Stellungnahme des Vorarlberger Kinderdorfes gem.GmbH
zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009 – B-KJHG 2009
Der Entwurf zum Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009
weist gegenüber dem in Kraft befindlichen JWG wesentliche Verbesserungen
auf, die positiv erwähnt sein sollen.
So ist etwa die Beteiligung der Familien explizit
erwähnt oder werden Planung und Forschung als neue Themen mit aufgenommen.
Auch werden Impulse für einheitliche Standards und eine weitere
Professionalisierung der Fachkräfte gesetzt. Die Aufgaben sind genauer
definiert und die Verschwiegenheitspflicht ist detaillierter geregelt. Auch ist
es als Fortschritt anzusehen, dass Kindern und Familien die aussichtsreichste
Maßnahme bzw. die für die künftige Entwicklung am
förderlichsten erscheinende Maßnahme gewährt werden soll.
Neben diesen vielen positiven Aspekten, die hervorzuheben
sind, sind wir der Ansicht, dass noch folgende Ergänzungen, Anregungen und
Änderungen im Gesetz Berücksichtigung finden müssen:
- Es ist aus unserer Sicht absolut notwendig, dass die
Gewährung von Hilfen für Kinder, junge Erwachsene und Familien
als „Rechtsanspruch“ formuliert wird, was bisher im Gesetzesentwurf
nicht vorgesehen ist.
- 1. Hauptstück, § 3, Aufgaben der Kinder- und
Jugendhilfe: Der Begriff „Prävention“ kommt im gesamten
Gesetz nicht vor. Aus unserer Sicht muss Prävention stärker
verankert sein. Es muss als Aufgabenstellung genannt sein, dass
Früherkennung und die Gewährung von frühen Hilfen zum
Aufgabengebiet der Jugendhilfe zählt.
- 1. Hauptstück, § 3, Aufgaben der Kinder- und
Jugendhilfe: Die „Förderung der schulischen Integration“
muss auch mit eine Aufgabe der Jugendhilfe sein. Bei Schulverweigerung,
Schulsuspendierung, massiven Verhaltens- oder Leistungsproblemen in der
Schule (eben oft auch aufgrund mangelnder familiärer
Möglichkeiten) muss es auch oder insbesondere in der Verantwortung
der Jugendhilfe liegen, dem Kind entsprechende
Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten.
- 1. Hauptstück, § 6, Auskunftsrechte: Hier würde
es Rechtssicherheit bedeuten, wenn genannt wird, wie lange nach Erreichen
der Volljährigkeit ein Auskunftsrecht besteht (10 Jahre, 30 Jahre, 50
Jahre?). Denn andererseits heißt es unter § 7 (3), dass Daten
nur so lange aufbewahrt werden dürfen, wie sie zur Erbringung der
Aufgabenstellung notwendig sind.
- 1. Hauptstück, § 7, Datenverwendung: Höchst
kritisch ist anzusehen, dass von allen MitarbeiterInnen, die Kinder
betreuen, das Religionsbekenntnis, die ethnische Herkunft und der
Familienstand erfasst und weitergeleitet werden müssen. Dies mag bei
Pflegeeltern da und dort sinnvoll sein, nicht aber bei MitarbeiterInnen in
stationären Einrichtungen und muss also gestrichen werden.
- 1. Hauptstück, § 7 (1), Pkt. 6: Hier heißt
es, dass der der öffentliche Träger „Daten im Zusammenhang
mit der Aufsichtstätigkeit“ einfordern und verwenden kann. Das
ist schon sehr allgemein formuliert und heißt quasi, dass er
Anspruch auf alle Daten einer Einrichtung hat. Dieser Punkt muss so
gestrichen werden bzw. anders formuliert werden wie etwa: „Daten,
die im Rahmen des Betreuungsauftrages dokumentiert sind“.
- 2. Hauptstück, 1. Abschnitt, § 9
(3), Trägerschaft: Es ist als vehementer Rückschritt zu
bezeichnen und entschiedenst abzulehnen, dass Leistungen im Sinne des 2.
und 4. Abschnitts des 2. Hauptstücks auch von privaten Kinder- und
Jugendhilfeträgern erbracht werden können und diese aber nicht
wie im bisherigen Gesetz unter § 8 (1) herangezogen werden sollen,
wenn sie unter Berücksichtigung ihrer Ausstattung und sonstigen
Leistungen das Wohl eines Minderjährigen besser und wirtschaftlicher
als der öffentliche Träger gewährleisten.
Die
Subsidiarität ist eine gesellschaftliche und politische Maxime und stellt
Selbstverantwortung vor staatliches Handeln. Während auf breiter
gesellschaftlicher und politischer Ebene in ganz Europa und insbesondere auch
in Österreich in den letzten Jahren das subsidiäre Prinzip ausgebaut
wurde, soll nun in dem neuen Kinder- und Jugendhilfegesetz diese bewährte
und erprobte Maxime verlassen werden. Nachdem mit Ausnahme von Wien alle
Bundesländer den bisher bestehenden Vorrang privater Einrichtungen in ihre
Landesgesetzgebung übernommen haben und auch in der Praxis eine
weitgehende Einbindung der privaten Einrichtungen in die Aufgaben der Kinder-
und Jugendhilfe vollzogen haben, scheint diese rechtliche Vorgabe auf
große Akzeptanz gestoßen zu sein und eine erfolgreiche Entwicklung
genommen zu haben. Von diesem erfolgreichen subsidiären Prinzip
abzuweichen ist demnach als gravierender Rückschritt anzusehen und ist
daher entschieden abzulehnen.
- 2. Hauptstück, 2. Abschnitt, § 17 (3),
Sozialpädagogische Einrichtungen: Hier werden zunächst
Betreuungseinrichtungen für Notsituationen und sodann gleich
Betreuungseinrichtungen für dauerhafte Unterbringung angeführt.
An dieser Stelle muss differenzierter ausgeführt werden, dass
zwischen diesen beiden Extremen auch heilpädagogische Tagesbetreuungsmöglichkeiten,
mittelfristige Gruppen und etwa flexible Wochengruppen vorzusehen sind.
- 2. Hauptstück, 2. Abschnitt, § 19 (4): Sozialpädagogische
Schulung der Pflegeeltern. Diese ist zwar grundsätzlich sehr positiv zu
sehen. Allerdings handelt es sich dabei um eine sehr wage Formulierung. Je
nach Umfang der Schulung kann dies natürlich eine große
Hemmschwelle für Pflegeeltern bedeuten und damit das Finden von
Pflegeeltern wesentlich schwieriger machen.
- 2. Hauptstück, 3. Abschnitt, § 23, Hilfeplan:
Hier sollte konkreter festgehalten sein, wer verantwortlich ist für
die Erstellung des Hilfeplanes und auch was
„regelmäßig“ bedeutet. Das sollte bundesweit
geregelt sein, sonst liegt die Befürchtung nahe, dass diese Vorgabe
sehr beliebig bleibt.
- 2. Hauptstück, 3. Abschnitt, § 29,
Hilfen für junge Erwachsene: Die Gewährung von Hilfen für
junge Erwachsene wird beschränkt auf das Erreichen des 21.
Lebensjahres. Diese Beschränkung ist aus fachlicher Sicht nicht
begründbar. Es ist mittlerweile wissenschaftlich anerkannt, dass die Adoleszenz
junger Menschen sich immer mehr in ein höheres Alter verschiebt und
der Prozess zur Erreichung der Selbsterhaltungsfähigkeit länger
dauert. Noch dazu befinden sich ja gerade sehr oft jene Jugendliche und
junge Erwachsene in Maßnahmen der Jugendhilfe, welche
Entwicklungsverzögerungen und Entwicklungsrückstände
aufweisen und von daher auch über das 21. Lebensjahr hinaus noch
Unterstützung benötigen, um Erfolge, die durch Erziehungshilfen
erreicht wurden, abzusichern. Von daher muss im Gesetz die Möglichkeit
der Gewährung einer Maßnahme bis zum 26. Lebensjahr vorgesehen
werden.
- 2. Hauptstück, 3. Abschnitt, § 30,
Kostentragung: Hier haben wir nicht selten das Problem, dass eine Mutter
ein Maßnahme beendet, da sie es sich nicht mehr leisten kann. Sie
verliert den Unterhalt des Vaters und muss selbst Kostenersatz leisten
(das können schnell einmal € 800,00.- bedeuten). Leidtragend
ist das Kind. Dieses Problem wird allerdings schwer zu lösen sein.
Wir sind zuversichtlich, hoffen und würden uns freuen,
wenn viele unserer Anregungen und Änderungswünsche im Gesetzesentwurf
noch Berücksichtigung finden könnten und verbleiben mit freundlichen
Grüßen
Dr. Christoph Hackspiel Dr.
Siegfried Kalb
Geschäftsführer Qualitätsmanagement