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MD-VD - 1363-1/08                                                          Wien, 18. November 2008

Entwurf eines Bundesgesetzes

über die Grundsätze für soziale

Arbeit mit Familien und Erzie-

hungshilfen für Kinder und Jugend-

liche (Bundes-Kinder- und Jugend-

hilfegesetz 2009 - B-KJHG 2009),

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zu GZ: BMGFJ-421600/0037-II/2/2008

 

 

An das

Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und Jugend

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 7. Oktober 2008 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

 

 

A. Grundsätzliche Anmerkungen:

 

Aus Sicht des Landes Wien stellt der vorliegende Entwurf eine gute erste Grundlage für eine inhaltliche und methodische Weiterentwicklung der jugendwohlfahrtsrechtlichen Bestimmungen dar.

 

Der Diskussionsprozess, der im Vorfeld unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend stattfand, gab zahlreichen Anspruchsgruppen, Organisationen, Institutionen und Einzelpersonen Gelegenheit, ihre unterschiedlichen, zum Teil untereinander widersprüchlichen Sichtweisen und Erwartungen an ein neues Kinder- und Jugendhilfegesetz Ausdruck zu verleihen.

 

Die Länder, die gemäß Art. 12 B-VG in der gegenständlichen Materie zur Ausführungsgesetzgebung und als öffentliche Träger der Jugendwohlfahrt zum Vollzug bestimmt sind, hatten in dem Entwicklungs- und Diskussionsprozess nicht den Raum, der ihnen Kraft dieser Funktionen zukommen würde.

 

Daher muss an dieser Stelle vor allem und grundsätzlich aus Ländersicht

       ●     die faktische Erweiterung des Regelungsgegenstandes,

       ●     die Systematik des Entwurfes und

       ●     der Detaillierungsgrad als Grundsatzgesetz

kritisch angemerkt werden.

 

Es ist zu hinterfragen, ob die Entwicklung von einem Jugendwohlfahrtsgesetz, das primär den Auftrag hat „die Familien bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in Pflege und Erziehung zu beraten und zu unterstützen“ und nur dann Erziehungshilfen zu gewähren hat, „wenn und insoweit die Erziehungsberechtigten das Wohl der Minderjährigen nicht gewährleisten“ (§ 2 Jugendwohlfahrtsgesetz 1990 - JWG 1990) hin zu einem Kinder- und Jugendhilfegesetz, das u. a. „die bestmögliche Entfaltung und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen als Ziel definiert“ (vgl. § 2 Z 3 des vorliegenden Entwurfes) noch Deckung in Art. 12 B-VG findet.

Der Aufbau und die Gliederung des Entwurfes bedürfen einer Überarbeitung. So finden sich etwa im 1. Hauptstück (Ziele und Grundsätze) Bestimmungen zur Datenverwendung, während Grundsätze in einzelnen Abschnitten des 2. Hauptstückes (Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe) angeführt werden. Hier wäre es wünschenswert, wenn die Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe einleitend im 1. Hauptstück in einem eigenen Paragrafen zusammengefasst werden.

 

Auch bei der Verwendung des Begriffes „Kinder- und Jugendhilfeträger“ bedarf es genauerer Ausführungen, da oft nicht leicht ersichtlich ist, ob damit nur der öffentliche Kinder- und Jugendhilfeträger oder auch der private Kinder- und Jugendhilfeträger gemeint ist (vgl. u. a. § 31 Abs. 2 des Entwurfes).

 

Weiters wird bemängelt, dass das legistische Vorhaben offenbar keiner Gesetzesfolgenabschätzung hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Auswirkungen unterzogen wurde (siehe Vorblatt).

 

Im Gesetzestext fällt weiters auf, dass auf alleinerziehende Elternteile so gut wie nie Bezug genommen wird, ist doch im gesamten Text meist nur von „Eltern“ die Rede. Dadurch kommt es teilweise zu rechtlichen Widersprüchen mit den Bestimmungen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) zur alleinigen Obsorge, wie dies in der Folge auch angesprochen wird.

 

Auf die Vollzugsprobleme und die finanziellen Auswirkungen einzelner Bestimmungen wird im Folgenden noch im Detail eingegangen.

 

Der vorliegende Entwurf sollte unter angemessener Einbeziehung der Länder als Träger der öffentlichen Jugendwohlfahrt einer grundlegenden Überarbeitung unterzogen werden.

 

B. Bemerkungen zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu § 1:

Die Überschrift müsste auf „Recht auf Erziehung und Pflege“ ergänzt werden.

Im Absatz 2 muss es richtig „betrauter Personen“ heißen.

Im Absatz 2 ist die Rede vom Recht der Eltern zur Pflege und Erziehung. Dieses Recht kommt aber nur bei miteinander verheirateten Elternteilen an sich beiden zu, in anderen Fällen (uneheliche Geburt, gerichtlicher Vergleich oder Beschluss bei Ehescheidungen, etc.) steht es jedoch nur einem Elternteil zu, was daher zu präzisieren ist.

 

Zu § 2:

Grundsätzlich wird bemerkt, dass es sich eigentlich bei der Aufzählung um keine Ziele, sondern um Maßnahmen handelt. Weiters fehlt in der Nummerierung die Ziffer 4.

In der Ziffer 3 sollte der Begriff „bestmöglichen“ entfallen, da sonst die Gefahr besteht, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger für alle Fördermaßnahmen herangezogen wird, die sich die Eltern auf Grund ihrer Lebensverhältnisse nicht leisten können.

 

Zu § 4:

Statt Wohnsitz sollte der Begriff „Hauptwohnsitz“ verwendet werden, um sicherzustellen, dass ein Nebenwohnsitz keine Zuständigkeit begründet.

Im Absatz 1 werden die Anspruchsgruppen für Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe genannt, jedoch ohne junge Erwachsene, die nur im Absatz 2 genannt werden. Absatz 1 müsste daher noch um diese Zielgruppe ergänzt werden.

Zum Vorgehen bei einem Zuständigkeitswechsel enthalten die Erläuternden Bemerkungen weitergehende Ausführungen für eine gute Übergabe (Informationsweitergabe, wenn möglich auch Übergabegespräch), die auch in den Gesetzestext im Absatz 3 Eingang finden sollten.

 

Zu § 5:

Das Wort „Minderjährige“ (Ende des 1. Absatzes) umfasst nur die vorher genannten Kinder und Jugendlichen, nicht aber auch die jungen Erwachsenen. Wenn jedoch auch junge Erwachsene gemeint sind, wäre dies entsprechend zu berücksichtigen.

Im Absatz 2 sollte statt „Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses“ besser der Ausdruck „Beendigung der Tätigkeit“ gewählt werden. Es ist nämlich keinesfalls eine Voraussetzung, dass der Geheimnisträger in einem Beschäftigungsverhältnis zum Kinder- und Jugendhilfeträger stehen muss. Durch die andere Textierung wäre jedenfalls klargestellt, dass auch ehrenamtlich tätige Personen (vgl. die Wendung in Absatz 1 „für ihn Tätigen“) nach Beendigung dieser Tätigkeit weiterhin der Verschwiegenheitspflicht unterliegen.

 

Zu § 6:

Im Absatz 2 wird angeführt, dass eine Auskunftserteilung an gesetzliche Vertreter und Vertreterinnen nicht zulässig ist. Dies steht im Widerspruch zu Absatz 4, wonach Eltern bzw. andere mit Pflege und Erziehung betraute Personen ein Auskunftsrecht haben. Weiters ist nicht klargestellt, ob Eltern jedenfalls ein Auskunftsrecht haben oder nur, wenn sie mit der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung betraut sind. Hier müsste eine Präzisierung erfolgen.

 

Zu § 7:

Die Ziffern 2 und 3 könnten aus systematischen Gründen zusammengefasst werden („2. hinsichtlich natürlicher Personen, die unmittelbar Kinder und Jugendliche betreuen, sowie Angehöriger von Pflegepersonen: ...“).

Der legistischen Ausgestaltung dieser Bestimmung zufolge könnten zu den im Absatz 1 aufgezählten Zwecken ohne Unterscheidung sämtliche in den Ziffern 1 bis 6 angeführte Daten „verwendet“, sohin „verarbeitet und übermittelt“ im Sinne des Datenschutzgesetzes 2000 (DSG 2000) werden. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum beispielsweise für Zwecke der Planung, Forschung oder Leistungsabrechnung die Verwendung von Daten über die Gesundheit, strafrechtliche Verurteilungen, die „ethnische Herkunft“, die Staatsangehörigkeit und das Religionsbekenntnis erforderlich ist. Den Erläuternden Bemerkungen nach ist die Verwendung von Gesundheitsdaten und von Daten über strafrechtliche Verurteilungen lediglich im Zusammenhang mit der Feststellung der Eignung, die Kenntnis der ethnischen Herkunft, der Staatsangehörigkeit und des Religionsbekenntnisses im Zusammenhang mit einer bedürfnisorientierten Betreuung von Kindern und Jugendlichen erforderlich. Im Sinne des § 1 Abs. 2 iVm §§ 6, 7, 8 und 9 DSG 2000 wäre daher eine differenziertere Regelung zu schaffen und die zulässige Verwendung von Daten, insbesondere von sensiblen Daten (vgl. § 4 Z 2 DSG 2000) an einen konkreten Zweck zu binden. Da § 7 auch die Verwendung von sensiblen Daten regelt, wären für deren Verwendung überdies „angemessene Garantien für den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der Betroffenen“ festzulegen (vgl. § 1 Abs. 2 DSG 2000).

 

Da Gesundheitsdaten ebenso wie Daten über die „ethnische Herkunft“ und das Religionsbekenntnis sensible Daten im Sinne des § 4 Z 2 DSG 2000 sind, ist der Verweis auf diese Bestimmung eingeschränkt auf die Gesundheitsdaten missverständlich. Da die Legaldefinition der sensiblen Daten ohnehin in § 4 Z 2 DSG 2000 verankert ist, könnte der Verweis auch gänzlich entfallen.

 

Den Erläuternden Bemerkungen zufolge „ist bei der Datenübermittlung an Gerichte im Einzelfall sicherzustellen, dass nur jene Daten übermittelt werden, die für das jeweilige gerichtliche Verfahren relevant sind“. Wie wohl diese Aussage grundsätzlich richtig ist, könnte die Formulierung einerseits so verstanden werden, dass eine den Qualitätsgrundsätzen des § 6 DSG 2000 entsprechende Übermittlung nur im Einzelfall sichergestellt werden muss. Bei einer Weitergabe oder Übermittlung von Daten gemäß § 1 Abs. 2 und § 6 DSG 2000 ist überdies stets zu berücksichtigen, dass diese u. a. nur im erforderlichen Ausmaß und für den konkreten Zweck erfolgen darf. Dies ist ein allgemein gültiger Datenverwendungsgrundsatz, der nicht nur bei der Datenübermittlung zwischen Behörden befolgt werden muss. Es wird daher angeregt, dies in den Erläuterungen entsprechend klarzustellen.

 

Im Sinne des Diversitätsgedankens und der Diversitätspolitik ist die Berücksichtigung unterschiedlicher Bedürfnisse, seien sie auf Grund von Alter, Geschlecht oder der „ethnischen Herkunft“ zwar grundsätzlich begrüßenswert; dass für diese Berücksichtigung eine empirische Grundlage vorhanden sein muss, steht außer Frage, dennoch sind bei der Frage nach der „ethnischen Herkunft“ bzw. dem sogenannten Migrationshintergrund Besonderheiten zu berücksichtigen, die einerseits die Datenerhebung betreffen, andererseits die Begrifflichkeiten und nicht zuletzt auch die damit in Verbindung angenommenen Bedürfnisse, z. B. Sprachkenntnisse oder Tradition.

In der Statistik folgt man der UN-Definition über Personen mit Migrationshintergrund; demnach handelt es sich dabei um Personen, deren beide Elternteile im Ausland geboren wurden. Diese Gruppe lässt sich in weiterer Folge in Migrantinnen und Migranten der ersten Generation (Personen, die selbst im Ausland geboren wurden) und in Zuwanderer der zweiten Generation (Kinder von zugewanderten Personen, die aber selbst im Inland zur Welt gekommen sind) untergliedern.

Daher wird vorgeschlagen, bei der Erhebung diese Merkmale für den Migrationshintergrund auch folgende Daten zu berücksichtigen:

 

       1)    Geburtsland/Geburtsort

       2)    Geburtsland der Eltern

3)       Staatsbürgerschaft

 

Die „ethnische Zugehörigkeit“ ist nicht gleichzusetzen mit der Staatsbürgerschaft; daher könnte der Begriff durch „Migrationshintergrund“ ersetzt werden. Eine andere Möglichkeit könnte das Kriterium von Sprachkenntnissen sein, wobei diese Daten gerade bei Personen mit Migrationshintergrund einen Anhaltspunkt zur Auswahl einer geeigneten Betreuungsstelle bilden können. Sprachkenntnisse sind in § 4 Z 2 DSG 2000 nicht genannt, weshalb diese Daten auch nicht im Text angeführt sein müssten.

 

Von dem in den Erläuternden Bemerkungen verwendeten Begriff des „Kulturkreises“ ist abzuraten. Der Begriff, der aus der heute als überholt geltenden Kulturkreislehre stammt, wird in der deutschsprachigen Sozial-Anthropologie einhellig als überholt abgelehnt; u. a. deshalb, weil sie auf einer Lehre fußt, auf die auch die sogenannte Rassentheorie zurückgegriffen hat.

 

Generell gilt es, insbesondere bei der Verwendung von Begriffen für statistische Erhebungen, Begriffe nicht zu vermengen bzw. sie nicht in Zusammenhang mit Gruppen, Zugehörigkeiten, Bekenntnissen oder traditionellen Gepflogenheiten zu setzen. In diesem Kontext ist auch die Erhebung des Religionsbekenntnisses zu überdenken.

Weiters wird angemerkt, dass sowohl bei der Erhebung, als auch in der Folge bei der Auswertung allgemeine Zuschreibungen auf Grund von empirisch nicht überprüfbaren Annahmen vermieden werden sollten.

 

In Ziffer 4 wäre „ZMR-Zahl“ zu streichen; juristische Personen werden nicht im ZMR eingetragen.

 

Zu § 8:

Auch mit dieser Bestimmung wird eine Form der Datenverwendung, nämlich jene zu Zwecken der Dokumentation, geregelt. Da in Absatz 4 überdies eine Verpflichtung zum Treffen organisatorischer Vorkehrungen im Sinne des § 1 Abs. 2 DSG 2000 normiert wird, ist nicht ersichtlich, warum die Datenverwendung zu Zwecken der Dokumentation nicht einer spezifischen Regelung in § 7 des Entwurfes „Datenverwendung“ zugeführt wird.

 

Weiters ist der Umfang der Dokumentationspflicht für Soziale Dienste zu weit gefasst. Insbesondere Beratungsdienste werden oft anonym telefonisch in Anspruch genommen. Hier ist es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit nicht sinnvoll, jedenfalls immer eine Dokumentation über betroffene Dienststellen, Leistungserbringer, verantwortliche und beigezogene Fachleute sowie Art, Umfang und Dauer der erbrachten Leistungen zu verlangen.

 

Zu §§ 9 und 10:

In den §§ 9 und 10 sollte nicht nur in den Erläuternden Bemerkungen sondern auch im Gesetzestext klar ausgeführt werden, dass eine Eignungsprüfung und Aufsicht nur für jene Leistungen stattfinden muss, für die der private Kinder- und Jugendhilfeträger auch tatsächlich herangezogen wird. Andernfalls müssten nämlich in Wien alle bereits bestehenden privaten Informations- und Beratungseinrichtungen privater Träger einer Eignungsprüfung und Aufsicht unterzogen werden, was zu einem enorm hohen zusätzlichen Verwaltungsaufwand führen würde.

§ 10 Abs. 5 müsste jedenfalls auch um die Aufsicht ergänzt werden („... im Rahmen der Eignungsfeststellung, der Aufsicht und der Leistungserbringung...“).

Zu § 11:

Bestimmungen über die fachlichen Standards sollten systematisch besser in dem Kapitel „Grundsätze“ einleitend im Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz geregelt werden.

Im Absatz 2 ist festgelegt, dass nur Fachkräfte für die Erbringung von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe herangezogen werden dürfen. Dies steht im Widerspruch zu Absatz 3, wonach auch Hilfskräfte herangezogen werden dürfen. Aus Sicht des Landes Wien sollte die bestehende Regelung, wonach die Heranziehung sonstiger geeigneter Kräfte zulässig ist, sofern Art und Umfang der Tätigkeit keine Fachausbildung erfordern, beibehalten werden.

Aus Sicht des Landes Wien erscheint es auch wenig sinnvoll, dass jedes Bundesland eine eigene Berechnung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen über die erforderliche Anzahl der Fach- und Hilfskräfte durchführt. Hier wäre eine bundesweite Vereinheitlichung anzustreben.

Im Absatz 5 muss klargestellt werden, dass fachliche Standards nur für jene privaten Kinder- und Jugendhilfeträger verbindlich gemacht werden müssen, die der öffentliche Kinder- und Jugendhilfeträger auch für Leistungen heranzieht. Andernfalls hätte dies zur Konsequenz, dass das Land Wien mit erheblichen Kostenforderungen seitens jener privater Träger konfrontiert wird, die er zwar nicht für Leistungen heranzieht, die allerdings trotzdem die Standards erfüllen müssten.

 

Zu § 14:

Der Begriff „ambulante Dienste“ in der Ziffer 1 sollte durch „Soziale Dienste“ ersetzt werden, um Doppelzählungen zu vermeiden. Gemäß § 15 versteht man nämlich unter ambulanten Diensten sowohl Angebote im Sozialen Dienst als auch in der Unterstützung der Erziehung. Die Unterstützung der Erziehung soll jedoch gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 extra statistisch erfasst werden. Somit würden ambulante Dienste im Bereich der Unterstützung der Erziehung doppelt erfasst werden.

Im Absatz 1 Z 9 sollten die Rechtshandlungen konkretisiert werden, um unterschiedliche Zählungen der Länder zu vermeiden.

In Absatz 2 sollte der Begriff „ethnische Herkunft“ ersatzlos entfallen, da er für statistische Erhebungen völlig irrelevant ist. Die Aufschlüsselung von Daten im Absatz 2 nach dem Geschlecht sollte auch bei jungen Erwachsenen erfolgen.

 

Zum 2. Abschnitt:

Der 2. Abschnitt sollte zur Gänze überarbeitet werden, da er völlig unsystematisch zusammengestellt ist. Die Überschrift sollte „Soziale Dienste“ lauten und der 2. Abschnitt sollte eine Definition des Sozialen Dienstes sowie eine demonstrative Aufstellung der wichtigsten Sozialen Dienste beinhalten. Die Pflegeverhältnisse und die Verwandtenpflege sollten in einem eigenen Abschnitt behandelt werden, da es sich dabei um wichtige Ressourcen für die Volle Erziehung handelt, die nicht im Abschnitt über die Sozialen Dienste geregelt werden sollten.

Die Schaffung einer neuen Kategorie „Ambulante Dienste“ im § 15 sollte entfallen, da dies nur zu einer Verwirrung führt und keinerlei Notwendigkeit besteht, eine neue Kategorie einzuführen.

 

Zu § 15:

Die Formulierung „haben zur Verfügung zu stellen“ im Absatz 1 sollte durch die derzeit bestehende Formulierung „die Jugendwohlfahrtsträger haben vorzusorgen, dass ...“ ersetzt werden, um die Schaffung von Rechtsansprüchen im Bereich der Sozialen Dienste zu vermeiden.

 

Die Aufzählung der Dienste im Absatz 2 ist zu weit gefasst, da z. B. die Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung, Scheidung und Besuchsrechtsausübung nur dann Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfeträgers sein kann, wenn Kinder davon betroffen sind.

 

Zu § 16:

Die Definition der Sozialen Dienste im § 16 ist unvollständig, da auch stationäre und teilstationäre Dienste im Rahmen des Sozialen Dienstes als freiwillige Leistungen angeboten werden sollen (z. B. Unterbringung von behinderten Minderjährigen in teilstationären Einrichtungen).

Zu § 17:

Die sozialpädagogischen Einrichtungen sollten in einem eigenen Abschnitt geregelt werden und ausgeführt werden, dass diese sowohl der Unterbringung im Rahmen einer Maßnahme der Vollen Erziehung bei Gefährdung des Kindeswohls dienen als auch als Sozialer Dienst als Präventionsmaßnahme zur Verhinderung einer Maßnahme der Vollen Erziehung zur Verfügung gestellt werden können.

Als wesentliches Kriterium wären in Absatz 1 auch Genderaspekte anzuführen und wäre grundsätzlich für ein geschlechtssensibles Angebot zu sorgen.

In Absatz 3 sollte ergänzt werden, dass gemeinsame Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder nur im Zusammenhang mit einem Abklärungsverfahren angeboten werden, um Überschneidungen mit dem Obdachlosenbereich der Sozialhilfe bzw. Angeboten der Grundversorgung für Asylwerber und hilfebedürftige Fremde zu vermeiden.

Im Absatz 6 sollte der Begriff „Fachaufsicht“ durch „Aufsicht“ ersetzt werden und die Verpflichtungen der Träger im Rahmen der Aufsicht (z. B. Auskunft über wirtschaftliche Verhältnisse) näher ausgeführt werden.

 

Während in § 12 JWG niederschwellige Dienste im Allgemeinen und betreute Notschlafstellen im Besonderen als bereitzustellende Soziale Dienste angeführt werden, fehlen sie im gegenständlichen Entwurf in der Aufzählung der sozialpädagogischen Einrichtungen des 3. Absatzes. Ob die „Betreuungseinrichtungen für Notsituationen z. B. Krisenzentren“ in diese Richtung zu interpretieren sind, bleibt offen. Mit Blick auf die Erläuterungen und der darin vorgenommenen Abgrenzung gegen „Einrichtungen (…) der Obdachlosenhilfe“ scheint dies jedoch unwahrscheinlich. Die in § 12 Abs. 1 Z 6 JWG genannten niederschwelligen Dienste müssen daher weiterhin explizit im Gesetz erwähnt werden, da der gegenständliche Entwurf keine Gewähr dafür bietet, auch ein niederschwelliges Angebot vorzuhalten.

 

Zu den §§ 18, 19 und 20:

Es sollte die bestehende Rechtslage beibehalten werden, d. h. Pflegeverhältnisse sollten weiterhin der hoheitlichen Bewilligungspflicht und Aufsicht unterliegen. Der vorliegende Entwurf hätte nämlich zur Folge, dass Personen, die ein Kind von den Eltern auf Dauer zur Pflege anvertraut bekommen, keiner Bewilligungspflicht mehr unterliegen. Auch Personen, die ein Kind in Adoptionsabsicht aus dem Ausland nach Österreich bringen, würden nach dem vorliegenden Entwurf keine Bewilligung vom Kinder- und Jugendhilfeträger mehr benötigen. Dies wäre aber vor allem in Hinblick auf Tagesmütter/-väter, die bereits für die zeitlich begrenzte Betreuung von Kindern eine umfassende Ausbildung und Bewilligung benötigen, sachlich nicht gerechtfertigt.

 

In § 19 Abs. 4 sollte der Begriff „sozialpädagogische“ entfallen, da die Ausbildung von Pflegepersonen nicht mit einer Sozialpädagogikausbildung vergleichbar ist und insbesondere kein Lehrplan aufgestellt werden soll.

Die Verpflichtung, allen Pflegepersonen „Supervision“ anzubieten, ist zu weit; ausreichend wäre das Angebot von beratenden und unterstützenden Diensten für Pflegepersonen.

 

Die Definition des Pflegeelterngeldes im § 20 Abs. 2 sollte überarbeitet werden, da durch die Wortfolgen „Abgeltung der Erziehungsleistung“ sowie „Beitrag zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung“ die Gefahr besteht, dass das Pflegeelterngeld als Entgelt und nicht als Aufwandersatz angesehen wird. Hier sollten die klarstellenden Erläuternden Bemerkungen in den Gesetzestext übernommen werden.

 

Zu § 21:

Unverständlich ist die Aufnahme der „Ehepartner und Ehepartnerinnen“ und „Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen“ in die Definition der Verwandtenpflege, da diese in der Regel mit dem leiblichen Elternteil zusammenleben und daher nicht ersichtlich ist, aus welchen Gründen diesen ein Pflegebeitrag zu bezahlen ist.

Hingegen sollten „Personen, die vom Gericht mit der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung betraut wurden“ in die Definition aufgenommen werden, um insbesondere Pflegeeltern, die vom Gericht mit der Obsorge betraut wurden, die Gewährung eines Pflegebeitrags zu ermöglichen.

 

Im Absatz 4 sollte die Wortfolge „in der Höhe des Pflegeelterngeldes“ durch „bis zur Höhe des Pflegeelterngeldes“ ersetzt werden. Damit wird es ermöglicht, „Verwandten“ je nach Einkommensverhältnissen einen gestaffelten Pflegebeitrag auszubezahlen.

 

Zum 3. Abschnitt:

Die Strukturierung des 3. Abschnittes sollte neu überarbeitet werden. Die „Hilfen zur Erziehung“ sollten einen eigenen Abschnitt bekommen und näher ausgeführt werden, da diese einen wesentlichen Kernbereich der Arbeit für Kinder- und Jugendhilfeträger darstellen.

Die Gefährdungsabklärung, der Hilfeplan und die Beteiligung von Familien könnten ebenfalls in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst werden, um klarzustellen, dass diese eine wichtige Grundlage für die Gewährung von Hilfen zur Erziehung darstellen.

 

Zu § 22:

Es wird vorgeschlagen, den Absatz 1 um folgenden Satz zu ergänzen: „Seitens des Kinder- und Jugendhilfeträgers ist sicherzustellen, dass eine Gefährdungsmeldung gemäß § 37 sowie eine Sofortmaßnahme auch während der Nacht und am Wochenende erfolgen kann.“

Im Absatz 5 wird folgende Formulierung vorgeschlagen: „Die Entscheidung über das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung ist im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte zu treffen.“

 

Zu § 23:

Im Absatz 3 sollte die Formulierung wie folgt lauten: „Die Entscheidung über die im Einzelfall erforderliche Erziehungshilfe oder deren Änderung ist im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte zu treffen.“

 

Zu § 24:

Es wäre klarzustellen, dass nur jene Elternteile, die die Obsorge ausüben, einzubeziehen sind.

Weiters wird bemerkt, dass im Absatz 1 auszuführen ist, dass bei einer Sofortmaßnahme eine Beratung vor der Entscheidung über die Gewährung von Erziehungshilfen nicht stattfinden kann.

 

Zu § 25:

Die Maßnahmen der Unterstützung der Erziehung sollten wie derzeit durch eine demonstrative Aufzählung und nicht durch einen Verweis auf ambulante Dienste näher ausgeführt werden.

 

Zu § 26:

Die bisherige Definition der Vollen Erziehung, nämlich dass diese immer eine Betrauung des Jugendwohlfahrtsträgers mit der Pflege und Erziehung zur Gänze voraussetzt, hat sich in der Praxis sehr bewährt und sollte daher beibehalten werden.

Wie bereits oben ausgeführt, sollte der Begriff „ethnische Herkunft“ auch in den Erläuternden Bemerkungen zur Gänze entfallen.

 

Zu § 27:

Auch hier sollte klargestellt werden, dass eine schriftliche Vereinbarung nur mit jenem Elternteil abgeschlossen werden kann, der mit der Obsorge betraut ist.

 

Zu § 29:

Der Rechtsanspruch auf Hilfen für junge Erwachsene sollte jedenfalls entfallen und die Möglichkeit auf Verlängerung einer Jugendwohlfahrtsmaßnahme wie bisher als „Kannleistung“ formuliert werden. Insbesondere die sehr unbestimmte Formulierung „... wenn dies zur Absicherung von Erfolgen dringend notwendig ist“ lässt es völlig offen, wann junge Erwachsene einen Rechtsanspruch geltend machen können. Nach der vorliegenden Formulierung wäre es auch denkbar, dass eine Person, der zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr bereits Erziehungshilfen gewährt wurden, einen Antrag auf Unterbringung in einer sozialpädagogischen Einrichtung stellt, weil sie nunmehr wohnungslos geworden ist. Damit käme es zu einer Verschiebung von Rechtsansprüchen aus der Sozialhilfe in die Kinder- und Jugendhilfe.

Die Voraussetzungen, unter denen die Hilfen verlängert werden können, müssten jedenfalls genauer festgelegt werden, z. B. um eine Berufs- oder Schulausbildung abzuschließen.

Bemerkt wird weiters, dass im Absatz 1 auf einen nichtexistierenden § 16 Abs. 4 Z 4 verwiesen wird und dass die Erläuternden Bemerkungen im Widerspruch zum Gesetzestext stehen, da nach den Erläuternden Bemerkungen zum Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres eine Erziehungshilfe aktuell bestehen muss, während dies aus dem Gesetzestext nicht hervorgeht.

Das Land Wien spricht sich daher vehement für die Beibehaltung der bestehenden Regelungen aus, wobei jedenfalls auch eine Verlängerung der Maßnahme in allen sozialpädagogischen Einrichtungen sowie bei Pflegeeltern möglich sein muss. Die bestehende Regelung sollte zur Klarstellung die Verlängerung der Maßnahme an die Beendigung einer Schul- oder Berufsausbildung knüpfen.

 

Zu § 30:

Im Absatz 2 wäre zu ergänzen, dass auch die Kosten für die Unterbringung bei einer Pflegefamilie im Rahmen der Hilfen für junge Erwachsene von den zivilrechtlich zum Unterhalt Verpflichteten zu ersetzen sind.

 

Zu den §§ 31 bis 34:

Inlandsadoption:

In § 31 Abs. 2 sollte klargestellt werden, dass eine Adoptionsvermittlung sowohl durch öffentliche als auch private Kinder- und Jugendhilfeträger erfolgen kann.

Die aufgezählten Aufgaben des Kinder- und Jugendhilfeträgers im Rahmen der Adoptionsvermittlung sind zu weit gefasst. Es besteht insbesondere keine Notwendigkeit, einen eigenen Sozialen Dienst „Begleitung der Adoptiveltern nach rechtskräftiger Bewilligung der Adoption“ (§ 32 Z 5) einzurichten. Hier stehen wie für alle Elternteile sowie Pflegeeltern ausreichend Beratungs- und Informationsangebote im Rahmen des Sozialen Dienstes zur Verfügung.

Auch die im § 32 Z 2 angeführte Verpflichtung des Kinder- und Jugendhilfeträgers, eine Beratung und Begleitung von leiblichen Elternteilen nach rechtskräftiger Bewilligung der Adoption anzubieten, sollte entfallen, da die Beratungs- und Begleitungspflicht des Kinder- und Jugendhilfeträgers immer an eine konkrete Betreuungssituation gebunden sein sollte.

Weiters wird bemerkt, dass im § 32 in den Ziffern 3 und 4 von „Adoptivwerbern und
-werberinnen“ die Rede ist, während in der Ziffer 5 nur mehr „Adoptiveltern“ erwähnt werden, obwohl auch Einzelpersonen adoptieren können (siehe auch im § 31 Abs. 1 „Adoptiveltern oder Adoptivelternteil“).

 

Mitwirkung an der grenzüberschreitenden Adoption:

Die Regelungen der §§ 31, 33 und 34 zur Auslandsadoption sind aus Sicht des Landes Wien unzureichend. Der Wunsch der Bürger nach Adoptionen von Kindern aus dem Ausland hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Gleichzeitig besteht in vielen Herkunftsländern auf Grund der Armut und der mangelnden Verwaltungsstandards nach wie vor ein Kinderschutzrisiko, wobei auf die Problematik der Dokumentensicherheit explizit hingewiesen werden muss. Zwar bietet das Haager Kinderschutzübereinkommen bestimmte Kinderschutzgarantien, jedoch darf nicht vergessen werden, dass bis dato bei weitem nicht alle Länder der Welt Mitglieder dieses Abkommens sind. In nicht wenigen Ländern bleibt somit ein Kinderschutzrisiko bestehen. Es fehlt aus Sicht des Landes Wien ein gerichtliches Anerkennungsverfahren von Auslandsadoptionen sowie eine zentrale Stelle mit der Kompetenz, die Rechtmäßigkeit von internationalen Adoptionen im Vorfeld zu prüfen. Das Land Wien spricht sich aus diesem Grund für ein Auslandsadoptionsgesetz aus, welches weitgehend in die Kompetenz des Bundes fiele und eine zentrale Adoptionsstelle mit umfassenden Befugnissen auf Bundesebene vorsehen müsste.

Begrüßt wird jedenfalls der Versuch in § 33, die Aufgaben des Kinder- und Jugendhilfeträgers näher zu beschreiben, und die dazu angeführten Erläuternden Bemerkungen. In diesem Sinn scheint auch die Formulierung „Mitwirkung an der grenzüberschreitenden Adoption“ besser gewählt als die Formulierung „Mitwirkung an der grenzüberschreitenden Adoptionsvermittlung“, da die tatsächliche Vermittlung der Adoption im Herkunftsland stattfindet und der Kinder- und Jugendhilfeträger keine Möglichkeiten besitzt, das rechtmäßige Zustandekommen der im Ausland abgewickelten Adoption zu überprüfen.

Es wird darauf hingewiesen, dass durch den im § 33 Abs. 2 angeführten Sozialen Dienst „Begleitung der Adoptiveltern nach rechtskräftiger Bewilligung der Adoption“ der Kinder- und Jugendhilfeträger dazu verpflichtet werden könnte, Post Placement Reports zu erstellen. Die bisher jedoch einhellige Meinung der Lehre und ExpertInnen des Justizministeriums ist, dass auf Grund der bestehenden internationalen Übereinkommen, insbesondere auch des Haager Adoptionsübereinkommens, keine Verpflichtung der Kinder- und Jugendhilfeträger zur Erstellung von Post Placement Reports besteht.

 

Zu § 35:

Aus der Praxis der Kinder- und Jugendanwaltschaften ist bekannt, dass die hier angesprochenen Aufgaben nicht bloß in Hinblick auf die „Aufgaben von Obsorgeberechtigten“ (Ziffer 1), sondern generell hinsichtlich beider Elternteile (auch nicht zur Obsorge berechtigte Personen werden etwa in Fragen zu Besuchskontakten beraten) wahrgenommen werden.

 

Zu § 37:

Im Absatz 1 wäre zu ergänzen, dass schriftliche Mitteilungen auch mittels E-Mail, Telefax oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden können. Damit wird einerseits verhindert, dass Gefährdungsmitteilungen mittels Brief erstattet werden und es somit zu unnötigen Verzögerungen kommt, und andererseits wird klargestellt, dass es auch aus datenschutzrechtlicher Sicht zulässig ist, schriftliche Gefährdungsmitteilungen mittels E-Mail oder Fax zu erstatten.

Nach den Erläuterungen gehören auch die Kinder- und JugendanwältInnen zu diesen Personen, die hier eine Mitteilungspflicht haben, was aber im Widerspruch zu § 35 Abs. 4 steht, wonach die Kinder- und Jugendanwaltschaft anonym und vertraulich in Anspruch genommen werden kann. Die Erläuterungen sind daher diesbezüglich zu ändern.

Der Kreis der Meldepflichtigen ist für den Bereich suchtkranker oder suchtgefährdeter Jugendlicher zu eng gefasst. § 15 Abs. 5 des Suchtmittelgesetzes (SMG) sieht für die dort genannten Einrichtungen eine umfassende und äußerst wichtige Verschwiegenheitspflicht vor. Um jedoch frühzeitig auch Maßnahmen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe für suchtgefährdete oder suchtkranke Minderjährige zu ermöglichen, wäre eine Mitteilungspflicht auch hier anzudenken, darf aber nur in besonders gefährlichen Konstellationen zum Tragen kommen (z. B. hochriskanter Konsum).

 

Die vorgesehenen Mitteilungspflichten schaffen auch große Probleme im Bereich der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit.

Die außerschulische Kinder- und Jugendarbeit in Wien geht generell von einem ressourcenorientierten Ansatz im Gegensatz zum defizitorientierten Fokus aus, d. h. die Stärken und Potenziale der Jugendlichen stehen im Vordergrund und werden gefördert. Ziel ist die Stärkung des Selbstwertgefühls, der Selbstsicherheit und Eigenverantwortlichkeit der Jugendlichen.

Die unterschiedlichen Ausprägungen der Kinder- und Jugendarbeit in Wien sowie die über die ganze Stadt verbreiteten Angebote für Kinder und Jugendliche garantieren niederschwellige professionelle Anlaufstellen und stellen sicher, dass Kinder und Jugendliche Ansprechpersonen haben, zu denen sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen können.

Unabdingbare Prämissen sind hierfür jedoch unter anderem Freiwilligkeit, Anonymität, kritische Parteilichkeit und Vertraulichkeit.

Die in Absatz 1 normierte Verpflichtung zur „unverzüglichen“ Mitteilung steht im krassen Widerspruch zu den oben genannten Grundvoraussetzungen einer funktionierenden außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit. JugendarbeiterInnen agieren im Sinne der Beratung, Begleitung und Weiterleitung immer mit dem notwendigen Einverständnis der Kinder und Jugendlichen, um das aufgebaute Vertrauensverhältnis nicht zu stören. Der bewährte Weg der Wiener Jugendarbeit liegt in der Selbstwertstärkung der betroffenen Kinder und Jugendlichen, um diese zu befähigen, ihre Probleme auch öffentlich zu machen und darüber sprechen zu können.

Die unverzügliche Mitteilung bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ohne Zustimmung der/des Minderjährigen würde jedoch zum einen zu einer massiven Gefährdung des aufgebauten Vertrauensverhältnisses führen, zum anderen liegt auch die Gefahr nahe, dass in diesem Fall die Betroffenen ihre Angaben vor den Behörden wieder zurückziehen. Als weitere Auswirkung ist zu befürchten, dass sie - ebenso wie auf Grund der „negativen Vorbildwirkung“ auch andere Kinder und Jugendliche - die niederschwelligen Angebote der Kinder- und Jugendbetreuung nicht mehr in Anspruch nehmen werden bzw. dürfen. Dies wiederum führt zu einem Verlust von individueller Hilfestellung durch Beratung seitens der JugendarbeiterInnen. Als Folge ist somit auch von der Gefahr steigender Dunkelziffern auszugehen.

Wie die Erfahrung zeigt, sind die in der Jugendarbeit tätigen ehrenamtlichen MitarbeiterInnen, SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen oft die einzigen erwachsenen Ansprechpersonen für benachteiligte und/oder bildungsferne Kinder und Jugendliche. Somit würde dies einen massiven Einschnitt in das Hilfssystem für diese Zielgruppe bedeuten.

Hinzu kommt, dass die Kinder und Jugendlichen Einrichtungen der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit freiwillig in ihrer Freizeit in Anspruch nehmen. Einrichtungen der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit arbeiten sozialraumorientiert und orientieren sich an Bedürfnissen der Dialoggruppen.

Als schon jetzt gängige Praxis in der außerschulischen Wiener Kinder- und Jugendarbeit gilt weiters, die Vorgangsweise bei Verdachtsmomenten mit betroffenen Kindern und Jugendlichen abzustimmen, im professionellen interdisziplinären Setting mit Leitung und Team zu reflektieren und gegebenenfalls weiter zu leiten (Absatz 2).

 

Die im vorliegenden Entwurf vorgenommene Konkretisierung der Mitteilungspflicht im Sinne erhöhter Rechtsklarheit wird zwar begrüßt, in Hinblick auf die sehr spezifische und bewährte Vorgehensweise der Wiener Kinder- und Jugendarbeit wäre allerdings aus deren Sicht eine unverzügliche Mitteilungspflicht für den Bereich der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit kontraproduktiv und würde dem eigentlichen Ziel des Gesetzes zuwiderlaufen.

 

Zu Absatz 4: Nicht immer wird einer Einrichtung die Identität des Jugendlichen bekannt sein. Diese Bestimmung darf aber nicht dazu führen, dass bloß zum Zwecke der Mitteilung die Identität des/der Minderjährigen festgestellt wird. Vielmehr wäre auch eine anonyme Mitteilungspflicht vorzusehen, die auch dazu dienen soll, einen allfälligen qualitativen oder quantitativen Bedarf nach Maßnahmen aufzuzeigen.

Zu § 38:

Die Träger der Sozialversicherung sollten wie bisher auch im Rahmen der Amtshilfe ausdrücklich zur Hilfe verpflichtet werden.

 

Zu § 40:

Im Absatz 1 sollte klargestellt werden, dass nur der öffentliche Kinder- und Jugendhilfeträger ermächtigt wird, die in den Ziffern 1-6 angeführten Daten zu verwenden.

Hier wird auf die Ausführungen zu § 7 verwiesen und ebenfalls angeregt, abstellend auf den konkreten Zweck eine differenziertere Regelung hinsichtlich der Datenverwendung zu treffen sowie in den Erläuterungen klarzustellen, dass Datenverwendungen generell den Vorgaben der §§ 1 Abs. 2 und 6 DSG 2000 entsprechend zu erfolgen haben. Weiters wird bemerkt, dass aus datenschutzrechtlicher Sicht eine Einschränkung jener Daten, die hinsichtlich der Melderinnen und Melder verwendet werden können, vorzunehmen ist.

Der Absatz 6 sollte weiter gefasst werden, da insbesondere erwachsene Personen, die im Rahmen der Vollen Erziehung als Minderjährige betreut wurden, später zum Zwecke der Biografiearbeit Einblick in die Akten nehmen wollen.

 

Zu § 42:

Die überwiegende Lehre sowie die meisten ExpertInnen im Bereich der Jugendwohlfahrt vertraten bisher die Rechtsauffassung, dass durch eine Vereinbarung über Erziehungshilfen der Jugendwohlfahrtsträger zur Ausübung der Obsorge im Bereich der Pflege und Erziehung ermächtigt wird, die Obsorge jedoch bei den Eltern verbleibt. Es ist daher nicht einsichtig, warum nunmehr die Rechtsmeinung einer Minderheit in den Gesetzestext Eingang finden soll. Aus Sicht des Landes Wien sollte weiterhin eine Obsorgeübertragung nur durch das Gericht oder im Rahmen einer Gefahr im Verzug-Maßnahme möglich sein.

 

C. Kosten:

 

Durch die Umsetzung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2009 würden folgende Mehrkosten entstehen:

§ 19:

Im § 19 Abs. 4 ist vorgesehen, dass der öffentliche Kinder- und Jugendhilfeträger Pflegepersonen verpflichtend Supervision anzubieten hat. Das Land Wien geht davon aus, dass damit rund 200 Supervisionsstunden pro Jahr für Pflegeeltern bereit zu stellen wären.

Dies ergibt Mehrkosten in der Höhe von 200 x EUR 145,-- = EUR 29.000,--.

 

§ 29:

Im § 29 Abs. 1 des Entwurfes ist erstmals ein Rechtsanspruch von Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr auf Hilfen durch ambulante Dienste oder in sozialpädagogischen Einrichtungen vorgesehen, wenn dies zur Absicherung von Erfolgen, die durch Erziehungshilfen erzielt wurden, und zur Erlangung einer eigenverantwortlichen Lebensführung dringend notwendig ist und zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr bereits Erziehungshilfen gewährt wurden.

Problematisch an dieser Bestimmung ist, dass nicht genau definiert ist, unter welchen Voraussetzungen eine Verlängerung „dringend notwendig“ ist. Das könnte dazu führen, dass ein Jugendlicher, dem irgendwann zwischen dem 14. und 18. Lebensjahr eine Erziehungshilfe gewährt wurde und der sich nun auf Wohnungssuche befindet, beim Jugendwohlfahrtsträger einen Antrag auf Unterbringung in einer Betreuten Wohnung stellt, da nur mit dieser Wohnung der Erfolg der Jugendwohlfahrtsmaßnahme sicher gestellt werden kann. Es würde damit zu einer Verlagerung von Rechtsansprüchen aus dem Bereich der Sozialhilfe in den Bereich der Jugendwohlfahrt kommen.

 

Bemerkt wird, dass zwar auch derzeit im geltenden § 37 Abs. 5 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz 1990 (WrJWG 1990) eine Möglichkeit für den Jugendwohlfahrtsträger besteht, im Einvernehmen mit dem nunmehr Volljährigen Hilfen zur Erziehung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres fortzusetzen, wenn dies zur Sicherung des Erfolges bisheriger Erziehungshilfen notwendig ist. Diese „Kannleistung“ wird schon derzeit laufend ca. 50 Personen gewährt, allerdings nur dann, wenn die Verlängerung der Erziehungshilfe zum Abschluss einer Berufs- oder Schulausbildung notwendig ist.

Es ist daher damit zu rechnen, dass zumindest 60 Jugendliche zusätzlich einen Antrag auf Fortsetzung der Erziehungshilfe stellen werden, um im Bereich des Betreuten Wohnens eine Wohnung zur Verfügung gestellt zu bekommen. Bemerkt wird, dass es sich dabei um eine absolute Mindestschätzung handelt, auf Grund des unbestimmten Gesetzesbegriffes könnte es aber auch zu wesentlich mehr Anträgen kommen.

 

Geht man von den durchschnittlichen Kosten für einen Betreuten Wohnplatz in der Höhe von EUR 62,-- am Tag aus, so ergibt dies Mehrkosten im Jahr in der Höhe von 60 x EUR 62,-- Tagkosten x 365 = EUR 1.357.800,--.

 

Zusätzlich dazu wäre zumindest ein Verwaltungsjurist notwendig, um das Bescheidverfahren zur Feststellung der Rechtsansprüche auf Verlängerung der Erziehungshilfen durchführen zu können. Ein zusätzlicher Verwaltungsjurist würde Mehrkosten in der Höhe von ca. EUR 60.000,-- im Jahr ausmachen.

 

Aus Sicht des Landes Wien wäre es daher dringend geboten, die Verlängerung der Erziehungshilfen wie bisher als „Kannleistung“ vorzusehen und an die Beendigung einer Schul- oder Berufsausbildung zu knüpfen.

 

§§ 32 und 33:

In den §§ 32 Z 5 und 33 Z 3 ist vorgesehen, dass als neuer Sozialer Dienst Begleitung der Adoptiveltern nach rechtskräftiger Bewilligung der Adoption anzubieten ist.

Für diesen Sozialen Dienst wären zwei zusätzliche Sozialarbeiterposten erforderlich, was Zusatzkosten in der Höhe von 2 x EUR 58.000,-- = EUR 116.000,-- ausmachen würde.

 

Insgesamt würden daher voraussichtlich Mehrkosten in der Höhe von zumindest EUR 1.562.800,--- anfallen.

 

Weiters wird bemerkt, dass in den §§ 10 und 11 klargestellt werden muss, dass eine Eignungsfeststellung, Aufsicht und Standardfestlegung nur für jene privaten Kinder- und Jugendhilfeträger erfolgen muss, die der öffentliche Kinder- und Jugendhilfeträger tatsächlich zu Leistungen heranzieht. Müssten nämlich alle privaten Kinder- und Jugendhilfeträger einer Eignungsfeststellung, Aufsicht und Standardfestlegung unterzogen werden, die derzeit in Wien tätig sind (z. B. Beratungseinrichtungen in Erziehungsfragen oder Partnerschaftsfragen durch NGO`s), so hätte dies weitere erhebliche finanzielle Mehrkosten für die Stadt Wien zur Folge (Verwaltungsaufwand wegen zusätzlicher Eignungsfeststellungen und Aufsichten sowie Kostenforderungen seitens der privaten Träger, welche nunmehr fachliche Standards insbesondere hinsichtlich des Personals erfüllen müssen). Eine seriöse Schätzung, wie hoch diese Mehrkosten wären, ist derzeit nicht möglich, da erst die Anzahl der bestehenden privaten Beratungseinrichtungen und die dort bestehenden Standards ermittelt werden müssten. Das ist allerdings wegen der überaus großen Zahl von einschlägigen Einrichtungen in Wien und der fehlenden Konkretisierung mit vertretbarem Aufwand nicht möglich.

 

 

                                                                      Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                              Mag. Andrea Mader

Mag. Silvia Keplinger                                         Obermagistratsrätin

 

 

 

Ergeht an:

1.  Präsidium des Nationalrates

 

2.  alle Ämter der Landes-

regierungen

 

3.  Verbindungsstelle der

Bundesländer

 

4.  MA 11

(zu MA 11 - 1479/2008)

mit dem Ersuchen um Weiter-

leitung an die einbezogenen

Dienststellen