Bundesministerium für

Gesundheit, Familie und Jugend

Radetzkystraße 2

1031 Wien

E-Mail: gundula.sayouni@bmgfj.gv.at

 

 

ZAHL

DATUM

CHIEMSEEHOF

2001-BG-378/21-2008

18.11.2008

* POSTFACH 527, 5010 SALZBURG

 

 

landeslegistik@salzburg.gv.at

 

FAX (0662) 8042 -

2164

TEL  (0662) 8042 -

2290

 

 

Herr Mag. Feichtenschlager

 

BETREFF

Entwurf eines Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2009; Stellungnahme

Bezug: Zl BMGFJ-421600/0037-II/2/2008

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem im Gegenstand bezeichneten Gesetzentwurf gibt das Amt der Salzburger Landesregierung folgende Stellungnahme bekannt:

 

1. Allgemeines:

1.1. Die mit dem geplanten Vorhaben angestrebten Verbesserungen des behördlichen Kinderschutzes werden begrüßt. Das gilt insbesondere für die Regelungen des Abklärungsverfahrens und der Hilfeplanung, der Neuregelung der Verschwiegenheitspflicht, der Mitteilungspflichten und der Datenverwendung. Der Gesetzentwurf trägt aber nicht in allen Aspekten den Zielsetzungen des Vorhabens ausreichend Rechnung. Es sind auch nach wie vor sinnvolle begleitende Regelungen und Klarstellungen von grundsätzlichen Rechtsfragen im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch und im Außerstreitgesetz ausständig wie zur zivilrechtlichen Absicherung von Eingriffen im Rahmen der Gefährdungsabklärung, zur Klarstellung der Wirkungen einer Übertragung der Obsorge bzw Pflege und Erziehung an den Jugendwohlfahrtsträger oder auch an Dritte oder zu klareren Regelung bei Verletzung von gerichtlichen Auflagen durch die Obsorgeberechtigten.

Auf Grund der hervorragenden Bedeutung des Vorhabens für den Kinderschutz wird darauf gedrängt, im weiteren Gesetzwerdungsverfahren zur Erstellung der Regierungsvorlage für entsprechende Beratungen auf Expertenebene eine angemessene Zeit vorzusehen.

1.2. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist anzumerken, dass einzelne Bestimmungen des Vorhabens doch zu detailliert sind und der Gundesatzgesetzgeber dadurch den Gestaltungsspielraum der Länder übermäßig einschränkt.

 

2. Zu den finanziellen Auswirkungen:

2.1. Die in den Erläuterungen enthaltene Darstellung der finanziellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Länder begnügt sich mit der lapidaren Feststellung, dass „die vorgeschlagenen Regelungen, insbesondere jene zu Standards in der Leistungserbringung, zu Mehrbelastungen der Länder als Kinder- und Jugendhilfeträger (führen)“. Gleichzeitig weisen die Erläuterungen darauf hin, dass seitens des Bundes geplant ist, die Befragung der Jugendwohlfahrtsträger gemäß § 106 AußStrG einzuschränken, wodurch eine Entlastung der Länder eintritt.

Diese Darstellung der finanziellen Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf die Länder entspricht nicht dem Art 1 Abs 3 der Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus. Die angekündigte Änderung des § 106 AußStrG ist nicht Gegenstand des Vorhabens, weshalb auch eine Aufrechnung mit allfälligen, erst zukünftigen daraus folgenden Entlastungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht statthaft ist.

2.2. Eine Zusammenfassung der derzeit abschätzbaren finanziellen Auswirkungen des geplanten Vorhabens auf das Land Salzburg ergibt unter Zugrundelegung der jeweils günstigsten Annahmen folgendes Bild (im Einzelnen wird auf Pkt 2 des Schreiben des Landes Salzburg vom 14.11.2008, Zl 2001-BG-378/19-2008, an das Bundesministerium für Gesundheit, Familie und Jugend verwiesen):

 


Kostenfaktor

2009

(in Millionen Euro)

2010

(in Millionen Euro)

2011

(in Millionen Euro)

§ 2 Z 3

nb

nb

nb

Verwandtenpflege

0,187

0,187

0,187

Pflegegeldleistungen

0, 512

0,512

0,512

Hilfe für junge Erwachsene

2,928

5,86

5,86

Entfall der Kostenersatzpflicht

0,033

0,033

0,033

Summe

3,66

6,592

6,592

 

Die allein das Land Salzburg im Fall einer Verwirklichung des Vorhabens treffenden finanziellen Auswirkungen liegen über der vom Bundesminister für Finanzen für das Jahr 2008 kundgemachten Betragsgrenze von 1,569 Millionen Euro (BGBl II Nr 247/2008). Im Hinblick auf diese finanziellen Auswirkungen hat das Land Salzburg daher nach Art 2 Abs 1 der Vereinbarung über den Konsultationsmechanismus das Verlangen nach Aufnahme von Verhandlungen in einem Konsultationsgremium gestellt.

 

3. Zu den einzelnen Bestimmungen:

 

Zu den §§ 1 und 2:

1. Der Wortlaut des geplanten § 1 sowie die Erläuterungen dazu legen nahe, dass die dem  Recht von Minderjährigen auf die Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung korrespondierende Verpflichtung ausschließlich die Eltern, andere Obsorgeträger und subsidiär den Kinder- und Jugendhilfeträger trifft. Die Förderung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist jedoch eine Aufgabe aller primären Leistungssysteme, die einen entsprechend spezifischen Auftrag dazu haben wie etwa die Schulen und die Gesundheitssysteme. Eine diesbezügliche Klarstellung in den Erläuterungen ist nötig.

2. Gleiches gilt auch für die Erreichung der im § 2 angeführten Ziele. Die geplante Formulierung erweckt den Eindruck, als ob die Erreichung der im § 2 festgelegten Ziele die alleinige Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe wäre. Diese Aufgaben kann jedoch ein subsidiäres Leistungssystem per se nicht erfüllen. Auch in diesen Bereichen sind neben den Familien vor allem die allgemeinen Leistungssysteme wie Schule, Gesundheits- oder Tagesbetreuungseinrichtungen zur Zielerreichung (mit) zuständig, zumal deren Aufgabenbereich – mehr oder weniger ausdrücklich festgelegt – auch die Förderung der persönlichen Entwicklung von Minderjährigen und/oder die Prävention von Kindeswohlgefährdungen mit umfasst. Besonders deutlich wird das bei den in den Z 5 und 6 angeführten Zielen: Diese Ziele – die Erläuterungen erwähnen ausdrücklich die Aufarbeitung von erlittenen Traumata im Zusammenhang mit dem im § 2 Z 5 angeführten Ziel – können nur gemeinsam mit den primär zuständigen Leistungssystemen, konkret den Gesundheitseinrichtungen, erreicht werden. Auch das in den Erläuterungen angesprochene Ziel der Wiederherstellung funktionierender familiärer Strukturen ist für die Kinder- und Jugendhilfe allein zu weitreichend; in Bezug auf erwachsene Familienmitglieder sind hier primär Gesundheitsleistungen zur Zielerreichung einzusetzen.

Eine Klarstellung der Verantwortung aller primären Leistungssysteme, die Leistungen für Minderjährige und ihre Familien anbieten, ist daher unverzichtbar.

3. Redaktioneller Hinweis: Im § 2 fehlt die Z 4.  

 

Zu § 3:

1. Die Bezugnahme auf die Kinderrechtskonvention erscheint entbehrlich.

2. Vor dem Hintergrund des geltenden § 1 Abs 1 Z 1 des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1989 wird vorgeschlagen, die Verantwortung für Hilfen und Unterstützungen für die Gruppe der werdenden Mütter, Säuglinge und Kleinkinder auch im geplanten Bundes–Kinder- und Jugendhilfegesetz 2009 als Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfeträgers ausdrücklich festzulegen. Eine solche Festlegung scheint insbesondere auch deshalb geboten, da für Kleinkinder bis zum Eintritt in außerfamiliäre Tagesbetreuungsstrukturen kein primäres Leistungssystem für eine präventive Förderung der Kleinkinder und der Unterstützung der Eltern in ihrer Erziehungsfähigkeit vorhanden ist.

3. Die in der Z 3 geplante Aufgabenumschreibung ist zu weit und kann auch so verstanden werden, dass die Jugendwohlfahrt immer dann zuständig ist, wenn soziale Arbeit als solche in familiennahen Systemen notwendig wird. Andere primäre Versorgungssysteme wie Schulen oder Gesundheitseinrichtungen haben in ihren Aufgabenbereichen jedoch ebenfalls für entsprechende sozialarbeiterische Unterstützung zu sorgen. Die soziale Arbeit mit werdenden Eltern, Familien, Kindern und Jugendlichen ist keine Aufgabe der Jugendwohlfahrt und sollte es über den Umweg der geplanten Z 3 auch nicht werden.

4. Die in der geplanten Z 4 enthaltene Aufgabenumschreibung („Unterstützung von werdenden Eltern, Familien, Kinder und Jugendlichen in Krisensituationen“) legt nahe, dass von der Kinder- und Jugendhilfe auch materielle Hilfen zu leisten wären. Die materielle Absicherung von Minderjährigen ist vor dem Hintergrund der kompetenzrechtlichen Grundlage („Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge“) jedoch keine Aufgabe der Kinder und Jugendhilfe, sondern ist eine Angelegenheit der Sozialhilfe („Armenwesen“), allenfalls auch der Familienförderung. Unterhaltssichernde Elemente von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (zB Maßnahmen der vollen Erziehung in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe) sind lediglich Nebenprodukte des „erzieherischen Auftrages“ der Kinder- und Jugendhilfe. Eine selbstständige materielle Leistungspflicht der Kinder- und Jugendhilfe kann aus der kompetenzrechtlichen Grundlage des Vorhabens nicht abgeleitet werden.

Eine entsprechende Klarstellung ist erforderlich.

5. Die in der Z 6 enthaltene Aufgabenumschreibung der Kinder- und Jugendhilfe („Koordination mit Einrichtungen, Behörden und öffentlichen Dienststellen bei Gefährdung des Kindeswohls“) entspricht nicht den Erfordernissen der Praxis. Wesentlich ist, dass die Jugendwohlfahrt im konkreten Fall die „Fallführung“ inne hat und damit eine Funktion wahrnimmt, die insbesondere im Verkehr mit den in der Z 6 angeführten Einrichtungen über reine koordinative Tätigkeiten (weit) hinausgeht. Der geplante Wortlaut der Z 6 vermittelt auch den – unrichtigen – Eindruck, dass die Kinder- und Jugendhilfe bei der Sicherung des Kindeswohls nur einer von mehreren Akteuren ist, die allen anderen Akteuren gleichgestellt ist. Im Gegensatz dazu kommt der Kinder- und Jugendwohlfahrt im Bereich des Kinderschutzes aber die zentrale Position zu.

Die in der Z 6 enthaltene Aufgabe „Anrufung der Pflegschaftsgerichte bei Gefährdung des Kindeswohls“ steht im Widerspruch zu § 176 ABGB, wonach nicht in jedem Fall einer Kindeswohlgefährdung das Pflegschaftsgericht anzurufen ist. Sollte durch diese Aufgabenumschreibung eine Verpflichtung zur Anrufung der Pflegschaftsgerichte festgelegt werden, ist mit einer erheblichen Mehrbelastung der Pflegschaftsgerichte zu rechnen.

Eine entsprechende Klarstellung ist daher erforderlich.

 

Zu § 4:

1. Gemäß dem geltenden § 5 Abs 2 JWG ist bei Gefahr im Verzug der Jugendwohlfahrtsträger örtlich zuständig, in dessen Wirkungsbereich die erforderliche Maßnahme zu
setzen ist. Diese Bestimmung sollte auch in den geplanten § 4 aufgenommen werden: Der geplante Entfall der dem § 5 Abs 2 JWG entsprechenden Zuständigkeitsregelung bei Gefahr im Verzug bewirkt, dass bei Gefahr im Verzug nicht der Kinder- und Jugendhilfeträger zuständig ist, in dessen Bereich sich der betroffene Minderjährige tatsächlich aufhält, sondern jener, in dessen Bereich er seinen Wohnsitz hat. Dies muss jedoch im Interesse eines raschen und effizienten Kinderschutzes vermieden werden.

2. Die im geltenden § 5 Abs 2 JWG enthaltene Kostentragungsregel sollte (wieder) aufgenommen werden.

 

Zu § 5:

1. Der im Abs 1 den „Empfängern und Empfängerinnen von Informationen“ eingeräumte Beurteilungsspielraum zur Weitergabe von Informationen (arg: „sofern die Offenlegung nicht im Interesse der Minderjährigen liegt“) wird abgelehnt: Im Rahmen des geplanten § 5 sollte vielmehr sichergestellt werden, dass reine Auskunftspersonen (die etwa im Rahmen eines Abklärungsverfahrens durch die Mitarbeiterinnen der Jugendämter mittelbar Informationen erhalten) überhaupt keine Informationen und Personen, die in einem Betreuungsverhältnis zum Minderjährigen stehen, die erhaltenen Informationen nur zur Erfüllung ihres Aufgabenbereiches nach einer Abwägung der Interessen des Minderjährigen und nur im unbedingt notwendigen Ausmaß an Dritte weitergeben dürfen.

2. Des Weiteren fehlt im geplanten § 5 die wichtige Möglichkeit, die Offenlegung von fallbezogenen Tatsachen aus allgemeinen schutzwürdigen Gründen zu verweigern. Zu denken ist dabei insbesondere an den Schutz von Informanten und Anzeigern von Kindesmissbrauchsfällen: Der Schutz von Meldungslegern ist im Interesse des Funktionierens des aktiven Kinderschutzes notwendig und muss als Grund zur Verweigerung der Offenlegung von Tatsachen anerkannt werden.

 

Zu § 6:

1. Unklar ist, welche Erwägungen der uneinheitlichen Verwendung der Begriffe „gesetzlicher Vertreter“, „Eltern“ und „mit der Pflege und Erziehung betraute Personen“ zu Grunde liegen und welche Folgen die Wahl der jeweiligen Begriffe im Zusammenhang hat.

2. Abs 4 ist vor dem Hintergrund der datenschutzrechtlichen Position Dritter im Familiensystem beteiligter Personen zu weit gefasst. Erfahrungsgemäß entspricht insbesondere der Wissensdurst von Pflegeeltern über das bisherige Familiensystem nicht immer der Notwendigkeit des Informationsflusses.

Es wird daher vorgeschlagen, die datenschutzrechtliche Position der im Familiensystem beteiligten Personen stärker zu betonen.

 

Zu § 8:

1. Die im Abs 1 geplante Dokumentationspflicht über die Erbringung von Leistungen im Sinn des 2. Hauptstückes ist überschießend. Die Dokumentationspflicht in Bezug auf die im ersten Abschnitt des 2. Hauptstückes geregelten Angelegenheiten sollte entfallen.

2. Unklar ist, ob die im Abs 3 geplante Dokumentationspflicht die im geltenden § 2 Abs 4 JWG geregelte „Gefährdungsdatei“ ersetzen soll. Sollte dem so sein, wird vorgeschlagen, die im Abs 3 enthaltene Regelung stärker am geltenden § 2 Abs 4 zu orientieren. Auch sollte klargestellt werden, welcher Personenkreis unter dem Begriff „Auskunftspersonen“ zu verstehen ist.

 

Zu § 10:

1. Als Rahmenbedingungen für eine Eignungsfeststellung sollten auch die von der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe oder Sozialplanung des Kinder- und Jugendhilfeträgers erhobenen Bedarfslagen und die Ergebnisse der Forschungen gemäß § 12 festgelegt werden. Dem Kinder- und Jugendhilfeträger ist mit von der Erbringung konkreter Leistungen unabhängigen Eignungsfeststellungen privater Träger nicht gedient. Im Zweifelsfall wird angeregt, auf die abstrakte Eignungsfeststellung freier Träger generell zu verzichten und entsprechende Bewilligungsverfahren jeweils mit der konkreten Umsetzung von Projekten zu verknüpfen.

2. Die im Abs 2 gewählten Formulierungen „schlüssige Organisation“ und „schlüssige Finanzplanung“ sind verunglückt, vielmehr sollte auf die organisatorische und finanzielle Leistungsfähigkeit des privaten Trägers, ein bestimmtes Projekt auch tatsächlich umsetzen zu können, abgestellt werden.

3. Zu Abs 3 wird bemerkt, dass sich der Weg der hoheitlichen Festsetzung von Rahmenbedingungen für Leistungserbringer im Bereich der Jugendwohlfahrt im Land Salzburg sehr bewährt hat. Es ist auch nicht daran gedacht, vom bisher eingeschlagenen Weg abzuweichen. Dies ist fachlich auch nicht geboten.

4. Die im Abs 4 gewählte Formulierung „festzustellen“ ist nicht sachgerecht, zumal es sich im Gegenstand um einen Akt der Rechtsgestaltung handelt.

 

Zu § 11:

1. Der gewählte Ansatz, im Bereich der Jugendwohlfahrt ausschließlich Fachkräfte bei der Leistungserbringung zuzulassen, ist fachlich nachvollziehbar und wird unterstützt. Dennoch ist aus praktischer Sicht darauf hinzuweisen, dass derzeit fachlich ausgebildetes Personal in nicht ausreichendem Umfang vorhanden ist. Vor allem im Bereich der Einzelbetreuung kommen Personen zum Einsatz, die zwar keine einschlägige Fachausbildung absolviert haben, die jedoch aufgrund der Begleitung durch das Jugendamt und ihre bisherigen Berufs- und Lebenserfahrungen durchaus geeignet sind, Einzelbetreuungssituationen zufriedenstellend aufzulösen.

Die Bestimmung kann daher nur als Zielbestimmung akzeptiert werden.

2. Die im Abs 3 von den Kinder- und Jugendhilfeträgern geforderte Festlegung der Anzahl der erforderlichen Fach- und Hilfskräfte ist nicht praxisgerecht und auch nur schwer zu realisieren, da der entstehende Bedarf nicht von vorne herein genau abgeschätzt werden kann.

3. Die gemäß Abs 5 geforderte verbindliche Festlegung von Standards birgt die Gefahr in sich, dass auf geänderte Bedarfslagen nicht flexibel genug reagiert werden kann und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten zurückgedrängt werden. Gerade der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist von den Rahmenbedingungen her (funktionierende Beziehungen, psychische Erkrankungen, zunehmende Armut, Rückzug primärer Leistungssysteme aus Verantwortungsbereichen bzw deren Überforderung) extrem Änderungen ausgesetzt; die Möglichkeit, darauf flexibel reagieren zu können, ist daher immens wichtig.

 

Zu § 12:

Abs 1 enthält einen konkreten und weitreichenden Vorsorgeauftrag für den Kinder- und Jugendhilfeträger. Der Katalog der Leistungen, für welche die Kinder- und Jugendhilfe eine Vorhaltepflicht trifft, ist erheblich erweitert. Das Vorhalten von Leistungsangeboten erzeugt insbesondere im Bereich der vollen Erziehung ein erhebliches Spannungsfeld zu der allgemeinen Verpflichtung der Verwaltung, alle ihre Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu planen und zu beurteilen. Insbesondere die in den Erläuterungen angesprochene, damit im Zusammenhang stehende Verpflichtung, für die Planung auch „die entsprechende budgetäre Vorsorge zu treffen“, verkennt die Aufgabenverteilung bei der Festlegung der Budgets.

Eine diesbezügliche Klarstellung ist daher unverzichtbar.

 

Zu § 13:

Das Engagement des Bundes im Bereich Forschung wird zwar begrüßt, sollte jedoch auf die Kompetenzlage Rücksicht nehmen. Einem selbstständigen Tätigwerden des Bundes kann nicht zugestimmt werden. Gegen eine koordinierte Vorgangsweise zwischen dem Bund und den Ländern bei der Erforschung bundesweit wichtiger Themen besteht kein grundsätzlicher Einwand, wenn die Steuerung der Forschungstätigkeit wesentlich durch die praxisnäheren Jugend- und Kinderhilfeträger sichergestellt ist.

 

Zu § 14:

1. Datenarten, die bislang im Rahmen der Bundesstatistik erhoben werden, sollten auch weiterhin entsprechend den dafür definierten Anforderungen erhoben werden. Jede weitere Änderung der bestehenden EDV-Systeme ist mit einem erheblichen finanziellen und personellen Mehraufwand verbunden.

2. Zu Abs 1 Z 1: Die Erfassung der Inanspruchnahme von ambulanten Diensten im Sinn des § 15 Abs 2 wird entschieden abgelehnt. Diese Dienste sind sehr breit gefächert und werden teilweise vom Bund, aber auch von anderen Verwaltungseinheiten auf Landesebene erbracht. Die statistische Erfassung einer Inanspruchnahme dieser Dienste bedeutet einen enormen verwaltungstechnischen Aufwand, zumal über weite Strecken eine händische Erfassung der Daten erforderlich ist.

3. Zu Abs 1 Z 8: Die Erfassung dieser Datenkategorie wird abgelehnt, da deren Relevanz nicht erkennbar ist. Darüber hinaus sollte geprüft werden, ob nicht diejenigen Bundesbehörden, die ohnehin zur Setzung von Rechtsakten in Zusammenhang mit internationalen Adoptionen zuständig sind (wie etwa Pflegschaftsgerichte, die Fremdenpolizeibehörden oder Auslandsvertretungen) besser geeignet sind, diese Daten zu liefern – in aller Regel sind die Kinder- und Jugendhilfeträger bei Auslandsadoptionen nicht eingebunden.

 


Zu § 15:

1. Die im Abs 2 geplante beispielhafte Aufzählung von konkreten Leistungen sollte zu Gunsten von abstrakten Leistungsumschreibungen entfallen und (allenfalls) in den Erläuterungen vorgenommen werden. Darüber hinaus enthält der geplante Abs 2 Leistungen, die entweder in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen oder zumindest vom Bund gefördert werden wie die Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung, Scheidung und Besuchsrechtsausübung, Elternbildung oder Hilfen für Familien in Krisensituationen.

Einer Verlagerung dieser Aufgaben auf die Länder wird nicht zugestimmt.

2. Zu Abs 2 Z 6 wird auf Pkt 3 zu § 3 verwiesen.

3. Zu Abs 2 Z 7: Die Fortbildung von Adoptivwerbern sollte entfallen: Die Besonderheit eines Adoptivverhältnisses wird bereits in der Ausbildung ausreichend und erschöpfend behandelt. Darüber hinaus soll auch für Adoptivwerber die Nutzung allgemeiner Elternbildungsangebote erleichtert werden.

 

Zu § 16:

Die Notwendigkeit einer Differenzierung zwischen Ambulanten Diensten (§ 15) und Sozialen Diensten (§ 16) ist aus fachlicher Sicht nicht erkennbar.

Der geplante § 16 sollte daher entfallen.

 

Zu § 17:

1. Im Vordergrund des geplanten § 17 sollte die abstrakte Umschreibung der Leistungen von sozialpädagogischen Einrichtungen stehen. Die im Abs 3 geplante demonstrative Aufzählung von sozialpädagogischen Einrichtungen sollte daher entfallen und allenfalls in den Erläuterungen vorgenommen werden.

2. Die im Abs 3 Z 3 geplanten, vom Alter der Leistungsempfänger unabhängigen gemeinsamen Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder als Sozialpädagogische Einrichtungen werden abgelehnt: Die gemeinsame Unterbringung von Eltern in Problemsituation, etwa von psychisch kranken Müttern bzw Vätern mit deren Kindern ist keinesfalls eine Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe. Im Vordergrund stehen bei der Wahl einer Maßnahme ausschließlich die Bedürfnisse und das Wohl des Minderjährigen.

3. Zu Abs 4 und 5 wird auf die Ausführungen zu § 10 (Pkt 1 und 2) verwiesen. Insgesamt wird vorgeschlagen, auf die abstrakte Eignungsfeststellung zu verzichten und stattdessen für die konkrete Erbringung von bestimmten Erziehungshilfen bzw der voller Erziehung auf der Grundlage einer entsprechenden Bedarfsprüfung eine einheitliche Bewilligungspflicht vorzusehen.

 

Vorbemerkung zu den §§ 18 bis 21:

Die §§ 18 bis 21 erweitern den Aufgabenbereich der Jugendwohlfahrt im Bereich Pflegekinder erheblich, indem auch die über 16-jährigen Personen in den Anwendungsbereich der geplanten Bestimmungen einbezogen werden und auch die „Verwandtenpflege“ der Pflegeaufsicht unterliegt. Aus fachlicher Sicht wird dafür keine Notwendigkeit gesehen. Kritisch wird auch der Entfall der bisherigen Pflegebewilligung und deren Ersatz durch die Leistungsvereinbarung gesehen.

 

Zu § 18:

1. Die im Abs 1 enthaltene Definition des „Pflegekindes“ ist schwer verständlich. Die Eigenschaft eines Kindes als Pflegekind kann nur im Ausschlussweg ermittelt werden.

2. Dass private Betreuungsvereinbarungen in der ausschließlichen Verantwortung der Eltern verbleiben und einer Kontrolle durch den Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger entzogen sind, wird aus dem Blickwinkel des Kindeswohles kritisch gesehen: Erfahrungsgemäß gibt es immer wieder Fälle, in denen Eltern die notwendige Kooperation mit den Jugendämtern boykottieren und die Betreuung ihrer Kinder privat organisieren; dabei suchen sie die für aus ihrer subjektiven Sicht geeigneten „privaten Pflegeeltern“ aus, die oft eine ähnliche Erziehungsschwäche oder vergleichbare Defizite in Bezug auf die Förderung von Kindern haben. In diesen Fällen hat es die Kinder- und Jugendhilfe extrem schwer, den Kindern eine adäquate Erziehung und Förderung zu sichern; ein Eingriff gegen den Willen der Eltern ist nur möglich, wenn auch die „privaten Pflegeeltern“ nicht geeignet sind, das Kindeswohl ausreichend zu sichern. Die leiblichen Eltern können auch durch das Aneinanderreihen von (mangelhaften) „privaten Pflegeverhältnissen“ Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe verschleppen. Die Möglichkeit zum Abschluss von privaten Betreuungsvereinbarungen schafft auch eine Gelegenheit für Personen mit Kinderwunsch, sich diesen Wunsch zu erfüllen, obwohl sie für eine Adoption fachlich und rechtlich nicht in Frage kommen.

Es wird daher vorgeschlagen, die Möglichkeit von Eltern, die erhebliche Defizite in der Erziehung und Förderung ihrer Kinder haben, zum Abschluss von privaten Betreuungsvereinbarungen etwa durch eine vorangehende oder begleitende Einbindung der Kinder- und Jugendhilfe oder des Pflegschaftsgerichts zu beschränken.

 


Zu § 19:

1. Der im § 19 geplante Entfall der (hoheitlichen) Pflegebewilligung wird aus fachlichen Gründen strikt abgelehnt: Der Umstieg auf das System des Abschlusses von privatrechtlichen Leistungsverträgen birgt – durch den Wegfall des Vermittlungsmonopols der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe – erhebliche Gefahren für das Kindeswohl. Pflegeverhältnisse können so unter Umgehung des für die Fachaufsicht örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers begründet werden.

Der Umstieg auf das System des Abschlusses von privatrechtlichen Leistungsvereinbarungen bewirkt auch ein Abgehen von dem auf Grund der bisherigen hoheitlichen Handlungsformen territorial begrenzten Versorgungs- und Vorsorgeauftrags des jeweiligen Kinder- und Jugendhilfeträgers. Dieser Systemwechsel hat sehr weitreichend negative Konsequenzen für die praktische Arbeit: Unklar ist zunächst, welcher öffentliche Kinder- und Jugendhilfeträger dafür zuständig ist, die Eignung von Pflegepersonen festzustellen. Konsequenterweise müsste dafür die eine Maßnahme setzende Behörde zuständig sein, was jedoch zur Folge hat, dass Pflegepersonen von einem Kinder- und Jugendhilfeträger als geeignet anerkannt werden könnten, während ein anderer Kinder- und Jugendhilfeträger (etwa der nach dem Wohnsitz der Pflegeperson zuständige Kinder- und Jugendhilfeträger) zu einer diesbezüglich negativen Einschätzung kommt. Vor dem Hintergrund der unklaren Regelung der örtlichen Zuständigkeit ist auch fraglich, ob der Kinder- und Jugendhilfeträger, in dessen Wirkungsbereich die Pflegepersonen ihren Wohnsitz haben, zuständig wird, wenn ein von einem anderen Kinder- und Jugendhilfeträger untergebrachtes Kind dort nicht mehr betreubar ist und eine Maßnahme wegen Gefahr im Verzug zu treffen ist. Eine weitere für die Praxis bedeutsame Auswirkung des geplanten § 19 ist, dass die Mitarbeiter der Jugendämter mehr oder weniger dazu verhalten wären, gleichsam standardmäßig Österreich weit geeignete Pflegepersonen zu suchen, weil sie sich nicht mehr darauf verlassen können, dass vornehmlich die im Wirkungsbereich ihres Kinder- und Jugendhilfeträgers wohnhaften Pflegepersonen herangezogen werden können.

2. Der im Abs 3 geplante Inhalt einer Eignungsfeststellung ist zu eng: Auch die Motivation für die Aufnahme von Pflegekindern stellt einen wesentlichen Faktor für die Eignung von Personen als Pflegeeltern insgesamt dar. Insbesondere müssen Pflegeeltern auch in der Lage sein, allfällige Rückführungen von Pflegekindern in ihre Herkunftsfamilie mitzutragen und positiv zu unterstützen.

Der Inhalt der Eignungsfeststellung sollte daher um diese Gesichtspunkte ergänzt werden.

3. Die im Abs 4 geplante Einschränkung der Ausbildung von Pflegepersonen auf sozialpädagogische Inhalte kann nicht nachvollzogen werden, da jedenfalls auch entwicklungspsychologisches und sonstiges Wissen erforderlich ist. Den beurteilten Pflegepersonen ist auch ein diesbezügliches Rechtschutzinteresse zuzubilligen und daher eine Möglichkeit zur Überprüfung einer ihre Eignung beurteilenden Entscheidung einzuräumen.

 

Zu § 20:

1. Das Verhältnis des Abs 1 zum § 19 Abs 5 ist unklar: Einerseits sind die Pflegeelterngeldsätze pauschal festzulegen und zu veröffentlichen (§ 20 Abs 1), andererseits aber auch in der Leistungsvereinbarung zu regeln (§ 19 Abs 5). Die Notwendigkeit einer Regelung der Leistungsentgelte in der Leistungsvereinbarung kann daher nicht nachvollzogen werden.

2. Die im Abs 2 geplante Regelung, wonach das Pflegeelterngeld auch einen pauschalierten Beitrag zur sozialversicherungsrechtlichen Absicherung der Pflegeperson umfasst, wird abgelehnt, da manche Pflegepersonen ohnedies bereits sozialversicherungsrechtlich abgesichert sind. Zusätzliche (unnötige) Leistungen können mit dem Pflegeelterngeld nicht übernommen werden.

 

Zu § 21:

1. Die in dieser Bestimmung geregelte Überprüfung der Eignung von nahen Angehörigen zur Übernahme eines Pflegekindes ist eine neue zusätzliche Aufgabe des Jugendwohlfahrtsträgers. Diese Aufgabenausweitung ist aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar und hat zur Folge, dass sogar die Eignung des nicht obsorgeberechtigten leiblichen Vaters bei der Übernahme eines Kindes geprüft werden muss.

2. Im Fall einer Realisierung der geplanten Verwandtenpflege sollten zumindest jene Pflegeverhältnisse, die durch eine private Betreuungsvereinbarung zu Stande gekommen sind, vom § 21 ausgenommen werden, um Verwandte gemäß Abs 1 nicht schlechter zu stellen als (familienfremde) dritte Personen, denen durch eine private Betreuungsvereinbarung die Pflege und Erziehung übertragen worden ist.

3. In vielen Fällen einer Verwandtenpflege bestehen bereits subsidiäre Unterhaltspflichten. Abs 4 nimmt auf diesen Umstand zwar Bedacht, ein Widerspruch liegt jedoch insofern vor, als dennoch für die Verwandtenpflege ein Pflegebeitrag in der Höhe des Pflegeelterngeldes gewährt werden kann. Allfällige Unterhaltspflichten sollten jedoch in jedem Fall berücksichtigt werden und sich reduzierend auf einen allfälligen Pflegebeitrag auswirken.

Die Wortfolge „in der Höhe des Pflegeelterngeldes“ sollte daher durch die Wortfolge „bis zur Höhe des Pflegeelterngeldes“ ersetzt werden.

 

Zu § 22:

1. Aus fachlicher Sicht sollte ein allgemeines Auskunftsrecht der Jugendwohlfahrt im Rahmen der Gefährdungsabklärung festgelegt werden. Die im Abs 3 der Jugendwohlfahrt eingeräumte Möglichkeit zum Besuch des Wohn- oder Aufenthaltsortes der Kinder und Jugendlichen umfasst nicht auch das damit korrespondierende Recht zum zwangsweisen Betreten dieser Räumlichkeiten. Die Stellung der Jugendwohlfahrt sollte in dieser Hinsicht gestärkt werden. Insgesamt wird vorgeschlagen, die rechtlichen Möglichkeiten der Jugendwohlfahrt zur Abklärung von Gefährdungen stärker hervorzuheben, deren Umfang deutlicher festzulegen und diese Möglichkeiten auch im § 137a ABGB abzusichern.

2. Die im Abs 3 enthaltene (zwar demonstrative) Aufzählung der Erkenntnisquellen ist zu eng; eine mehr abstrakte Umschreibung der geeigneten Erkenntnisquellen wird aus fachlicher Sicht als besser geeignet beurteilt.

Als zusätzliche Erkenntnisquelle sollte auch die Befragung aller geeigneten Personen, die Wahrnehmungen hinsichtlich der Situation eines Minderjährigen machen können, angeführt werden. Zudem sollte klargestellt werden, dass die Befragung (auch des betroffenen Minderjährigen) auch ohne Einverständnis der gesetzlichen Vertreter und an jedem geeigneten Ort zulässig ist.

 

Zu § 23:

Aus fachlicher Sicht besteht keine Notwendigkeit dafür, dass eine Entscheidung über erforderliche Erziehungshilfen bzw deren Änderungen auch von mehreren Fachkräften getroffen werden muss. Ein so verstandenes Vier-Augen-Prinzip hat im Rahmen der Gefährdungsabklärung sicher seine Berechtigung, nicht aber bei der Implementierung einer Hilfe zur Erziehung, die sich etwa in einem allgemeinen Tagesbetreuungsangebot erschöpft. Ein ausreichender Informationsaustausch wird in den schwierigen Fällen ohnedies durch Teambesprechungen und Fallsupervisionen sichergestellt.

 

Zu § 24:

1. Die im Abs 1 geplante Informations- und Belehrungspflicht ist in der Praxis nur mit unverhältnismäßigem Aufwand umsetzbar. Die Informations- und Belehrungspflicht hinsichtlich einer jeden Änderung einer Maßnahme geht bei so labilen Situationen, die im Ergebnis das Gelingen einer Beziehung unter schwierigen Rahmenbedingungen zum Inhalt hat, weit über das hinaus, was eine Institution tatsächlich leisten kann. Insbesondere erscheint eine solche Kommunikation mit den beteiligten Eltern oder sonstigen mit der Obsorge betrauten Personen bereits jetzt sehr schwierig und aufwändig, vor allem weil es sich dabei auch um Personen handelt, die den Maßnahmen nicht immer wohlwollend gegenüberstehen, selbst aber oft auch nicht oder nur teilweise in der Lage sind, die Bedürfnisse der betroffenen Minderjährigen wahrzunehmen und zu befriedigen. Eine Stärkung deren Position würde unweigerlich zu einer Zunahme von Abbrüchen freiwilliger Erziehungsmaßnahmen und zu einer erheblichen Mehrbelastung der Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe und in weiterer Folge auch der Pflegschaftsgerichte führen, da im Fall des Nichtzustandekommens von freiwilligen Erziehungsmaßnahmen auch die Einleitung von Maßnahmen wegen Gefahr im Verzug erforderlich sein wird. Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, worin die fachliche Verbesserung des geplanten Abs 1 genau liegt.

2. Die im Abs 2 geplante Regelung der Art und der Intensität der Einbindung der im Abs 1 angeführten Personen bei der Auswahl von Art und Umfang der Hilfen wird aus fachlicher Sicht entschieden abgelehnt. Abs 2 geht offenbar von der Fiktion aus, dass ausgerechnet jene Personengruppen, die nicht in der Lage sind, die adäquate Versorgung von Minderjährigen sicherzustellen bzw die gar keine Einsicht in die Notwendigkeit einer Förderung von Minderjährigen zeigen, nunmehr im Rahmen einer Maßnahme der Kinder- und Jugendhilfe plötzlich die Kompetenz und das Interesse haben, die geeigneten und notwendigen Unterstützungsmaßnahmen zu erkennen und mitzubestimmen. Wenn diese Einsicht bei diesen Personengruppen tatsächlich vorhanden wäre, dann würden ein Gutteil der Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe überhaupt nicht oder in einer anderen Intensität notwendig sein. Abs 2 setzt in jedem Fall die Urteils- und Einsichtsfähigkeit der Herkunftssysteme voraus, eine Annahme, die jenseits jeder Erfahrung der Mitarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe ist. Bereits derzeit wird versucht, die Herkunftssysteme entsprechend ihren Möglichkeiten und Interessen bei der Maßnahmenplanung einzubeziehen, auch um die Erfolgsaussichten der Maßnahme zu optimieren. Dies ist insbesondere auch im Interesse des Kindeswohles ausreichend; mit einer generellen Ausdehnung der Auseinandersetzung über die richtigen pädagogischen Konzepte und Ziele auf den Hilfeplanprozess ist unterstützungsbedürftigen Minderjährigen jedenfalls nicht geholfen.

Die im zweiten Satz enthaltene Einschränkung reicht zu wenig weit und ist höchstens geeignet, Phantasien zu beflügeln, deren Umsetzung fachlich und wirtschaftlich weder geboten noch finanzierbar sind.

 

Zu § 25:

Die Einstufung von Leistungen der ambulanten Dienste als Unterstützung der Erziehung ist abzulehnen. Fachlich scheint eine klare Differenzierung zwischen niederschwelligen Leistungen und Leistungen der ambulanten Unterstützung, die über Vermittlung des Jugendamts eingesetzt und vom Jugendamt finanziert wird, geboten. Die gewählte Formulierung ist zumindest missverständlich. Klargestellt werden sollte, dass nicht jede Inanspruchnahme von ambulanten Diensten als Jugendwohlfahrtsmaßnahme zu werten ist.

 

Zu § 26:

1. Die Verweisung im Abs 2 („§ 16“) müsste richtigerweise „§ 17“ lauten.

2. Zu der im 3. Absatz der Erläuterungen verwendeten Wortfolge „bestmögliche Entwicklung“ wird auf die Ausführungen zu den §§ 1, 2 und 3 verwiesen. Im § 23 Abs 2 wird der Begriff der „angemessenen Entwicklung“ verwendet.

 

Zu § 29:

1. Diese Bestimmung wird aus fachlichen Gründen entschieden abgelehnt: Zum Einen erlaubt es die Verlängerungsmöglichkeit den Einrichtungen der privaten Kinder- und Jugendarbeit, den notwendigen Prozess der Verselbständigung von Minderjährigen unnötig langsam und ohne Ausschöpfung der Potentiale der Minderjährigen zu betreiben, was gerade nicht im Interesse des betroffenen Minderjährigen liegt und liegen kann. Zum Anderen wird den vom § 29 Abs 1 erfassten jungen Erwachsenen ein gerichtlich durchsetzbarer Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe eingeräumt, ohne dass dem auch adäquate Handlungsmöglichkeiten der Kinder- und Jugendhilfe gegenüber stehen würden, weil die Betroffenen eben volljährig sind. Die einzige Möglichkeit, die erforderliche Bereitschaft zur Zusammenarbeit einzufordern, wäre die Aufkündigung der Unterstützung, was die Kinder- und Jugendhilfe aufgrund des Rechtsanspruches unter erheblichen Druck bringt und daher unzumutbar ist. Diese „Waffenungleichheit“ kann auch vor dem Hintergrund der nachzuholenden erzieherischen und persönlichen Reifung des jungen Erwachsenen nicht akzeptiert werden.

Der geplante § 29 kann aus fachlicher Sicht nur dann akzeptiert werden, wenn auch eine Möglichkeit besteht, den Eintritt der Volljährigkeit aus Gründen einer individuellen Entwicklungsverzögerung hinauszuschieben. Es sollen ja grundsätzlich nur solche Personen in den Genuss der Verlängerung der Unterstützung kommen, die Entwicklungsdefizite haben. Der Kinder- und Jugendhilfeträger hätte dann auch wieder Instrumente in der Hand, die – wie in allen anderen Fällen - eine erfolgreiche Erziehung möglich machen.

2. Insgesamt bestehen vor dem Hintergrund des zentralen Rechts auf Erziehung erhebliche Zweifel, ob überhaupt eine Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe zur Unterstützung von jungen Erwachsenen begründet werden kann, wenn doch der Erziehungsauftrag der Kinder- und Jugendhilfe als Folge des Eintritts der Volljährigkeit der betroffenen Person erloschen ist. Nach herrschender Lehre wird eine Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe eher zu verneinen sein. Eine solche Zuständigkeit wird vielmehr in der Erwachsenensozialarbeit – also der Sozialhilfe - anzusiedeln sein, die grundsätzlich auch entsprechende rechtliche Instrumentarien zur Verfügung stellt.

3. Die im Abs 3 geplante Möglichkeit zur Verlängerung einer Jugendwohlfahrtsmaßnahme über die Vollendung des 21. Lebensjahr hinaus wird aus denselben Gründen abgelehnt.

4. Redaktioneller Hinweis: Die Verweisung im Abs 1 müsste richtigerweise „gemäß § 17 Abs 3“ lauten.

 

Zu § 30:

Der Kostenersatzanspruch richtet sich bei Maßnahmen für junge Erwachsene gegen deren geldunterhaltspflichtige Eltern. Junge Erwachsene verfügen in der Mehrzahl der Fälle über ein eigenes Einkommen, das die Unterhaltspflicht der Eltern der Höhe nach mindert. Der Kinder- und Jugendhilfeträger kann gemäß Abs 2 nur mehr diesen reduzierten Unterhalt ansprechen. Dazu kommt, dass mit Volljährigkeit die Erziehungspflicht der Eltern endet und daher auch ein erziehungsbedingter Sonderbedarf – dies wird man bei Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe wohl stets anzunehmen haben – unterhaltsrechtlich nicht mehr besteht. Es ist daher fraglich, ob die Kostenersatzregelung bei jungen Erwachsenen mit eigenem Einkommen oder ab Volljährigkeit gegenüber ihren Eltern überhaupt greifen kann. In erster Linie sollten die tatsächlichen Leistungsempfänger kostenersatzpflichtig sein.

 

Zu § 31:

Im Abs 2 ist die Verweisung auf „§ 32“ durch die Verweisung auf „§ 33“ zu ersetzen.

 

Zu § 32:

1. Eine bei der in der Z 1 enthaltenen Tätigkeitsumschreibung (allfällig) mitgedachte materielle Unterstützung von Schwangeren in Krisensituationen im Rahmen der Adoptionsvermittlung ist eine Angelegenheit der Sozialhilfe. Die materielle Unterstützung von erwachsenen Personen ist keine Aufgabe der Jugendwohlfahrt!

2. Die in der Z 2 enthaltene Tätigkeitsumschreibung („Beratung und Begleitung von leiblichen Elternteilen nach rechtskräftiger Bewilligung der Adoption“) ist keine Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe. Solche Elternteile sollten vielmehr allgemeine Beratungsangebote in Anspruch nehmen.

3. Die in der Z 5 geplante Begleitung der Adoptiveltern nach rechtskräftiger Bewilligung einer Adoption wird abgelehnt: Adoptivfamilien haben die gleichen Möglichkeiten wie „normale“ Familien, Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen.

 

Zu § 36:

Der im Abs 2 Z 3 geplante Straftatbestand wird abgelehnt: Es darf nicht übersehen werden, dass auch in Familienzusammenhängen Kinder in Pflege und Erziehung genommen werden. Für den Fall, dass an der Strafbarkeit in vom Abs 2 Z 3 erfassten Fallkonstellationen festgehalten wird, sollten die Elemente des objektiven Tatbestands detailliert umschrieben werden.

Nicht richtig ist die Aussage in den Erläuterungen, wonach der geplante Abs 2 Z 3 der geltenden Rechtslage entspricht (vgl 35 JWG).

 

Zu § 37:

1. In die Aufzählung des Abs 1 Z 3 sollten auch die Drogenberatungsstellen aufgenommen werden.

2. In den Erläuterungen sollten auch die Kinder- und Jugendanwaltschaften und die Gewaltschutzzentren angeführt werden.

 

Zu § 40:

Die im Abs 1 enthaltene Aufzählung der Personen, deren personenbezogene Daten verwendet werden dürfen, ist unvollständig und sollte jedenfalls auch noch die Lebens- bzw Sexualpartner eines Elternteils, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, umfassen.

 

Zu § 42:

Den Erläuterungen folgend soll durch die im Abs 1 geplante Bestimmung zur Überwindung der bisherigen Unsicherheiten in der Lehre klargestellt werden, dass durch Vereinbarungen über Erziehungshilfen die Obsorge im vereinbarten Umfang – im allgemeinen Pflege und Erziehung – auf den Kinder- und Jugendhilfeträger übertragen wird. Die angestrebte Klarheit wird mit der vorgeschlagenen Formulierung im Abs 1 nicht erreicht: Die Frage nämlich, ob die Obsorge oder lediglich deren faktische Ausübung übergeht, bleibt nach wie vor offen. Wünschenswert wäre jedoch eine endgültige Klarstellung.

Diese Klarstellung könnte dadurch herbeigeführt werden, indem im Abs 1 ergänzt wird, dass durch die Vereinbarungen die Obsorge in den Teilbereichen Pflege und Erziehung im vereinbarten Umfang übertragen wird. Damit wäre der bekannten Diskussion der Nährboden entzogen. Die vorgeschlagene Formulierung steht auch mit § 137a ABGB im Einklang. Im Fall einer Realisierung dieses Vorschlags wäre es im Teilbereich „Pflege und Erziehung“ möglich, dem Kinder- und Jugendhilfeträger nicht die gesamte Obsorge mit allen Rechten und Pflichten zu übertragen, sondern nur im konkret vereinbarten Umfang, so wie dies ohnehin offenbar beabsichtigt ist.

 

Zu den §§ 42 Abs 2 und 43:

Diese Bestimmungen beziehen sich nur auf Kostenbeitragsvereinbarungen (§ 42 Abs 2) und auf die pflegschaftsgerichtliche Kostenbeitragsfestsetzung (§ 43) im Zusammenhang mit Hilfen für junge Erwachsene. Die Möglichkeit einer Kostenbeitragsvereinbarung bzw einer pflegschaftsgerichtlichen Kostenbeitragsfestsetzung muss jedoch auch im Zusammenhang mit Maßnahmen der vollen Erziehung für Minderjährige bestehen.

Es wird daher eine diesbezügliche Ergänzung der §§ 42 Abs 2 und 43 vorgeschlagen.

 

Diese Stellungnahme wird der Verbindungsstelle der Bundesländer, den anderen Ämtern der Landesregierungen, dem Präsidium des Nationalrates und dem Präsidium des Bundesrates ue zur Verfügung gestellt.

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Landesregierung:

Dr. Heinrich Christian Marckhgott

Landesamtsdirektor

 

 

Ergeht nachrichtlich an:

1. – 8. E-Mail an: Alle Ämter der Landesregierungen

9.       E-Mail an: Verbindungsstelle der Bundesländer vst@vst.gv.at

10.     E-Mail an: Präsidium des Nationalrates begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at

11.     E-Mail an: Präsidium des Bundesrates peter.michels@parlament.gv.at

12.     E-Mail an: Bundeskanzleramt vpost@bka.gv.at

13.     E-Mail an: Institut für Föderalismus institut@foederalismus.at

14.     E-Mail an: Abteilung 3 zu do Zl 20302-2/2324/8-2008

16.     E-Mail an: Abteilung 8 zu do Zl 20801-46.697/375-2008 

 

zur gefl Kenntnis.