293/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 10.12.2008
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend ein Maßnahmenpaket für mehr Verkehrssicherheit in Österreich

 

 

Österreich liegt im Bereich der Verkehrssicherheit im internationalen Vergleich im negativen Spitzenfeld. So ist z.B. das mittlere Unfallrisiko der Bevölkerung in Österreich mit über 5 Unfällen pro 1.000 Einwohner höher als in vielen anderen europäischen Staaten. Auch das Verhältnis Unfallzahlen zu Kfz-Bestand bescheinigt Österreich mit gut 10 Verunglückten pro 1.000 Kfz einen europäischen Negativrekord.

 

Mit den nackten Zahlen sind dramatische Auswirkungen verbunden: Alle zehn Minuten verunglückt in Österreich ein/e VerkehrsteilnehmerIn. Jährlich sind hunderte Todesopfer und zigtausend Verletzte zu beklagen. Die Zahl der Getöteten im Vergleich über mehrere Jahre hinweg ist immer noch auf hohem Niveau und sinkt nur in unzureichendem Ausmaß. Selbst dies ist primär der besseren und schnelleren Erstversorgung und dem medizinischen Fortschritt zu verdanken, wie die unverändert hohe Unfallzahl und die gewaltigen Verletztenzahlen mit hohem Anteil von schweren Verletzungen und Langfrist- oder Dauerinvalidität belegen.

 

Trotz einzelner Schritte für mehr Verkehrssicherheit in den letzten Jahren - wie die Einführung des allerdings in Deliktkatalog und Vollzug höchst verbesserungswürdigen Vormerksystems - haben die Unfallbilanzen der letzten Jahre wiederholt Zunahmen bei bekannt kritischen Verursachergruppen und Unfallursachen bestätigt. Selbst nach den vorsichtigen Berechnungen des BMVIT selbst betragen die Gesamtkosten alleine für Unfälle im Straßenverkehr in Österreich über 3,6 Mrd. Euro jährlich. Dass die VerursacherInnen diese Kosten nur teilweise tragen, ist zudem mit ein Grund für finanzielle Schwierigkeiten bei Krankenversicherungen und Spitalserhaltern.

 

Der Zwang zum Handeln könnte somit kaum größer sein, noch länger auf rasche, konsequente und zielführende Maßnahmen zu verzichten, wäre umso unverständlicher, als andere Staaten mit ambitionierten Ansätzen für mehr Verkehrssicherheit erfolgreich sind. Darunter unter anderem

+ die „Vision Zero“ für Opfer- und Unfallzahlen als Oberziel, wie sie zB in Schweden in weit höherer Konsequenz seit langem Leitlinie des staatlichen Handelns ist,

+ die Aufnahme der tatsächlich gravierenden Delikte in das Vormerksystem sowie die - gegebenenfalls befristete - Aufnahme „neu auftretender“ Delikte im Sinne einer zügigen verschärften Bewusstseinsbildung,

+ die Beschlagnahme von Fahrzeugen bei schweren oder „vorsatz-artigen“ Delikten als wirkungsvolles zusätzliches Mittel,

+ eine angemessene Höhe und Valorisierung von Verkehrsstrafen, die (Beispiel Alkoholdelikte) gemessen an der Einkommensentwicklung nur mehr einen Bruchteil der Höhe etwa der Sechzigerjahre haben,

+ die Lösung der Frage der Verfolgung von Delikten ausländischer Verkehrsteilnehmer,

+ gezielte Konzentration der Ressourcen auf das Zurückdrängen besonders unfallträchtiger „Massendelikte“ wie insbesondere Alkohol und überhöhte Geschwindigkeit,

+ die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, bei einem Delikt ertappt zu werden, durch Maßnahmen bei Personalstand, Ausbildung, Motivation und Ausrüstung der Exekutive.

 

Die Verkehrssicherheit muss - entsprechend dem Staatsziel der Bundesverfassung, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten – wieder ins Zentrum der Verkehrspolitik rücken. Menschenleben zu retten, Invalidität zu verhindern, Unfälle zu vermeiden muss Priorität bekommen. Es ist erstaunlich, dass der mit Abstand größten Bedrohung von Sicherheit; Leib und Leben der österreichischen Bevölkerung – dem Unfallgeschehen im Verkehr – unzureichendes Gewicht eingeräumt wird, während im Vergleich dazu marginale Fragen und Bedrohungsbilder unter dem Titel „Sicherheit“ zu echten Staatsaffären hochstilisiert werden. Diese Schieflage muss im Interesse der tatsächlichen Erhöhung der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung dringend behoben werden.

 

Dazu braucht es neben entsprechender Gestaltung der großen Linien der Verkehrspolitik – etwa der Förderung sicherer Verkehrsträger und Mobilitätsformen, wie des Umweltverbundes Öffis/Radfahren/Zufußgehen – Beiträge zur Verkehrssicherheit auf allen Ebenen. Diese dürfen sich nicht auf wortgewaltige Ankündigungen („Halbierung der Toten“) beschränken und dann in der Tagespolitik unter ferner liefen rangieren. Auch das Zufriedengeben mit punktuellen Maßnahmen wie der bloß minimalen Erhöhung einzelner, dennoch weiterhin viel zu niedriger Verkehrsstrafen bleibt unzureichende Symbolpolitik. Die jahrelange Verzögerung sinnvoller Maßnahmen aufgrund von Lobbyrücksichtnahmen (Bsp. Alkohol am Steuer) oder parteipolitisch motivierten Eitelkeiten (Bsp. Punkteführerschein – 10 Jahre Debatte um den Namen statt Einführung ist gleichbedeutend mit 1000 vermeidbaren Todesopfern!) darf sich nicht fortsetzen. Im Sinne einer effizienten Verkehrssicherheitspolitik bei weitem unzureichend ist auch das Zurückziehen auf technische Lösungen, das EU-Verkehrssicherheitspolitik und leider entgegen der realen Verteilung der Unfallursachen auch das geltende „Österreichischen Verkehrssicherheitsprogramm 2002-2010“ dominiert.

 

In der XXIII. Gesetzgebungsperiode hat die Regierungsmehrheit im Bereich Verkehrssicherheit nur vereinzelte und völlig unzureichende Schritte gesetzt. Viele relativ einfach zu lösende Punkte sind trotz detailliert vorliegender Lösungsvorschläge schlicht liegengeblieben oder Interventionen einzelner Lobbies zum Opfer gefallen. Bei komplexen Fragen wie dem Unfallschwerpunkt Eisenbahnkreuzungen wird sogar offen Schönfärberei betrieben, wenn im SPÖ-ÖVP-Regierungsprogramm von November 2008 trotz neuer trauriger Opfer-Rekorde von der „Fortsetzung des erfolgreich laufenden Eisenbahnsicherheitsprogramms“ die Rede ist und die nötige Aktualisierung der entsprechenden Rechtsgrundlage auch nach 10 Jahren Kritik immer noch ausständig ist.

 

Die deutliche bisherige Verfehlung des Pfades (dzt. um rund ein Viertel mehr Getötete als beabsichtigt) und absehbar auch der Gesamtziele (2010 – minus 50% Getötete, minus 20% Unfälle mit Personenschaden) des Österreichischen Verkehrssicherheitsprogramms 2002-2010 macht zusätzliche entschiedene Maßnahmen dringend und unumgänglich nötig.

 


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

 

Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie im Zusammenwirken mit der Bundesministerin für Inneres wird angesichts der viel zu hohen Unfall- und Opferzahlen im Straßenverkehr mit Nachdruck aufgefordert, zum Schutz und zur Sicherheit der VerkehrsteilnehmerInnen ein wirksames Verkehrssicherheitspaket mit folgenden vorrangigen Maßnahmen und Zielsetzungen dringend umzusetzen:

 

·           Langfristiges Ziel: Vision Zero - keine Toten oder Schwerverletzten im Straßenverkehr, Tote dürfen kein obligatorischer Nebeneffekt der Mobilität sein;

 

·           Förderung des sicheren Öffentlichen Verkehrs durch eine Struktur- und Finanzierungsreform mit dem Ziel einer Angebots- und Qualitätsoffensive

 

·           Rechtliche Stärkung des Fußgänger- und Radverkehrs, insbesondere durch gezielte Besserstellung im Wege einer umfassenden Durchforstung und Änderung der StVO;

 

·           Umgehende Umsetzung der seit langem vorliegenden Maßnahmenvorschläge zur Verbesserung der Moped-Ausbildung („Moped ab 15“ - derzeit „Krisenzone der Unfallbilanz“)

 

·           Verkehrssicherheits-Kampagnen zur Änderung von Mentalitäten und Verhaltensweisen, u.a. zu Alkohol, Rasen, Gurtanlegen, Handy am Steuer;

 

·           Umgehende Reform des Vormerksystems – Evaluierungsergebnisse liegen im Verkehrsressort seit langem umsetzungsbereit vor! - mit dem Fokus auf Geschwindigkeitsdelikte, Handy-Telefonieren am Steuer und gezielten Zugriff bei HochrisikolenkerInnen und WiederholungstäterInnen;

 

·           Schwerpunktaktion für Kindersicherheit und für besondere Risikogruppen (Führerscheinneulinge und SeniorInnen)

 

·           Verkehrssicherheitspaket für SeniorInnen (Fahrsicherheitstraining, Schulungsangebote, Anreizsysteme für Führerschein auf Zeit, Taxi-Gutscheine, ÖV-Netzkarten,....)

 

·           Verkehrssicherheitsbeiträge statt Strafverfügungen, österreichweit einheitliche, deutlich angehobene Mindesthöhen und in der Folge Valorisierung der Strafsätze, Zweckwidmung von Bundesanteilen der Strafgelder/Verkehrssicherheitsbeiträge für Verkehrssicherheitsmaßnahmen;

 

·           Anhebung insbesondere des Strafniveaus bei Geschwindigkeitsübertretungen mindestens auf EU-Niveau, deutliche Reduktion der Toleranzgrenzen;

 

·           Section-Control gegen Raser;

 

·           Massive Kontrolle der Tempolimits und Prüfung der generellen Senkung der Tempolimits für Kfz im Interesse von Verkehrssicherheit, Lärm-, Umwelt- und Klimaschutz;

 

·           Prüfung der weiteren Absenkung des Alkohollimits;

 

·           Weiter intensivierte Kontrolltätigkeit im Bereich Alkohol, denn seit 1998 steigt die Zahl der Alkoholunfälle (30% der „Alleinunfälle“);

 

·           Gelbe Karte für Wiederholungstäter (jeder 5. alleinverunfallte Alko-Lenker ist ein „Wiederholungstäter“) in Form der befristeten Beschlagnahme des Fahrzeugs verfassungsrechtlich ermöglichen;

 

·           Regelmäßige Erhebung der Quoten bei Alkohol am Steuer wie in anderen EU-Ländern;

 

·           Gelbe Karte für gewerbliche Sicherheits- und Sozialdumper (zB Überschreitung der gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten) durch Verankerung des LKW-Abstellens über Gefahrguttransporte und inländische Betroffene hinaus;

 

·           Schwerpunktaktion zur Hebung der LKW-Verkehrssicherheit:

- Intensivierung der Kontrollen (insbes. Lenk- und Ruhezeiten, Wochenend-/Feiertagsfahrverbote, Ladevorschriften, Sozialbetrug);

- zahlenmäßig definierte, mit wirksamen Sanktionen verbundene Abstandsregeln insbesondere im hochrangigen Netz,

- Maßnahmen zur nachhaltigen Senkung des Unfallrisikos bei Klein-LKW

 

·           Mehrphasenausbildung: Verlängerung des Zeitraums für den Führerschein auf Probe von 2 auf mehr Jahre (Möglichkeit einer Verkürzung durch Pluspunkt);

 

·           offensives Betreiben einer ambitionierten verkehrssicherheitspolitischen Linie auf EU-Ebene, um die derzeitige Fixierung auf Infrastruktur und Telematik zu überwinden;

 

·           gesetzliche Verankerung der Verkehrsstatistik (nicht nur Werkverträge mit der Statistik Austria), Prüfung der Wiederaufnahme der aus Kostengründen eingestellten Sachschadensstatistik;

 

·           Durchforstung des Schilderwaldes.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.