KINDERSCHUTZ-ZENTRUM LINZ, LANGGASSE 10, 4020 LINZ

 

    17. November 2008

 

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KINDERSCHUTZ-ZENTRUM LINZ

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An das Bundesministerium für Gesundheit

Familie und Jugend

Franz – Josefs – Kai 51

1010 Wien

 

Stellungnahme des Kinderschutzzentrum Linz zum

Begutachtungsentwurf Bundesgesetz über die Grundsätze für soziale Arbeit mit Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder und Jugendhilfegesetz 2009 – B-KJHG2009)

 

Allgemeine Anmerkungen:

Der Ruf aus einigen Fraueneinrichtungen nach einer Verschärfung

der Anzeigepflichten hat deutlich gemacht, dass es einen eklatanten Mangel

an Versorgung der von (sekundärer) Gewalt betroffenen Kinder gibt. [1]

Wir brauchen hier neue Konzepte und Angebote.

Das neue Kinder- und Jugendhilfegesetz wird auf seine Wirksamkeit

zum Schutz für gefährdete Kinder zu prüfen sein.

Für eine qualitativ gute Durchführung von Jugendhilfemaßnahmen

ist die Gewährleistung von fachlichen Prinzipien und Standards dringend

von Nöten. Insbesondere sind Standards bei Gefährdungsmeldungen

im Gesetz für alle Beteiligten verbindlich zu verankern, um sie allgemein

zugänglich und überprüfbar zu machen. Dies muss auch eine

Verpflichtung der Länder zur Durchsetzung dieser Standards beinhalten.

Hier ist auch auf gesetzgebender und ausführender Länderebene eine

Kooperation dringend notwendig.

Gleichzeitig dürfen die Gestaltungsspielräume der Fachdienste nicht durch Standardverfahren zu sehr beschnitten werden.  Dienstanweisungen, Prüfraster und Qualitätskataloge befördern bürokratisches Abarbeiten von Fällen, Verantwortung wird abgeschoben, ein reflexiver Umgang mit den Ambivalenzen des Einzelfalles wird immer schwieriger. Im Gegensatz dazu ist nachdenkliches und abwägendes Handeln wichtig.

Auch wenn im neuen KJHG die Rechte des Kindes stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, entsteht mitunter für die JWF ein Interessenkonflikt, da auch hier die Gesamtfamilie gesehen werden muss. Hier ist die Kooperation mit einschlägigen Beratungseinrichtungen wie Kinderschutzzentren, Kija und Kinderschutzgruppen an den Kinderspitälern, die Kinder parteilich vertreten, verpflichtend festzulegen.

Die Durchführung dieser grundsätzlich ambitionierten Gesetzesvorlage braucht, wenn entsprechende Standards gehalten werden, eine finanziell bessere Ausstattung der Jugendwohlfahrt und der freien Träger der Jugendwohlfahrt.

Die Gewährleistung dieser personellen und finanziellen Ressourcen muss gesetzlich verankert werden.

 

Zu den Gesetzestexten:

§1 Grundsätzlich ist die Neuformulierung des Bundesgrundgesetzes zu begrüßen. Insbesondere begrüßen wir die Einführung des Rechts auf förderliche Erziehung und der Kinderrechte als handlungsleitende Prinzipien des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes.

Die Gesetzesvorlage entspricht unseres Erachtens jedoch in vielen Punkten nicht der im Begleittext formulierten Intention und ist daraufhin besonders überarbeitungsbedürftig. Die Ziele und Aufgaben im Bereich der öffentlichen und privaten Jugendwohlfahrt sind zu konkretisieren und für alle Beteiligten verbindlich festzulegen.

 

§2 (5) Das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung muss umfassender - nicht nur hinsichtlich Pflege und Erziehung – formuliert werden.

 

§3 Die in den Erläuterungen erwähnte unumgängliche strukturierte Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Dienststellen, freien Trägern, Schulen, Kindergärten und Kinderschutz- Zentren ist allein durch Casemanagement nicht zu erreichen. Hier braucht es verpflichtende Vernetzungsstrukturen, deren Aufbau und Pflege in der personellen und finanziellen Ausstattung der öffentlichen Jugendwohlfahrt bisher kaum Berücksichtigung finden, bzw. gefunden haben.

§4 (1) Der Anspruch auf die Leistungen der Jugendhilfe für alle werdenden Eltern, Familien und Kindern die ihren Wohnsitz in Österreich haben ist zu begrüßen. Bislang fehlen Versorgungsstrukturen besonders für Kinder aus dem Ausland mit unklarer aufenthaltsrechtlicher Situation fast vollständig.

§6 (1) Es ist ferner festzulegen, wer Jugendliche in der Durchsetzung dieses Rechtsanspruchs unterstützt, z.B. durch die Kija.

§5 (1) „…sofern die Offenbarung nicht im Interesse des Minderjährigen liegt…“ Die Verschwiegenheitspflicht muss z.B. für Kinderschutzeinrichtungen auch gegenüber der Jugendwohlfahrt gelten, sofern keine Gefährdungen des Kindeswohls und damit Meldepflichten eintreten.

§8 Die Abgrenzung von öffentlicher Jugendwohlfahrt und freien Jugendwohlfahrtseinrichtungen ist klarer zu treffen. Auch hier sind die Verschwiegenheitspflichten zu berücksichtigen, solange nicht eine Kindeswohlgefährdung besteht bzw. entsteht.

§10 In den Erläuterungen des Gesetzestextes ist das Casemanagement deutlich bei der öffentlichen Jugendwohlfahrt angesiedelt, dies geht jedoch aus dem Gesetzestext nicht mehr klar hervor.

§10 (2) Die Eignungsfeststellung und –Prüfung muss laufende Fortbildungen und Supervisionen beinhalten. Dies muss im Gesetz als Voraussetzung und unabdingbarer Bestandteil der Qualitätssicherung verankert werden.

§11 (4) Dies muss ebenso für Fachkräfte der freien Jugendwohlfahrtsträger gelten und in den Leistungsvereinbarungen festgeschrieben werden.

§13 (3) Der Forschungsbedarf im Bereich des Kinderschutzes und der Gewalt an Kindern ist unserer Ansicht nach dringend gegeben.

§15 Die Formulierung „relevante Dienste die hinzuzuziehen seien“ ist sehr unpräzise. Hier sollte definitiv auf die bundesweit vorhandenen Spezial und Schwerpunktberatungsdienste wie Kinderschutz-Zentren, Kinderschutz-Gruppen an Spitälern und Kinder- und Jugendanwaltschaften hingewiesen werden.

§15 (2) Punkt 6.: Nachgehende Sozialarbeit für Kinder und Jugendliche in Problemsituationen, explizit für Kinder in gewalttätigen Familienkontexten z.B. nach Wegweisung, bedarf neuer Angebote und Dienste, die es in Zusammenarbeit mit den derzeit tätigen freien Trägern noch zu entwickeln gilt.

§17 (5) Die erforderliche Ausbildung der Fachkräfte muss deutlicher definiert werden. Auf die Qualifizierung von Mitarbeitern durch entsprechende Berufs- und Studienabschlüsse darf aus Kostengründen nicht verzichtet werden.

§22 (5) Hier sind die Fachkräfte deutlicher zu benennen: die Entscheidung über eine Gefährdung ist in einem verpflichtenden Zusammenwirken von Fachkräften der öffentlichen Jugendwohlfahrt, der Kinderschutzeinrichtungen, der Kinderschutzgruppen und der psychologischen Fachdienste zu klären.

 

Auch für die öffentliche Jugendwohlfahrt muss gelten: keine Person und keine Institution kann Gewalt an Kindern alleine beenden und für den weiteren Schutz sorgen.

 

§§ 7 u. 40 (1) Datenerhebung bzgl. ethnischer Herkunft sind herauszunehmen.

 

Linz, 12.11.2008   Barbara Künschner

 



[1] Hierzu ist zu bemerken, dass weder im ICD 10 noch im DSM eine Zeugenschaft von

Gewalt als primäres Traumaereignis aufgeführt ist.