Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

Fachabteilung11A

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Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend

 

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è Soziales, Arbeit und Beihilfen

                                                                   

Referat Jugendwohlfahrt, Jugendschutz und Gewaltschutzeinrichtungsgesetz

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GZ:

FA1F-16.01-18/2006-6

Bezug:

BMGFJ-421600/0037-II/2/2008

Graz, am 14. November 2008

 

Ggst.:

Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009;
Stellungnahme des Landes Steiermark.

Auslösung des Konsultationsmechanismus

 

 


Sehr geehrte Damen und Herren!

Zu dem mit do. Schreiben vom 7. Oktober 2008, obige Zahl, übermittelten Entwurf des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009 wird seitens des Landes Stei­ermark folgende Stellungnahme abgegeben:


 

Allgemeines:

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält einige ambitionierte Neuerungen, die ausdrücklich positiv gesehen werden. Dies sind insbesondere die Verankerung des Abklärungsverfahrens und der Hilfepla­nung, der Dokumentation im Grundsätzlichen sowie die Neuformulierung der Mitteilungs- und Ver­schwiegenheitspflichten. Auch die Schaffung rechtlicher Grundlagen für die Datenverwendung wird grundsätzlich begrüßt.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist allerdings deutlich darauf hinzuweisen, dass der Bundesgesetzge­ber vor dem Hintergrund seiner Grundsatzgesetzgebungskompetenz zumindest abschnittsweise mit seinen detaillierten Regelungen die Landesausführungsgesetzgeber in ihrem Gestaltungsspielraum in überschießender Weise beschränkt. Zugleich formuliert er aber neue Zielsetzungen und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe in einer derart weitgefassten, generellen  Form, die die im derzeit gel­tenden JWG 1989 im Gleichklang mit Artikel 12 Abs. 1 Z. 1 B-VG umschriebenen Angelegenheiten der Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge bei weitem überschreiten. Der Betreuungsauftrag der Jugendwohlfahrt definiert sich bislang an den der Obsorge innewohnenden elterlichen Pflege- und Erziehungspflichten unter Wahrung des Primats der Familie. Im nunmehr vorliegende Entwurf tritt der Grundsatz der Subsidiarität in weiten Bereichen in den Hintergrund und lässt die Schlussfolgerung zu, dass der öffentliche Jugendwohlfahrtsträger die gesellschaftliche Haupt- und Gesamtverantwortung sowohl für die Wahrung des Kindeswohls und des generellen Schutzes vor Gewalt als auch der Um­setzung der in der UN-Konvention verankerten Kinderrechte zu tragen und durch entsprechende Akti­vitäten zu sichern hat. Diese umfassende Aufgabenzuordnung an den öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger erscheint überzogen und schlicht nicht realisierbar. Alle gesellschaftlichen Funktionssysteme des Staates (Schule, Gesundheit, Mindest­sicherung, öffentliche Sicherheit, Justiz etc.) haben innerhalb ihres Verantwortungs- und Aufgabenbe­reiches ihren spezifischen Beitrag für Kinder und Familien zu leisten. Die Jugendwohlfahrt hat eine Teilfunktion bei dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, die sie nur dann gut bewältigen kann, wenn die Zielgruppe und die damit verbundenen Aufgaben klar umrissen sind.

Wenn man das neue B-KJHG 2009  also vor dem Hintergrund seines Anspruches als Werk einer ech­ten Jugendwohlfahrtsrechtsreform und seiner Bedeutung für die Länder als Grundsatzgesetz im Ge­samten betrachtet, besteht der dringende Wunsch, dass sowohl Ziele und Aufgaben als auch Aufbau, Struktur und Systematik des Entwurfes nochmals in enger Abstimmung mit den Ländern überdacht und überarbeitet werden. Dies betrifft auch die gewählte Terminologie und neu eingeführte Begriff­lichkeiten, die einen hohen Erklärungsbedarf aufwerfen. Wenn dies nicht in Erwägung gezogen wird, sollten allenfalls nur die zentralen Neuerungen (Abklärungsverfahren, Hilfeplanung, Dokumentation, Verschwiegenheits- und Mitteilungspflichten) unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Länder als Novelle zum bestehenden JWG 1989 verabschiedet werden.

 

Es darf angemerkt werden, dass in zahlreichen Bestimmungen (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3, § 6 Abs. 4 etc.) das Wort „beziehungsweise“ verwendet wird, wobei nicht immer eindeutig beurteilt werden kann, ob dieses Wort als „und“ oder als „oder“ zu lesen ist. Es darf um Klarstellung ersucht werden.

Zu den Kosten:

Gemäß Art. 1 Abs. 3 der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus muss in die Erläuterungen jedes Gesetzesentwurfs  eine Darstellung der finanziellen Auswirkungen aufgenommen werden.

Dieser Verpflichtung wurde hier nicht entsprochen hat. Die auf einen Satz reduzierte Darstellung der finanziellen Auswirkungen, wonach „die vorgeschlage­nen Regelungen, insbesondere jene zu Standards in der Leistungserbringung zu Mehrbelastungen der Länder als Kinder-Jugendhilfeträger führen“, entspricht nicht der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus und auch nicht den Richtlinien für die Ermittlung und Darstellung der Kostenfolgen neuer Recht setzender Maßnahmen.

Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält umfangreiche Änderungen und Neuverpflichtungen für den öffentlichen Jugendwohlfahrtsträger, die ganz offensichtlich zu Mehrkosten führen müssen. Diese Mehrkosten werden weder angesprochen noch entsprechend dargestellt. Die in den Erläuterungen in Zusammenhang mit einer zukünfti­gen Änderung des Außerstreitgesetzes in Aussicht gestellten Einsparungen für die Jugendwohlfahrts­träger dürften im Sinne der Richtlinien für die Ermittlung und Darstellung der Kostenfolgen neuer Recht setzender Maßnahmen nicht gegengerechnet werden. Abgesehen davon würden diese Einsparungen in keinem Verhältnis zu den finanziellen Mehrbelastungen stehen.

Die Weiterverfolgung eines derart mangelhaften Rechtssetzungs­vorhabens hat zur Konsequenz, dass im Sinne des Art. 4 Abs. 2 der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus „keine Gelegenheit zur Stellung­nahme innerhalb der genannten Frist“ gegeben wurde, weil die Frist für das Stellen eines Verlangens nach Führung von Verhandlungen in einem Konsultationsgremium überhaupt nicht in Gang gesetzt wurde. Dies hat zur Konsequenz, dass der Bund den Ländern Ersatz zu leisten hätte, wenn er den Gesetzesentwurf in der vorliegenden Form einer Beschlussfas­sung zuführt.

Die Mehrbelastungen dürfen an Hand einiger beispielhaft ausgewählter Bestimmungen näher erläutert werden:

§ 2 Z. 3: Förderung der bestmöglichen Entfaltung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen

Der Betreuungsauftrag der Jugendwohlfahrt orientiert sich bisher an den im Zivilrecht verankerten elterlichen Obsorgepflichten. Mit dieser geplanten Neuregelung wird allerdings die Grundlage des Kindschaftsrechts verlassen und auf Seiten des öffentlichen Jugendwohlfahrtsträgers eine über die Verantwortung von Eltern weit hinaus gehende Garantenstellung des öffentlichen Jugendwohlfahrts­trägers gegenüber allen Kindern und Jugendlichen bewirkt. Nicht einmal die UN-Kinderrechtskon­vention verlangt einen derart hohen, den Maßstab von Angemessenheit und Notwendigkeit außer Acht lassenden, Anspruch. Diese generelle und verpflichtende Zielsetzung wird jedes institutionelle Leis­tungssystem sowohl im Vollzug überfordern als auch sehr rasch an die Grenzen der Finanzierbarkeit bringen. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass Teilbereiche des Leistungsspektrums an Rechtsansprü­che geknüpft sind. Der finanzielle und personelle Ressourcenbedarf ist derzeit nicht absehbar.

§ 15: verpflichtende Zurverfügungstellung von ambulanten Diensten

Diese nunmehr - insbesondere im präventiven Bereich - vorgesehene Verpflichtung des Jugendwohl­fahrtsträgers geht über die im geltenden JWG 1989 normierte Vorsorgepflicht weit hinaus. Darüber hinaus finden sich nun in der demonstrativen Aufzählung der ambulanten Dienste Leistungen, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen oder zumindest bislang vom Bund gefördert wurden (z. B. Fami­lienberatungsförderungsgesetz). Die beabsichtigte Erweiterung des Aufgabenbereiches der Jugendwohlfahrtsträger mit einer möglichen Verlagerung von Bundesaufgaben auf die Länder im Wege dieses Grundsatzgesetzes lässt beträchtliche Mehrkosten für die Länder erwarten. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass allein die Umstrukturierung der landeseigenen Mütterberatung in eine zeitgemäße Beratungs- und Bildungseinrichtung eine/n Sozial­arbeiter/in pro Bezirk, also zusätzlich 14 Dienstposten, erfordert.

§ 20: Pflegeeltern - Abgeltung der Erziehungsleistung und sozialversicherungsrechtliche Absiche­rung in Form eines pauschalierten Pflegeelterngeldes

Die genauen sozialpolitischen sowie rechtlichen Konsequenzen dieser Regelung sowie der daraus resultierenden Ausführungsbestimmungen können derzeit nicht antizipiert werden, jedoch ist je nach Ausgestaltung bzw. Umsetzungserfordernis davon auszugehen, dass diese Regelung beträchtliche Folgekosten nach sich ziehen wird.

§ 29: Hilfen für junge Erwachsene; Rechtsanspruch

Bisher lag es im Ermessen des Jugendwohlfahrtsträgers, im Einzelfall unter bestimmten Vorausset­zungen Erziehungshilfen bis längstens zum 21. Lebensjahr als Kann-Leistung weiterzugewähren. Mit der geplanten Neuregelung wird nunmehr der Aufgabenbereich der neuen KJH in Richtung junge Erwachsene deutlich erweitert und ein gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch für diese Zielgruppe auf bestimmte Leistungen der KJH eingeführt. Die Inanspruchnahme dieser Leistungen soll zusätzlich auch über das 21. Lebensjahr hinaus als Kann-Leistung ermöglicht werden.

Eine Umsetzung der Bestimmung des § 29 des vorliegenden Entwurfes würde aufgrund vorläufiger interner Vorerhebungen zu einem massiven finanziellen Mehraufwand für das Land Steiermark bzw. die Sozialhilfeverbände sowie die Stadt Graz führen. Zum Einen werden diese zusätzlichen Kosten davon abhängen, wie viele Anspruchsberechtigte die KJH-Leistungen in Anspruch nehmen (allenfalls auch gerichtlich einklagen) werden und ob die vorhandenen Leistungsstrukturen und An­gebote pri­vater Jugendwohlfahrtsträger dafür ausreichen oder weiter ausgebaut werden müssen. Zum Anderen wird auch für die Hilfegewährung und Fallführung sowie die Bewilligung und Aufsicht von Trägern und Einrichtungen eine entsprechende Aufstockung des Personals in den Bezirksverwaltungs­behörden (Jugendwohlfahrt, Sozialarbeit) sowie in der Landesregierung (Oberbehörde) erforderlich werden.

Allein die landesinterne Kostenschätzung zu § 29 erfordert aus Sicht des Landes Steiermark die Ein­leitung des Konsultationsmechanismus.

§ 30: Entfall der Kostenersatzpflicht von Minderjährigen und jungen Erwachsenen

Die Kosten der Hilfen zur Erziehung sind grundsätzlich Kosten der Erziehung der/des Minderjährigen und damit Kosten zur Deckung ihrer/seiner Lebensbedürfnisse. Daher richten sich die Regeln über die Tragung bzw. den Ersatz dieser Kosten gemäß dem geltenden JWG 1989 nach dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht, das eine Beitragspflicht von Kindern zur Bedeckung ihres Unterhaltes im Falle eige­ner Einkünfte berücksichtigt. Hinkünftig kann der Kostenersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers nur mehr gegen die Unterhaltspflichtigen selbst geltend gemacht werden. Bei jungen Erwachsenen ist eher anzunehmen, dass diese häufiger über eigenes Einkommen verfügen, wodurch ihr Unterhaltsan­spruch vermindert wird oder auch gänzlich entfallen kann. Es ist zu erwarten, dass die beabsichtigte Neuregelung in Verbindung mit § 29 dazu führen wird, dass der Jugendwohlfahrtsträger seinen An­spruch auf Kostenersatz künftig nur mehr im Rahmen dieser reduzierten Unterhaltspflicht gelten ma­chen bzw. bei deren Entfall grundsätzlich nicht mehr ansprechen kann. Auch dies wird zu Mehrbelas­tungen führen.

Sonstige kostenrelevante Regelungen

Der mit den sonstigen Neuerungen des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes verbundene finan­zielle und personelle Mehraufwand, z. B. für entsprechende Programmsysteme für die Statistik und die Datenverwendung, für technische Vorkehrungen für Datenschutzmaßnahmen sowie für die Verschlüsse­lung von sensiblen Daten, für die Etablierung einer Adoptivelternausbildung sowie verpflichtende Begleitung von leiblichen Elternteilen und Adoptiveltern nach rechtskräftiger Bewilligung der Adoption, wird ebenfalls zusätzliche Kosten verursachen. Die Umsetzung der Bestimmungen der §§ 7, 14 und 40 in den Ausführungsgesetzen der Länder bewirken nicht unerhebliche Folgekosten (z. B. für die Pro­grammsysteme).

 

Dem Land Steiermark entstehen durch all diese Regelungen nach einer ersten Einschätzung jedenfalls Mehrkosten, die Bagatellgrenze übersteigen.

Es wird daher die Aufnahme von Verhandlungen  im Konsultationsgremium verlangt.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu § 1:

Diese Bestimmung ist sehr weit gefasst. Die elterlichen Rechte und Pflichten sollten daher in Bezug zu Abs. 1 gebracht werden; vorgeschlagen wird daher für Abs. 2 folgende Ergänzung: „Die Förderung der Entwicklung sowie die Pflege und Erzie­hung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfä­higen Persönlichkeit sind in erster Linie…“.

Bei der gewählten Formulierung „Eltern bzw. andere mit der Pflege und Erziehung betraute Perso­nen“, die auch in anderen Bestimmungen des Gesetzesentwurfes verwendet wird, ist unklar, ob hier Personen gemeint sind, die Träger der Obsorge mit Wirkung im Außenverhältnis sind (was wohl in­tendiert ist) und/oder auch solche, die Pflege und Erziehung bloß im Innenverhältnis ausüben. In Zu­sammenhang mit der in der Lehre bestehenden unterschiedlichen Rechtsauffassung zur Frage der Wir­kungen einer gerichtlich übertragenen Obsorge im Gegensatz zu einer Übertragung von Pflege und Erziehung im Rahmen der Vereinbarungen über Erziehungshilfen, wäre die Neuerlassung des Grundsatzgesetzes eine geeignete Möglichkeit, diese umstrittene Rechtsfrage zu lösen.

Es ist nicht klar, was unter dem in Abs. 4 verwendeten Begriff „Allgemeines Bürgerliches Recht“ zu verstehen ist.

Zu § 2:

Die gesetzlichen Zielsetzungen sind sehr weit gefasst. Insbesondere die in den Z. 1, 3, 5 und 6 ange­sprochenen Ziele sind primär systemübergreifend zu verstehen. Deren Erreichbarkeit steht naturgemäß in engster Interdependenz mit anderen gesellschaftlichen und staatlichen Leistungssystemen (Schule, Gesundheit, Kinderbetreuung, öffentliche Sicherheit etc.).

Die Formulierung des § 3 erweckt allerdings den Eindruck, dass die Erreichung der in § 2 definierten Ziele die ausschließliche Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist, der gegenüber Kindern auch die Garantenstellung für deren generellen Schutz vor Gewalt und deren „bestmöglicher“ Entfaltung und Entwicklung zukommt. Dies kann jedoch ein subsidiäres Leistungssystem naturgemäß nicht erfüllen. Deutlich wird dies auch, wenn in den Erläuterungen als Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe die Auf­arbeitung erlittener Traumata angeführt wird, die wohl eine primäre Aufgabe des Gesundheitssystems sein muss. Auch die Wiederherstellung funktionierender familiärer Strukturen als Voraussetzung für das Ziel der Reintegration von Kindern, kann nicht allein von der Kinder- und Jugendhilfe bewerk­stelligt werden, weshalb dieses gesetzliche Postulat im B-KJHG 2009 Erwartungen auslöst, die real nicht erfüllbar sind. Die Verantwortung aller primären Leistungssysteme, die im Rahmen ihrer spezifi­schen Aufgaben Leistungen für Minderjährige und ihre Familien anzubieten haben, ist unbedingt klar­zustellen.

Die Ziffern dürften versehentlich nicht durchgehend nummeriert worden sein.

Zu § 3:

Vor dem Hintergrund des in Art. 12 Abs. 1 Z. 1 B-VG normierten Kompetenztatbestandes "Mutter­schafts- und Säuglingsfürsorge" und dessen Verankerung im geltenden § 1 Abs. 1 Z. 1 JWG sollte zumindest überdacht werden, die Unterstützung der Zielgruppe „werdende Eltern, Säuglinge und Kleinkinder“ auch im neuen B-KJHG als Aufgabe der KJH festzuschreiben. Dies scheint nicht nur aus traditionellen Gründen geboten, sondern weil vor der Geburt und im frühkindlichen Alter bis zum Eintritt in außerfamiliäre Tagesbetreuungsstrukturen kaum ausreichende primärpräventive Beratungs- und Bildungseinrichtungen zur Verfügung stehen.

Der generelle Anknüpfungspunkt in Z. 3 an die „soziale Arbeit“ könnte auch so interpretiert werden, dass die KJH nicht nur primär kindbezogen, sondern jedenfalls immer zuständig ist, wenn soziale Ar­beit als solche in familiennahen Systemen erforderlich wird. Dies kann nicht ausschließliche Aufgabe der KJH werden, sondern haben auch die anderen primären Versorgungssysteme (Schule, Gesundheit etc.) für die entsprechenden Leistungen und Hilfen in ihrem Aufgabenbereich zu sorgen.

Die gewählte Formulierung in Z. 4 könnte den Schluss zulassen, dass die KJH auch finanzielle Hilfen zu leisten hätte. Die materielle Absicherung von Minderjährigen und ihren Familien ist aber Aufgabe der sozialen Sicherungssysteme, jedoch keine aus Art. 12 Abs. 1 Z. 1 B-VG ableitbare selbständige Leistungspflicht der KJH.

Hinsichtlich der Z. 6 wird darauf hingewiesen, dass nach dem zivilen Kindschaftsrecht nicht in jedem Fall einer Kindeswohlgefährdung das Pflegschaftsgericht anzurufen ist (vgl. die EB zu § 176 ABGB); dies soll auch für das B-KJHG gelten und müsste daher entsprechend außer Streit gestellt werden.

Zu § 4:

Die vorliegende Bestimmung verzichtet auf eine der geltenden Rechtslage (§ 5 Abs. 2 JWG 1989) entsprechende gesonderte Regelung über die Gefährdungszuständigkeit und die diese Fälle regelnde Kostenersatzpflicht von bzw. zwischen öffentlichen KJH-Trägern. Die Gründe dafür werden nicht erläutert. Aus Sicht eines effektiven Kinderschutzes ist dies insofern problematisch, als die Neurege­lung auch so verstanden werden könnte, dass bei Gefahr im Verzug nicht der Kinder- und Jugendhil­feträger zuständig ist, in dessen Wirkungsbereich sich der betroffene Minderjährige tatsächlich auf­hält, sondern jener, in dessen Bereich er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, was nicht dem Interesse einer sofortigen Gefährdungsabwehr dient. Es wird daher angeregt, inhaltlich den § 4 im Sinne des derzeit geltenden § 5 Abs. 2 JWG 1989 zu ergänzen.

Die bisherige Anknüpfung des örtlichen Anwendungsbereiches an den gewöhnlichen und den schlichten Aufenthalt sollte beibehalten werden und die vorgesehene weitere Differenzierung nach dem Wohnsitz entfallen. Diese könnte im schlimmsten Fall zu Zuständigkeitskonflikten führen, die bei akutem Handlungsbedarf für das Kindeswohl kontraproduktive Auswirkungen nach sich ziehen wür­den.

An dieser Stelle wird auch empfohlen, den Begriff „Kinder- und Jugendhilfeträger“ durch­gängig für das gesamte Gesetz so zu verwenden, dass es zu keinen Unsicherheiten kommt, ob mit KJH-Träger in der jeweils konkreten Gesetzesstelle der öffentliche oder private Träger gemeint ist oder beide. Im vorliegenden § 4 wird wohl nur der öffentliche KJH-Träger gemeint sein können.

Eine sprachliche Verbesserung des letzten Satzes des Abs. 3 wäre wünschenswert.

Zu § 5:

Nach Abs. 1 ist der Kinder- und Jugendhilfeträger zur Verschwiegenheit verpflichtet, sofern die Offenbarung nicht im Interesse der Minderjährigen liegt. Der letzte Halbsatz schränkt die Möglichkeit, die Verschwiegenheitspflicht zu durchbrechen, offenbar auf Minderjährige ein. Es wäre daher zu überlegen, ob die Durchbrechung nicht auch im Interesse junger Erwachsener ermöglicht werden sollte.

Die Möglichkeit der Durchbrechung der Verschwiegenheit wird auch für Empfänger/innen von Informationen vorgesehen. Auf Grund dieser Bestimmung ist nicht klar, welche Personen oder Stellen als Empfänger anzusehen sind. Diese Bestimmung wird daher in dieser Form abgelehnt.

Unklar ist, warum die Verschwiegenheitspflicht nicht auch im Interesse anderer, nicht genannter Personen zu wahren ist. Es wird daher die Schaffung einer rechtlichen Grundlage angeregt, um die Offenbarung von Tatsachen auch aus anderen schutz­würdigen Gründen verweigern zu können. Hier ist vor allem an den Schutz von Melder/inne/n von Kindeswohlgefährdungen zu denken, die darauf vertrauen können müssen, dass ihre Mitteilungen nicht publik werden.

Des Weiteren wird eine gesetzliche Klarstellung dahingehend vorgeschlagen, dass die Verschwiegen­heitspflicht nicht auch für private KJH-Träger gegenüber dem öffentlichen KJH-Träger gilt, zumal dieser für seine Aufgabenerfüllung den vollen vorhandenen Informationsstand benötigt.

Zu § 6:

Wie schon zu § 1 angemerkt, werden auch in dieser Bestimmung die gewählten Termini „gesetzliche Vertreter“, „Eltern“, „mit der Pflege und Erziehung betraute Personen“ uneinheitlich verwendet und bedürfen daher einer Vereinheitlichung und Präzisierung. Es ist nicht nachvollziehbar, aus wel­chen Überlegungen diese Unterscheidung erfolgt und welche Folgewirkungen sich daraus für einzelne Rechtspositionen ergeben.

Im Gesetzestext sollte deutlich zum Ausdruck kommen, wen die zum Recht auf Auskunft korres­pondierende Pflicht zur Aus­kunftserteilung trifft, nämlich den öffentlichen und/oder den privater KJH-Träger.

Die Bestimmung, Kindern und Jugendlichen Auskunft über alle dem KJH-Träger bekannten Tatsachen ihres Privat- und Familienlebens erteilen zu müssen, wird die Praxis vor nicht unerhebliche Probleme stellen, denn eine Trennung von Privat- und Famili­enleben des Minderjährigen vom Privat- und Familienleben der restlichen Familie wird schwer vorzuneh­men sein. Dies auch insbesondere bei der unscharfen Abgrenzung beim Auskunftsrecht des gesetzlichen Vertreters. Zum einen ist nach Abs. 2 eine Auskunftserteilung an gesetzliche Vertreter nicht zulässig, während eine solche nach Abs. 4 als Eigenrecht der dort genannten Personen (die auch gesetzliche Vertreter sein können) wie­derum vorgesehen ist. Daten des Familienlebens können sich aber auch auf die Kinder und Jugendlichen beziehen und werden sich daher oft schwer von diesen abgrenzen lassen, sodass eine Diskrepanz zwischen Abs. 2 und 4 in vielen Fällen unvermeidlich erscheint.

Die Praxis ist mit dem Problem konfrontiert, dass das Recht auf Auskunft oft als Recht auf Akteneinsicht verstanden wird. Dieser Eindruck könnte auch dadurch verstärt werden, dass in den Erläuterungen (letzter Satz zu § 6) festgehalten ist, dass die Erteilung von Auskünften sowohl mündlich als auch durch Einsicht in die entsprechenden Teile der Dokumentation gewährt werden kann. Um die – zwar ohnehin klare - Differenzierung zwischen Auskunftsrecht und Akteinsichtsrecht zu verstärken, wird vorgeschlagen, diesen letzten Satz um folgenden Halbsatz zu ergänzen: „…, wobei jedoch ein Recht auf Akteneinsicht – mit Ausnahme jener Bereiche, die hoheitlich besorgt werden - nicht besteht.“

Zu § 7:

In Abs. 1 Z. 1 wird sowohl das bereichsspezifische Personenkennzeichen (dieses wäre nach der E‑Governmentgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 7/2008 bloß als bPk zu bezeichnen) als auch die ZMR-Zahl als zu speichernde Datenart vorgesehen. Die Speicherung der ZMR-Zahl wurde bislang immer abgelehnt, da damit nicht nur eine eindeutige Zuordnung zu einer Person geschaffen wird, sondern auch die Verknüpfbarkeit von Daten aus unterschiedlichen Bereichen (Aufgabengebieten) leicht ermöglicht wird. Gerade aus diesem Grunde wurde das bereichsspezifische Personenkennzeichen entwickelt, das aus der ZMR-Zahl abgeleitet wird. Es erscheint zweifelhaft, dass die Speicherung der ZMR-Zahl erforderlich und zulässig ist.

Gemäß § 4 Abs. 2 DSG 2000 werden unter „sensiblen Daten“ alle „Daten natürlicher Personen über ihre rassische und ethnische Herkunft, politische Meinung, Gewerkschaftszugehörigkeit, religiöse und philosophische Überzeugung, Gesundheit oder ihr Sexualleben verstanden“. Es erstaunt daher, dass z. B. in § 7 Abs. 1 Z. 2 und 3 des vorliegenden Entwurfes (sowie in § 14 und § 40) nur Daten über die Gesundheit als solche „sensible Daten“ qualifiziert werden, während Daten über die ethnische Herkunft ohne diesen Hinweis mehrmals im Gesetzestext angeführt werden. Hier wäre eine Vereinheitlichung wünschenswert.

In legistischer Hinsicht erscheint die Formulierung des § 7 Abs. 4 in Zusammenhalt mit § 14 nicht schlüssig, da die Bestimmung des § 7 Abs. 4 als Ermächtigung (Kann-Bestimmung), die Bestimmung des § 14 jedoch als Muss-Bestimmung formuliert ist.

Zu § 8:

Zunächst wird hier wieder auf die Notwendigkeit der Präzisierung hingewiesen, wem die Dokumen­tati­onspflicht tatsächlich (privater und/oder öffentlicher KJH-Träger) obliegt.

Die in Abs. 1 vorgesehene generelle Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation für alle Leistun­gen im Sinne des 2. Hauptstückes des B-KJHG erscheint zu weitreichend. Die Angelegenheiten des 1. Abschnittes des 2. Hauptstückes sollten jedenfalls davon ausgenommen werden.

Im Abs. 3 wäre zu konkretisieren, wer mit dem  Begriff "Auskunftspersonen" tatsächlich gemeint ist.

Zu § 10:

Abstrakte Eignungsfeststellungen erscheinen nicht Ziel führend, sondern sind die entsprechenden Be­willigungsverfahren an die Erbringung konkreter ambulanter Leistungen zu knüpfen. Dieser Weg wurde in der Steiermark schon vor einigen Jahren eingeschlagen.

Die dem Landesgesetzgeber im geltenden JWG 1989 eingeräumte Möglichkeit, Ausnahmen von der Bewilligungspflicht zu bestimmen, sollte erhalten bleiben und auch im B-KJHG wieder vorgesehen werden.

Bei der Überprüfung von privaten KJH-Trägern wird bei Feststellung von Missständen weiterhin die bisherige Bandbreite an hoheitlichen Verfahrensmöglichkeiten (Mängelbehebungsbescheid bis Wider­ruf der Bewilligung) anzuwenden sein. Es wäre wünschenswert, dass dies im Gesetzestext auch klarer zum Ausdruck gebracht wird.

Zu § 11:

Die Intention, im Bereich der KJH ausschließlich Fachkräfte bei der Leistungserbringung zuzulassen, ist grundsätzlich und vor allem fachlich zu unterstützen. Dennoch zeigt sich in der Praxis, dass geeig­nete Fachkräfte nicht immer ausreichend am Arbeitsmarkt vorhanden sind. Die Formulierung, auch die Anzahl der erforderlichen Hilfskräfte festzulegen, ist aus fachlicher Sicht jedoch als zu ausufernd zu bewerten.

Die Ausrichtung an verbindliche Standards muss gerade im Bereich der KJH dennoch die Option of­fen halten, auf geänderte Bedarfslagen flexibel und mit individuellen Gestaltungsmöglichkeiten rea­gieren zu können. Eine zu enge Regelung des Grundsatzgesetzgebers könnte daher gerade diese wich­tigen Handlungsmöglichkeiten unangemessen zurückdrängen.

Zu § 12:

Diese Bestimmung normiert einen weitreichenden Vorsorgeauftrag für den öffentlichen KJH-Träger, insbesondere deshalb, da der Katalog der Leistungen, die die KJH zur Verfügung zu stellen haben, be­trächtlich erweitert worden ist. Dieses Vorhalten von Leistungsangeboten wird im erheblichen Span­nungsfeld zu den allgemeinen Gebarungsprinzipien der Verwaltung stehen, alle ihre Leistungen unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu planen.

Richtigzustellen ist, dass es nicht Aufgabe der Planung, sondern des Gesetzgebers ist, Budgets zur Verfügung zu stellen.

Zu § 14:

Die bisher im Rahmen der Bundesstatistik erhobenen Datenarten sollten ausreichen. Jede Ausweitung wäre mit einem erheblichen finanziellen, personellen und verwaltungstechnischen Mehraufwand ver­bunden und wird daher abgelehnt. Die Mitwirkung an der Statistik sollte auch wie bislang dem freien Gestaltungsspielraum des Landes vorbehalten bleiben. Darüberheinaus ist festzuhalten, dass das Land über Daten nach Z. 1, 7 und 8 gar nicht verfügt und auch nicht in der Lage ist, diese zu beschaffen.

§ 14 Abs. 2 sieht die Darstellung nach ethnischer Herkunft vor. Zu dieser Bestimmung wird im Absatz 3 der Erläuterungen festgehalten: „Das Erfordernis zur Aufschlüsselung der Daten nach Alter, Geschlecht und ethnischer Herkunft im Abs. 2 entspricht den internationalen Anforderungen, die an Österreich unter anderem bei der Erstellung des Staatenberichts gemäß Art. 44 KRK gestellt wer­den.“

Zu diesem Argument ist festzuhalten, dass der Hinweis auf Art. 44 der Kinderrechtskonvention nicht korrekt ist. Art. 44 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes nimmt überhaupt keinen Bezug auf die rassische oder ethnische Herkunft; im Gegenteil: in der Präambel wird ausdrücklich festgehalten, dass jeder Mensch Anspruch hat auf alle darin verkündeten Rechte und Freiheiten ohne Unterscheidung, etwa nach der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, dem Vermögen, der Geburt oder den sonstigen Status. In diesem Sinne ist auch Art. 2 der Kinderrechtskonvention formu­liert.

Art. 20 Z. 3 zweiter Satz normiert, dass bei der Wahl zwischen diesen Lösungen die erwünschte Kontinuität in der Erziehung des Kindes sowie die ethnische, religiöse, kulturelle und sprachliche Herkunft des Kindes gebührend zu berücksichtigen sind, was jedoch nicht bedeutet, dass automatisch eine Datenerfassung über diese Kriterien für alle betroffenen Personen geboten ist. Daraus folgt, dass eine Durchbrechung des Grundrechtes auf Datenschutz, insbesondere im Hinblick auf sensible Daten gemäß § 4 Z. 2 DSG, für rein statistische Zwecke als problematisch eingestuft wird.

Zu § 15:

Vorab wird angeregt, bei grundsatzgesetzlichen Regelungen auf beispielhafte Aufzählungen konkreter Leistungen wie sie in Z. 1 und 5 enthalten sind zu verzichten.

Darüber hinaus finden sich nun in der demonstrativen Aufzählung der ambulanten Dienste Leistungen, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen oder zumindest vom Bund gefördert wurden, wie z. B. Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung, Scheidung und Besuchsrechtsausübung, Eltern­bildung, Hilfen für Familien in Krisensituationen. Die beabsichtigte Erweiterung des Aufgabenberei­ches des KJH-Trägers mit einer möglichen Verlagerung von Bundesaufgaben auf die Länder im Wege dieses Grundsatzgesetzes kann seitens des Landes Steiermark nicht mitgetragen werden.

Zu Abs. 2 Z. 6 wird auf die Ausführungen zu § 3 Z. 3 verwiesen. Es kann keine ausschließliche Zu­ständigkeit des öffentlichen KJH-Trägers für soziale Arbeit bestehen.

Das in Abs. 2 Z. 7 neu vorgesehene Ausbildungsangebot für Adoptivwerber/innen kann fachlich im Sinne von Vorbereitung und Schulung nachvollzogen werden, jedoch nicht das Erfordernis einer dar­über hinausgehenden speziellen Fortbildung. Adoptiveltern sollen die gleichen Bildungsangebote wie leiblichen Eltern offen stehen.


Zu § 16:

Das Verhältnis bzw. die Differenzierung zwischen Ambulanten Diensten (§ 15) und Sozialen Diensten (§ 16) erscheint verschwommen und unklar. Eine unmissverständliche Präzisierung und Abgrenzung wird daher angeregt.

Zu § 17:

Vorab ist wiederum festzuhalten, dass grundsatzgesetzliche Regelungen auf beispielhafte Aufzählun­gen konkreter Leistungen, wie in Z. 1 und 2 enthalten, verzichten sollten.

Abs. 3 Z. 3 subsumiert unter Sozialpädagogische Einrichtungen nunmehr auch nicht altersdifferen­zierte gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder. Als Aufgabe der Jugendwohlfahrt wurde bisher die Betreuung von minderjährigen Müttern und allenfalls jungen volljährigen Müttern mit Säuglingen und Kleinkindern (als sozialer Dienst) gesehen. Dem entspricht auch, dass volle Erzie­hung grundsätzlich die Unterbringung des Minderjährigen außerhalb der Familie voraussetzt. Die ge­wählte Formulierung könnte irreführend auch so verstanden werden, dass Eltern in Problemsituationen (z. B. psychische Erkrankungen, Verlust der Wohnversorgung, finanzielle Schwierigkeiten) von der KJH generell eine gemeinsame Unterbringung verlangen könnten. Dies ist jedoch keinesfalls Aufgabe der KJH. Auf derartige Angebote sollte daher im demonstrativen Leistungskatalog verzichtet werden.

Hinsichtlich der Abs. 4 bis 6 ist sinngemäß auf die Ausführungen zu § 10 zu verweisen. Eine Be­darfsprüfung sollte ein Kriterium für eine Bewilligung darstellen.

Zu § 18:

Die Definition des Begriffs „Pflegekind“ erscheint äußerst kompliziert und sollte durch eine leichter verständliche Formulierung ersetzt werden.

Anstelle der Wortgruppe „im Auftrag des (wohl öffentlichen!) Kinder- und Jugendhilfeträgers“ soll die bewährte Textierung des geltenden Rechts „im Rahmen der vollen Erziehung“ beibehalten werden; ein Vorteil der neuen Formulierung kann nicht ersehen werden; sie wird eher einen Erklärungsbedarf bewirken.

Gemäß den Erläuterungen sollen nunmehr privat begründete Pflegeverhältnisse nicht mehr an eine Pflegebewilligung geknüpft sein, sondern ausschließlich in der Verantwortung der Eltern liegen. Dies wird im Kindesinteresse kritisch gesehen, da damit unter Umständen auch nicht erwünschte erhebliche Risken für Kinder (z. B. verdeckter Kinderhandel) entstehen könnten. Es sollte daher die bestehende Bewilligungspflicht aufrecht bleiben.

Zu § 19:

Die im Abs. 4 vorgesehene Supervision erscheint nur für professionelle Pflegeplätze angebracht. „Normale“ Pflegeeltern wären damit möglicherweise sogar überfordert. Auf die gesetzliche Veranke­rung könnte daher verzichtet werden, da Supervision ohnehin den Hilfen zur Festigung des Pflegever­hältnisses subsumierbar ist.

In Abs. 3 sind die Kriterien der Eignungsfeststellung zu eng gefasst. Auch die Einstellung der Pflege­eltern zu den leiblichen Eltern ist ein wesentliches Beurteilungskriterium.

Im Hinblick auf die Eigenart der Pflegeelternschaft und ihrer Nähe zur leiblichen Elternschaft wird angeregt, für die Pflege- und Erziehungstätigkeit von Pflegeeltern einen anderen Begriff als „Leis­tungsvertrag“ zu verwenden.

Zu § 20:

Eine Besserstellung von Pflegeeltern ist nachvollziehbar. Ob eine „sozialversicherungsrechtliche Ab­sicherung“ expressis verbis im Gesetz erwähnt werden muss, ist jedoch zu hinterfragen. Wenn das Pflegeelterngeld – wie in den Erläuterungen ausgeführt – kein Entgelt, sondern eine Sozialleistung ist, dann erübrigt sich auch der explizite Hinweis darauf.

Zu § 21:

Anstelle der Formulierung „im Auftrag des (wohl öffentlichen!) Kinder- und Jugendhilfeträgers“ soll wie in § 18 die Formulierung „im Rahmen der vollen Erziehung“ gewählt werden.

Hinsichtlich des Abs. 3 wird sinngemäß auf die Ausführungen zu § 19 Abs. 3 verwiesen.

Zu § 22:

In Abs. 3 müsste ergänzend klargestellt werden, dass die Befragung des betroffenen Minderjährigen auch ohne Einverständnis der gesetzlichen Vertreter und an jedem geeigneten Ort zulässig ist. Ein allgemeines Auskunftsrecht der öffentlichen Jugendwohlfahrt sowie ein Betretungsrecht von Wohn­räumlichkeiten sind im Rahmen der Gefährdungsabklärung deutlicher zu verankern. Die Position der Jugendwohlfahrt hinsichtlich der Erzwingbarkeit der Betretung von Wohnungen müsste eindeutig gestärkt werden. Derzeit ist jedoch das Sicherheitspolizeigesetz offenkundig nicht ausreichend aus­gestattet, um der Polizei die Öffnung von Wohnungen in Gegenwart von Mitarbeiter/inne/n der Ju­gendwohlfahrt zu ermöglichen. Es wird daher vorgeschlagen, dezidiert entsprechende Betretungs­rechte mit Assistenz- und Hilfeleistungspflichten durch die Organe der öffentlichen Sicherheit auch im B-KJHG festzuschreiben.

Insgesamt wird daher angeregt, die rechtlichen Möglichkeiten der Jugendwohlfahrt zur Abklärung von Gefährdungen stärker hervorzuheben und diese Möglichkeiten auch entsprechend im ABGB (§ 137a) abzusichern.


Zu § 26:

Es wird angeregt, den Abs. 2 um die Formulierung des bestehenden § 28 Abs. 1 JWG 1989 wie folgt zu ergänzen: „Volle Erziehung umfasst……., sofern der öffentliche Kinder- und Jugendhilfeträger mit der Pflege und Erziehung zur Gänze betraut wurde“.

Es sollte auch geprüft werden, ob der Verweis auf „§ 17“ richtig ist.

Zu § 29:

Mit der Verankerung dieses Rechtsanspruchs ist eine massive finanzielle Mehrbelastung der Länder verbunden. Bisher lag es im Ermessen des Jugendwohlfahrtsträgers, nach Erreichung der Volljährig­keit im Einzelfall und unter bestimmten Voraussetzungen jungen Erwachsenen Hilfen der Jugend­wohlfahrt bis längstens zum 21. Lebensjahr als Kann-Leistung weiterzugewähren. Mit der geplanten Neuregelung wird nunmehr der Aufgabenbereich der neuen KJH in Richtung junge Erwachsene deut­lich erweitert, und für diese eigene Rechtsansprüche geschaffen. Es wird bezweifelt, dass eine entspre­chende verfassungsrechtliche Deckung des § 29 im Kompetenztatbestand des Art. 12 Abs. 1 Z. 1 (Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge) gegeben ist.

Es sollte auch geprüft werden, ob der Verweis auf „§ 16 Abs. 3 Z. 4“ richtig ist.

Im Übrigen darf auf die unter dem Punkt „Zu den Kosten“ dargestellten Bedenken verwiesen werden.

Zu § 30:

Auch hier darf auf die unter dem Punkt „Zu den Kosten“ dargestellten Bedenken verwiesen werden.

 

Zu § 31:

Der Verweis auf „§ 32“ dürfte nicht richtig sein.

Zu den §§ 32 und 33:

Die verpflichtende Beratung und Begleitung von leiblichen Elternteilen nach rechtskräftiger Bewilli­gung der Adoption (§ 32 Z. 2) sowie  die Begleitung der Adoptiveltern nach rechtskräftiger Bewilli­gung einer Adoption (§ 32 Z. 5 und § 33 Abs. 1 Z. 3) wird nicht mehr als Aufgabe der KJH gesehen. Letztere würde auch zu einer Ungleichbehandlung von Adoptiveltern im Vergleich mit „normalen“ Eltern führen.

Zu § 40:

§ 40 scheint aus kompetenzrechtlicher Sicht problematisch: Datenschutz ist insoweit als Annex-Materie anzusehen, als es dem einfachen Gesetzgeber obliegt, in seinem Zuständigkeitsbereich jene gesetzlichen Regelungen zu treffen, die das Datenschutzgesetz präzisieren oder die notwendigen detaillierten Verwendungsbestimmungen schaffen (vgl. insbesondere § 8 Abs. 1 Z. 1 DSG 2000). Angelegenheiten der Jugendwohlfahrt fallen in die Kompetenz des Art. 12. Aus diesem Grunde wurden im 1. Teil des Entwurfes (Grundsatzbestimmungen) auch die maßgeblichen grundsatz­gesetzlichen Regelungen getroffen. Wenn nun aber die Schaffung von inhaltlichen jugendwohlfahrts­rechtlichen Regelungen dem Grundsatzgesetzgeber obliegen, dann obliegt auch die Schaffung der für die Verwendung von Daten erforderlichen datenschutzrechtlichen Bestimmungen demselben Gesetz­geber, also auch dem Grundsatzgesetzgeber. Die Eingliederung der Bestimmungen des § 40 in den 2. Teil des Gesetzes scheint daher verfehlt.

Aus inhaltlicher Sicht ist folgendes anzumerken:

In Abs. 1 werden im Einleitungssatz zunächst jene Personengruppen genannt, deren Datenarten verarbeitet werden dürfen. In den Z. 1 bis 6 werden die entsprechenden Datenarten näher konkretisiert. Dabei wird im Hinblick auf die zu verarbeitenden Daten und die jeweilige Personengruppe nicht differenziert, sodass der Eindruck erweckt wird, dass alle Datenarten nach Z. 1 bis 6 für alle Personen­gruppen verarbeitet werden dürften. Dies kann nicht richtig sein, denn damit würde der Zweck­bindungsgrundsatz verletzt. Es wäre daher zweckmäßig, bereits im Gesetz festzulegen, für welche Personengruppen welche Datenarten nach Z. 1 bis 6 zur Datenverwendung in Betracht kommen, um jeglichen Zweifel auszuschließen.

Nach § 8 ist eine schriftliche Dokumentation zu führen, deren Inhalt in Abs. 2 und 3 festgelegt ist. Sollte diese Dokumentation automationsunterstützt geführt werden, müssten vermutlich auch die Anforderungen nach § 40 eingehalten werden. Dabei zeigt sich allerdings, dass die Personengruppen und auch die Datenarten nach § 40 nicht mit den Inhalten nach § 8 korrespondieren und möglicher­weise andere Personengruppen, wie z.B. „vermeintliche Täter von Kindeswohl­gefährdungen“ fehlen. Eine Anpassung des § 40 scheint dringend erforderlich, denn sonst wäre es den Kinder- und Jugend­hilfeträgern nicht erlaubt, ihre Dokumentation automationsunterstützt zu führen.

Zusätzlich wird angeregt, den Ländern für die Meldung beim Datenverarbei­tungsregister eine vorbe­reitete und mit der Datenschutzkommission abgestimmte Registermeldung zur Verfügung zu stellen, wie dies vom Innenministerium bereits mehrfach praktiziert wurde.

Zu § 42:

Die Formulierung im Abs. 1 „… über Erziehungshilfen (§ 27) wird Pflege und Erziehung…“ soll durch die Formulierung „die Obsorge in den Teilbereichen Pflege und Erziehung.“ ersetzt werden.


Dem Präsidium des Nationalrates werden unter einem 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

Für die Steiermärkische Landesregierung

Der Landeshauptmann

(Mag. Franz Voves)