An das

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

Elektronisch übermittelt!                                                                   Wien, 7. November 2008

 

 

Zu Geschäftszahl:

BMWA-551.150/0007-IV/1/2008, MR Dr. Jilg / 3015

 

 

Stellungnahme des Statistikrates zu:

 

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Preistransparenzgesetz geändert

wird

 

Entwurf einer Preistransparenzverordnung - Gas und Strom 2008

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

Als oberstes fachliches Beratungsgremium hat der Statistikrat nach dem Bundesstatistikgesetz 2000 (BGBl. I 163/1999) u.a. die Aufgabe, zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen, die die Statistik betreffen, Stellungnahmen abzugeben (§ 47 Abs. 1 Zi. 3).

 

Der Statistikrat beurteilt die beiden Entwürfe sehr kritisch und ersucht um eine Überarbeitung des vorgelegten Entwürfe.

 

Allgemeine Bemerkungen

 

In Einklang mit früheren Stellungnahmen des Statistikrates (zB vom 30.5.2000 zu einer Novelle des ElWOG), wird auch diesmal darauf hingewiesen, dass eine Anordnung der Statistik durch Verordnung gemäß § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 5 Abs 1 Z 2, Anlage I Z 10 BStatG 2000 ein deutlich besserer Rahmen für die Datenerhebung wäre. Dies wäre nicht nur im Interesse eines statistischen Gesamtsystems, das Konsistenz und Kohärenz der Ergebnisse zu garantieren hat. Weiters sind noch folgende Gründe anzuführen: Die Wahl des PreistransparenzG als Rechtsgrundlage kann zur Umgehung des BStatG 2000 mit seinem umfangreichen Regelwerk zu Qualität, Datenschutz, Mitwirkungspflichten, Veröffentlichung, etc führen, sowie zur Ausschaltung diverser Gremien, wie Statistikrat oder Datenschutzrat, welche für die Sicherung von Rechtmäßigkeit und Qualität der amtlichen Statistik zuständig sind.

 

Darüber hinaus widerspricht es dem Grundsatz einer effizienten Gesetzgebung, einen neuen Rahmen für die Sammlung von Daten zu schaffen, wenn ein bereits vorhandener in Anspruch genommen werden könnte. Denn im konkreten Fall braucht die E-Control GmbH lediglich statistische Daten und keine Einzeldaten, wie den Erläuternden Bemerkungen zu entnehmen ist, sodass das BStatG 2000 (samt einer entsprechenden Verordnung auf Grundlage der oben erwähnten Bestimmungen) eine taugliche Rechtsgrundlage ist.

 

Eine sachliche Rechtfertigung ist nicht ersichtlich: Die vorliegenden Entwürfe sind teilweise nicht nachvollziehbar und sehen unnötig komplizierte Datenströme vor. Zusätzlich scheint die Kostentragungsregelung zumindest verfassungsrechtlich bedenklich, weil die zuständigen Interessenvertretungen Kosten für Leistungen übernehmen müssen, die dem Staat und damit der gesamten Gesellschaft zu Gute kommen, und nicht nur den von ihnen vertretenen Unternehmen. Die diesbezüglichen Ausführungen in den Erläuternden Bemerkungen vermögen nicht zu überzeugen[1].

 

 

Zu ausgewählten Bestimmungen im Einzelnen

 

      Laut § 2 Abs. 2 des Entwurfes für ein Bundesgesetz, mit dem das Preistransparenzgesetz geändert werden soll (PreistransparenzÄG-Entw.) sind der Fachverband der Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen und der Ver­band der Elektrizitätsunternehmen gesetzlich verpflichtet, Statistik Austria mit der Erhe­bung der Daten zu beauftragen. Kommt eine derartige Beauftragung innerhalb von zwei Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung nicht zustande, kann der BMWA die Energie-Control GmbH mittels Verordnung zur Datensammelstelle ernennen. Der Grund für diese Konstruktion ist – wie bereits oben erläutert – nicht ersichtlich. Die Erläuternden Bemerkungen führen dazu aus, dass damit die Lieferung der Daten für alle Fälle gewährleistet werden soll. Dennoch stellt sich die Frage, weshalb nicht gleich eine gesetzliche Beauftragung von Statistik Austria er­folgt. Aus Sicht des Statistikrates bestehen ernsthafte Bedenken gegen die geplante Rege­lung und die Übernahme von Aufgaben der amtlichen Statistik durch die Energie-Control GmbH. Durch diese Regelung werden Bestimmungen des Bundesstatistikgesetzes ausgehöhlt und die Kohärenz und Konsistenz des Statistischen Systems durchbrochen. Die alleinige Beauf­tragung von Statistik Austria hingegen würde eine Abwicklung der Erhebung entspre­chend dem Bundesstatistik­gesetz gewährleisten. Damit wären neben der Minimierung der Respondentenbelastung (§ 6 BStatG 2000), vor allem auch die Einhaltung der Geheimhal­tungsbestimmungen (§ 17 BStatG 2000) und der Qualitätsaspekte (§ 24 BStatG 2000), sowie die Publikation der Ergebnisse (§ 19 und § 30 BStatG 2000) sichergestellt.

 

Sollte der nicht wünschenswerte Fall eintreten, und die Datenerhebung doch über die  Energie-Control GmbH abgewickelt werden, ist festzulegen, dass das BStatG 2000 zumindest sinngemäß anzuwenden ist, damit sichergestellt ist, dass die Einzeldaten ausschließlich zu statistischen Zwecken verwendet werden und nicht auch für Verwaltungszwecke (Marktkontrolle bzw. – regulie­rung). Dies widerspricht klar dem Bundesstatistikgesetz sowie den internationalen Standards und ist daher abzulehnen.

 

Weiters sind die Angaben gemäß lit n des Anhanges I bzw lit o des Anhanges II des Beschlusses 2007/394 von einer unabhängigen statistischen Einrichtung zu übermitteln. Darunter ist wohl jedenfalls eher Statistik Austria als die E-Control GmbH zu verstehen.

 

Offen bleibt ferner, was geschieht, wenn die hier berufenen Interessenvertretungen nachträglich mit Statistik Austria einen Vertrag schließen, sowie welche Laufzeit dieser hat.

 

 

 

      §  2 Abs 5. PreistransparenzÄG-Entw. sieht vor, „ […] dass im Falle des Bestehens nur eines meldepflichtigen Erdgasunternehmens oder nur eines meldepflichtigen Elektrizitätsunternehmens gemäß Abs. 2 oder eines Unternehmens mit Sitz im Ausland dieses Unternehmen dem EUROSTAT unmittelbar alle Mitteilungen im Sinne des Abs. 1 zu machen hat“. Dies scheint überaus verunglückt zu sein[2], was aber insofern unerheblich ist, als der Preistransparenzverordnung – Gas und Strom 2008-Entw. diesen Fall ohnehin nicht vorsieht, was jedoch notwendig wäre, damit die Regelung anwendbar ist („In der Verordnung gemäß Abs 5 kann vorgesehen werden […]“.

 

      Während § 2 Abs. 6 PreistransparenzÄG-Entw. eine Verpflichtung für Statistik Austria vorsieht, bestimmte Datensätze an die E-Control-GmbH zu übermitteln, gibt es keine korrespondierende Bestimmungen für den nicht wünschenswerten Fall, dass die E-Control GmbH mittels Verordnung mit der Erhebung betraut wird. Eine entsprechende Übermittlungsanordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 BStatG 2000 ist daher vorzusehen.

 

      § 19 und § 30 BStatG 2000 sehen vor, dass die Statistiken und deren Konzepte, Definitionen und Erläuterungen unverzüglich der Öffentlichkeit auf geeignete Weise zugänglich gemacht werden. Darüber hinaus sind die Hauptergebnisse der Statistiken der Öffentlichkeit auch über das Internet unentgeltlich bereitzustellen. Dies wäre in der Verordnung betreffend die Mitteilung und Meldung von Preisen für Gas und Strom entsprechend zwingend vorzusehen.

 

      Die §§ 9 und 17 des Preistransparenzverordnung – Gas und Strom 2008-Entw. bestimmen, dass [] die meldepflichtigen Unternehmen auf Verlangen weitere, zur Erfüllung der Verpflichtungen gemäß §  2 Abs. 1 des Preistransparenzgesetzes notwendigen Daten, Mitteilungen oder Angaben unverzüglich nachzureichen“ haben, wenn statistisch bedeutsame Auffälligkeiten festgestellt werden. Diese Bestimmung ist wenig präzise. Mit der alleinigen Beauftragung von Statistik Austria wäre die Einhaltung der Qualitätskriterien, wie sie in § 24 BStatG 2000 festgehalten sind, jedenfalls gewährleis­tet. Eine gesonderte Bestimmung wäre nicht notwendig, weil die hier intendierte Datenverwendung durch die §§ 15 Abs. 1 iVm § 5 Abs. 2 Z 1 und 2 BStatG 2000 von Gesetzes wegen erlaubt wäre.

 

      Gemäß lit h der Anhänge I und II stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Erhebung einen repräsentativen Anteil des einzelstaatlichen Marktes abdeckt. Eine solche Einschränkung auf eine Stichprobenerhebung ist jedoch dem Preistransparenzverordnung – Gas und Strom 2008-Entw. nicht zu entnehmen. Dies ist zumindest entsprechend zu begründen (vgl auch § 7 BStatG 2000).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Statistikrat lehnt aufgrund der oben angeführten Einwände diesen Verordnungsentwurf ab und empfiehlt, dringend eine Überarbeitung vorzunehmen. Sollte es zu dieser Stellungnahme Fragen geben, stehen die Experten des Statistikrates gerne zu weiteren Gesprächen zur Verfügung.

 

 

 

 

 

Der Vorsitzende des Statistikrates

 

 

 

Prof. Dr. Ewald Kutzenberger

 

 

PS.: Die Stellungnahme wurde wie gewünscht auch an das Parlament elektronisch übermittelt.



[1] Die Verpflichtung träfe die Unternehmen, weshalb sie auch von ihnen zu finanzieren sei. Würde man diesem Grundsatz folgen, müssten alle Statistiken von den auskunftspflichtigen Unternehmen finanziert werden, obwohl Statistiken ein öffentliches Gut sind.

[2] Die Erläuternden Bemerkungen begründen die Regelung in nicht nachvollziehbarer Weise mit Datenschutz. Aber warum sollte dann der BMWA eine Kopie der personenbezogenen Mitteilungen erhalten? Mit dieser Regelung sollen offenbar die lit n des Anhanges I bzw lit o des Anhanges II des Beschluss 2007/394 umgesetzt werden. Unseres Erachtens zielen diese Bestimmungen jedoch nur darauf ab, die Methode der Dateneinbringung zu vereinfachen. Denn wenn es ohnehin nur eine Gesellschaft gibt, dann ist die Übermittlung der Daten via der nationalen Stelle unnötige Bürokratie. Außerdem ist völlig unklar was geschehen soll, wenn der Fall des Abs 5 eintritt: Müssen die Interessenvertretungen dann dennoch mit Statistik Austria verhandeln?