526/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 11.03.2009
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Entschließungsantrag

 

der Abgeordneten Haubner, Bucher,

Kolleginnen und Kollegen

 

betreffend Schulreform- und Konjunkturpaket gegen die bildungspolitische Verarmung Österreichs

 

 

In krisenhaften Zeiten wird von Politkern immer wieder gerne wiederholt die Sorge um Arbeitsplätze geäußert und die gemeinsame Kraftanstrengung zur Sicherung derselben beschworen. Die Aussage von Finanzminister Josef Pröll: „In Zeiten der Wirtschaftskrise muss die Politik alles tun, um Arbeitsplätze zu sichern“[1] impliziert den Willen nach umfassenden Anstrengungen. Um Synergieeffekte zu erzeugen und konjunkturelle Maßnahmen derart zu platzieren, dass sie nachhaltig für die Zukunft wirken und nicht in einer einmaligen Aktion verpuffen, stellt das Schulwesen den wirkungsmächtigsten Bereich dar. Abgesehen davon, dass eine Generalreform des österreichischen Schulsystems sowieso mehr als überfällig ist, sind entsprechende Investitionen in diesen Bereich mit Sicherheit als das nachhaltigste Konjunkturpaket für die österreichische Wirtschaft überhaupt zu bezeichnen. Um den Wirtschaftsstandort Österreich mit gut ausgebildeten Menschen auch langfristig versorgen zu können, müssen bildungspolitische Maßnahmen gesetzt werden, die geeignet sind, dies für die Zukunft zu garantieren. Drei Bereiche sind dafür von besonderer Bedeutung:

I. Der Arbeitsplatz Schule braucht Raum

Durchschnittlich unterrichten die OECD-Lehrer im Primarbereich 812 (Zeit)–Stunden, die Spannweite reicht jedoch von 650 Stunden (Dänemark) bis 1080 (USA). Österreich liegt mit rund 800 Stunden im Durchschnitt. Im Sekundarbereich II liegt die Spannbreite von 364 (Dänemark) bis 1.080 (USA) durchschnittlich sind es 667 Stunden. Österreich liegt auch hier mit rund 600 Stunden am Schnitt. Laut OECD – Bericht beträgt die Netto-Unterrichtszeit der Lehrer in Österreich pro Jahr in den einzelnen Bereichen Primarbereich 774, Sekundarbereich I 607, Sekundarbereich II 589 Nettounterrichtsstunden pro Jahr. Bei einer nach der Arbeitszeitstudie „LehrerInn 2000“ ausgewiesenen Jahresarbeitszeitleistung der österreichischen Lehrer von rund 1.800 Stunden bedeutet dies, dass die österreichischen Lehrer signifikant weniger als die Hälfte ihrer Arbeitszeit bei den Schülern verbringen. (Primarbereich 43%, Sekundarbereich I 33,7% Sekundarbereich II 32,7%).

Um jedoch wie andere Arbeitnehmer einen Arbeitstag von zumindest acht Stunden auch in der Schule effizient verbringen zu können, bedarf es einer adäquaten Gestaltung des Arbeitsplatzes Schule.

Der „Arbeitsplatz Schule“ wurde bis vor kurzem von den politisch Verantwortlichen nicht als Problem wahrgenommen und dementsprechend stiefmütterlich behandelt. Erst mit dem Schulgipfel vom 31.03.2008 zum Thema "Lebensraum Schule – Arbeitsplatz Schule" wurde dieser Bereich umfassend thematisiert. Eine Online-Befragung von Lehrerinnen und Lehrern durch den Unternehmensberater Deloitte ergab, dass hinter den schlechten Imagewerten des Lehrerbildes insgesamt und der Nichteinbindung der Lehrer in Reformvorhaben die Kritik am persönlichen Arbeitsplatz an dritter Stelle steht. Besonders betont wurde die Unmöglichkeit, sich für individuelle Arbeiten an der Schule zurückziehen zu können und die schlechte Ausstattung des Arbeitsplatzes an der Schule. Die Expertenkommission „Zukunft Schule“ formuliert die Vorstellung vom Arbeitsplatz Schule sehr klar:

„Der Arbeitsplatz des Lehrers/der Lehrerin sollte – als Zielvorstellung – in erster Linie die Schule sein. In der Schule soll künftig nicht nur die Unterrichtstätigkeit stattfinden, sondern zunehmend auch die Vorbereitung des Unterrichts, alleine ebenso wie im Team, Beratungsgespräche mit Eltern und SchülerInnen, Schulentwicklungstätigkeit, Evaluationen, Konzeptionen u. a. m. Dazu bedarf es angemessener Einzelarbeitsplätze für LehrerInnen sowie Räumlichkeiten für Teamsitzungen oder Besprechungen und der notwendigen Ausstattung wie z. B. Internetzugänge, Fachbibliotheken u. a. m.“

Schulen sollten nicht geschlossene Orte der temporären Verwahrung von Lehrenden und Lernenden sein, sondern müssen viel mehr ihrer eigentlichen Bedeutung als erste und größte Bildungszentrale für die Gesellschaft gerecht werden. Die Schule muss ein Ort der Bildungsosmose zwischen den unterschiedlichen Teilen unserer Gesellschaft werden. Dazu braucht es jedoch entsprechende infrastrukturelle Ausrüstung, um einen Ort zur konzentrierten Zusammenarbeit zur Verfügung stellen zu können. Will man in den Schulen gemäß dem Vorschlag der Expertenkommission „Zukunft Schule“ auch „Supportsysteme“ von Schulpsychologen über Sozialarbeiter bis hin zu Verwaltungspersonen etablieren, dann müssen dafür budgetäre Vorkehrungen getroffen werden, die über die bisherigen halbherzigen Bekenntnisse hinausgehen.

Abgesehen davon, dass die im Regierungsprogramm 2008 für Schulinvestitionsprogramme vorgesehene Summe von € 1,664 Mrd. in den kommenden zehn Jahren viel zu niedrig ist (notwendig wird zumindest das Doppelte sein), kann angesichts der obigen Einschränkung davon ausgegangen werden, dass nicht einmal diese Summe aufgebracht werden wird:

„*) Die mit diesem Zeichen gekennzeichneten Passagen im Regierungsübereinkommen stehen unter Budgetvorbehalt und können nur im Rahmen des dem jeweiligen Ressort zur Verfügung gestellten Budgets – z.B. durch Umschichtungen - durchgeführt werden.“ (Regierungsprogramm SPÖ/ÖVP Koalition 2008, S.250)

Darüber hinaus ist dem Ministerratsvortrag der Unterrichtsministerin vom 17.02.2009 zu entnehmen, dass von den € 1,664 Mrd. circa 800 Millionen dem allgemeinbildenden und rund 864 Millionen Euro dem berufsbildenden Schulwesen zufließen sollen. Nur 30% gehen in die Errichtung von Neubauten und Erweiterungen, 70% gehen in Sanierungen, Umbauten und Funktionsadaptierung bestehender Objekte. Dies verdeutlicht einmal mehr, welch enormer infrastruktureller Aufholbedarf besteht.

Ein wirkungsvolles Schulinvestitionsprogramm muss als nationale Anstrengung und allgemeines Konjunkturpaket verstanden werden, von dem nicht nur der Bildungsbereich alleine profitieren wird. Abgesehen von den mittel- und langfristigen Effekten für Ausbildungsstand und Arbeitsmarkt können alleine aufgrund der notwendigen baulichen Maßnahmen kurzfristig wirksamer konjunkturelle Effekte gesetzt werden, die zur Überbrückung krisenhafter Zeiten unbedingt notwendig sind.

II. Generalreform des österreichischen Schulsystems

Das österreichische Schulsystem braucht eine grundlegende Reform, die mit dem derzeit parteipolitisch besetzten Bildungsbereich gründlich aufräumt. Die letzte echte umfassende Bildungsreform erfolgte mit der flächendeckenden Einführung der Elementarschule unter dem aufgeklärten Absolutisten Joseph II. Überspitzt formuliert wurden und werden heute in erster Linie die Möglichkeiten zur Ausnutzung parteipolitischer, länderspezifischer und ideologischer Partikularinteressen weiterentwickelt. Der engagierte Unterricht wird dabei längst als lästiges Zugeständnis an die eigentliche Aufgabenstellung der Institution Schule an den Rand gedrängt. Berufliches Engagement hat sich für couragierte Lehrerinnen und Lehrer leider als perfide Falle entpuppt, denn gefragt wird nicht nach der Verpflichtung gegenüber den Schülern, sondern wie weit An- und Einbindung in die dominierenden Strukturen bewältigt werden können. Der Druck auf die heutige Lehrerschaft, die aller methodisch und pädagogisch effektiver Möglichkeiten beraubt wurde, ist ein unvergleichlich größerer als etwa noch vor 30 Jahren. Das bestehende System fördert die parteipolitische Vereinnahmung der Schulen aufgrund von Strukturen, die vor Doppelgleisigkeiten und Kompetenzzersplitterungen nur so strotzen, was einschlägigen Studien sogar wissenschaftlich nachweisen:

"Die Funktionen im österreichischen Schulsystem sind auf die verschiedenen Verwaltungsebenen derart verteilt, dass eine effiziente Leistungserbringung nicht gewährleistet ist. Nicht nur in Bezug auf die Erhaltung und Errichtung von Schulen sind Planungskompetenz und Kostenträgerschaft der allgemeinen Pflichtschulen auf unterschiedlichen politischen Zuständigkeitsebenen angesiedelt, sondern auch in Bezug auf Verwaltung und Aufsicht des Lehrpersonals." (Ökonomische Bewertung des österreichischen Bildungswesens — Studie des IHS im Auftrag des BMUKK 2007)

Die Verantwortlichen wissen um die strukturellen Probleme. Die gewerkschaftlichen Reflexe, die nach jeder politisch nicht abgestimmten Äußerung durch die Medien zucken, zeigen nur allzu deutlich auf, wie gut der Selbsterhaltungstrieb dieser Institutionen funktioniert und dienen in erster Linie der Einmauerung des Status Quo. Den Bildungsbereich vorwärts gebracht hat bis jetzt noch keine dieser Institutionen.

Die derzeit diskutierten Probleme sind im großen Zusammenhang zu sehen und damit sind sie im tieferen Sinne gesellschaftspolitischer Natur. Eine mediale Öffentlichkeit, die das Leistungsdenken und das damit zusammenhängendes Mindestmaß an Disziplin und Respekt über Jahrzehnte hinweg als unmodern, antiquiert, chauvinistisch und im äußersten Fall sogar als faschistoid gebrandmarkt hat, darf sich heute nicht wundern, wenn die so gegängelten Lehrerinnen, Lehrer, Schülerinnen und Schüler angesichts der Unmöglichkeit der praktischen Umsetzung der größtenteils ideologisch motivierten geltenden Unterrichtstheorien frustriert und ausgebrannt resignieren.

In den entscheidenden politischen Gremien hat niemand wirklich ein Bild von der tatsächlichen Situation in den Schulen. Das, was seit den 70er Jahren als so genannte Schulreformen gepriesen wurde und wird, ist tatsächlich eine völlige Aufweichung grundlegender Wertehaltung gegenüber Themen wie Leistungsdenken, Zielformulierungen, Eintreten für die Gemeinschaft, Verhalten gegenüber Autoritäten ohne dafür im Gegenzug praktikable bzw. tragfähige Alternativen geschaffen zu haben.

III Einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht für Pädagogen

Das Arbeitszeitmodell der wöchentlichen Lehrverpflichtung (Pflichtstundenmodell) basiert auf der Unterrichtstätigkeit der Lehrer. Laut der Arbeitszeitstudie „LehrerInn 2000“ ist nur ein Drittel der Gesamttätigkeit des Lehrers ausschlaggebend für die Arbeitszeitbemessung und somit für die Besoldung. Die Studie empfahl, die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer gesamthaft zu betrachtet und alle von der Lehrerschaft wahrzunehmenden Aufgaben transparent zu erfassen und zu beschreiben. Ein solcher Ansatz könnte laut Studie auch ein besserer Ausgleich und eine Steuerbarkeit der zeitlichen Belastungen für den/die einzelne/n Lehrer bzw. Lehrerin sowie eine Flexibilisierung der Organisation auf Schulebene bewirken. Bisher wurden keine entsprechenden Änderungen am Besoldungsrecht für Lehrer vorgenommen. Auch die Expertenkommission „Zukunft Schule“ formulierte die Notwendigkeit einer Reform:

„Die Arbeit eines Kindergartenpädagogen/einer Kindergartenpädagogin unterscheidet sich inhaltlich von der Arbeit eines AHS-Professors/einer AHS-Professorin, beide leisten aber wichtige und wertvolle Arbeit, die monetär und dienstrechtlich nicht besser oder schlechter bewertet werden darf. Anzustreben ist die Schaffung eines Berufs Pädagoge/Pädagogin in unterschiedlichen Fachausprägungen, aber mit einem einheitlichen Dienst- und Besoldungsrecht und möglichst einheitlichem Dienstgeber.“

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehest möglich ein Schulreform- und Konjunkturpaket in der Höhe von zumindest zwei Milliarden Euro zur Erneuerung des österreichischen Schulsystems in den nächsten fünf Jahren in Form von entsprechenden Ausführungsgesetzen zuzuleiten, die zumindest folgende Punkte beinhalten:

 

I. Arbeitsplatz Schule

 

II. Generalreform des österreichischen Schulsystems

a) Verwaltung

 

b) Unterricht

 

III. Einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht für Pädagogen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Unterrichtsausschuss vorgeschlagen.



[1] Josef Pröll am 6. März in der Steiermark (OTS266 am 06.März 09)