Textfeld: Bundesministerium für
Gesundheit, Familie und Jugend
Radetzkystraße 2
1031 Wien

Eisenstadt, am 18.11.2008

E-Mail: post.vd@bgld.gv.at

Tel.: 02682/600 DW 2227

Mag.a Elke Landl, LL.M

 

 

 

 

 

Zahl:  LAD-VD-B835-10000-8-2008

Betr: Entwurf eines Bundesgesetzes über die Grundsätze für soziale Arbeit mit Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009 – B-KJHG 2009); Stellungnahme, Konsultationsmechanismus – Auslösung

 

Bezug:           BMGFJ-421600/0037-II/2/2008

 

 

Zu dem mit obbez. Schreiben übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes über die Grundsätze für soziale Arbeit mit Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009 – B-KJHG 2009) erlaubt sich das Amt der Burgenländischen Landesregierung folgende Stellungnahme abzugeben:

 

 

I. Allgemeines

 

Das Land Burgenland begrüßt die mit vorliegendem Gesetzesentwurf verfolgte Absicht, den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Entwicklungen im Bereich der Jugendwohlfahrtspraxis durch eine grundlegende Reform Rechnung zu tragen. Dass im Rahmen des Entstehungsprozesses des neuen Gesetzes in drei Arbeitsgruppen viele Beteiligte, unter anderem auch die Kinder- und JugendanwältInnen, mögliche Lösungsvorschläge und neue Wege erarbeiten konnten, wird positiv gewertet.

 

Leider haben jedoch viele Ergebnisse der angesprochenen Arbeitsgruppen im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden. Die im neuen Regelungswerk vorgesehenen Neuerungen erscheinen außerdem nicht in allen Bereichen geeignet, die angestrebten Ziele zu erreichen bzw. ihnen mit einem im Verhältnis zum Ergebnis angemessenen Aufwand nahe zu kommen.

 

 

II. Zu den finanziellen Auswirkungen

 

Das Land Burgenland beantragt gemäß Art. 2 der Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften, dass Verhandlungen in einem Konsultationsgremium über die dem Land Burgenland bei Gesetzwerdung des Entwurfes des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2009 entstehenden finanziellen Belastungen aufgenommen werden. Der Schwellenwert für die Länder gemäß Art. 4 Abs. 5 der Konsultations-Vereinbarung von derzeit ca. 1,5 Mio. Euro wird aufgrund der zu erwartenden Kosten für die Länder überschritten.

 

Mit gegenständlichem Gesetzesvorhaben sollen die Standards für die Leistungserbringung in der Kinder- und Jugendhilfe neu definiert werden. Auf die Länder als Träger der Kinder- und Jugendhilfe werden durch dieses Vorhaben teils massive Zusatzkosten zukommen, welche budgetär kaum verkraftbar sein werden.

 

Konkret seien die Abschnitte 2. bis 4. des 2. Hauptstückes erwähnt, nach denen das Land beispielsweise (vgl. § 17 leg. cit.) sozialpädagogische Einrichtungen zur Verfügung zu stellen hat, wie etwa Krisenzentren oder Kinder- und Jugendheime. Allein durch diese Bestimmungen werden immense Zusatzbelastungen der Länder gesehen, welche nicht nur bauliche Einrichtungen zur Verfügung zu stellen haben werden, sondern auch zusätzliches Personal.

 

Weiters sind bei Pflegeverhältnissen (§§ 18 ff leg. cit.) mit den Pflegepersonen detaillierte Leistungsverträge abzuschließen, wobei den Pflegepersonen ein sog. Pflegeelterngeld zusteht. In Summe kann dies ebenfalls zu massiven Belastungen der Länder führen.

 

Darüber hinaus sind weitere Leistungen der Länder geregelt, welche ebenfalls mit nicht unerheblichen Zusatzkosten verbunden sein können.

 

Die finanziellen Auswirkungen der Erläuterungen erwähnen dazu nur, dass die vorgeschlagenen Regelungen zu Mehrbelastungen der Länder als Kinder- und Jugendhilfeträger führen werden, ohne irgendeine Größenordnung, geschweige denn Zahlen zu nennen. Die Darstellung der finanziellen Auswirkungen entspricht somit nicht Art. 1 Abs. 3 der Konsultationsvereinbarung.

 

 

III. Zum Entwurf

 

Aus fachlicher Sicht werden folgende Punkte im Gesetzesentwurf begrüßt:

 

·          Die Normierung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes als Grundlage der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe.

·          Die durch § 5 und 6 B-KJHG erfolgte Neuregelung im Rahmen der Verschwiegenheitspflicht bzw. des Auskunftsrechts stärkt die Rechte des Kindes auf Gedankenfreiheit (vgl. Art 14 KRK) bzw. auf Schutz des Privatlebens (Art 16 KRK).

·          Das Abgehen von einer hoheitlichen Eignungsfeststellung (mittels Bescheid) von Pflegeeltern (vgl. § 19 B-KJHG) wird insofern als positiv erachtet, als nunmehr detaillierte Leistungsverträge, zusammen mit einer Eignungsfeststellung, die Grundlage für die Beauftragung von geeigneten Personen zu sein hat.

·          Dass nun durch die bundesgesetzliche Grundsatzgesetzgebung junge Erwachsene (§ 29 BKJHG), also Personen bis zum 21. Lebensjahr, als Leistungsberechtigte normiert werden, wird begrüßt. Dies ist bereits in mehreren Bundesländern gängige Praxis.

 

 

Der prinzipiell positive Gesetzes-Entstehungsprozess hat jedoch nicht in der notwendigen Konsequenz Eingang in das neue Gesetz gefunden. Dies zeigt sich an folgenden (gesetzlich nur rudimentär oder gar nicht vorgesehenen) Eckpfeilern einer den gesellschaftlichen Erfordernissen gerecht werdenden Kinder- und Jugendhilfe:

 

Rechtsanspruch auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe:

 

Die Formulierung in § 1 Abs 1 B-KJHG, dass Personen bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres das Recht auf die Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit haben, stellt Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt – und zwar als Träger von Rechten. Damit wird aber, wie auch in den Erläuterungen erwähnt, trotzdem kein verfahrensmäßig durchsetzbarer subjektiver Rechtsanspruch auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe normiert. In anderen Ländern, wie z.B. in Deutschland, haben Individuen aber sehr wohl einen Rechtsanspruch auf Leistungen gegenüber dem öffentlichen Träger (so hat z.B. das Kind bzw. der Jugendliche Anspruch auf „Inobhutnahme“ durch das Jugendamt - vgl. § 42 deutsches KJHG).

 

Obwohl durch § 1 Abs. 1 B-KJHG zumindest potentiell der Rahmen für Haftungsansprüche (gegenüber dem Träger der Leistungen) mehr an Kontur erhält, nicht auch zuletzt im Zusammenspiel mit der Formulierung in § 3 B-KJHG (nämlich dass die Aufgaben der Kinder und Jugendhilfe „unter Berücksichtigung der Grundsätze der UN-Konvention über die Rechte des Kindes“ (KRK) zu besorgen sind), bleibt – neben der aufrechten Forderung der Kinder- und JugendanwältInnen nach gesetzlicher Verankerung eines Rechtsanspruches abzuwarten, inwiefern die Entscheidungen und die Praxis der Kinder- und Jugendhilfe davon tatsächlich beeinflusst werden.

 

 

Kinder- und Jugendhilfe als zentrale Drehscheibe (Case-Management)

 

Keinen gesetzesförmigen Niederschlag haben die Konzepte, in denen die Kinder- und Jugendhilfe als zentrale Drehscheibe (Case-Management) angesprochen bzw. definiert ist, gefunden. Lediglich in den Erläuterungen zu § 3 Z 5 und 6 des Entwurfs wird die „strukturierte Zusammenarbeit“ von diversen Einrichtungen „etwa Schule oder Kindergarten, Behörden und öffentlichen Dienststellen wie Gericht oder Polizei und Kinder- und Jugendhilfe“ als „unumgänglich“ erwähnt.

 

 

Österreichweite Qualitätsstandards, Planung und Forschung:

 

Die Überprüfung und Weiterentwicklung von Qualitätsstandards in der Kinder- und Jugendhilfe kann nicht alleine länderspezifisch erfolgen; es bedarf der Erarbeitung nationaler Standards, in der Umsetzung in den Ländern ist auf lokale bzw. regionale Besonderheiten Bezug zu nehmen. Dies führt zu Rechtssicherheit und damit zum Schutz für Kinder unabhängig davon, wo sie leben.

 

Schließlich sind zur Bewertung der Effektivität des Systems der Jugendwohlfahrt in regelmäßigen Abständen wissenschaftliche Wirkungsanalysen von unabhängigen Forschungseinrichtungen durchzuführen, aus denen der Bedarf, der Einsatz und die erzielten Ergebnisse des Ressourceneinsatzes transparent dargestellt werden. Als Grundlage dafür braucht es jährlich vergleichbare und leicht verfügbare statistische Zahlen der relevanten Querschnittsmaterien (Zahlenspiegel zu Budget der JWF, Armut, Migration, Bildung, Gewalt u.v.a.m).

 

Der Gesetzesentwurf wird diesen Ansprüchen nur unzureichend gerecht:

Die in § 12 B-KJHG vorgegebene Verpflichtung zu kurz-, mittel und langfristiger Planung durch den öffentlichen Kinder- und Jugendhilfeträger ist nur äußerst mangelhaft vordeterminiert.

 

Bedarfsorientierte personelle und budgetäre Ressourcen

 

Sozialarbeit als Beziehungsarbeit benötigt entsprechende Ressourcen. Dementsprechende Regelungen und Vorgaben fehlen im gegenständlichen Gesetzesentwurf vollständig.

 

Sinnvoll erscheint die Vorgabe eines einheitlichen Personalschlüssels. Auch für prophylaktische und präventive Arbeit und Angebote müssen ausreichend Mittel bereitgestellt werden, um eine an den Bedürfnissen und Problemlagen – und nicht eine nach Rationierungsgesichtspunkten - orientierte Hilfe leisten zu können.

 

Aus diesen Gründen spricht sich das Amt der Burgenländischen Landesregierung für eine Überarbeitung des vorliegenden Gesetzesentwurfes aus.

 

 

Beigefügt wird, dass eine Ausfertigung dieser Stellungnahme an die e-mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at ergeht.

 

 

Mit freundlichen Grüßen!

 

Für die Landesregierung:

Der Landeshauptmann:

Niessl


Zl.u.Betr.w.v.                                                                        Eisenstadt, am 18.11.2008

 

 

1.    Präsidium des Nationalrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

2.    Präsidium des Bundesrates, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien

3.    Allen Ämtern der Landesregierungen (z.H. der Herren Landesamtsdirektoren)

4.    Der Verbindungsstelle der Bundesländer beim Amt der NÖ. Landesregierung, Schenkenstraße 4, 1014 Wien

 

zur gefälligen Kenntnis.

 

Für die Landesregierung:

Der Landeshauptmann:

Niessl