47/SPET XXIII. GP

Eingebracht am 05.08.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petititon

Betreff:   Legistik und Recht; Verbindungsdienst - Parlament und Ministerrat; Parlament All-gemein
Petition Nr. 32 betreffend "Flucht ist kein Verbrechen"

Das Bundesministerium für Inneres übermittelt zu dem im Zusammenhang mit den Vorbera-
tungen zur Initiative
Flucht ist kein Verbrechen" ergangenen Ersuchen des Ausschusses für
Petitionen und Bürgerinitiativen, Zl. 17010.0020/23-L1.3/2008 folgende Stellungnahme:

Zu Forderung 1.)

Eines der wesentlichen Ziele bei der Erlassung des AsylG 2005 war es, Asylverfahren im rechtsstaatlichen Rahmen schnell und effizient durchführen zu können. Schutzbedürftigen soll damit rasch Asyl gewährt werden. Personen ohne Bedarf auf internationalen Schutz er-halten rasch Rechtssicherheit. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Asylwerber sich oftmals dem Verfahren zu entziehen versuchen. Das trifft insbesondere auch auf Fälle zu, die im Rahmen des Dublin - Verfahrens" behandelt werden. Die Einleitung eines Auswei-sungsverfahrens bereits im laufenden Asylverfahren, wenn eine zurück- oder abweisende Entscheidung beabsichtigt ist, ist daher ein notwendiges Mittel um einen geregelten Vollzug des Asylsystems zu gewährleisten. In diesen Fällen ist nach dem vorliegenden Ermittlungs-stand die Ausweisung des Asylwerbers wahrscheinlich, daher ist es sachgerecht, die Einlei-tung eines Ausweisungsverfahrens anzuordnen.

Auch die speziellen Bestimmungen bei straffälligen Asylwerbern waren notwendig um das in
der Vergangenheit oftmals festgestellte Untertauchen" der Fremden und somit den Asyl-
missbrauch zu verhindern und letzten Endes die fremden- und sicherheitspolizeilich gebote-
ne Ausweisung durchsetzen zu k
önnen.

 

Die Verhängung von Schubhaften erfordert - insbesondere auch bei Dublinfällen" - eine
umfassende Würdigung und Begründung im Rahmen einer Einzelfallentscheidung durch die
Fremdenpolizeibeh
örde.

Um diesem hohem Maßstab zu genügen ist das BM.I ständig bemüht, den Schubhaft ver-
h
ängenden Fremdenpolizeibehörden auf der Basis der höchstgerichtlichen Judikatur insbe-
sondere in Bezug auf Asylwerber konkrete Vorgaben im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit
der Schubhaft und die bevorzugte Anwendung des gelinderen Mittels zu geben. In diesem
Zusammenhang ist etwa auf eine spezifische Fachtagung zur Qualitätssicherung von Schub-
haftbescheiden hinzuweisen, die im April 2008 vom BM.I unter Einbindung von Referenten
aus dem Bereich der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und Unabhängigen Verwaltungs-
senate organisiert wurde.

Zu Forderung 2.)

Österreich hat die Vorgaben der Aufnahme-Richtlinie (2003/9/EG) vollinhaltlich ins nationale Recht umgesetzt.

Die  Zulässigkeit von Gewahrsam für Asylwerber ergibt sich in der AufnahmeRL insbesonde-re aus Art. 2 lit k und Art 14 Abs 8 zur Definition und zur Möglichkeit in diesem Fall von den Modalitäten der materiellen Aufnahmebedingungen abzuweichen. Dementsprechend ist die Möglichkeit des Gewahrsams für Asylwerber auch in der Verfahrens-Richtlinie (2005/85/EG) in Art 18 explizit vorgesehen.

Die Ziele der Dublin II VO - insbesondere die zügige Bearbeitung der Asylanträge - werden z.B. durch die Sanktionierung der nicht fristgerechten Überstellung durch Zuständigkeits-übergang (gem. Art. 19 Abs. 4 und Art. 20 Abs. 2 der Verordnung) unterstrichen und ist durch die Sicherung der Überstellung mittels Inschubhaftnahme von dublinrelevanten Fällen nunmehr ein wirkungsvollerer Vollzug der VO durch Österreich gesichert.

Wie die folgende Statistik zeigt, konnten in den Jahren 2004 bzw. 2005 lediglich 15,2% bzw. 13,1% aller Personen, zu welchen Zustimmungen zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der Mitgliedstaaten vorlagen, in diese überstellt werden. Dem gegenüber waren es in den Jahren 2006, 2007 und 2008 jeweils aber bereits 38,2%, 39,6% und 37,3%. Somit wurde die Effek-tuierungsquote mehr als verdoppelt beziehungsweise nahezu verdreifacht und konnten somit die betroffenen Fremden entsprechend rascher an den für die inhaltliche Prüfung ihres Asyl- antrages zuständigen Staat überstellt werden.

 

 

2004

2005

2006

2007

2008

(01-06)

Asylanträge

24.634

22.461

13.350

11.879

5.344

Konsultationen

4.161

7.251

3.820

2.798

1.970

Zustimmungen

2.686

4.802

2.874

2.282

1.836

Überstellungen

408

627

1.098

904

684

Effektuierungsquote

15,20%

13,10%

38,20%

39,6%

37,3%

Zu grundsätzlichen Frage der Schubhaft für Asylwerber  darf auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 24.06.2006, B 362/06-10 sowie vom 14.06.2007, G 14/07-10 und G 40/07-6 hingewiesen werden, in welchen die Verfassungsmäßigkeit des § 76 Abs. 2 Z 4 FPG bestätigt wurde.

Das BM.I hat weiters in einem Rundschreiben an die Fremdenpolizeibehörden die aktuelle
Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erl
äutert und wird in einem weiteren Schritt die An-
wendung des Gelinderen Mittels forcieren.

Zu Forderung 3.)

Die Fremdenpolizeibehörden sind angehalten bei Personen mit besonderen Bedürfnissen im
Sinne des § 77 FPG das gelindere Mittel in Betracht zu ziehen. Gegenüber Minderjährigen,
auf die im fremdenpolizeilichen Verfahren, wenn sie keinen gesetzl. Vertreter haben, jeden-
falls die Sonderbestimmungen für Minderjährige" (vgl. § 12 FPG) anzuwenden sind, hat die
Beh
örde gemäß § 77 Abs. 1 FPG grundsätzlich das gelindere Mittel anzuwenden. Des Wei-
teren wurden die Behörden ausdrücklich angewiesen, Minderjährige unter 14 Jahren über-
haupt nicht in Schubhaft zu nehmen.

Der Grundsatz, dass die Schubhaft auf die kürzest notwendige Dauer zu beschränken ist,
ergibt sich aus dem Gesetz und der entsprechenden höchstgerichtlichen Judikatur und wird
von den Behörden in diesem Sinne vollzogen. Aus asylrechtlicher Sicht ist in diesem Zu-
sammenhang auf die Vorgabe des § 22 Abs 3 AsylG 2005 hinzuweisen, wonach Verfahren,
wenn sich der AW in Schubhaft befindet, von den Behörden der 1. und 2. Instanz prioritär -
l
ängstens b  3 Monaten je Instanz - zu behandeln sind.

Ganz allgemein ist festzuhalten, dass das BM.I bestrebt ist, zusammen mit Partnern die
Möglichkeiten des gelinderen Mittels stets auszubauen und auch mit Nachdruck alle Pro-
gramme unterstützt, die die freiwillige Rückkehr und damit die Vermeidung von Schubhaft
zum Ziel haben. Auf den EU-Rückkehrfonds, der dieses Ziel als eine der zentralen Aussagen

verfolgt, darf in diesem Zusammenhang hingewiesen werden. Auch zur EU-Rückführungs-
Richtlinie hat mittlerweile die Einigung zwischen dem Rat und dem Europäischen Parlament
stattgefunden, wobei die Bevorzugung der freiwilligen Ausreise als Prinzip verankert wurde.

Zu Forderung 4.)

Hinsichtlich der Forderung nach unverzüglicher Information über die Haftgründe und Rechte von Schubhäftlingen unter Beiziehung von qualifizierten Dolmetscher  wird in Bezug auf Asylwerber eingangs auf die in über 30 Sprachen übersetzten Informationsblätter verwiesen.

Insbesondere die Erstinformation", welche einen ersten Überblick über den Verfahrensab- lauf in Österreich sowie Hinweise auf das Vorhandensein von Rechtsberatern in den Erst-aufnahmestellen bzw. der Möglichkeit der Beiziehung eines Rechtsanwaltes und der Mög-lichkeit der Kontaktaufnahme mit UNHCR gibt, sowie das Merkblatt über die Rechte und Pflichten von Asylwerbern" (insbes.  hinsichtlich  der Beratungsmöglichkeiten durch Rechts-und Flüchtlingsberater) werden dem Asylwerber nach aktueller Praxis zu Beginn des Verfah-rens, spätestens bei der Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG 2005 über die beabsichtigte Zurückweisung des Antrags ausgehändigt (siehe auch der hiezu ergangene Erlass v. 16.12.2005, Zl. BMI-FW1200/0418-BAA-GDA/2005).

Die Information der in Schubhaft angehaltenen Personen erfolgt durch die Fremdenbehörde,
die die Schubhaft angeordnet hat (so werden z.B. durch das FrB Wien alle drei Wochen ent-
sprechende Informationen an den H
äftling weiter gegeben).

Einvernahmen, in deren Rahmen auch eine Rechtsmittelbelehrung erfolgt, werden grund-
sätzlich mit Dolmetscher  durchgeführt. Es kann daher nicht von sprachlichen Verstän-
digungsschwierigkeiten ausgegangen werden.

In der Schubhaft ist es überdies möglich, Informationen im Wege engagierter, zum Teil mut-
tersprachlicher, Schubhaftbetreuer  oder über die betreuenden Exekutivbediensteten
einzuholen.

In diesem Zusammenhang darf im Speziellen auch auf den im Wien laufenden Pilotversuch
Direkteinlieferungen" hingewiesen werden. Fremde werden im Polizeianhaltezentrum durch
besonders ausgebildete und engagierte Mitarbeiter  in Abstimmung mit dem Journal-
dienst der Fremdenpolizei unter Dolmetscherbeiziehung einvernommen; im Rahmen dieser
Verfahrensschritte erfolgt eine umfassende Information.

Asylwerber  bzw. Schubhäftlingen wird die Möglichkeit eingeräumt, sich in jedem Stadi-
um ihres Verfahrens von einem zugelassenen Rechtsbeistand/Rechtsanwalt vertreten zu
lassen; somit besteht jederzeit ein Zugangsrecht zu einer anwaltlichen Vertretung.

 

In der Schubhaft besteht die Möglichkeit zu telefonieren (Wertkartetelefone, zumTeil Mobilte-
lefone, mittellosen Häftlingen wird ein Kontakttelefon unentgeltlich angeboten).

Festgenommenen wird ein muttersprachliches Informationsblatt ausgefolgt. In den Hafträu-
men liegen mehrsprachige Info-Bl
ätter mit einer gekürzten Fassung der Anhalteordnung
(Hausordnung) auf. Bei Bedarf wird jedem Angehaltenen die ungekürzte Fassung der Anhal-
teordnung zur Verf
ügung gestellt. Festgenommenen Personen wird überdies die Möglichkeit
eingeräumt, Angehörige, eine dritte Person oder seine Vertretungsbehörde über die Haft zu
informieren. Dies impliziert, dass auch Rechtsbeist
ände verständigt werden können (ent-
sprechende Listen der Anwaltskammer k
önnen erforderlichenfalls zur Verfügung gestellt
werden.

Der Menschenrechtsbeirat (MRB) im BM.I hat eine Arbeitsgruppe Rechtsschutz für Schub-
häftlinge" eingesetzt. Dabei sollen Verbesserungsmöglichkeiten, insbesondere auch hinsicht-
lich der (Rechts-)lnformation der Betroffenen, identifiziert werden und in entsprechende
Empfehlungen m
ünden. Im Zuge der Arbeiten wurden Schwierigkeiten beim Finden einer
einfachen Sprache" für den Übersetzer, aber auch das Nicht-wahrhaben-wollen" beim Be-
troffenen diskutiert. Ein Bericht der AG ist f
ür Herbst 2008 zu erwarten.

Die EU-Rückführungs-RL (politische Einigung erfolgt) wird nach der Veröffentlichung im
Amtsblatt innerhalb von 2 bzw. 3 Jahren umzusetzen sein. Die RL sieht vor, dass jede Rück-
f
ührungsentscheidung schriftlich zu begründen und die wesentlichen Elemente einschließlich
der Rechtsmittelbelehrung bei Bedarf mündlich oder schriftlich zu übersetzen ist.

Zu Forderung 5.)

Der Forderung nach einer kostenlosen unabhängigen Rechtsberatung innerhalb von 24 Stunden wird insofern durch das Fremdenrechtspaket 2005 Rechnung getragen als gemäß § 64 Abs.  4 AsylG 2005  unabhängige  und  in  ihrem Aufgabenbereich weisungsfreie Rechtsbe-rater  Asylwerber  vor jeder einer Mitteilung nach § 29 Abs. 3 Z 3 bis 5 folgenden Einvernah-me im Zulassungsverfahren über ihr Asylverfahren und ihre Aussichten auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zu beraten und an jeder Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs teilzunehmen haben. Die Kosten dieser Rechtsberatung werden vom Bund getragen. 2007 wurden 7 zusätzliche Rechtsberater auf-genommen, sodass derzeit insgesamt 19 Rechtsberater neben den Flüchtlingsberatern und weiteren seitens des EFF sowie des BM.I geförderten Beratern tätig sind.

Die erwähnte MRB-AG Rechtsschutz für Schubhäftlinge" prüft derzeit, ob derartige Modelle Vorbild  für eine generelle  Rechtsberatung aller in Schubhaft befindlichen Personen sein soll-ten. Mittels eines an andere EU-Staaten übermittelten Fragebogens sollen in diesem Zu-sammenhang auch gute Praktiken anderer Länder einfließen.

Die Rückführungs-RL bestimmt, dass auf Antrag Rechtsberatung und/oder -Vertretung in
Analogie zu den entsprechenden Bestimmungen der Verfahrens-Richtlinie (2005/85/EG) zu
gewähren ist. Die Umsetzungsfrist hinsichtlich dieser Bestimmung wurde mit 36 Monaten (ab
Veröffentlichung im Amtsblatt) festgelegt.

Zu Forderung 6.)

Eine amtswegige Haftprüfung ist für bestimmte Fälle bereits im § 80 Abs. 6 FPG verankert.
Im Übrigen haben Fremde jederzeit das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der
Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhal-
tung anzurufen (vgl. § 82 ff FPG).

Es ist aber festzuhalten, dass diese Bestimmungen gegebenenfalls im Lichte der Verfas-
sungs- und Verwaltungsreform sowie der Entwicklungen im Rahmen der EU anzupassen
sein werden.

Die Rückführungs-RL regelt in diesem Zusammenhang, dass Schubhaft schriftlich angeord-
net und begründet werden muss und eine rasche Überprüfung durch eine unabhängige In-
stanz mit Tribunalcharakter auf Antrag des Betroffenen gewährleistet sein muss. Zusätzlich
muss die (weitere) Erforderlichkeit der Schubhaft in angemessenen Zeitabst
änden von Amts
wegen überprüft werden.

Die derzeitige Rechtslage mit individueller Schubhaftbeschwerdemöglichkeit an den UVS
und amtswegiger Haftpr
üfung ab 6 Monaten Haftdauer entspricht diesen Erfordernissen.

Jedoch sind auch zu diesem Punkt Empfehlungen der MRB-AG Rechtsschutz" zu erwarten,
welche dann entsprechend in die Beurteilung einfließen können.

Zu Forderung 7.)

Es sind bereits konkrete Planungen für alternative Anhaltemöglichkeiten im Laufen. Diese erfolgen im Einvernehmen mit dem Menschenrechtsbeirat.

Grundsätzlich ist anzuführen, dass sich die Anforderungen an den Vollzug der Schubhaft als fremdenpolizeiliche Maßnahme zur Sicherung der persönlichen Anwesenheit während des Verfahrens und zur Sicherung der Abschiebung in den letzten Jahren wesentlich und laufend verändert haben.  Speziell  in den größeren Polizeianhaltezentren konnten durch umfangrei-che bauliche Adaptierungen und infrastrukturelle Verbesserung spürbare Optimierungen er-reicht werden.  In den kleinen Polizeianhaltezentren sind diese Möglichkeiten zwischenzeit-lich leider derart ausgeschöpft, dass den Entwicklungen auch durch massive Investitionen nicht mehr Rechnung getragen werden kann.

Unter diesem Blickwinkel beabsichtigt das Bundesministerium für Inneres, für rd. 250 Men-schen (Frauen, Männer und Familien) unter Berücksichtigung nationaler und internationaler Entwicklungen, richtungweisend ein Reformvorhaben für ein Dienstleistungszentrum zum Rückkehrmanagement von Menschen aus Drittstaaten, mit menschenrechtlicher Relevanz und unter der Prämisse einer Optimierung von Anhaltestandards, zu realisieren.

Hier gilt es nunmehr, die daraus resultierenden Herausforderungen optimal zu bewältigen,  um die fremdenpolizeilichen Maßnahmen - welche nur zur Sicherung der persönlichen An-wesenheit während des Verfahrens und zur Sicherung der Abschiebung dienen - und die derzeit in historisch gewachsenen Polizeianhaltezentren und nicht in speziell für diesen Zweck konzipierten Gebäuden erfolgen, auf neue Beine zu stellen. Daraus resultierend kommt meinem Ressort eine sehr hohe Verantwortung zu, um für die einem reinen Siche-rungszweck - ohne Strafcharakter - dienenden Anhaltungen entsprechende Standards zu gewährleisten.

Derzeit laufen das Verfahren zur Erreichung des Baurechtes sowie die Vorentwurfskonzipie-rung für einen EU-weiten, offenen, Realisierungswettbewerb für die Vergabe von General-planerleistungen.

Zu Forderung 8.)

Der praktische Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen richtet sich nach der Verordnung
über die Anhaltung von Menschen durch die Sicherheitsbehörden und Organe des öffentli-
chen Sicherheitsdienstes (Anhalteordnung - AnhO), BGBl.
II Nr. 128/1999 idF BGBl. II Nr.
439/2005 v. 01.01.2006. Fremde, die in Schubhaft angehalten werden, unterliegen somit
auch der Anhalteordnung und sind daher als Häftlinge anzusehen.

In Bezug auf die Kritik bezüglich Eintönigkeit der Schubhaft darf speziell auf die strukturierten
Tagesabläufe, wie insbesondere Möglichkeiten zum Einkauf (Kantine, Trafik), Schubhaft-
betreuung, Sozialarbeit, H
äftlingsbücherei, Wäschewaschen, Abgabe der Häftlingspost, Du-
schen, Besuchszeit etc., hingewiesen werden. Besch
äftigungsmöglichkeiten bestehen zu-
meist in den Offenen Stationen" oder bei geöffneten Zellentüren sowie in Sport- und Aufent-
haltsbereichen, Sportm
öglichkeiten (Tischtennis, Tischfußball, Ballspiele), Leseangebot, Be-
wegung im Freien, Brett- und Kartenspiele, TV (zum Teil auch Video) stehen zur Verfügung.
Schubhäftlinge können auch zur Hausarbeit herangezogen werden. Engagierte Schubhaft-
betreuungsorganisationen führen auch immer wieder Projekte durch; so z.B. Kunstthera-
pien, Bastei- und Malstunden, Video-Nachmittage etc.)

 

Insbesondere im Bereich der baulichen und materiellen Ausstattung konnte massive Schritte
gesetzt werden, um die Standards laufend zu verbessern. Hervorzuheben sind hier z.B. die
abgeschlossenen Zweckadaptierungen und Generalsanierungen in den beiden Wiener Poli-
zeianhaltezentren, die Sanierung des PAZ Innsbruck (Fortsetzung intendiert) sowie die Ge-
neralsanierung und Implementierung einer Offenen Station" im PAZ Eisenstadt.

Gemäß § 11 der Anhalteordnung steht es Angehaltenen frei, an Gottesdiensten die innerhalb
des Haftraumes abgehalten werden, teilzunehmen. Über Ersuchen ist jedem Angehaltenen
die Möglichkeit einzuräumen, mit einem Seelsorger, d.h. mit einem von seiner Gemeinschaft
mit der Betreuung entsprechend Beauftragten, ein Gespräch zu führen. In Bezug auf eine
seelsorgliche Betreuung wurde aus aktuellem Anlass eine Umfrage in allen Polizeianhalte-
zentren durchgef
ührt, die zeigte, dass praktisch kaum Nachfrage dafür vorhanden ist. Die
Bereitschaft, bei Bedarf eine derartige Betreuung zu organisieren, besteht. Mehrere PAZ
berichteten von Betstunden, die von den Zeugen Jehovas durchgeführt wurden.

Im Besonderen wird auf die Zusammenarbeit mit der Wiener Erzdiözese, Weihbischof
SCHARL, bez
üglich des Aufbaues einer ständigen seelsorglichen Begleitung der Insassen
auf freiwilliger Basis hingewiesen. Dabei kommt Pater Patrick KOFI seit Juli 2007 einmal pro
Woche und PAZ zur Seesorge.

Als weiterer Schritt zur Verbesserung der religiösen Betreuung von Angehaltenen muslimi-
schen Glaubens wurde das Gespr
äch mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Öster-
reich aufgenommen, um im Bedarfsfall die Inanspruchnahme von Imamen zu ermöglichen.

Zu Forderung 9.)

Hinsichtlich der ärztlichen Betreuung legt § 10 AnhO fest, dass die notwendige medizinische
Regelversorgung" Angehaltener durch Amtsärzt  oder durch entsprechende Vorsorge
sicherzustellen ist, dass erforderlichenfalls ohne unn
ötigen Aufschub Ärzt  einschreiten
k
önnen. Der Umfang ergibt sich aus der Richtlinie für den polizeiärztlichen Dienst.

Polizeiärzt  haben aufgrund ihrer eingegangenen Dienstverpflichtung bei den Bundes-
polizeibehörden die ihnen zugewiesenen dienstrechtlichen Aufgaben zu vollziehen, ange-
ordnete Heilbehandlungen in dem Ausma
ß, in dem der Arzt aufgrund seines Erkenntnis-,
Wissens- und Erfahrungsstandes dazu in der Lage ist. Ergänzend wird hingewiesen, dass
die kurative Tätigkeit durch Polizeiärzt  mit dem Ärztegesetz im Einklang steht (siehe
Gesundheitsressort, Zl. 21.100/157-VIIl/D/01 v. 12.10.2001).

Jedes Polizeianhaltezentrum verfügt, je nach Größe, über einen oder mehrere Allgemeinme-
dizIinerin, die in unterschiedlichem Zeitausmaß tätig sind. Die bisherigen Bemühungen, nie-

dergelassene Ärzte für die Tätigkeit zu gew , waren leider oft nicht erfolgreich. Eine Zu-
sammenarbeit mit Ärzten aus dem NGO-Bereich wäre daher interessant.

Eine ausreichende Versorgung mit den für seinen Gesundheitszustand erforderlichen Medi-
kamenten ist durch die derzeit vorhandene ärztliche Betreuung sicher gegeben.

Die Diskussion, ob Amtsärzt  nur gutachterlich oder auch kurativ tätig sein sollen, wird
schon seit längerem geführt. Im Gegensatz zu Verwaltungsstrafhäftlingen sind Schubhäftlin-
ge aber in der Regel nicht krankenversichert. Sofern daher nicht eine eintretende Haftunfä-
higkeit zur Entlassung des Häftlings führt, ist die kurative Tätigkeit den Polizeiärzt  über-
lassen. De facto besteht die M
öglichkeit der Beiziehung eines Wahlarztes, dieser muss aller-
dings - infolge fehlender Krankenversicherung - vom Insassen selbst bezahlt werden.

Die Haftfähigkeit ist conditio sine qua non für die Anhaltung in Schubhaft. Menschen, deren
Haftunf
ähigkeit festgestellt wird oder offensichtlich ist, dürfen nicht im Haftraum angehalten
werden. Nicht jede Krankheit f
ührt hier zur Haftunfähigkeit, die Grenze ist im Einzelfall unter
Einbeziehung der vorhandenen Situation vor Ort von den Polizeiärzt  zu begründen. Auf
die Sonderbestimmungen des § 78 Abs. 7 FPG 2005 wird ergänzend hingewiesen, wonach
Fremde, deren Gesundheitszustand es erfordert, auch in der weiteren Vollziehung der
Schubhaft in eine geeignete Krankenanstalt gebracht werden k
önnen.

Behördenunabhängige medizinische Betreuung ist daher auch derzeit bereits gewährleistet,
da tatsächlich erkrankte Personen praktisch immer zur Spitalsbegutachtung, d.h. zu externen
Ärzten ausgeführt werden.

Bei den in Punkt 7 angesprochenen Planungen für eine alternative Anhaltemöglichkeit wird
auch der medizinischen Versorgung besondere Bedeutung beigemessen werden.

Soweit verfügbar werden immer Dolmetscher zur Untersuchung herangezogen und durch die
Verbesserung und Ausweitung der Anamnesebögen - die in allen Sprachen aufgelegt wer-
den - wird auch versucht, eine Sofortinformation noch vor Eintreffen des Dolmetschers
über
den Gesundheitszustand zu erhalten. In kleineren PAZen ist fallweise nat
ürlich die Verfüg-
barkeit von Dolmetschern in sehr exotischen Sprachen nicht immer optimal m
öglich.

Erwähnt wird, dass für die psychiatrische Betreuung von Angehaltenen Verträge mit nieder-
gelassenen Fach
ärzt  für Psychiatrie abgeschlossen wurden, die von den AmtsärztIn-
nen beigezogen werden können.

Zu Forderung 10.)

Eine derartige Datenbank wird im Rahmen der in Mehrphasenprogrammierungen stehenden
Anhaltedatei kontinuierlich umgesetzt.

Eine Datenweitergabe an Externe ist hier unter Hinweis auf den Datenschutz (DSG 2000)
jedoch nicht möglich; Schubhaftbetreuungsorganisationen erhalten jedoch Listen mit Perso-
nen die eine Betreuung wünschen.

         Durch die Anhaltedatei/Vollzugsverwaltung (AD-VW) ist die Verfügbarkeit aller Daten
(Insass evidenz und Statistikmöglichkeiten) der angehaltenen Personen ge-
währleistet. Die Sicherheits- und Fremdenbehörden haben direkten Zugriff auf die
AD-VW.

         Funktionen:

o   Einmalerfassung; Wegfall von Mehrfachdokumentationen; Suchabfragen

o   Vernetzung aller PAZen

o   vereinheitlichte Dokumentation und Sicherheitsvermerke;

o   einheitliche Vollzugs- und Verwaltungsabläufe;

o   Überstellungen von Angehaltenen in ein anderes PAZ ohne Datenverlust;

o   effizientes Haftraummanagement;

o Formulare für das Anhaltewesen in 42 Sprachen (Anamnesebogen, Hunger-
streikinformationsblatt, Informationsblatt für Festgenommene, Hygienemerk-
blatt, Schubhaftbetreuung, Verständigungsblatt);

o    Reports;

Zu Forderung 11.)

Die Schubhaftbetreuung basiert derzeit auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Die Notwendigkeit
für eine gesetzliche Regelung analog zu § 57 AsylG wird daher derzeit nicht gesehen.

Unter Bedachtnahme auf die entsprechenden Bestimmungen der Rückführungs-RL werden
Umsetzungsmöglichkeiten bereits derzeit im Rahmen der MRB-AG Rechtschutz für Schub-
h
äftlinge" geprüft (siehe auch zu den Punkten 4 und 5).

Zu Forderung 12.)

Im Zusammenhang mit der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung wurden entsprechende Reports
eingerichtet. Diese Daten werden auf Anfrage dem Menschenrechtsbeirat sowie zum Zwe-
cke der parlamentarischen Kontrolle zur Verfügung gestellt werden.

 

Zu den dem Schreiben angefügten Fallbeispielen darf abschließend bemerkt werden, dass
eine inhaltliche Äußerung mangels konkretisierbarer Zuständigkeiten bedauerlicherweise
nicht möglich ist.

Für den Bundesminister:
MR Mag. Dr. Peter Widermann

elektronisch gefertigt