713/A(E) XXIV. GP
Eingebracht am 09.07.2009
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
der Abgeordneten Brunner, Freundinnen und Freunde
betreffend Verbesserungen in der Schweinehaltung
Das Tierschutzgesetz 2004 hat mit dem Verbot der Haltung von Legehennen in Käfigen oder dem Verbot der dauernden Anbindehaltung von Rindern, Pferden und Ziegen die Lebens-und Haltungsbedingungen vieler Nutztiere in Österreich verbessert. Für die Schweine, deren Haltung in der Regel von tiergerechten Bedingungen besonders weit entfernt ist, gab es allerdings keinerlei Erleichterungen. In Österreich leben rund 85 % der Mastschweine auf Vollspaltenböden, rund 98 % aller Mastschweine leben ohne Stroheinstreu, rund 98 % aller Zuchtsauen müssen ins Abferkelgitter, rund 72 % aller Zuchtsauen leben ununterbrochen im Kastenstand und fast alle Kastenstände sind ohne Stroheinstreu. Zudem werden männliche Ferkel nach wie vor ohne Narkose chirurgisch kastriert.
In einem Artikel von Univ. Prof. Troxler[1] heißt es: „Nach dem heutigen wissenschaftlichen Kenntnisstand ist eine tiergerechte Haltung dann gegeben, wenn die Tiere so gehalten werden, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht überfordert wird“. Kurz zusammengefasst sind laut diesem Artikel in einer tiergerechten Schweinehaltung folgende Funktionskreise des Verhaltens besonders wichtig: Sozialverhalten: Schweine sind sozial lebende Tiere und leben in Gruppen. Fortbewegung: Erkunden, Nahrungssuche, Nestbau, Spiel, Flucht. Fressverhalten: Im Freien suchen Schweine über längere Zeit durch Wühlen und Graben nach Fressbarem. Ruheverhalten: Schweine ruhen vorwiegend zusammen in einer Gruppe. Dazu werden an geeigneten Stellen Schlafnester angelegt, die Schutz bieten. Ausscheidungsverhalten: Schweine können nicht schwitzen. Bei hohen Umgebungstemperaturen suhlen sie in Schlammpfützen, um durch Verdunstung von Wasser sich zu kühlen. Körperpflegeverhalten: Schweine können sich nicht lecken. Sich Kratzen ist nur an wenigen Körperstellen möglich. Hingegen scheuern sich Schweine ausgiebig an rauen Wänden oder Pfosten. Schweine aller Nutzungsformen leiden in heutigen Haltungsformen unter Reizarmut in sehr eintöniger Umwelt. Auf die Verabreichung von Einstreu, Stroh, Gras oder Heu wird aus arbeitswirtschaftlichen und technischen Gründen verzichtet. Sauen werden häufig nur einmal am Tag mit Kraftfutter gefüttert, welches sie in wenigen Minuten gefressen haben. In der übrigen Zeit der Aktivität zeigen sie Verhaltensstörungen wie Leerkauen, Stangenbeißen und Zungenrollen. Diese Verhaltensweisen sind Ausdruck von Mangel an Beschäftigung. Bei Ferkeln und Mastschweinen tritt zusätzlich Schwanz- und Ohrenbeißen und gegenseitiges Benagen an den anderen Körperteilen auf. Diese Verhaltensstörungen können noch durch weitere Stressfaktoren wie zu hohe Besatzdichte, schlechte Stallklimabedingungen sowie Hygiene- und Fütterungsfehler verstärkt werden. Aus diesen Gründen verlangt die neue Richtlinie zur Haltung von Schweinen der EU, dass Sauen mit genügend Rohfaser und alle Schweine Stroh, Heu oder ähnliches langfaseriges Material zur Beschäftigung erhalten müssen. Das Material muss Wühlen, Beißen, Kauen und Fressen ermöglichen.
Die Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen in der 1. Tierhaltungsverordnung, Anlage 5 österreichisches Tierschutzgesetz tragen den oben angeführten Grundbedürfnissen der Schweine jedoch in keiner Weise Rechnung: Erlaubt sind Betonspaltenböden, Fixierung in Kastenständen, wo die Tiere lediglich aufstehen und sich wieder niederlegen können, Kastration ohne Betäubung, Abschleifen der Eckzähne und Kupieren des Schwanzes sind bis zu 7 Tagen ab der Geburt.
Vergleicht man die gesetzlichen Bestimmungen im Tierschutzgesetz mit den Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen in der 1. Tierhaltungsverordnung, wird ein eklatanter Widerspruch sichtbar:
§ 5 Tierschutzgesetz:
(1) Es ist verboten, einem
Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder
es in schwere Angst zu versetzen.
(2) Gegen Abs. 1 verstößt insbesondere, wer
10. ein Tier [...] einer Bewegungseinschränkung aussetzt und ihm dadurch
Schmerzen, Leiden, Schäden oder schwere Angst zufügt;
§ 13 Tierschutzgesetz:
(1) Tiere dürfen nur
gehalten werden, wenn auf Grund ihres Genotyps und Phänotyps und nach
Maßgabe der folgenden Grundsätze davon ausgegangen werden kann, dass
die Haltung nach dem anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ihr
Wohlbefinden nicht beeinträchtigt.
(2) Wer ein Tier hält, hat dafür zu sorgen, dass das Platzangebot,
die Bewegungsfreiheit, die Bodenbeschaffenheit, die bauliche Ausstattung der
Unterkünfte und Haltungsvorrichtungen [...] sowie die Möglichkeit zu
Sozialkontakt unter Berücksichtigung der Art, des Alters und des Grades
der Entwicklung, Anpassung und Domestikation der Tiere ihren physiologischen
und ethologischen Bedürfnissen angemessen sind.
(3) Tiere sind so zu halten, dass ihre Körperfunktionen und ihr Verhalten
nicht gestört werden und ihre Anpassungsfähigkeit nicht
überfordert wird.
§ 16 Tierschutzgesetz lautet:
(1) Die Bewegungsfreiheit
eines Tieres darf nicht so eingeschränkt sein, dass dem Tier Schmerzen,
Leiden oder Schäden zugefügt werden oder es in schwere Angst versetzt
wird.
(2) Das Tier muss über einen Platz verfügen, der seinen
physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist.
Eine Anpassung der 1. Tierhaltungsverordnung Anlage 5 an die gesetzlichen Bestimmungen (Mindestanforderungen für die Haltung von Schweinen) ist daher unumgänglich. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden
ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:
Der Nationalrat wolle beschließen:
Die zuständigen Bundesminister werden aufgefordert,
sowie auf EU-Ebene für folgende Änderungen der EU-Schweinerichtlinie 2008/120/EG einzutreten:
- ein Verbot von Vollspaltenböden
- verpflichtende Einstreu für alle Betriebe
- ein Verbot von Kastenständen
- eine Erhöhung des Platzangebots
- ein Verbot von schmerzhaften Eingriffen ohne Narkose und postoperative Schmerzbehandlung.
In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.
[1] „Praktische Beispiele zur Umsetzung der EU-Schweinehaltungsrichtlinie“, Gumpensteiner Nutztierschutztagung 2002