REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESMINISTERIUM FÜR JUSTIZ

BMJ-L712.526/0004-II 2/2008

 

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

An das

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

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Sachbearbeiter(in):

Mag. Johannes Gasser

*Durchwahl:

2152

 

 

Betrifft:

Begutachtungsverfahren: Entwurf eines Bundesgesetzes über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (Artenhandelsgesetz - ArtHG); Stellungnahme des Bundesministeriums für Justiz

 

 

BMLFUW-LE.4.1.5/0012-I/3/2008

Das Bundesministerium für Justiz nimmt zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Überwachung des Handels mit Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten (ArtHG) wie folgt Stellung:

Zu § 7 Abs. 1 und 4:

Der vorliegende Entwurf sieht – der bisherigen Systematik des ArtHG (BGBl. I 33/1998) folgend – eine Differenzierung zwischen lebenden Exemplaren nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 338/97, die unter den gerichtlichen Straftatbestand nach § 7 fallen sollen, und sonstigen Exemplaren nach Art. 3 der VO (EG) Nr. 338/97 vor, die nach dem Begutachtungsentwurf unter das verwaltungsbehördlich zu ahndende Finanzvergehen nach § 8 Abs. 1 Z 1 ArtHG fallen sollen.

Der Entwurf für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (RL Umweltstrafrecht), der am 21.5.2008  vom EP in erster Lesung angenommen wurde, sieht in Art. 3 lit. g vor, dass der rechtswidrige, vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Handel mit geschützten wildlebenden Tier- oder Pflanzenarten, Teilen oder Erzeugnissen davon unter Strafe zu stellen ist, es sei denn, die Handlung betrifft eine unerhebliche Menge dieser Exemplare und hat vernachlässigbare Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art.

Nach der Definition in Art. 2 lit. b ii) des Entwurfes zur RL Umweltstrafrecht sind unter geschützten wildlebenden Tier- oder Pflanzenarten gemäß Art. 3 lit. g die Arten zu verstehen, die in Anhang A und B der VO (EG) Nr. 338/97 angeführt sind.

Die im Entwurf zur RL Umweltstrafrecht enthaltene Kriminalisierungsverpflichtung sieht somit keine Einschränkung auf lebende Exemplare nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 338/97 vor, sondern bezieht sich auf alle in Art. 3 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 338/97 (Anhang A und B) bezeichneten Arten, sodass entsprechende Änderungen bei der Gestaltung des gerichtlichen Straftatbestandes (§ 7) erforderlich erscheinen.

Zum Umsetzung der RL Umweltstrafrecht wäre der gerichtliche Straftatbestand nach Ansicht des BMJ daher auf sämtliche Tiere und Pflanzen nach Art. 3 Abs. 1 und 2 der VO (EG) Nr. 338/97 auszudehnen; der Bereich der verwaltungsbehördlich zu ahndenden Finanzvergehen wäre dementsprechend auf den Bereich der übrigen dem Geltungsbereich der VO (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Arten zu beschränken. Zudem ist gemäß der RL auch der Handel mit Teilen oder Erzeugnissen geschützter wildlebender Tier- und Pflanzenarten unter Strafe zu stellen, sodass sich auch daraus ein Anpassungsbedarf ergibt.

In diesem Sinn wird auch in den Erläuterungen unter Bezugnahme auf Art. 3 lit. g der RL ausgeführt, dass bei einem In-Kraft-Treten der RL-Umweltstrafrecht in einer Regierungsvorlage eine Verlagerung aus dem Bereich des Finanzvergehens nach § 8 Abs. 1 Z 1 in den Bereich der gerichtlichen Zuständigkeit vorzunehmen wäre.

Das BMJ weist daher nochmals explizit auf die Notwendigkeit hin, den gerichtlichen Straftatbestand nach § 7 ArtHG an die sich aus der RL Umweltstrafrecht ergebende Kriminalisierungsverpflichtung anzupassen.

Sollte die RL Umweltstrafrecht in der derzeit vorliegenden Form in Kraft treten, wäre nach Auffassung des BMJ als Ausgleich für den weiten Anwendungsbereich eine Begrenzung der gerichtlich strafbaren Handlungen auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Begehungsweisen vorzunehmen und – wie von der RL vorgegeben – eine Ausnahme für minderschwere Fälle, bei denen die Handlung eine unerhebliche Menge geschützter Exemplare betrifft und vernachlässigbare Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der Art hat, zu prüfen.

Systemkonform müsste in der Folge auch das verwaltungsbehördlich zu ahndende Finanzvergehen nach § 8 Abs. 1 Z 1 auf vorsätzliche und grob fahrlässige Begehungsweisen beschränkt werden. Eine Zuständigkeitsabgrenzung zwischen gerichtlich strafbaren Handlungen und verwaltungsbehördlich zu ahndenden Finanzvergehen anhand unterschiedlicher Schulderfordernisse – etwa dergestalt, dass dieselbe Handlung bei grober Fahrlässigkeit gerichtlich strafbar und bei leichter Fahrlässigkeit verwaltungsbehördlich zu ahnden wäre – kann in der Praxis zu verfahrensverzögernden Zuständigkeitsstreitigkeiten führen und sollte jedenfalls vermieden werden.

Zu § 8 Abs. 2:

In Anlehnung an § 7 Abs. 3 enthält § 8 Abs. 2 des Begutachtungsentwurfes eine Qualifikation für den Fall gewerbsmäßiger Begehung und dem Vorliegen von drei innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten begangenen Vortaten vor. Dabei ist vorgesehen, dass der Strafrahmen für die Geldstrafe – wie in § 38 Abs. 1 FinStrG – mit dem Dreifachen des Betrages, nach dem sich sonst die Strafdrohung richtet, festgesetzt wird.

Für die Einführung einer derartigen Qualifikation im Bereich des verwaltungsbehördlich zu ahndenden Finanzvergehens besteht nach Ansicht des BMJ keine Notwendigkeit, weil angesichts des ohnehin schon hohen Strafrahmens (Geldstrafe bis 40 000 Euro bei qualifizierter Begehung in Bezug auf Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 338/97 unterliegenden Exemplaren) derartige schuld- und unrechtsrelevanten Umstände in ausreichendem Maß im Rahmen der Straffestsetzung Berücksichtigung finden können.

Die Einführung einer Qualifikationsstufe mit einer im Vergleich zu den Grundstrafdrohungen des § 8 Abs. 1 auf das Dreifache angehobenen Strafdrohung würde jedenfalls mit einer Grenze von 60 000 Euro bzw. sogar 120 000 Euro, sofern im Sinn der 2. Alternative des § 8 Abs. 1 ein nach Art. 3 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 338/97 besonders geschütztes Exemplar betroffen ist, zu unvertretbar hohen Strafdrohungen führen.

Zudem ist festzuhalten, dass sich die Strafdrohungen nach § 8 Abs. 1 ArtHG im Unterschied zu der auf die Finanzvergehen nach § 33 und 35 FinStrG sowie auf die vorsätzliche Abgabenhehlerei nach § 37 FinStrG zugeschnittenen Strafdrohung gemäß § 38 Abs. 1 FinStrG nicht nach einem strafbestimmenden Wertbetrag richten.

Zu verweisen ist auf die Ausführungen in Dorazil-Harbich, FinStrG § 53 Rz 1, wonach unter dem Wertbetrag, nach dem sich die Strafdrohung richtet, die Abgabenbeträge zu verstehen sind, die dem Bund durch das betreffende Finanzvergehen entgangen sind. Dieser Wertbetrag kann der Verkürzungsbetrag, die ungerechtfertige Abgabenvorschrift, der auf die Ware entfallende Abgabenbetrag, die Bemessungsgrundlage bei Monopolgegenständen oder der nicht oder verspätete entrichtete oder abgeführte Abgabenbetrag oder die geltend gemachte Abgabengutschrift sein. Keiner dieser Fälle liegt § 8 Abs 1 ArtHG zugrunde.

Es ist daher nach Ansicht des BMJ nicht zulässig, die Strafrahmenregelung des § 38 Abs. 1 FinStrG auf das Finanzvergehen nach § 8 Abs. 1 ArtHG zu übertragen.

 

29. August 2008
Für die Bundesministerin:
i.V. Dr. Irene Gartner

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