GZ.:

IX/27470

Fristvermerk:

 

Anschrift:

An das
Bundesministerium für
Wirtschaft und Arbeit
Abteilung C1/4 Wettbewerbspolitik und -recht
Stubenring 1
1011 Wien

Singerstraße 17-19, 1011 Wien
Tel.: +43-1-514 39/190
Fax: +43-1-514 39/509
Martin.Windisch@bmf.gv.at
www.finanzprokuratur.at

Per E-mail post@c14.bmwa.gv.at

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Datum:                          

Wien, am 4. September 2008

Betreff:

Entwurf für ein Wettbewerbsreorganisationsgesetz 2008,
Wettbewerbsgesetz 2008 (WettbG 2008) ua;
zu GZ: BMWA-56.141/0002-c1/4/2008

Beilagen:

 

Anrede

Sehr geehrte Damen und Herren!

Texteingabe:

Die Finanzprokuratur nimmt zu dem ihr am 13.8.2008 auf elektronischem Wege übermittelten Entwurf eines Wettbewerbsreorganisationsgesetzes wie folgt Stellung.

 

Grundsätzlich wird die Absicht, mit dem gegenständlichen Entwurf die Bundeswettbewerbsbehörde zu stärken, begrüßt. Allerdings wäre vor einer allfälligen Beschlussfassung sicherzustellen, dass durch den Entwurf nicht in die Systematik der Vertretung der Republik Österreich (Bund) vor den Gerichten eingegriffen wird.

 

Der Entwurf sieht in Art 1 (Wettbewerbsgesetz 2008) unter § 43 Abs 1 zunächst die Berechtigung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) vor, in Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Bundesgesetz vor allen Behörden und Gerichten selbst aufzutreten, sofern nicht die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist. Gemäß Abs 2 dieser Gesetzesstelle kann sie weiters mit ihrer Vertretung auch die Finanzprokuratur oder einen Rechtsanwalt betrauen. Im Besonderen Teil der Erläuterungen wird zu § 43 WettbG 2008 ausgeführt, dass die bisherige Rechtslage (§ 15 WettbG, BGBl I Nr 62/2005 idF BGBl 1 Nr 2/2008) unverändert bleibe.

 

Diese Ausführungen übersehen, dass dem § 15 WettbG idgF durch die Bestimmung des am 1.1.2009 in Kraft tretenden Finanzprokuraturgesetzes (ProkG 2008), Bundesgesetz vom 8.8.2008, BGBl I Nr 110/2008, materiell derogiert wurde. Gemäß § 3 Abs 1 ProkG 2008 ist die Republik Österreich (Bund) vor allen ordentlichen Gerichten ausschließlich von der Finanzprokuratur zu vertreten, soweit nicht auf Grund besonderer gesetzlicher Bestimmungen anderen Organen das Einschreiten in ihrem eigenen Wirkungsbereich gestattet ist.

 

Während die in § 43 Abs 1 des Entwurfes geregelte Eigenvertretungsbefugnis der Bundeswettbewerbsbehörde im Einklang mit der vorgenannten Bestimmung des Finanzprokuraturgesetzes steht, stellt § 43 Abs 2 des Entwurfes einen systemwidrigen Eingriff in die ausschließliche gerichtliche Vertretungsbefugnis der Finanzprokuratur für den Bund dar.

 

Ein wesentliches Ziel des ProkG 2008 war es, im Sinne einer Anregung des Rechnungshofes Prozessvertretungen und Beratungskompetenzen bei der Finanzprokuratur, die ebenso Organ des Bundes ist, zu bündeln (vgl 167/ME XXXIII GP).

 

Der ursprüngliche Ministerialentwurf zum ProkG sah vor, dass der Bund und die Republik Österreich vor allen ordentlichen Gerichten ausschließlich und uneingeschränkt von der Finanzprokuratur vertreten werden. Im Begutachtungsverfahren in Zusammenhang mit dem ProkG 2008 wurde von der Bundeswettbewerbsbehörde eine Stellungnahme abgegeben, in welcher eine Aufrechterhaltung des § 15 Abs 2 des derzeit geltenden WettbG angeregt wurde. Diese Bestimmung deckt sich wörtlich mit dem § 43 Abs 2 des nunmehrigen Gesetzesentwurfes. Weiters hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Begutachtungsverfahren zum ProkG 2008 eine Stellungnahme abgegeben, in welcher in Zusammenhang mit dem § 3 Abs 1 des Entwurfes zum ProkG 2008 einerseits moniert wurde, dass die Berechtigung der Bundeswettbewerbsbehörde, in eigenem Namen vor Gerichten einzuschreiten (§ 15 Abs 1 des geltenden WettbG) aufrecht bleiben sollte und dass andererseits auch die Möglichkeit, nach § 15 Abs 2 Rechtsanwälte mit der Vertretung der Bundeswettbewerbsbehörde zu betrauen, bestehen bleiben sollte.

 

Der Gesetzgeber hat diesen Einwendungen im Gesetzeswerdungsprozess des ProkG teilweise Rechnung getragen: Durch die nunmehrige Formulierung des § 3 Abs 1 des Gesetzestextes des ProkG ist klar gestellt, dass die Bundeswettbewerbsbehörde dort, wo keine Anwaltspflicht herrscht, selbst einschreiten darf und sich nicht der Finanzprokuratur bedienen muss. Dem Wunsch, dass die Bundeswettbewerbsbehörde neben der Vertretung durch die Finanzprokuratur auch Rechtsanwälte mit ihrer Vertretung vor den ordentlichen Gerichten beauftragen können sollte, ist der Gesetzgeber jedoch nicht nachgekommen. Daraus ergibt sich implizit eine Willensäußerung des Gesetzesgebers, dass dieser im Sinne der vom Rechnungshof geforderten Bündelung der Prozessvertretung bei der Finanzprokuratur die bisher geltende Sonderregelung des § 15 Abs 2 WettbG nicht aufrechterhalten wollte. Im Sinne einer Einheitlichkeit der Gesetzgebung wäre es daher nicht nachvollziehbar, wenn der Gesetzgeber nunmehr den soeben formulierten Grundsatz der Bündelung sämtlicher Prozessvertretungen bei der Finanzprokuratur durch das WettbG wieder durchbrechen würde.

 

Gerade dadurch, dass der Gesetzgeber trotz der im Begutachtungsverfahren zum Finanzprokuraturgesetz seitens der Bundeswettbewerbsbehörde und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit gegen die ausnahmslose ausschließliche Vertretungsbefugnis gemäß § 3 Abs 1 ProkG 2008 vorgebrachten Bedenken nicht gänzlich gefolgt ist und insbesondere keine diesbezügliche Änderung des § 3 Abs 1 ProkG 2008 für nötig erachtet hat, wurde die Wichtigkeit der ausschließlichen obligatorischen Vertretungsbefugnis der Finanzprokuratur für die Republik Österreich (Bund) besonders hervorgehoben.

 

Darüber hinaus besteht aber auch keine sachliche Rechtfertigung für die in § 43 Abs 2 des Entwurfes vorgesehene Vertretungsregelung:

 

Selbst wenn im Einzelfall im Lichte der komplexen von der Bundeswettbewerbsbehörde zu behandelnden Materie die Vertretung durch einen einschlägig spezialisierten Rechtsanwalt in Erwägung gezogen werden sollte, könnte dem durch eine in § 6 Abs 4 ProkG 2008 ausdrücklich vorgesehene Substitution Rechnung getragen werden.

 

Bei der gemäß § 1 des Entwurfes beim BMWA eingerichteten Bundeswettbewerbsbehörde handelt es sich um eine rechtlich unselbständige Einrichtung der Republik Österreich mit hoheitlichen Aufgaben, die sich hinsichtlich ihres Vertretungsbedarfes auch unter Berücksichtigung der von ihr zu behandelnden speziellen Rechtsmaterie nicht von anderen, ebenfalls auf speziellen Rechtsgebieten tätigen und dessen ungeachtet von der Finanzprokuratur ausschließlich vertretenen behördlichen Bundeseinrichtungen wie etwa dem Österreichischen Patentamt, dem Bundesdenkmalamt oder dem Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen unterscheidet.

 

Schließlich darf die Prokuratur darauf hinweisen, dass auch im Lichte der wiederholten Kritik des Rechnungshofes an den durch den Zukauf externer Beratungsleistungen dem Bund erwachsenden hohen Kosten eine Durchbrechung des Vertretungsmonopols der Finanzprokuratur umso weniger gerechtfertigt ist.

 

Die Finanzprokuratur regt daher aus den angeführten Gründen an, im vorliegenden Gesetzesentwurf § 43 Abs 2 WettbG 2008 ersatzlos zu streichen, zumal sowohl § 2 Abs 1 Z 1 des geltenden Prokuraturgesetzes, StGBl. Nr. 172/45 als auch § 3 Abs 1 des Finanzprokuraturgesetzes 2008, BGBl I 110/2008, eine klare Vertretungsregelung für die Republik Österreich (Bund) enthalten.

 

Diese Stellungnahme wird auch dem Präsidium des Nationalrates auf elektronischem Wege (begutachtungsverfahren@parlament.gv.at) übermittelt.

Mit vorzüglicher Hochachtung
Im Auftrag:

(Dr. Windisch)