaft) nicht mehr aufrecht ist (siehe Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO3 § 20 JN Rz 3). Ferner sollte m. E. die gegenwärtige Auslegung des § 24 Abs. 2 JN durch die Judikatur (siehe etwa Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO3 § 24 JN Rz 5 m.w.N.) korrigiert werden: Es ist kein sachlicher Grund zu erkennen, warum in diesen heiklen und grundlegenden Fragen des Rechtsschutzes eine solche Rechtsmitteleinschränkung gelten sollte. Vielmehr sollte auch hier – bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen – eine Anrufung des OGH (zur Klärung einer erheblichen Rechtsfrage) möglich sein.

 

Zur Ziffer 2 (§ 68 Abs. 1 JN):

Die Anpassung des § 68 Abs. 1 JN muss sicherlich begrüßt werden, es stellt sich jedoch die grundsätzliche Frage, ob diese aus den völlig anders gelagerten Umständen der Monarchie stammende Bestimmung (ebenso wie § 68 Abs. 2 JN) überhaupt aufrecht erhalten werden soll (dazu Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO3 § 68 JN Rz 3). Soll tatsächlich (im modernen Österreich des 21. Jahrhunderts) bei Soldaten deren „natürlicher“ allgemeine Gerichtsstand durch den Garnisonsort verdrängt werden? Dafür gibt es doch keinen sachlichen Grund (mehr)!

§ 68 Abs. 3 JN hat durch das KSE-BVG (BGBl. 1997/38) ev. einen geringen Anwendungsbereich (siehe Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO3 § 68 JN Rz 4) und könnte daher allenfalls (in adaptierter Form) in Geltung behalten werden. Es böte sich hier eine Vereinigung mit der Regelung des § 69 JN an.

 

§ 103 Abs. 2 JN:

Ich schlage vor (wenn nicht in der ZVN 2008, so doch im geplanten FamRÄG 2008), den § 103 Abs. 2 JN ersatzlos zu streichen. Die erwähnte Bestimmung hat folgenden Wortlaut: "Bestehen am Sitz einer zur Vertretung eines Minderjährigen berufenen Bezirksverwaltungsbehörde oder einer zur Anstalts- oder Vereinsvormundschaft berufenen Stelle mehrere Bezirksgerichte, so ist für Klagen, die von der betreffenden Stelle in Vertretung des Minderjährigen bei einem Bezirksgericht erhoben werden, auch das Bezirksgericht zuständig, in dessen Sprengel die die Vertretung besorgende Stelle ihren Sitz hat."

Diese (schwer verständliche) Vorschrift hat – abgesehen davon, dass sie teilweise überholt ist (hinsichtlich der "Anstalts- oder Vereinsvormundschaft") – überhaupt nur für Wien eine (gewisse) Bedeutung. Auch diese beschränkt sich jedoch darauf, dass dann, wenn der Beklagte nach den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften bei einem Wiener Bezirksgericht zu klagen wäre, die Klage auch beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien erhoben werden kann (siehe Mayr in Rechberger, Kommentar zur ZPO3 § 103 JN Rz 3; ebenso Simotta in Fasching, Kommentar zur ZPO2 I § 103 JN Rz 5). Für diesen (sehr eingeschränkten) Aktivgerichtsstand besteht jedoch m. E. keinerlei Bedarf, sodass diese Vorschrift im Sinne der schon lange verlangten "Rodung des Zuständigkeitsdickichts" zu beseitigen wäre.

 

 

Zum Artikel II: Änderung des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung

Da durch die geplante Novelle ohnehin die EGZPO geändert werden soll (Aufhebung des Art. XLI), sollte dies zum Anlass genommen werden, die Vorschriften dieser Rechtsquelle gründlich zu durchforsten.

Zum Beispiel hätte schon im Zusammenhang mit der Reform des Außerstreitverfahrens der Art. XXXVI EGZPO über die verhandlungsfreie Zeit oder im Zusammenhang mit dem SchiedsRÄG 2006 der Art. XII EGZPO über „die schiedsgerichtliche Entscheidungen von Rechtsstreitigkeiten betreffende Vorschriften“ (gänzlich) beseitigt werden sollen. Gegenwärtig werden die Ziffern 1 bis 5 dieses Artikels ohnehin allgemein für „gegenstandslos“ gehalten und daher in den einschlägigen Gesetzesausgaben überhaupt nur noch die Ziffer 6 abgedruckt (siehe etwa Klauser/Kodek, Jurisdiktionsnorm und Zivilprozessordnung16 [2006] 305 f). Auch die Anordnung der Ziffer 6, nach der „die gesetzlichen Vorschriften, durch welche Körperschaften, Anstalten und Vereine das Recht erhalten haben, zur Entscheidung gewisser Streitigkeiten Schiedsgerichte zu bestellen“ unberührt bleiben sollen, sollte jedoch im Sinne einer Klarstellung der Rechtslage beseitigt werden (auch Keinert hat bereits 1993 [in FS Frotz 786] darauf hingewiesen, dass diese Bestimmung heute „im Grund gegenstandslos“ sei).

Ferner sollten im Zusammenhang mit dem neuen Finanzprokuraturgesetz (BGBl. I 2008/110) (zumindest) der Art. IV Z. 1 und 2 EGZPO aufgehoben werden. Außerdem sollte die Regelung des Art. XXXII EGZPO (an dieser Stelle) gestrichen und – soweit sie überhaupt noch erforderlich ist (siehe § 2 Abs. 2 ProkG) – an geeigneter Stelle (etwa § 27 Abs. 4) in die ZPO eingefügt werden. Wie überhaupt geprüft werden muss, ob nicht das neue Finanzprokuraturgesetz (weitere) Anpassungen der Zivilverfahrensgesetze nötig macht.

 

 

Zum Artikel III: Änderung der Zivilprozessordnung

Zur Ziffer 4 (§ 64 ZPO):

In § 64 Abs. 1 Z. 3 ZPO sollte – bei der gegebenen Gelegenheit – ein Zitatfehler im letzten Halbsatz beseitigt werden: Richtig ist dort auf § 31 Abs. 2 und 3 zu verweisen (einen § 31 Abs. 4 gibt es nicht mehr).

 

Zur Ziffer 7 (§ 98 ZPO):

Es ist hier lediglich darauf hinzuweisen, dass in den Erläuterungen noch mehrfach das „EuRAG“ zitiert wird, obwohl der Kurztitel dieses Gesetzes nunmehr (seit dem 1. 1. 2008; siehe Art. X des FRÄG, BGBl. I 2008/68) „EIRAG“ lautet. Auch wird in den Erläuterungen noch auf die alte EuZustellVO verwiesen, die jedoch mit 13. 11. 2008 durch eine neue EU-Verordnung ersetzt wird (siehe die Ausführungen zu § 121 ZPO).

 

Zur Ziffer 8 (§ 106 Abs. 1 ZPO):

Durch diese vorgeschlagene Änderung soll die Eigenhandzustellung von verfahrenseinleitenden Schriftsätzen, also insb. von Klagen, aber auch von Zahlungsbefehlen oder Wechselzahlungsaufträgen, entfallen. Diese geplante Novellierung ist eindeutig und nachdrücklich abzulehnen: Es geht hier um die Gewährleistung des verfahrensrechtlichen Grundrechts auf rechtliches Gehör und in diesem Bereich sollte sehr vorsichtig vorgegangen und nur aus ganz zwingenden Gründen eine Einschränkung vorgenommen werden. Die von den Erläuterungen für diese Maßnahme angeführte Begründung nimmt zwar umfänglich einigen Raum ein, vermag jedoch inhaltlich in keiner Weise zu überzeugen:

Dass die Eigenhandzustellung eine österreichische Besonderheit darstellt, mag sein. Dies kann jedoch nicht dafür ausreichend sein, (ohne weitere zwingende Gründe) ein höheres österreichisches Rechtsschutzniveau aufzugeben und sich an ein niedrigeres ausländisches Niveau anzupassen. Im Gegenteil: Wir sollten darauf stolz sein und versuchen, die österreichische Lösung zu exportieren. Wenn die Erläuterungen zusätzlich die Aussage von Gitschthaler in Rechberger, Kommentar zur ZPO3 § 106 ZPO Rz 4, über mögliche Probleme bei der Zustellung im Rechtshilfeweg zitieren, wird zu wenig hervorgehoben, dass sich diese Aussage auf die Rechtslage vor der Einfügung des § 106 Abs. 2 ZPO durch die ZVN 2004 bezieht.

Die Erläuterungen sind ferner der Auffassung, dass die RSa-Zustellung gegenüber der RSb-Zustellung kein „unverzichtbares Mehr an Empfängerschutz“ bietet. Darüber kann man sicherlich geteilter Meinung sein und selbst die Verfasser des vorliegenden Entwurfs scheinen nicht einhelliger Meinung gewesen zu sein, denn in § 564 ZPO wird für die Zustellung der Aufkündigung doch wieder eine Zustellung zu eigenen Handen verlangt – obwohl diese ja angeblich kaum ein „Mehr an Empfängerschutz“ bieten soll!

Die entscheidende Frage ist jene, ob die (unbestreitbar eintretende) Verminderung des Beklagtenschutzes durch eindeutige Vorteile in anderen Bereichen aufgewogen werden kann. Hier führen die Erläuterungen nur relativ ausführlich Zahlen über die hohen Kosten der RSa-Zustellung an und betonen, dass der Entfall der Eigenhandzustellung von Klagen und anderen verfahrenseinleitenden Schriftstücken zu einer Verringerung der Ausgaben des Bundes führen würde. Dazu ist einerseits darauf hinzuweisen, dass die Erläuterungen mit den Zahlen von 2007 argumentieren. Dies ist jedoch unseriös, denn im Jahr 2007 war für Eigenhandzustellungen noch ein zweiter Zustellversuch vorgeschrieben (§ 21 Abs. 2 ZustG a.F.), der diese Zustellart sicherlich maßgeblich verteuert hat. Mit 1. 1. 2008 ist dieser zweite Zustellversuch jedoch (durch das BGBl. I 2008/5) beseitigt worden, wodurch eine wesentliche Verbilligung der Kosten für die RSa-Zustellung eingetreten sein muss (– sie kann jetzt eigentlich nicht mehr teurer sein, als eine RSb-Zustellung!), was die Erläuterungen jedoch verschweigen. (Nebenbei bemerkt ist durch diese Novellierung der Rechtsschutz bei der RSa-Zustellung ohnehin bereits kürzlich – nicht ganz unbedeutend – vermindert worden!)

Andererseits muss man sich – unabhängig davon, ob bzw. in welchem Ausmaß eine Kostenreduktion für den Bund eintreten wird, – grundsätzlich im Klaren sein, dass die Gewährleistung von Rechtsschutz Geld kostet und das Kostenargument hier nur von eingeschränkter Bedeutung sein kann.

 

Zur Ziffer 9 (§ 121 Abs. 3 ZPO):

Der in Abs. 3 des § 121 ZPO vorgesehene Verweis auf die neue Fassung der Europäischen Zustell-Verordnung ist aus Gründen der Klarheit zu begrüßen. Allerdings ist darauf aufmerksam zu machen, dass die EuZustellVO (VO Nr. 1393/2007) unrichtig zitiert wird: Der Titel lautet korrekt (laut ABl. 2007 L 324 S. 79): „ . . . Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen . . .“ (und nicht „ . . . Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen . . .“). Allerdings dürfte es sich bei diesem sonst nicht üblichen Terminus um einen Fehler in der Verlautbarung im Amtsblatt handeln, dessen Korrektur vom Mitgliedstaat Österreich bei den zuständigen Stellen angeregt werden sollte. Ob die Regelung der grenzüberschreitenden Zustellung durch Verordnungen der EU nicht noch weitere Anpassungen des österreichischen Zustellrechts zur Folge haben müsste (siehe Brenn, Europäischer Zivilprozess Rz 278 ff), kann ich (derzeit) nicht beurteilen.

 

Zur Ziffer 11 (§ 244 ZPO):

Über die Anpassung des Zitats in Abs. 1 hinaus sollte in Abs. 2 Z. 2 des § 244 ZPO die Bedingung, dass die Forderung „klagbar“ sein muss, beseitigt werden, weil sie durch die in Abs. 2 Z. 4 (nunmehr) vorgeschriebene Schlüssigkeitsprüfung überholt ist (siehe bereits G. Kodek in Fasching/Konecny, Kommentar2 III § 244 ZPO Rz 50 oder Mayr, JBl 2008, 506).

 

Zur Ziffer 12 (§ 252 ZPO):

Mit den Auswirkungen des europäischen Mahnverfahrens auf das österreichische Recht habe ich mich bereits ausführlich in einem Aufsatz beschäftigt, der kürzlich in den Juristischen Blättern veröffentlicht worden ist (JBl 2008, 503 ff). Ich kann hier daher generell auf diese Ausführungen verweisen, möchte jedoch folgende Anregungen hervorheben, die im vorliegenden Entwurf nicht verwirklicht worden sind:

- Das österreichische Mahnverfahren sollte für Beträge über 30.000 € fakultativ geöffnet werden. Es ist nicht einzusehen, warum die Durchführung eines europäischen Mahnverfahrens für Forderungen in unbeschränkter Höhe (fakultativ) möglich ist, während in Österreich (weiterhin) eine absolute Betragsgrenze von 30.000 € gilt.

- Das österreichische Mahnverfahren vor den Bezirksgerichten (und nur dieses) sollte von der Anwaltspflicht befreit werden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum das (grenzüberschreitende und tendenziell schwierigere) europäische Mahnverfahren generell von jeder Anwaltspflicht befreit ist, in Österreich jedoch für die Mahnklage (selbst vor dem Bezirksgericht weiterhin) ab einen Streitwert von 4.000 € absolute Anwaltspflicht gelten sollte.

- Wenn das angerufene österreichische Gericht für die Durchführung des europäischen Mahnverfahrens (sachlich oder örtlich) unzuständig ist, sollte eine amtswegige Überweisung an das zuständige (österreichische) Gericht eingeführt werden.

- Es sollten (in der Exekutionsordnung) Regelungen darüber getroffen werden, wie die Verweigerungsgründe der Vollstreckung nach Art. 22 EuMahnVO im nationalen Recht geltend gemacht werden können.

- Es sollte (im Rechtspflegergesetz) klargestellt werden, inwieweit für die Durchführung des europäischen Mahnverfahrens eine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers besteht.

Zu den konkret vorgeschlagenen Regelungen des § 252 ZPO ist zu bemerken:

Die Formulierung in Abs. 1, dass die Vorschriften der EuMahnVO die §§ 244 bis 251 ZPO unberührt lassen, ist (zumindest) missverständlich: Tatsächlich verdrängen die Bestimmungen der EuMahnVO innerhalb ihres Anwendungsbereichs die nationalen Regelungen, lassen sie also keineswegs „unberührt“!

Wegen der Bedeutung dieser Konstellation, aber auch wegen der Unklarheit der diesbezüglichen (europäischen) Rechtslage sollte in den Fällen des Art. 20 Abs. 2 EuMahnVO – wie von den Erläuterungen ausdrücklich zur Diskussion gestellt – der Rechtsmittelausschluss des § 153 ZPO nicht zur Anwendung kommen (Abs. 2 Satz 2).

M. E. sollte bei den Konsequenzen einer Nichtigerklärung des Europäischen Zahlungsbefehls i.S.d. Art. 20 Abs. 3 EuMahnVO differenziert werden (siehe JBl 2008, 516 f) und nicht jedenfalls das Verfahren beendet sein (so aber Abs. 2 Satz 3).

Im Gegensatz zu den Erläuterungen (zu Abs. 3) halte ich es (im Gerichtshofverfahren) für die bessere Lösung, dass (jedenfalls) ein Auftrag zur Erstattung einer Klagebeantwortung zu erteilen und nicht (nur) „nach § 257 ZPO vorzugehen“ ist (die Anführung des Rechtsquellenzitats „ZPO“ müsste hier übrigens jedenfalls gestrichen werden). Nach einem Einspruch gegen einen von einem Bezirksgericht erlassenen Europäischen Zahlungsbefehl müsste dagegen – wie es schon § 448 Z. 4 ZPO für das österreichische Mahnverfahren anordnet – nach den §§ 440 ff ZPO vorgegangen werden.

 

Zur Ziffer 16 und 17 (§§ 521 und 521a ZPO):

Die vorgeschlagene Regelung über die (grundsätzliche) Zweiseitigkeit des Rekurses und über die Bemessung der Rekursfrist ist zu begrüßen. Zu prüfen ist jedoch, ob diese Neuerung nicht einen Anpassungsbedarf in anderen Zivilverfahrensgesetzen (insb. in der EO) auslöst. In der ZPO selbst wäre etwa der Abs. 2a des § 72 ZPO umzuformulieren.

 

Zur Ziffer 18 (§ 548 ZPO):

Im Zusammenhang mit der geplanten Anpassung des österreichischen Rechts, durch die eine (problemlose) Anwendung der EuBagatellVO sichergestellt werden soll, ist anzuregen, dass der österreichische Gesetzgeber grundsätzliche Überlegungen darüber anstellt, ob nicht auch in Österreich (nach europäischem Vorbild) ein vereinfachtes und/oder beschleunigtes (Bagatell-) Verfahren für gewisse Ansprüche (wieder-) eingeführt werden sollte.

 

Zur Ziffer 19 und 20 (§§ 549 ff ZPO):

Es ist völlig herrschende Meinung, dass das Mandatsverfahren in Österreich (insb. auch durch die Erweiterung des Mahnverfahrens) schon längere Zeit keine praktische Bedeutung mehr hat und daher abgeschafft werden sollte (siehe etwa Mayr, JBl 2008, 505 m.w.N.). Die Aufhebung der diesbezüglichen Bestimmungen wird daher begrüßt. Es stellt sich sogar die Frage – insb. wenn die Anwendung des Mahnverfahrens weiter ausgedehnt wird –, ob überhaupt noch ein Wechselmandatsverfahren notwendig ist, da die Anwendung dieser Verfahrensart in der Rechtspraxis in den letzten Jahren drastisch (von 1920 Wechselmandatsverfahren im Jahr 2000 auf 900 im Jahr 2006) zurückgegangen sind (siehe Mayr, Rechtstatsachen aus der Zivilgerichtsbarkeit, in: Barta/Ganner/Lichtmannegger [Hrsg], Rechtstatsachenforschung – Heute [2008] 101 f).

Für den geplanten § 557 ZPO (der dem alten § 552 ZPO entspricht), wird angeregt, in den vorgeschlagenen Abs. 2 nachfolgenden neuen Satz 2 einzufügen: „Sie haben den Inhalt einer Klagebeantwortung aufzuweisen.“ (vgl. § 248 Abs. 1 ZPO). Durch diesen Einschub wird der notwendige Inhalt der Einwendungen klargestellt, was deshalb sinnvoll und geboten erscheint, weil darüber (wegen des bisherigen Fehlens einer ausdrücklichen Anordnung im Gesetz) in Literatur und Judikatur unterschiedliche Auffassungen bestehen.

 

 

Zum Artikel IV: Änderungen des ASGG

Zur Ziffer 3 (§ 98 ASGG):

Es ist sehr erfreulich, dass der Gesetzgeber (auf Initiative des BMJ) endlich die überaus peinlichen legistischen Fehler, die im Rahmen des § 98 ASGG wiederholt passiert sind (mehrfache Vergabe derselben Absatzbezeichnungen) und die ein denkbar schlechtes Licht auf die Arbeitsweise des Gesetzgebers werfen, korrigieren will. Der Novellengesetzgeber der ZVN 2008 muss jedoch aufpassen, dass nicht neuerlich ein solcher Fehler begangen wird: In der Zwischenzeit ist das ASGG nämlich schon wieder novelliert worden (Art. 14 BGBl. I 2008/82) und dem § 98 ASGG bereits ein neuer Abs. 19 angefügt worden, sodass die nun geplante Richtigstellung unbedingt wiederum geändert werden muss!

 

 

Zum Artikel VI: Änderungen des Gerichtsorganisationsgesetzes

Aus Anlass der geplanten Änderungen des GOG wird angeregt, (zumindest) den noch in Geltung stehenden Abs. 2 des § 90 GOG (samt der überholten Überschrift) aufzuheben – er hat keinen Anwendungsbereich mehr – und § 90a GOG (über die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH) an die aktuelle Rechtslage anzupassen. Dass das GOG eigentlich insgesamt einer kompletten Neuregelung bedürfte, kann als amtsbekannt betrachtet werden.

 

 

Zum Artikel VII: Änderungen des Rechtspflegergesetzes

Im Zusammenhang mit der Novellierung des Rechtspflegergesetzes möchte ich erneut auf folgende grundsätzliche Problematik hinweisen (siehe schon Mayr, Rechtstatsachen, in: Barta/Ganner/Lichtmannegger, Rechtstatsachenforschung – Heute 98 f):

Das Rechtspflegergesetz ist seit seinem Bestehen durch zahlreiche Novellen abgeändert worden und fast durchwegs ist dabei der Wirkungskreis der Rechtspfleger ohne ein klares oder einheitliches Konzept – eher willkürlich oder zufällig – ausgedehnt worden. Auch jetzt soll ihr Wirkungskreis wiederum erweitert werden. Es stellt sich daher immer dringender die grundsätzliche Frage nach den Grenzen dieser schleichenden Erweiterung des rechtspflegerischen Wirkungskreises zu Lasten der richterlichen Kompetenzen. Dieser grundsätzlichen Problematik muss sich der Gesetzgeber baldmöglichst stellen und ein grundlegendes, nachvollziehbares Konzept der Abgrenzung der Wirkungskreise von Richtern und Rechtspflegern entwickeln.

 

 

 

a. Univ.-Prof. Dr. Peter G. Mayr e.h.