An das

 

Bundesministerium für Justiz

per E-Mail: Sylvia.Leeb@bmj.gv.at  sowie
                  kzl.b@bmj.gv.at

 

 

 

 

 

 

 

GZ: BMSK-10310/0008-I/A/4/2008

Wien, 05.09.2008

 

 

 

Betreff: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Jurisdiktionsnorm, das Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung, die Zivilprozessordnung, das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Außerstreitgesetz, das
Gerichtsorganisationsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das
Gerichtsgebührengesetz geändert werden
(Zivilverfahrens-Novelle 2008 – ZVN 2008)

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz nimmt mit Bezug auf das Schreiben vom 26. Juni 2008, GZ BMJ-B11.106/0002-I 8/2008, zum Entwurf
einer Zivilverfahrens-Novelle 2008 wie folgt Stellung:

Zu Art. III Z 8 (§ 106 ZPO):

Der Entwurf sieht einen Entfall der Eigenhandzustellung für verfahrenseinleitende Schriftstücke vor. Dies wird vorrangig mit der Kostenersparnis in der Höhe von rund zwei Euro pro Zustellung gegenüber der Ersatzzustellung begründet. Des weiteren wird darauf verwiesen, dass die Grundsätze der Eigenhandzustellung bereits durch die Regelungen über die Hinterlegungsanzeige durchbrochen sind.

Das Bundesministerium für Soziales und Konsumentenschutz spricht sich mit Nachdruck gegen die geplante Regelung aus. Die Eigenhandzustellung von Klagen und Zahlungsbefehlen hat im Regelfall der persönlichen Übernahme absolute Beweiswirkung bezüglich des Zugangs und hohe Signalwirkung hinsichtlich der Bedeutsamkeit des Schriftstückes.

Der Sonderfall der Zustellung durch Hinterlegung birgt zweifellos Risken in sich, die jedoch im Interesse des Funktionierens der Gerichtsbarkeit in Kauf zu nehmen sind.

Daran anknüpfend jedoch generell bei verfahrenseinleitenden Schriftstücken vom Erfordernis der Eigenhandzustellung abzugehen und damit eine Verschlechterung des Schuldnerschutzes zu statuieren, wird seitens des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz abgelehnt. Fehler bei der Ersatzzustellung können zwar teilweise mithilfe der Wiedereinsetzung saniert werden; dies erfordert jedoch ein gewisses Maß an rechtlicher Versiertheit. Teilweise werden Unachtsamkeiten bei einer Ersatzzustellung jedoch nicht einer Wiedereinsetzung zugänglich sein bzw. entfällt die Signalwirkung des „blauen Briefes“. Angesichts der Bedeutung einer Verfahrenseinleitung für den Beklagten vermag das in der Begründung erwähnte Kostenersparungspotential in der Höhe von ca. zwei Euro pro Zustellvorgang nicht zu überzeugen.

Die geplante Neuregelung verringert den Schuldnerschutz und steht insoweit auch im Widerspruch zum Regierungsprogramm und den daran anknüpfenden Verhandlungen über legistische Maßnahmen gegen die Verschuldung privater Haushalte.

Zu Art. III Z 22 (§ 564  ZPO):

Die Beibehaltung der Eigenhandzustellung für Aufkündigungen wird ausdrücklich begrüßt, da der Nachweis, dass der/die EmpfängerIn verständigt wurde, nur durch eine Eigenhandzustellung sicher gewährleistet werden kann.

Zu Art. III Z 24 (§ 572  ZPO):

In dem im Kündigungsverfahren ergehenden Urteil sollte bezüglich der darin vorgesehenen Kostenfolgen danach differenziert werden, ob Einwendung wegen Verspätung oder sonstige Einwendungen erhoben wurden. Gesetzlich müsste sichergestellt werden, dass dem Gegner, der die Verspätung einwendet, dadurch keine Kosten erwachsen.

Eine Ausfertigung dieser Stellungnahme wird unter einem dem Präsidium des Nationalrates übermittelt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Bundesminister:

Dr. Peter Gamauf

 

 

Elektronisch gefertigt.