458/A XXIV. GP

Eingebracht am 17.02.2009
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ANTRAG

 

der Abgeordneten Mag. Stadler, Scheibner

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. 2/2008, wird wie folgt geändert:

 

1. In Artikel 141 wird in Abs. 1 folgende lit. f neu angefügt:

„f) über die Anfechtung der Wahl zum Mitglied der Volksanwaltschaft sowie auf Antrag eines Kandidaten zu dieser über den Entscheid der Wahlbehörde (Art. 148g Abs. 4); im Falle der Anfechtung über die Zulassung als Kandidat binnen einer Woche;“

 

 2.  Artikel 141 Abs. 2 lautet:

„(2) Wird einer Anfechtung gemäß Abs. 1 lit. a und f stattgegeben und dadurch die teilweise oder gänzliche Wiederholung der Wahl zu einem allgemeinen Vertretungskörper, zur Volksanwaltschaft, zum Europäischen Parlament oder zu einem satzungsgebenden Organ der gesetzlichen beruflichen Vertretungen erforderlich, so verlieren die betroffenen Mitglieder dieses Vertretungskörpers ihr Mandat im Zeitpunkt der Übernahme desselben durch jene Mitglieder, die bei der innerhalb von 100 Tagen nach der Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungs­gerichtshofes durchzuführenden Wiederholungswahl gewählt wurden.“

 

3. Artikel 148g lautet:

„(1) Die Volksanwaltschaft hat ihren Sitz in Wien. Sie besteht aus sechs Mitgliedern, von denen jeweils eines den Vorsitz ausübt. Die Funktionsperiode beträgt sechs Jahre. Eine mehr als einmalige Wiederwahl der Mitglieder der Volksanwaltschaft ist unzulässig. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren getroffen.

(2) Die Mitglieder der Volksanwaltschaft werden vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes gewählt. Die Wahl zur Volksanwaltschaft findet grundsätzlich mit der Wahl des Bundespräsidenten (Art. 60 B-VG) statt. Ist dies nicht möglich, da eine Wahl des Bundespräsidenten vor Ablauf der verfassungsgesetzlichen Dauer von sechs Jahren notwendig geworden ist, so hat die Wahl zur Volksanwaltschaft dennoch erst mit Ende der Funktionsperiode gemäß Abs. 1 stattzufinden. Die Zusammenlegung mit anderen Wahlen ist zulässig.

(3) Der Vorsitz in der Volksanwaltschaft wechselt jährlich zwischen den Mitgliedern in der Reihenfolge des Stimmergebnisses der Wahl zum Volksanwalt.

(4) Zum Volksanwalt kann nur gewählt werden, wer das Wahlrecht zum Nationalrat hat und vor dem Wahltag das 35. Lebensjahr überschritten hat. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft dürfen während ihrer Amtstätigkeit weder der Bundesregierung noch einer Landesregierung noch einem allgemeinen Vertretungskörper angehören und keinen Beruf ausüben. Sie sollen über besondere Kenntnisse und Erfahrungen mit der öffentlichen Verwaltung verfügen. Anlässlich ihrer Kandidatur sind diese in dem auf sie lautenden Wahlvorschlag darzulegen. Über die Anerkennung dieser Kenntnisse und Erfahrungen und damit der Zulassung zur Wahl entscheidet die Wahlbehörde mit Bescheid. Dieser kann vor dem Verfassungsgerichtshof angefochten werden.

(5) Vor Ablauf der Funktionsperiode kann ein Volksanwalt durch Volksabstimmung abgesetzt werden (Amtsenthebung). Die Volksabstimmung ist durchzuführen, wenn der Nationalrat dies beschlossen hat. Zum Beschluss des Nationalrates ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Ablehnung der Absetzung durch die Volksabstimmung erneuert das Mandat des betroffenen Volksanwaltes für die Dauer der restlichen Funktionsperiode gemäß Abs. 1.

(6) Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Mitgliedes der Volksanwaltschaft oder seiner Amtsenthebung wird, sofern die Funktionsperiode noch mehr als ein Jahr beträgt, der nächstgereihte Kandidat aufgrund des Wahlergebnisses der letzten Wahl zur Volksanwaltschaft, der mehr als die Hälfte der gültig abgegebenen Stimmen auf sich vereinen kann, zum Volksanwalt. Erfüllt kein Kandidat diese Voraussetzungen oder verzichtet jeder weitere solchermaßen Gewählte auf sein Recht, so hat für jedes frei gewordene Mitglied der Volksanwaltschaft eine Wahl gemäß Abs. 2 stattzufinden.

(7) Ist die Funktionsperiode im Falle des Abs. 6 kürzer als ein Jahr, so haben die Mitglieder der Volksanwaltschaft die Aufgaben des ausgeschiedenen Mitgliedes unter sich aufzuteilen.

(8) Je ein Volksanwalt hat die Aufgabe des Behindertenanwaltes und des Vorsitzenden der Bundesheerbeschwerdekommission wahrzunehmen. Näheres regeln die Gesetze.“

 

4. Dem Artikel 151 wird folgender Abs. 41 angefügt:

„(41) Die Art. 148g und Artikel 141 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. I Nr. xx/2009 treten mit 1. Juni 2009 in Kraft.“

 

Begründung:

 

Die derzeitige Regelungen über den Bestellungsmodus, die Zahl und die parteipolitische Abhängigkeit von Volksanwälten im Zuge ihrer (Wieder)Nominierung und Bestellung sind in den letzten Jahren einer massiven Kritik ausgesetzt gewesen. So gibt es einerseits keine Möglichkeit, Volksanwälte bei schwerwiegenden Verfehlungen abzuberufen und andererseits ist die Beschränkung auf die drei mandatsstärksten Parteien im Nationalrat anachronistisch und zweckwidrig; geht sie doch letztendlich auf den Kreisky-Peter Pakt zurück, was sich schon in der Konstellation (der drei mandatsstärksten Parteien) widerspiegelt.

Die jüngste Debatte um das Vorschlagsrecht bei zwei mandatsgleichen Parteien im Nationalrat und die Frage des Nominierungsrechtes für den Wahlvorschlag des Hauptausschusses bei einem vorzeitigen Ausscheiden  – kennt doch die Geschäftsordnung des Nationalrates nur Klubs und keine Parteien – zeigen alleine schon die Unklarheit der bestehenden Normen. Die immer wieder aufgeworfene Frage der fachlichen Qualifikation der Volksanwälte (so etwa WALTER-MAYER, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechtessoll, 7. Auflage, S. 440 RZ 1256) wird durch eine entsprechende Regelung ebenfalls ergänzt. Die Mitglieder der Volksanwaltschaft sollen daher im Sinne Kelsens zu wahren „Anwälten des öffentlichen Rechts“ werden. Sie können dazu sowohl aus der Praxis der öffentlichen Verwaltung, dem Lehrbereich hierzu als auch aus politischen Vertretungskörpern und Kontrollinstitutionen stammen.

 

Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen:

Durch die vorgeschlagene Änderung des B-VG soll die Zahl der Volksanwälte auf sechs erhöht werden, wobei aber zusätzliche Aufgaben von bestehenden Institutionen übernommen werden würden. Durch das Instrumentarium einer Volkswahl der Volksanwaltschaft würde der Charakter der Unabhängigkeit von politischen Parteien deutlich verbessert werden. Zur Kostenersparnis für den Wahlvorgang wurde eine generelle Koppelung mit der Wahl des Bundespräsidenten vorgesehen, die nur unter  ganz besonderen Umständen bei vorzeitigem Ende einer Periode oder dem Ausscheiden eines Volksanwaltes zu einem eigenen Wahlgang führen würde. In diesem Fall ist die Zusammenlegung mit anderen Wahlen möglich.

Das Wahlverfahren stellt auf die Mehrheit der gültig abgegeben Stimmen für einen Kandidaten ab, wobei nur jene Kandidaten zu Mitgliedern der Volksanwaltschaft ernannt werden können, die in der Rangreihe der Stimmergebnisse die sechs ersten Plätze erreicht haben. Im Falle des vorzeitigen Ausscheidens wird auf die nächstgereihten Kandidaten, die aber über Stimmenmehrheit verfügen müssen, als Ersatzvolksanwälte abgestellt.

Eine Abberufung soll analog zur Wahl nur durch Volksentscheid möglich sein. Dieser ist nur nach einem qualifizierten Beschluss des Nationalrates durchzuführen. Die näheren Bestimmungen über die Wahl der Volksanwälte wären in einem eigenen Bundesgesetz über die Wahl zur Volksanwalt­schaft (das sehr ähnlich dem Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 gestaltet sein sollte) und die Bestimmungen über die Abberufung im Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates sowie im Volksabstimmungsgesetz 1972 zu regeln. Die Aufteilung der Aufgaben in allen Fällen unter den Volksanwälten wäre im Volksanwaltschaftsgesetz 1982 näher zu regeln.

Gleichzeitig zum neuen Wahl- und Abberufungsmodus wird auch die Zahl der Volksanwälte den Bedürfnissen entsprechend angepasst. So hat sich in bestimmten Lebensbereichen, die besondere Bedürfnisse nach Kontrolle der Verwaltung bedürfen, auch außerhalb des Systems der Volksanwaltschaft (VA) ein eigener Rechtsschutz für die betroffenen Bürger gebildet. Etwa im Bereich des Behindertenwesens (Behindertenanwalt) und der militärischen Landesverteidigung (Parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission). Beide Institutionen haben sich daher parallel zur VA entwickelt und haben in vielen Bereichen die gleichen Rechte, etwa zur Durchführung von Untersuchungen  und Erhebungen im Falle von behaupteten Diskriminierungen und zur Abgabe von Empfehlungen sowie zur Veröffentlichung von Berichten.

Konsequenterweise wäre es angebracht, diese Institutionen zusammenzuführen, wobei der Wirkungsbereich solcher Volksanwälte im Rahmen von anderen Kollegialorganen (Bundes­be­hindertenbeirat und Parlamentarische Bundesheer-Beschwerdekommission) weiterhin aufrecht bleiben sollte. Die Anzahl der Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheer-Beschwerde­kommission würde dabei aber ebenfalls von drei auf einen reduziert und dem Einfluss der politischen Parteien entzogen. Für die Wirkungsweise der besonderen Volksanwälte für das Behinderten­wesen und den Vorsitzenden der Parlamentarischen Bundesheer-Beschwerde­kommission in den (in den Gesetzen geregelten) eigenen Kollegialorganen sind entsprechende Novellen des Wehrgesetzes 2001 und des Bundesbehindertengesetzes notwendig.

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss beantragt.