717/A(E) XXIV. GP

Eingebracht am 09.07.2009
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Musiol, Freundinnen und Freunde

 

betreffend zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit

 

Begründung

 

Die jahrzehntelangen Bemühungen um eine Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit zeitigten bisher noch kein Ergebnis. Der letzte offizielle Entwurf geht auf die Expertengruppe im Bundeskanzleramt zurück und wurde im Juli 2007 zur Begutachtung ausgesandt, doch von den Regierungsfraktionen nicht weiter verfolgt. Statt einer umfassenden Reform wurde im Dezember 2007 mit einer B-VG-Novelle nur ein Asylgerichtshof eingerichtet und noch dazu der Weg zum Verwaltungsgerichtshof abgeschnitten. Daraus ergibt sich, dass Entscheidungen des Asylgerichtshofes von AsylwerberInnen nur mehr beim Verfassungsgerichtshof bekämpft werden können.

 

In den vergangenen Jahren wurden an den Verfassungsgerichtshof durchschnittlich 2500 bis 2800 Rechtssachen herangetragen. Wie dem jüngsten Bericht des Verfassungsgerichtshofs (2008) zu entnehmen ist, rechnet der Verfassungsgerichtshof aufgrund des bisherigen Beschwerdeanfalls nun zusätzlich mit 3500 bis 4000 Beschwerden aus dem Asylrechtsbereich. Diese Arbeitsbelastung stelle ein „äußerst gravierendes Problem“ dar. Die Neuregelung beschwört laut Verfassungsgerichtshof die Gefahr herauf, „dass der Verfassungsgerichtshof seiner ureigensten Aufgabe, vor allem auf dem Gebiet der Normenkontrolle, mehr und mehr entfremdet wird.“

 

Eine dauerhafte Lösung des Problems kann aus der Sicht des Verfassungs­gerichtshofes nur darin bestehen, dass das von der amtierenden Bundesregierung im Regierungsübereinkommen als vorrangig bezeichnete Verfassungsreformprojekt einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit so bald wie möglich verwirklicht wird, und zwar derart, dass der Asylgerichtshof in dieses Konzept in der Weise eingebunden wird, dass gegen seine Entscheidungen sowohl der Verfassungsgerichtshof als auch der Verwaltungsgerichtshof angerufen werden können, wobei beiden Gerichtshöfen die Möglichkeit einzuräumen wäre, die Behandlung derartiger Beschwerden unter bestimmten verfassungsgesetzlich geregelten Voraussetzungen abzulehnen.“

 

In seinem soeben erschienen Jahresbericht 2008 hebt der Verwaltungsgerichtshof hervor, dass sich trotz Wegfalls der Asylrechtssachen an der Gesamtbelastung nichts Wesentliches geändert habe. Nach wie vor sei  in den anderen Gebieten eine steigende Tendenz zu beobachten. Der Rückstau betrage jetzt 12.000 unerledigte Beschwerdefälle. „Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher veranlasst, ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, dass seine dauernde und strukturelle Überlastung mit gravierenden Folgen für den Rechtsschutz der Bürger, das Funktionieren der Verwaltung und die Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandortes verbunden ist. Abhilfe ist allein von der Realisierung des in der verfassungspolitischen Diskussion grundsätzlich außer Streit stehenden und von der amtierenden Bundesregierung im Regierungsübereinkommen als vorrangig bezeichneten Verfassungsreformprojektes der Einführung einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erwarten.“

 

Die Grünen haben sich immer für die Einrichtung von Verwaltungsgerichten ausgesprochen. Im Rahmen des Österreich-Konvents und des Begutachtungsverfahrens zum Expertenentwurf vom Juli 2007 wurden konkrete Eckpunkte einer Reform formuliert, um eine Verbesserung und Leistbarkeit des Rechtsschutzes, die Unabhängigkeit und Qualität der Verwaltungsgerichte und dort wo dies sachlich geboten ist, einen bundeseinheitlichen Vollzug sicherzustellen.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG:

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, möge eine Regierungsvorlage zur Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die insbesondere folgende Eckpunkte umsetzt, rasch dem Parlament vorlegen:

 

1.       Einrichtung von 9 Landesverwaltungsgerichten und vornehmlich einem Bundesverwaltungsgericht.

 

2.       Zusammensetzung:

a)       UVS- sowie Asylgerichtshof-Mitglieder und anderer durch die Reform aufgelöster Organe sind zu übernehmen, soweit sie fachlich geeignet sind. Abgelehnte ÜbernahmewerberInnen haben das Recht der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde.

b)      Die weitere Besetzung sollte im Wege bindender Dreiervorschläge der jeweiligen Vollversammlungen der Verwaltungsgerichte erfolgen.

 

3.       Qualifikation der Mitglieder (Ernennungserfordernisse): Abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium und mindestens fünfjährige Berufspraxis inklusive einer Heranführung ans Richteramt, eine zu bestimmende Quote sollte eine Richterausbildung haben (Richterquote). Das Dienstrecht der Mitglieder der Landesverwaltungsgerichte und  des Bundesverwaltungsgerichts sollte so einheitlich wie möglich sein.

 

4.       Der zulässige Einsatz fachkundiger LaienrichterInnen sollte verfassungsrechtlich umschrieben sein. Mindestqualifikationserfordernisse sind vorzugeben.

 

5.       Die Verwaltungsgerichte sollen grundsätzlich in der Sache entscheiden, eine Zurückverweisung sollte nur in Ausnahmefällen möglich sein. Eine ausreichende Ausstattung der Verwaltungsgerichte mit Sachverständigen ist sicherzustellen.

 

 

6.       Das für alle Verwaltungsgerichte einheitliche Verfahrensgesetz ist unter einem mit dem Entwurf für eine B-VG-Novelle vorzulegen.

 

7.       Kein Kahlhieb der Behördeninstanzen auf eine Instanz wie im Expertenentwurf vom Juli 2007 vorgeschlagen sondern materienspezifisch sinnvolle Lösungen.

 

8.       Im Gemeindebereich sollte die Vorstellung entfallen, der Rechtszug vom Bürgermeister/von der Bürgermeisterin über den Gemeinderat an das Verwaltungsgericht gehen.

 

9.       Sachliche Zuständigkeit: Die Agenden jener Kollegialorgane und weisungsfreien Organe, die bisher beim Bund eingerichtet waren (insbesondere des Umweltsenats), sollen an das Bundesverwaltungsgericht gehen, der Rechtszug vom Bundesminister/von der Bundesministerin sollte ebenfalls jedenfalls zum Bundesverwaltungsgericht gehen, die restlichen Angelegenheiten sollten den Landesverwaltungsgerichten zustehen. Für spezifische Materien sind beim Bundesverwaltungsgericht Fachsenate vorzusehen.

 

10.     In allen Materien steht die Beschwerdemöglichkeit an den Verwaltungsgerichtshof offen, die Gründe für eine Ablehnung der Behandlung sind sehr eng zu fassen. Die einfachgesetzliche Einräumung von Beschwerdelegitimationen ist vorzusehen.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verfassungsausschuss vorgeschlagen.