1 Präs. 1624-5032/08y

 

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs

zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Aktiengesetz 1965,

das Unternehmensgesetzbuch, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz,

das Umwandlungsgesetz, das Spaltungsgesetz,

das Kapitalberichtigungsgesetz, das Gesellschafter-Abschlussgesetz, das Übernahmegesetz und das Börsegesetz geändert werden

(Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009 - ARÄG 2009)

 

 

I. Vorbemerkung

Der umfangreiche Entwurf ist – wie bei Entwürfen des BMJ leider üblich – nicht mit Seitenzahlen versehen. Dies erschwert in unnötiger Weise das Zitieren von Erläuterungen, insb des Vorblatts und des Allgemeinen Teils.

 

II. Allgemeines

1. Die Umsetzung der Richtlinie 2007/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsenotierten Gesellschaften  (Aktionärsrechte-Richtlinie) erfordert eine Novellierung im besonderen des Aktiengesetzes. Grundsätzlich bestehen keine Bedenken, über die notwendige Umsetzung der Richtlinie hinaus Änderungen von Bestimmungen über die Ausübung von Rechten der Aktionäre vorzunehmen.

 

2. Der Entwurf verwendet zwar mehrfach die Bezeichnung „AktG“. Diese Kurzbezeichnung ist aber nach wie vor nicht amtlich; vielmehr gilt die Kurzbezeichnung „Aktiengesetz 1965“.

Im Entwurf wurde die Einführung der Bezeichnung „AktG“ nicht vorgesehen. Dies wäre dringend – so wie etwa bereits bei JN und ZPO geschehen – nachzuholen.

 

3. Sowohl der Erste Teil („Allgemeine Vorschriften“ §§ 1 – 15) als auch der Vierte Abschnitt des Vierten Teiles („Hauptversammlung“ §§ 102 – 136) werden nicht nur teilweise neu geregelt, sondern zur Gänze neu nummeriert. Dies ist keineswegs erforderlich und äußerst unzweckmäßig. Für die Praxis, die gerade in der Hauptversammlung rasch durchaus weitgehende Entscheidungen zu treffen hat, wird das Auffinden und die Verwendung von bisheriger Rechtsprechung und Literatur ohne zwingende Notwendigkeit erheblich erschwert. Weiters sind zahlreiche Verweise in Gesetzen, Satzungen, Verträgen usw damit überholt. Die bisherige Gliederung und die bisherigen Paragraphenbezeichnungen sollten unbedingt beibehalten werden.

 

III. Zu den vorgesehenen Änderungen des Aktiengesetzes 1965:

 

Zu den §§ 1 ff wird auf  die obigen Bemerkungen (II.3.) verwiesen.

 

Zu § 3: Die Streichung des bisherigen ersten Satzes („Das Grundkapital wird in Aktien zerlegt.“) trägt in keiner Weise zur Klarheit bei.

 

Zu § 8: Der hier geregelte „Nachweis der Aktionärseigenschaft bei Inhaberaktien“ ist besser im Abschnitt „Hauptversammlung“ einzuordnen.

 

Zu § 8 Abs 2: Die Regelung der „Textform“ gilt nicht nur bei Inhaberaktien („Ist durch dieses Bundesgesetz die Textform vorgesehen…“) und ist hier an systematisch unzutreffender Stelle versteckt. Abgesehen davon ist die Aussage, „die Erklärung“ müsse u.a.„schriftlich im Sinn des § 886 ABGB … abgegeben werden“, nur schwer verständlich, zumal es sich bei § 886 ABGB um eine Regelung der Form der Verträge – und nicht von einseitigen Erklärungen handelt.

 

Zu § 10: Nach Abs 1 Satz 3 kann ein Aktionär für verschiedene Aktien unterschiedlich abstimmen. Die in den Erl vertretene Ansicht, bei split voting stehe dem Aktionär kein Recht zum Widerspruch zu, ist keineswegs selbstverständlich. Eine gesetzliche Regelung dieser Frage wäre wünschenswert.

 

Zu § 13: Die Überschrift „Sprachenregelung“ erklärt nicht den Inhalt dieser Bestimmung.

Der in Abs 2 gebrauchte Ausdruck „Sprachfassung“ ist schwer verständlich.

 

Zu § 16 Abs 1: Die hier eingangs einzufügenden Sätze werden dem bisherigen § 2 entnommen. Dies bringt keine Verbesserung; sie sollten sinnvollerweise im nicht veränderten § 2 bleiben; auch die Streichung von § 2 Abs 2 bringt keine Klarheit oder bessere Verständlichkeit.

 

Zu § 61: Aus der Überschrift „Eintragung im Aktienbuch“ geht nicht hervor, dass es sich um eine Regelung für Namensaktien handelt.

 

Zu Z 16 (§§ 102 bis 136)  wird auf die obigen Bemerkungen (II.3.) verwiesen.

 

Zu § 87: Die Bestimmungen über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder sind auf mehrere Bestimmungen aufgeteilt (so auch §§ 108 und 110). Auch inhaltlich sind die vorgesehenen Regelungen in der Praxis nicht leicht anzuwenden.

 

Zu § 102 Abs 2: Die Klarstellung, dass die Hauptversammlung an einem Ort im Inland stattfinden muss, ist begrüßenswert.

Eine ausdrückliche Regelung, ob der Sitz der Hauptverwaltung in Zukunft auch im Ausland liegen kann (so die Erl zu § 102), findet sich nicht, wäre aber wünschenswert.

Zu § 102 Abs 3: Im Satzteil „nach dem jeweiligen Stand der Technik“ kann „jeweiligen“ entfallen.

Der Verweis „§ 8 Abs. 2 letzter Satz gilt sinngemäß.“ ist unklar. Anstelle eines solchen Verweises, der sich im Übrigen wohl auch auf den vorletzten Satz beziehen müsste, sollte eine klare Regelung vorgesehen werden.

Die Folgen einer Unterbrechung der Verbindung sind – entgegen den nicht näher begründeten Ausführungen der Erl – nicht eindeutig. Auch hier wäre eine gesetzliche Regelung wünschenswert.

 

Zu § 106 Z 5: Die Formulierung „Fristen, bis zu denen“ ist sprachlich verfehlt.

 

Zu § 107: Die Überschrift „Bekanntmachung, Frist“ gibt den Inhalt dieser Bestimmung nicht wieder. Es müsste etwa „Bekanntmachung der Einberufungsfrist“ lauten.

 

Zu § 108: In Abs 3 Z 3 muss es „den Jahresabschluss …, den Konzernabschluss …, den Vorschlag … sowie den Bericht“,  in Z 4 „den wesentlichen Inhalt“ heißen.

 

Zu § 113 Abs 1: Die Formulierung, dass eine „geschäftsfähige natürliche oder juristische Person“ als Vertreter eines Aktionärs „an der Hauptversammlung teilnimmt und gegebenenfalls sein Stimmrecht ausübt“, nimmt nicht darauf Bedacht, dass eine juristische Person niemals geschäftsfähig sein kann.

 

Zu § 116: Der Ausdruck „Verwaltung“ wird hier in der Überschrift und manchmal auch an anderen Gesetzesstellen (so § 126 Abs 4) ohne nähere Erklärung gebraucht; „Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats“ wäre präziser.

In Abs 2 heißt es: „Die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats sollen in der Hauptversammlung anwesend sein.“ Die Folgen einer Abwesenheit sind nicht geregelt.

 

Zu § 118: Begrüßenswert ist die klare Regelung des Auskunftsrechts des Aktionärs. Auch hier fehlt aber eine Regelung der Folgen der Verweigerung einer Auskunft durch den Vorstand.

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Zu § 126: siehe oben zu § 116.

 

Zu § 127: Der Klammerverweis auf § 886 ABGB ist unklar und nicht näher erläutert; es gilt auch hier das oben zu § 8 Abs 2 Gesagte.

 

Zu § 123: Wann „gegebenenfalls“ die Enthaltungen bei der Verkündung des Abstimmungsergebnisses vom Vorsitzenden zu verkünden sind, ist unklar. Die Ausführungen der Erl zur Substraktionsmethode finden im Gesetzestext keinen klaren Ausdruck.

In Abs 3 hat es statt „Versammlung“ richtig „Hauptversammlung“ zu heißen.

 

Zu § 133: Die neue Regelung des Abs 4 über die Kostentragung bei Bestellung eines Sonderprüfers ist eine sinnvolle Stärkung der Aktionärsrechte.

 

Zu § 134 Abs 1: In „zusammen den 5 % des Grundkapitals“ hat „den“ zu entfallen.

 

Zu § 135 Abs 2: Bei „bis zur Entscheidung über den Antrag“ ist unklar, welcher „Antrag“ gemeint ist; wohl muss es „Klage“ heißen.

Zu § 136: Hier wurde die an den anderen Stellen, wie bei § 134, vorgenommene Umstellung auf „%“ unterlassen.

 

 

IV. Zu den vorgesehenen Änderungen des Unternehmensgesetzbuches:

 

Zu § 243a  UGB:  Die hier vorgesehenen Angaben im Lagebericht, welche Maßnahmen zur Frauenförderung im Vorstand, im Aufsichtsrat und in leitenden Stellungen der AG gesetzt wurden, sind abzulehnen. Der Lagebericht erscheint dafür nicht geeignet. Der Umstand, dass der Lagebericht vom Abschlussprüfer zu prüfen ist (§ 268 UGB), wurde nicht berücksichtigt. Eine Beurteilung, ob eine Frauenförderung stattfindet, obliegt keinesfalls dem Abschlussprüfer. Falls die Notwendigkeit derartiger Angaben gesehen werden sollte, wäre allenfalls der Corporate Governance-Bericht (§ 243b UGB) eine geeignete Stelle.

 

Wien, am 28. November 2008

Hon.-Prof. Dr. Griss