Österreichische
Arbeitsgemeinschaft für
Rehabilitation (ÖAR)
Dachorganisation der
Behindertenverbände Österreichs

Dr. Christina Meierschitz · DW 119

E-Mail: meierschitz.recht@oear.or.at

 

 

 

 

 

Stellungnahme der

Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), Dachorganisation der Behindertenverbände Österreichs,

zum Entwurf eines Bundesgesetzes

über die Grundsätze für soziale Arbeit mit Familien und

Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche

(Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009 – B-KJHG 2009)

 

GZ: BMGFJ-421600/0037-II/2/2008

 

 

 

Die ÖAR erlaubt sich, zu oben angeführtem Entwurf folgende Stellungnahme abzugeben:

 

Allgemeines:

 

Die ÖAR begrüßt die Überarbeitung des vorliegenden Bundesgrundsatzgesetzes und die Einbeziehung und Beachtung der grundlegenden Rechte von Kindern und Jugendlichen, wie sie in der UN-Konvention über die Rechte des Kindes festgeschrieben sind.

Es bedarf jedoch noch einiger Ergänzungen, um den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen gerecht zu werden.

Durch die Ratifizierung der UN-Konvention, muss der Staat gewährleisten, dass in Kinder so früh wie möglich umfassend investiert wird, das heißt, dass man ihnen die notwendigen medizinischen, therapeutischen und fördernden Maßnahmen zuteil werden lässt, um Behinderung vielfach oft gar nicht aufkommen zu lassen, beziehungsweise deren Auswirkungen abzumildern. Optimale Förderung in allen Belangen wird auch durch inklusive Eingliederung in Kindergarten und Schule erzielt. Das Ziel der soziale Eingliederung in die Gesellschaft und die Befähigung der Erwerbstätigkeit am sogenannten „ersten Arbeitsmarkt“ muss oberste Priorität haben.

Grundsätzlich wird die eingeräumte Möglichkeit der Anwendung dieses Gesetzes auch nach Erreichen des 18.LJ begrüßt, doch sollte sicher gestellt sein, dass Jugendliche in Schul- oder Berufsausbildung bei Vorliegen einer Behinderung expressis verbis im Gesetzestext aufscheinen, um Ansprüche stellen zu können.

Bei den, im Frühjahr 2008 unter der Leitung des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend eingerichteten drei Arbeitsgruppen hätten Vertreter von Menschen mit Behinderungen beigezogen werden müssen.

Es wäre wünschenswert, wenn in Österreich einheitliche Normen festgelegt wären. Daher empfiehlt die ÖAR, ständige Koordinationsstellen einzurichten, in denen die Maßnahmen der einzelnen Ministerien, der Länder, der Sozialträger und der Jugendwohlfahrtsträger abgeglichen werden. Hier sind auch Vertreter von NGOs aus den Bereichen Kinder, Jugendlicher, aber auch behinderter Menschen beizuziehen.

 

Besonderes:

 

Ad § 1.(1):

Ergänzung dieses Absatzes durch den Satz:

Dieses Recht besteht im Sinne der einschlägigen UN-Konventionen unabhängig von etwaigen körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen.

Ad § 2:

Ergänzung durch Punkt

7. Private Kinder- und Jugendhilfeträger, die auch oder vorwiegend behinderte Menschen betreuen, sind dabei hinsichtlich ihrer sachlichen, personellen und fachlichen Eignung speziellen Voraussetzungen zu unterziehen.

Ad § 6:

Absatz 2 ist dahingehend zu ergänzen, dass Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen behinderungsgerechte sowie altersgemäße Hilfen zur Verfügung stehen, damit sie ihr Recht auf Meinungsäußerung, das beinhaltet auch das Recht, Auskünfte zu erhalten, gleichberechtigt mit nicht behinderten Kindern wahrnehmen können.

Ad § 11:

Bei der Organisation ist daher darauf zu achten, dass in Fällen, in denen Menschen mit Behinderungen Dienste der Jugendhilfe (Beratung, Information, Hilfen, etc) in Anspruch nehmen, entsprechend qualifiziertes Fachpersonal zur Verfügung steht. Qualifiziertes Fachpersonal in diesem Zusammenhang sind Personen, die aufgrund ihrer Arbeit Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen erworben haben. Das sind diplomierte BehindertenpädagogInnen sowie Diplom- bzw. Fach-SozialbetreuerInnen mit Schwerpunkt Behindertenarbeit oder mit Schwerpunkt Behindertenbegleitung.

Für Personen mit Lernbehinderungen müssen Informationen in leichter Sprache angeboten werden.

Ad § 14:

Ergänzung durch Punkt

11. Anzahl der betreuten Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen.

Ad § 15 (2):

Ergänzung durch Punkt

8. Besondere Beratung und Betreuung von werdenden Eltern, deren Kind voraussichtlich eine Behinderung aufweisen kann.

Ad § 22:

Österreich ist laut der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet, Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen die notwendigen Hilfen zur Verfügung zu stellen, damit sie ihr Recht auf Meinungsäußerung gleichberechtigt mit nicht behinderten Kindern ausüben können. Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen ist somit entsprechende Unterstützung anzubieten, damit sie ihre Meinung ausdrücken können. Dieser Grundsatz gilt selbstverständlich auch für Kinder und Jugendliche mit einer intellektuellen Behinderung. Deren Meinung ist daher immer zu erforschen, etwa durch unterstützte Kommunikation. Ein entsprechender Hinweis sollte sich daher in den Erläuterungen finden.

Ad §§ 24, 26:

Die Erläuterungen zu § 24 besagen, dass „Kinder, Jugendliche, Eltern oder andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen in einer für sie verständlichen Sprache“ informiert werden, wobei hier explizit die „Beratung in der Muttersprache in Betracht zu ziehen“ ist.

Für Personen mit intellektueller Behinderung, sind Informationen in leichter Sprache anzubieten.

Die Erläuterungen zu § 26 betonen die Berücksichtigung der sprachlichen Herkunft bei der Wahl der außerfamiliären Betreuung von Kindern.

Für beide muss gelten, dass die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) oder eine andere Gebärdensprache explizit einbezogen ist. Sprachliche Herkunft muss nicht notwendigerweise mit geographischer/ethnischer Herkunft einhergehen, sondern kann sich auch auf sprachliche Minderheiten beziehen.

Dies ist im UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Artikel 2 klar geregelt.

Ad § 34. (2):

Ergänzung dieses Absatzes durch den Satz:

Eine spezielle Eignungsfeststellung durch entsprechend qualifizierte Fachkräfte hinsichtlich Adoptivwerber und -werberinnen hat bei Adoption von behinderten Adoptivkindern stattzufinden.

Ad § 35:

Für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen hat entsprechend qualifiziertes Fachpersonal zur Verfügung zu stehen.

 

Ad §§ 1, 3, 15, 35, 37 „Beratung“:

Wenn es um gehörlose Kinder geht, ist es immer sinnvoll, auch gehörlose ExpertInnen in die Beratung mit einzubeziehen.

Wenn hörende Eltern ein gehörloses Kind haben, brauchen sie Beratung hinsichtlich aller Möglichkeiten, die zur Förderung ihres Kindes angeboten werden. Dabei ist die Expertise gehörloser Erwachsener bzw. GebärdensprachbenützerInnen unerlässlich, um keine einseitig gefärbten Inhalte zu vermitteln. Das betrifft vor allem die Problematik einer von hörenden Eltern gewünschten „Normalisierung“ ihrer gehörlosen Kinder, wobei die Gefahr besteht, dass diesen Kindern z.B. die Möglichkeit, eine Gebärdensprache zu erlernen/erwerben, vorenthalten wird.

 

Wien, am 18.11.2008