Verein Wiener Jugendzentren

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An das Bundesministerium

für Gesundheit, Familie und Jugend

Franz-Josefs-Kai 51

1010 Wien

 

per E.Mail

gundula.sayouni@bmgfj.gv.at

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

 

 

 

Wien, am 24. November 2008

GF/085/08

 

 

 

Bundes-Kinder und Jugendhilfegesetz 2009 – B-KJHG 2009

Bezug: BMGFJ-421600/0037-II/2/2008

 

 

Zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Grundsätze für soziale Arbeit mit Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche (Bundes-Kinder und Jugendhilfegesetz – B-KJHG 2009) erlaubt sich der Verein Wiener Jugendzentren folgende

 

Stellungnahme

abzugeben.

 

Die Neugestaltung des Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetzes ist ein wichtiges Vorhaben. Die UN-Konvention über die Rechte des Kindes (KRK) ist die geeignete und tragfähige Grundlage für dieses Gesetz. Viele Verweise auf die KRK und die meisten innovativen Ansätze finden sich leider nur in den Erläuterungen zum B-KJHG 2009. Um ihnen das notwendige Gewicht zu verleihen, sollten diese Überlegungen unmittel­bar in den Gesetzestext aufgenommen werden. Das geplante Gesetz schlägt sozusagen den richtigen Weg ein, geht jedoch meist nicht weit genug.

 


 

 

Im Gegensatz zu dieser Grundintention stehen jedoch die viel zu weitreichenden Mitteilungs-pflichten im 2. Teil – Unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht § 37 und die Strafbestim-mungen im 3. Hauptstück § 36 (2) 1 bei der Nichteinhaltung der Mitteilungspflichten für Einrichtungen der außerschulischen Jugenderziehung.

 

Professionelle Arbeit mit Jugendlichen in außerschulischen Handlungsfeldern, wie Offene Jugendarbeit in Jugendzentren oder Mobile Jugendarbeit, ist nur dann effektiv möglich, wenn eine weitreichende Vertrauenssituation zwischen Jugendlichen und SozialpädagogInnen/JugendarbeiterInnen möglich ist. Eine gesetzliche Verankerung der Mitteilungspflicht samt Strafandrohung bei Nichteinhaltung stellt eine höchst problematische Hürde für den Aufbau tragfähiger, professioneller Beziehungen zu den Jugendlichen dar. Die besondere Chance der Offenen Jugendarbeit liegt gerade in ihrer Niederschwelligkeit, die mit dem Inkrafttreten des § 37 nicht mehr gegeben wäre. Es ist daher zu befürchten, dass sich Jugendliche mit ihren Anliegen und Problemen von den MitarbeiterInnen in der Offenen Jugendarbeit fern – oder zumindest bedeckt – halten, um nicht gegen ihren Willen an Behörden gemeldet zu werden. Denn in und mit einer professionellen außerschulischen Jugendarbeit werden auch Jugendliche erreicht, die aufgrund ihrer Biographie und/oder sozioökonomischen Lebensumstände kaum Möglichkeiten haben, sich in anderen privaten oder öffentlichen Strukturen zu integrieren. Die Einrichtungen der außerschulischen Jugendarbeit und deren JugendarbeiterInnen sind oft die einzigen professionellen Bezugspersonen, zu denen Jugendliche Vertrauen aufbauen und wo sie sich aufgrund des offenen und niederschwelligen Zugangs integrieren.

Die Bestimmungen im § 37 würden eine grundlegende Veränderung des gesamten Handlungsfeldes der Offenen Jugendarbeit bedeuten und die individuellen und gesellschaftlichen Sozialisations- und Integrationsleistungen der Offenen Jugendarbeit in Frage stellen. Den Jugendlichen selbst bliebe aufgrund der weitreichenden Mitteilungspflichten auch anderer Berufsgruppen außer dem privaten Bereich oder konfessionellen Einrichtungen letztlich keine öffentliche Einrichtung mehr, an die sie sich vertrauensvoll wenden können, um professionelle Hilfe zu erhalten.

Der/die SozialpädagogIn/JugendarbeiterIn muss daher jedenfalls im Sinne einer niederschwelligen Arbeit in Rücksprache mit dem/der Jugendlichen entscheiden können, welche Meldungen sie/er macht oder welche sie/er unterlässt.

Der Verein Wiener Jugendzentren empfiehlt das Bilden einer ExpertInnengruppe, um sich mit diesem heiklen Punkt im Gesetzesentwurf noch eingehend auseinanderzusetzen und mögliche Ausdifferenzierungen vorzunehmen.

Mit freundlichen Grüßen,

DSA Gabriele Langer e. h.

Geschäftsführerin