V- 5 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

Dienstag , 6. November 2007

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIII. Gesetzgebungsperiode      Dienstag, 6. November 2007

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

KOM (06) 708 endg.

Grünbuch betreffend ein modernes Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts

(5553/EU XXIII.GP)

 

 

RAT 9560/07

Conclusions of the Council and the Representatives of the Governments of the Member States meeting within the Council on Economic Partnership Agreements (EPAs)

(14189/EU XXIII.GP)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das "Grünbuch betreffend ein modernes Arbeitsrecht für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts" stand als erster Tagesordnungspunkt im Ständigen Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union zur Diskussion. Dieses ist von der EU-Kommission erstellt worden und hat zum Ziel, eine europaweite Debatte darüber zu führen, wie man das Arbeitsrecht weiter entwickeln könne, um nachhaltiges Wachstum und gleichzeitig mehr und bessere Arbeitsplätze zu schaffen. Die EU-Kommission möchte insbesondere eine Diskussion darüber anregen, wie flexible Vertragsbeziehungen kombiniert mit Arbeitnehmerrechten die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtern und Übergänge am Arbeitsmarkt fördern können.

 

Die dabei angeschnittenen Themen betreffen Übergänge zwischen verschiedenen Beschäftigungsformen, den Status von Beschäftigten, ob diese nun ArbeitnehmerInnen oder Selbständige sind, insbesondere das Problem der Scheinselbständigkeit. Weiters werden das Problem der Leiharbeit und der Arbeit mit SubunternehmerInnen, die Organisation der Arbeitszeit, die Mobilität der Arbeitskräfte sowie Fragen der Schwarzarbeit behandelt. Bei der Rechtsdurchsetzung geht es um eine bessere Zusammenarbeit verschiedener staatlicher Stellen, aber auch innerhalb der EU, um Verstöße gegen das Arbeitsrecht zu ahnden beziehungsweise zu verhindern.

 

Als die größte Herausforderung werden im Grünbuch die Flexibilität, die Beschäftigungssicherheit und die Verhinderung der Segmentierung am Arbeitsmarkt bezeichnet. Nachdem die dynamischen Beschäftigungsformen stark zugenommen und die Nicht-Vollzeitstandard-Arbeitsverhältnisse im Steigen begriffen sind, halten es viele für notwendig, im Arbeitsrecht eine bessere Koordination zwischen Arbeitsrecht und Beschäftigungspolitik herbeizuführen sowie entsprechende Schutzsysteme zu schaffen.

 

 

 

Die Diskussion über das Grünbuch treffe sich gut mit den Vorhaben in Österreich, wo man eine Neukodifizierung des Arbeitsrechts anstrebe, bemerkte Bundesminister Martin Bartenstein. Der Prozess dazu soll jedoch zunächst von den Sozialpartnern strukturiert werden, erläuterte der Minister. Er bedauerte, dass man in der EU mit der Richtlinie zu Arbeitszeit und Leiharbeit nicht weiter gekommen ist und unterstrich, dass Schwarzarbeit leider auch weiterhin ein Thema bleibe. In Österreich habe man mit der Generalunternehmerhaftung und der Verpflichtung der Anmeldung vor Arbeitsbeginn bereits wichtige Schritte gesetzt. Durch die Flexibilisierung der Arbeitszeit in Österreich sowie durch das Flexicurity-Paket, das er dem Ministerrat vorgelegt habe, würde der Modernisierungsprozess in Österreich fortgesetzt. Was die Mobilität betrifft, sprach sich Bartenstein unmissverständlich für eine leichtere Rechtsdurchsetzung aus.

 

Ein reguläres und unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis sollte wieder mehr zur Norm in Österreich und in Europa werden, bekräftigte Bartenstein. Oberstes Ziel müsse die soziale Absicherung aller Erwerbsformen sein, es müsse zu Mindestnormen kommen, um wirtschaftlich Schwache zu schützen, so der Minister. In Hinkunft sollte der Schutz der Menschen Vorrang vor dem Schutz des Arbeitsplatzes haben, und das sei ein Paradigmenwechsel. Wichtig sei es aber auch, die Wettbewerbs- und Anpassungsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft zu berücksichtigen.

 

 

 

In der Diskussion wurde von den Abgeordneten positiv bemerkt, dass die Europäische Kommission eine Diskussion zum Thema des Arbeitsmarktes und des Arbeitsrechts initiiert. Dennoch übten SPÖ und Opposition Kritik an den Schlussfolgerungen der Kommission.

 

So äußerte Abgeordnete Elisabeth Grossmann (S) große Zweifel daran, ob die Zielsetzungen, die die Kommission aus der Analyse ableitet, tatsächlich der Intention von besseren Arbeitsplätzen und mehr Sicherheit entspricht. Ihrer Meinung nach würden die atypischen Arbeitsverhältnisse völlig realitätsfern idealisiert. Derartige Arbeitsverhältnisse würden oft erzwungen, beispielsweise aufgrund mangelnder Kinderbetreuungsplätze, und nicht freiwillig eingegangen, merkte sie an. Zu meinen, Flexibilisierung und Aufweichung des Kündigungsschutzes führten automatisch zu mehr Arbeitsplätzen, sei falsch. Unsichere Arbeitsplätze seien darüber hinaus auch Konjunkturbremser, da die Betroffenen weniger Geld ausgeben. Als ein großes Problem erachtete die Abgeordnete den Bereich der Schwarzarbeit, und sie bedauerte, dass es in Fragen des ArbeitnehmerInnenschutzes kaum Vertragsverletzungsverfahren gibt, im Gegensatz zur Dienstleistungsfreiheit. Daher gelte es, gerade in diesem Bereich auch in Europa entsprechende Schritte zu setzen. Grossmann sprach sich für einen einheitlichen ArbeitnehmerInnenbegriff aus, und zwar nicht nur national, sondern auch grenzüberschreitend. Sie wies weiters auf die Entschließung des Europäischen Parlaments hin, das sich kritisch mit dem Grünbuch auseinandersetzt.

 

Auch ihr Klubkollege Dietmar Keck bedauerte, dass das Grünbuch die nicht standardisierten Arbeitsverträge zu unkritisch bewerte. Er befürchtete das Sinken sozialer Standards und konnte keine Anzeichen für soziale Fortschritte erkennen. In dieser Einschätzung sah er sich auch einig mit einer Initiative auf EU-Ebene unter dem Titel "Neuer Schwung für ein soziales Europa". Einige Arbeitsminister der EU hätten diese Initiative bereits unterschrieben, sagte er und fragte, warum Bundesminister Bartenstein seine Unterschrift noch nicht darunter gesetzt hat.

 

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (S) brachte die Problematik der BerufsumsteigerInnen, die sich dafür einer Ausbildung unterziehen, und deren existenzielle Probleme zur Sprache. Auch forderte sie den Minister auf, sich auf EU-Ebene für eine bessere Integration der Menschen mit Beeinträchtigungen einzusetzen. Sie machte darüber hinaus darauf aufmerksam, dass die Kontrollinstrumente in der EU nicht kompatibel sind, was zu Wettbewerbsverzerrungen führe. Schließlich sprach sie sich dafür aus, die Nachhaltigkeit mit terminlich festgelegten Zielsetzungen zu verankern.

 

Abgeordneter Karl Öllinger (G) kritisierte die Schlussfolgerungen, die die Kommission aus der Analyse zieht. Sie schaue zu wenig auf die Ursachen der Entwicklung des Arbeitsmarktes und sehe als Konsequenz lediglich den Ausbau der flexibleren Arbeitsverhältnisse. Nicht das Just-in-time-Management sei die Ursache der Flexibilisierung, sondern der Übergang vom Stakeholder- zum Shareholder-Kapitalismus, so die Auffassung Öllingers. Das Arbeitsrecht sei nicht nur ein Instrument der Wirtschaftspolitik, sondern in erster Linie ein Instrument, um strukturelle Ungleichheiten zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen auszugleichen. Dieser Aspekt komme jedoch im Grünbuch zu kurz. Es sei falsch, stellte Öllinger fest, in der Atypisierung von Arbeitsverhältnissen eine Chance zu sehen. Bestes Beispiel dafür seien der Dienstleistungsscheck und die Hausbetreuung. Ersterer stelle mit Sicherheit kein Sprungbrett dar, sondern unterschreite Mindeststandards und dränge die Leute an die Peripherie. Die Hausbetreuung sei sozial- und lohnrechtlich schlecht abgesichert. Öllinger erkundigte sich auch nach dem arbeitsrechtlichen Anpassungsbedarf in Österreich, um gleichzeitig zu betonen, dass dieser in keiner Weise beim Kündigungsschutz ansetzen dürfe. Weiters sprach er sich für Mindeststandards, insbesondere für einen Mindestlohn, aus, der in den einzelnen Ländern nach dem jeweiligen Meridianeinkommen berechnet wird. Er sah auch die Notwendigkeit eines neuen ArbeitnehmerInnenbegriffs, der an die wirtschaftliche Abhängigkeit anknüpft, forderte Mindeststandards bei der Leiharbeit und sah einigen Handlungsbedarf im Rahmen der Mobilitätsförderung. 

 

Die Basis für die Fehlentwicklung am Arbeitsmarkt erblickte Abgeordneter Herbert Kickl (F) in der neoliberalen Politik der Union, die das Hauptgewicht auf Wachstum, Gewinn und Flexibilisierung lege. In Lissabon seien die Würfel in diese Richtung gefallen, sagte er und bezeichnete die Tatsache, dass die EU aus einem Wirtschaftsraum entstanden ist, als den "genetischen Grunddefekt der Union". Oberste Maxime in der EU sei die freie Marktwirtschaft und der freie Wettbewerb, und somit könne Harmonisierung nur zu einer Nivellierung nach unten führen. Die EU diene somit im Bereich des Arbeitsrechts als ein Katalysator in die falsche Richtung. Mit der Lissabon-Strategie habe man Wirtschaftswachstum angestrebt, die sozialen Fragen seien dabei unter die Räder gekommen. Die Wirtschaft argumentiere immer mit der Keule der Wettbewerbsfähigkeit, des Wirtschaftsstandorts und des Bürokratieabbaus. Atypische Arbeitsverhältnisse seien keine sicheren Arbeitsplätze, vielmehr müsse es in die umgekehrte Richtung gehen. Die so genannte "Flexicurity" bezeichnete Kickl als eine "Mogelpackung", in der ein fatales Ungleichgewicht zwischen den Interessen der Wirtschaft und dem Schutz der ArbeitnehmerInnen herrsche. Mit dem Grünbuch erbringe die EU den Beweis, dass es ihr nicht um den Schutz der ArbeitnehmerInnen gehe, so das Resümee Kickls.

 

Ähnlich skeptisch äußerte sich Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B). Für ihn hat das Grünbuch nur wenig mit modernem Arbeitsrecht zu tun und zeichne sich durch "Wirtschaftslastigkeit" aus. Der Zweck des Arbeitsrechts sei jedoch, Ungleichheiten auszubalancieren. Ihm fehlten vor allem die Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Mindestnormen für den Schutz der wirtschaftlich Schwachen. Man könne sich nicht nur an den Interessen der Arbeitgeberseite orientieren, meinte Dolinschek, sondern müsse auch jene der Familien berücksichtigen. Aber in diesem Bereich werde nur wenig getan. Viele Vertragsklauseln stellen seiner Meinung nach ein Mobilitätshemmnis dar. Er trat dafür ein, dafür zu sorgen, dass die Standardarbeitsverträge umgesetzt werden. Die geltenden Arbeitsschutzbestimmungen müssten jedoch weiterhin aufrecht erhalten bleiben. 

 

Positiver fiel die Wortmeldung des Abgeordneten Karl Donabauer (V) aus. Man müsse die Konkurrenzsituation der Zukunft bewältigen, merkte er an, und man könne die Zeit nicht zurückdrehen. Derzeit fänden dynamische Prozesse statt, weshalb die Schule auf die neue Arbeitswelt vorbereiten sollte und vor allem auch der Weiterbildung im Arbeitsprozess mehr Beachtung geschenkt werden müsse. Das sei sowohl eine Herausforderung für die ArbeitnehmerInnen als auch für die ArbeitgeberInnen. Donabauer wies auf die Situation in Österreich hin und bewertete diese im europäischen Vergleich positiv. Im Bereich der Arbeitssicherheit hätten die Sozialversicherungen engagiert mitgearbeitet, wodurch man trotz der Abnahme bindender Arbeitsverhältnisse neue Wege in der sozialen Absicherung gefunden habe. Donabauer sprach sich auch für die Lockerung der siebenjährigen Übergangsfrist hinsichtlich des Zuzugs von ArbeitnehmerInnen aus den neuen EU-Mitgliedsländern aus. Europa müsse die dynamische Entwicklung bewältigen und entsprechende Antworten finden, bemerkte er abschließend. Das Grünbuch sei dafür eine Hilfestellung.

 

Ähnlich Abgeordnete Ridi Steibl (V), die die Notwendigkeit einer breiten Debatte über die Entwicklung der realen Arbeitswelt unterstrich. Krankjammern trage jedoch nicht zur Weiterentwicklung bei, sagte sie. Auch sie erinnerte an Maßnahmen in Österreich, wie die Arbeitslosenversicherung für Freie DienstnehmerInnen und die Abfertigung Neu. Sie hoffe auch auf eine baldige Einigung über den Mindestlohn. Was die Kinderbetreuung betrifft, so gehe es nicht nur um ein Mehr an Einrichtungen, sondern auch um flexiblere Öffnungszeiten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei dringend notwendig, wobei die Interessen aller berücksichtigt werden müssten. Teilzeitbeschäftigung bewertete Steibl durchaus positiv, da dies dem Wunsch vieler entspreche. Die Abgeordnete ersuchte den Wirtschafts- und Arbeitsminister auch, Anstrengungen zur Bewusstseinsbildung der Mädchen zu unternehmen, damit diese vermehrt technische Berufe ergreifen.

 

In seiner Reaktion auf die Diskussion bekräftigte Bundesminister Martin Bartenstein abermals seine Präferenz für die unbefristete Vollzeitbeschäftigung. Die Tatsache, dass es mehr Vertragsverletzungen zum Thema Dienstleistungsfreiheit und weniger zum Thema Arbeitsrecht gebe, führt er auf die Tatsache zurück, dass die Dienstleistungsfreiheit eine der Grundfreiheiten der Union darstellt. Das Arbeitsrecht sei auf EU-Ebene wenig verankert, so Bartenstein, der darüber hinaus andeutete, dass die Kommission bei einem Scheitern der Arbeitszeitrichtlinie ihren Vorschlag gänzlich zurückziehen wolle. Die Kommission werde dann zunehmend Vertragsverletzungsverfahren einleiten, wodurch Österreich in Hinblick auf die Spitäler, aber auch auf die Feuerwehr stark betroffen wäre.

 

Bartenstein befürwortete einen einheitlichen ArbeitnehmerInnenbegriff, was auch Ziel der Bundesregierung sei. Er räumte jedoch ein, dass es sehr schwierig sein werde, unter den Sozialpartnern zu einem Konsens zu kommen. Noch komplizierte gestalte sich die Frage auf EU-Ebene.

 

Gegenüber Abgeordnetem Öllinger stellte der Minister fest, dass er in Hinblick auf den Kündigungsschutz keinen Handlungsbedarf sehe. Die Frage des Mindestlohns sei bei den Sozialpartnern gut aufgehoben, sagte er, im Gegensatz etwa zu Deutschland gebe es auch kein Opting-Out aus den Kollektivverträgen. Er wies auch auf die Feststellung des Europäische Parlaments hin, wonach jene mit wirtschaftlicher Abhängigkeit von einem Auftraggeber echte Selbständige seien. Bartenstein widersprach jenen, die meinten, das Grünbuch favorisiere atypische Arbeitsverhältnisse. Es würde lediglich die Entwicklung zur Kenntnis genommen, wobei man hier zu Verbesserungen kommen müsse, sagte er. Er konnte auch keine Wirtschaftslastigkeit des Grünbuchs erkennen.

 

Der Minister verteidigte den Dienstleistungsscheck, der sich gut entwickle und eine Verbesserung darstelle, zumal die Leute früher schwarz gearbeitet hätten. Im Hinblick auf die Hausbetreuung sah er die Schwachstellen bei den Förderbedingungen, die der Sozialminister festgelegt hat. Vertragsklauseln stellten in Österreich kein Problem dar, so der Minister, und mit der Mitarbeitervorsorge für alle habe man die Mobilität unterstützt. Für die Zukunft wünschte sich Bartenstein eine Senkung der Lohnnebenkosten, etwa eine Einschleifregelung bei der Sozialversicherung. Über die Ersatzzahlungen bei Jobwechsel müsse man mit den AMS-Verantwortlichen diskutieren, und auch bei der Integration behinderter Menschen am Arbeitsmarkt sah der Minister im AMS einen wichtigen Ansprechpartner.

 

Österreich sei in Bezug auf soziale Nachhaltigkeit und auf Verteilungsgerechtigkeit gut unterwegs, merkte er an, und auch im Kampf gegen die Armut stehe Österreich im europäischen Vergleich gut da und werde weitere Akzente, etwa durch Grundsicherung, setzen. Was die bessere Organisation der Kinderbetreuung und die Motivation von Mädchen betreffe, technische Berufe zu ergreifen, stimme er mit Abgeordneter Ridi Steibl überein. Teilzeitarbeit wollte der Minister nicht mit einem atypischen Dienstverhältnis gleichsetzen, da ein überwiegender Teil der Teilzeitbeschäftigten dies auch wolle. Die Tendenz sei steigend, berichtete der Minister, im zweiten Quartal 2007 sei ein Anteil von 22,7 % von Teilzeitbeschäftigten festzustellen gewesen, das habe 41,5 % der beschäftigten Frauen und 7,4 % der beschäftigten Männer betroffen. Für die Freien DienstnehmerInnen habe es deutliche Verbesserungen im Bereich der sozialen Absicherung gegeben und Geringfügig Beschäftigte seien meist jene, die sich etwas neben dem normalen Job dazuverdienen wollen, weiters Studierende, Arbeitslose oder FrühpensionistInnen. Die Beschäftigungsrate der 55- bis 64-Jährigen sei in den letzten zwei, drei Jahren auf 35 % angestiegen, der EU-Schnitt liege über 40%, in Schweden betrage der Anteil über 60 %. 

 

Zur Frage der Übergangsfristen betonte Bartenstein, dass es in Österreich eine breite Zustimmung für die schrittweise Öffnung des Arbeitsmarktes für Fachkräfte gebe. Abgeordnetem Kickl hielt er entgegen, dass sich die EU-Wirtschaft in der letzten Zeit gut entwickelt habe und die EU gut damit fahre, sich um Wachstum, Beschäftigung und Nachhaltigkeit zu kümmern.

 

In Bezug auf die Initiative "Neuer Schwung für ein soziales Europa" bemerkte Bartenstein, dass er nicht unterschreiben werde, weil der Text unausgewogen sei. Auch Minister Müntefering von der SPD habe nicht unterschrieben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die ins Stocken geratenen Verhandlungen zu den Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen der EU und den AKP-Staaten (Economic Partnership Agreements – EPAs) waren das zweite Thema des Ständigen Unterausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union. Diese Partnerschaftsabkommen sind insbesondere vor dem Hintergrund einer entwicklungspolitischen Dimension zu sehen und zielen auf die verstärkte Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft sowie auf die Armutsbekämpfung ab. Das soll unter anderem durch stark asymmetrische Liberalisierungsverpflichtungen zugunsten der AKP-Staaten erreicht werden.

 

Wie Bundesminister Martin Bartenstein unterstrich, ist die EU keineswegs Profiteur solcher Abkommen. Die EPAs sollten das alte Cotonou-Abkommen ablösen, der dafür geltende WTO-Waiver, darunter sind Ausnahmebestimmungen zu verstehen, läuft mit Ende dieses Jahres ab. Deshalb sollten die EPAs mit 1. 1. 2008 in Kraft treten.

 

Der Verhandlungsprozess, der in sechs Gruppen erfolgte, habe sich jedoch stark verzögert, bedauerte Bartenstein, sodass mit einem Abschluss bis Jahresende nicht zu rechnen sei. Man strebe daher eine WTO-kompatible Zwischenlösung an, um den AKP-Staaten einen Marktzugang im Warenhandel zu ermöglichen. Anderenfalls würde es für die AKP-Länder zu dramatischen Verschlechterungen kommen. Beim kommenden allgemeinen Rat am 19. und 20. November sollen Schlussfolgerungen für die weitere Vorgangsweise verabschiedet werden. Es gehe darum, den Bruch auf ein Minimum zu beschränken, sagte Bartenstein. Daher wolle man Interimsabkommen mit einzelnen Staaten erzielen. Darüber hinaus seien Unterstützungsmaßnahmen, etwa in Form von Regionalfonds, geplant, erläuterte der Minister.

 

Abgeordnete Petra Bayr (S) teilte die Auffassung Bartensteins, dass die Interimsabkommen nur die zweitbeste Lösung darstellten. Dasselbe gelte für einen völligen Neubeginn der Verhandlungen. Sie fragte, was mit jenen Staaten passiere, die diese Interimsabkommen nicht unterzeichnen, da dies eine wesentliche Schlechterstellung zur Folge hätte, was wiederum im Widerspruch zum Cotonou-Abkommen stünde. Bayr äußerte sich auch skeptisch zu den Möglichkeiten, wie man die AKP-Staaten zur Weiterverhandlung motivieren könnte, und stellte die Frage in den Raum, ob es realistisch sei, Sozial-, Arbeits- und Umweltrechte in die Verhandlungen mit einzubeziehen.

 

Ihr Klubkollege Andreas Schieder meinte, die EU habe mit ihrer Vorgangsweise die afrikanischen Staaten verärgert, und er vermisste eine Afrikastrategie der Union.

 

Als einen wesentlichen Aspekt in den komplizierten Verhandlungsthemen nannte Abgeordneter Karl Donabauer (V) die Interpretation. Als notwendig erachte er es daher, einen Interpretationsrahmen zu erstellen. Auch wenn es in erster Linie um Armutsbekämpfung und Integration in die Weltwirtschaft gehe, müsse man über die Abgleichung der Produktionsfaktoren reden, fuhr Donabauer fort. Es könne nicht nur um reine Wirtschaftsprozesse gehen.

 

Abgeordnete Ulrike Lunacek (G) thematisierte die so genannten Singapore Issues (Investitionen, Wettbewerb, Handelserleichterung, Transparenz im öffentlichen Auftragswesen) sowie die Dienstleistungen. Auch sie bezweifelte, dass man Druck auf jene Länder ausüben könne, die diese Themen nicht behandeln wollen. Lunacek gab die Schuld für die Verhandlungsverzögerungen auch der EU, welche Vorschläge afrikanischer Staaten lange Zeit habe liegen lassen. Schließlich sprach sie die Definition sensibler Produkte und die bisher ungeklärte Frage der Ursprungsregeln an.

 

Seitens der Regierung müsse man im Rahmen dieser Verhandlungen auf die Interessen Österreichs und der EU Bedacht nehmen, forderte Abgeordneter Reinhard Eugen Bösch (F). Für ihn sind sozial- und umweltpolitische Kriterien wichtig, weshalb er sich nach den Gefahren durch diese Abkommen für den Markt in Österreich und der EU erkundigte.

 

Bundesminister Martin Bartenstein wies darauf hin, dass die Verhandlungen von der Europäischen Kommission geführt wurden. Es habe auf allen Seiten Bemühungen gegeben, die Verhandlungen zu einem Abschluss zu bringen, das Thema sei aber extrem komplex und schwierig. Die Alternative "Zurück zum Start" bewertete er als wenig realistisch, weshalb er den Weg der Interimsabkommen unterstütze, wobei die Prämisse, die ins Stocken geratenen Verhandlungen zu den Partnerschaftsabkommen weiter zu führen, beibehalten werden müsse. Er räumte aber ein, dass die Umwelt- und Sozialstandards nicht im Interesse der Entwicklungsländer liegen. Die Singapur-Themen seien für die AKP-Staaten selbst wichtig, man denke nur an die Investitionssicherheit.

 

Grundsätzlich stellte er fest, dass man nicht von einem Scheitern der Verhandlungen sprechen könne, sondern lediglich von einer weiteren Verzögerung. Konkrete Gefahren für die europäischen Märkte durch die Abkommen sah Bartenstein nicht. Die Dienstleistungsfrage sei zur Zeit nicht aktuell, betonte er. Was die sensiblen Produkte betrifft, so seien diese von den AKP-Ländern selbst zu definieren, die EU sei aber bereit, einer Übergangsfrist bis zu 25 Jahren zuzustimmen. Ursprungsregeln hielt der Wirtschaftsminister für unumgänglich, um zu verhindern, dass Produkte, deren Einfuhr die EU beschränken möchte, über Umwege nach Europa kommen. In Hinblick auf die Frage der Finanzierung, die von mehreren Abgeordneten aufgeworfen worden war, verwies Bartenstein auf das Außenministerium.

 

Allgemein bemerkte er, dass der EU-Anteil an der Entwicklungszusammenarbeit weitaus größer ist, als jener der USA, die Entwicklungshilfe darüber hinaus mit Militärhilfe verquicke. Abgeordneten Schieder informierte er, dass am 11. Dezember ein Gipfel EU - Afrika stattfinden wird.