Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

 

 

 

 

Bundesministerium für Gesundheit,

Familie und Jugend

Radetzkystraße 2

1031 Wien

 

per E-Mail

Geschäftszahl:

BMUKK-13.763/0002-III/4/2008

SachbearbeiterIn:

Dr. Madeleine Lenz

Abteilung:

III/4

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madeleine.lenz@bmukk.gv.at

Telefon/Fax:

+43(1)/53120-2331/53120-812331

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BMGFJ-421600/0037-II/2/2008

Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl.

 

 

 

Entwurf eines Bundesgesetzes über die Grundsätze für soziale Arbeit mit

Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder-

und Jugendhilfegesetz 2009 - B-KJHG 2009); Ressortstellungnahme

 

 

Das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur nimmt Bezug auf das Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend vom 7. Oktober 2008 betreffend den Entwurf eines Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2009 (B-KJHG 2009) und nimmt wie folgt Stellung:

 

Zu § 7 und § 40 des Entwurfes:

Allgemein sei zu den Bestimmungen betreffend Datenverwendung durch Kinder- und Jugend­hilfeträger angemerkt, dass deren Verteilung auf den 1. Teil (Grundsatzbestimmung) und 2. Teil (Unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht) sowie deren kompetenzrechtliche Unterstellung unter Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG (hinsichtlich des ersten Teils) und Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG (hin­sichtlich des zweiten Teils) nicht nachvollzogen werden kann. Auf § 2 DSG 2000 darf aufmerk­sam gemacht werden.

 

Zu § 7 Abs. 1 Z 1 und § 40 Abs. 1 Z 1 des Entwurfes:

In Bezug auf eine mögliche gemeinsame Verwendung der Merkmale „bereichsspezifisches Personenkennzeichen“, „Sozialversicherungsnummer“ und „ZMR-Zahl“ durch Kinder- und Jugendhilfeträger darf auf die einschlägige Konzeption des E-Government-Gesetzes sowie auf § 16b des Meldegesetzes 1991 hingewiesen werden. Die Aussage in den Erläuterungen, dergemäß die Sozialversicherungsnummer nur in bestimmten Ausnahmefällen als Identifikator einer Person verwendet werden darf, kann aus den unbestimmten Formulierungen des Entwurfstextes selbst nicht entnommen werden.

 

Zu § 7 Abs. 1 Z 2 und 3, § 14 Abs. 2, § 40 Abs. 1 Z 1 des Entwurfes:

Zu dem in den genannten Bestimmungen (sowie auch in den Erläuterungen zu § 26 des Entwurfes) verwendeten Begriff der „ethnischen Herkunft“ darf bemerkt werden, dass dieser Begriff außerordentlich unklar ist und weiters kein im ho. Vollzugsbereich feststellbares bzw. derzeit festzustellendes Merkmal von Schülerinnen und Schülern darstellt. Vor dem Hintergrund des § 38 des Entwurfes lassen sich auch keine Verpflichtungen für Schulleitungen ableiten, derartige Feststellungen zu treffen.

 

Davon abgesehen, ist der Begriff der „ethnischen Herkunft“ in der Sprache des österreichischen Gesetzgebers eher ungebräuchlich, er lässt sich in dieser Hinsicht beispielsweise aus § 4 DSG 2000, § 5 Bundesstatistikgesetz 2000, Art. 3 EGVG 2008 sowie der deutschen Übersetzung des Art. 2 Abs. 1 der Kinderrechtskonvention entnehmen. Im dortigen Zusammenhang wird er, in einer Aufzählung von vielen möglichen Diskriminierungsmotiven, undifferenziert neben zum Teil ähnlichen oder damit überschneidenden Begriffen wie etwa der „Rasse“ genannt, während dieser Begriff im gegenständlichen Entwurf insoweit jeweils für sich allein steht und daher einer näheren Ergänzung bedürfte.

 

Auch aus der Sicht der Ethnologie, der Sozial- und Kulturanthropologie handelt es sich bei den Termini „Ethnie“, „Ethnizität“ und „ethnische Herkunft“ um wenig geeignete Begriffe, da sie auf Grund mangelnder Präzision dazu missbraucht werden können, Menschen – auch gegen ihren Willen – auf gewisse Merkmale festzulegen und auf Grund eben dieser ihnen zugeschriebenen Merkmale zu diskriminieren.

 

Laut Eriksen (Eriksen, Thomas Hylland: Ethnicity and Nationalism. London 1993) ist Ethnizität ein soziales und kulturelles Konstrukt. Wird diese konstruktivistische Komponente außer Acht gelassen, besteht die Gefahr, „ethnische Unterschiede als Unterschiede der Abstammung, dh. der biologischen Substanz darzustellen.“ (Baumann, Gerd: Das Rätsel der multikulturellen Gesell­schaft. Neue Wege durch den ethnologischen Dreischritt. In: Schomburg-Scherff, Sylvia und Beatrix Heintze (Hg.): Die offenen Grenzen der Ethnologie. Schlaglichter auf ein sich wandelndes Fach. Frankfurt/Main 2000. S. 161). „Menschen erfinden und gestalten so genannte ‚ethnische‘ Grenzen, um soziale Interessenskonflikte zu be- oder verhandeln, die mit etwaigen biologischen Objek­tivitäten sehr wenig zu tun haben.“ (a.a.o, S. 162).

 

Aus diesen Gründen wird daher ein Verzicht auf das Merkmal „ethnische Herkunft“ dringend nahegelegt. In vielen Fällen erscheint ein Rückgriff auf den bereits seit 1976 mit dem Volks­gruppengesetz verankerten Begriff der „Muttersprache“ ausreichend. Überlegenswert wäre eventuell die Einführung einer Kategorie „Familiensprache(n)“, um die Unterbringung von Kindern in Haushalten, wo die Sprache(n) des betreffenden Kindes gesprochen wird/werden, zu erleichtern.

 

Zu § 7 Abs. 1 Z 4 des Entwurfes:

Hinsichtlich der hier getroffenen Anordnung der Verwendung der „ZMR-Zahl“ bei juristischen Personen darf darauf hingewiesen werden, dass gemäß dem Meldegesetz 1991 eine Melde­registerzahl (ZMR-Zahl) ausschließlich natürlichen Personen zugeordnet wird. Weiters darf ver­merkt werden, dass anstelle des Ausdruckes „Firmenbuch“ der Begriff „Firmenbuchnummer“ die korrektere Bezeichnung wäre.

 

Zu § 7 Abs. 3 des Entwurfes:

In Übereinstimmung mit dem materiellen Gesetzesvorbehalt des § 1 Abs. 2 DSG 2000 bzw. ent­sprechend § 6 Abs. 1 Z 5 DSG 2000 wird festgelegt, dass Daten nur solange aufbewahrt bleiben, als es für den Verarbeitungszweck nötig ist. In der Folge wird jedoch festgelegt, dass die Landesgesetzgebung darüber hinaus Höchstfristen für die Löschung einzelner Datenarten festlegen kann. Dies könnte in Folge – losgelöst von den diesbezüglichen Erläuterungen – dennoch als Befugnis missverstanden werden, nicht mehr benötigte Daten auf Vorrat zu speichern. Eine diesbezügliche Klarstellung im Normtext selbst erscheint zweckmäßig.

 

Zu § 26 Abs. 2 des Entwurfes:

Zumal sozialpädagogische Einrichtungen in § 17 des Entwurfes geregelt werden, darf die Anpassung des Klammerausdruckes „(§ 16)“ am Satzende angeregt werden.

 

Zu § 36 des Entwurfes:

Ungeachtet des Umstandes, dass dem zu schützenden Rechtsgut des Kindeswohles unbestrittenermaßen ein besonderer Stellenwert zukommt, wird die vorgesehene Verpflichtung des Landesgesetzgebers, die Verletzung von Mitteilungspflichten gemäß § 37 des Entwurfes einer verwaltungsstrafrechtlichen Sanktion zu unterwerfen, für den behördlichen Bereich nicht gebilligt. Das Verhältnis der Zusammenarbeit von Behörden bzw. der für sie tätig werdenden Organwalter sollte nicht einem verwaltungsstrafrechtlichen Regime unterstellt werden. Die beteiligten Organwalter unterliegen (neben einer allfälligen strafrechtlichen Verantwortung) ohnehin den sich aus Ihren beruflichen Pflichten ergebenden Verantwortlichkeiten (siehe dazu auch § 48 Schulunterrichtsgesetz).

 

Zu § 37 des Entwurfes:

§ 37 des Entwurfes rezipiert den seit der Novelle BGBl. I Nr. 41/2007 bestehenden Grund­gedanken einer aktiven Mitteilungsverpflichtung an den Kinder- und Jugendhilfeträger (§ 37 Abs. 1 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989) und gestaltet diese inhaltlich konkreter aus. Ungeachtet der bereits vor der erwähnten Novelle aus dem schulischen Konnex heraus bestehenden Ver­pflichtung der Schulleitung zur Mitteilung an den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger, „wenn die Erziehungsberechtigten ihre Pflichten offenbar nicht erfüllen oder in wichtigen Fragen uneinig sind“ (§ 48 Schulunterrichtsgesetz), wird davon ausgegangen, dass die seitens des Bundes­ministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend im Zuge der erwähnten Novelle zur Verfügung gestellten Informationen zur Meldung einer Kindeswohlgefährdung samt Formblatt auch im Falle der Gesetzwerdung dem Grunde nach weiterhin Anwendung finden können.

 

Als verfassungsrechtliche Kompetenzgrundlage der Mitteilungspflichten wird Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG genannt. Auch vor dem Hintergrund der Schaffung einer eigenständigen Regelung betreffend Amtshilfe in Konkretisierung des Art. 22 B-VG (§ 38 des Entwurfes) wird diese Ansicht jedoch unter dem Gesichtspunkt einer auf Basis der Jugendfürsorge getroffenen Ver­pflichtung nicht geteilt; vielmehr wäre der genannte Art. 22 B-VG (jedenfalls hinsichtlich der Behörden und Organe der öffentlichen Aufsicht) als treffende Kompetenzgrundlage anzuführen. Hinsichtlich der Auskunftspflichten etwa für Einrichtungen oder Berufsgruppen selbst ist die Positionierung im 2. Teil (Unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht) systematisch unrichtig und es wären derartige Auskunftspflichten entsprechend Art. 12 Abs. 1 Z 1 B-VG zu beurteilen; auf die im Rahmen der Grundsatzbestimmung des § 23 Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 schon derzeit getroffenen Anzeigepflichten wird hingewiesen. Nach ho. Auffassung wäre die vorgesehene Mitteilungspflicht aus der Sachmaterie „Jugendfürsorge“ selbst zu argumentieren, wie dies etwa hinsichtlich der Strafbestimmungen des § 36 des Entwurfes und deren Positionierung im Rahmen der Grundsatzbestimmungen vorgenommen worden ist.

 

Zur Kompetenzgrundlage in den Erläuterungen:

Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist es nicht nachvollziehbar, inwiefern der gesamte Regelungs­gehalt des 2. Teils (Unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht) auf den Kompetenztatbestand des Zivilrechtswesens gestützt werden kann. So wird etwa hinsichtlich § 38 des Entwurfes betr. Amtshilfe auf Art. 22 B-VG oder hinsichtlich § 40 des Entwurfes betr. Datenverwendung auf § 2  DSG 2000 hingewiesen. In Bezug auf § 37 des Entwurfes wird auf vorstehende Überlegungen hingewiesen.

 

In Entsprechung des do. Ersuchens wird eine Kopie dieser Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates in elektronischer Form zur Verfügung gestellt.

 

 

Wien, 12. November 2008

Für die Bundesministerin:

Mag. Andreas Bitterer

 

 

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